Ein kleiner Kopf, etwas korpulent, kurze abgerundete Flügel und kräftige Füße – so lassen sich Hühnervögel gut charakterisieren. Leuchten außerdem helle, rundliche Flecken auf dem dunklen Gefieder, handelt es sich um Perlhühner. Und wenn der Kopf mit einem knöchernen Aufsatz – einer Art Helm – geschmückt ist, dann haben wir ein Helmperlhuhn vor uns. Oder gleich mehrere.
In der großen Gruppe der Hühnervögel, die meist am Boden unterwegs sind und bei denen viele Arten auf Bäumen schlafen, bilden die Perlhühner eine eigene Familie mit dem wissenschaftlichen Namen Numididae. Das Helmperlhuhn, um das es in diesem Blogpost geht, ist nur eine der sechs Arten der Perlhuhnverwandtschaft.
Heimisch ist das behelmte Perlhuhn, von der es nochmals rund 30 Unterarten gibt, in Subsahara-Afrika. Auch in Marokko kommt die Art noch wildlebend vor.
Auf dem afrikanischen Kontinent lebt es wild und auch als Hausgeflügel.
Schon lange wird speziell das Helmperlhuhn auch in Europa gehalten und gezüchtet. (Dazu schreibe ich am Ende des Blogbeitrags mehr.) Es steht auf vielen Speisekarten und kommt etwa in Frankreich oder Spanien oft auf den Tisch.
Mit unserem Haushuhn, einer Zuchtform des asiatischen Bakivahuhns, haben Perlhühner allerdings wenig zu tun.
Helmperlhuhn: unverkennbares Outfit
Typisch und unverkennbar ist der knöcherne Höcker auf dem Oberkopf, der mit einer festen Hornschicht bekleidet ist. Was hinter der Helmbildung, entstanden im Laufe der Evolution, stecken könnte, hat der Zoologe Hans von Boetticher¹ in der wunderbaren kleinen Schrift Die Perlhühner (Neue Brehm-Bücherei, 1954, Bd.139, Wittenberg/Lutherstadt bzw. Magdeburg)² auf Seite 10 so formuliert
Der Erwerb dieses Knochen- und Hornhelms dürfte sich wohl als eine nützliche Errungenschaft erwiesen haben, indem dieser Helm sich beim Durchschlüpfen durch das hohe und z.T. scharfe Steppengras und Astgewirr der Dornbüsche mit vorgestrecktem Hals als Kopfschutz sicher gut bewährt…
Auffällig sind die großen roten Hautlappen, die beim Helmperlhuhn und dem nah verwandten Haubenperlhuhn an den Schnabelwinkeln wachsen. Sie werden als Kehllappen bezeichnet, obwohl sie das genau genommen nicht sind.
Übrigens: Männliche und weibliche Perlhühner unterscheiden sich in der Größe und Gefiederfarbe wenig. Aber bei den Herren ist der Kopfbereich durch einen größeren Helm auffälliger, und die Farben des „Kehllappens“ sind ausdrucksvoller.
Ein afrikanischer Scharrvogel
Im ursprünglichen Lebensraum des Helmperlhuhns ist es warm und außerhalb der Regenzeit sehr trocken. Ein Zuviel an Feuchtigkeit ist einer der Gründe, warum die attraktiven und wenig anspruchsvollen Vögel bei uns nicht überleben, wenn sie den Haltern entfliehen oder freigelassen werden.
Mir begegnete das Helmperlhuhn in Namibia – und zwar gleich am ersten Tag in jener berühmten Grünanlage, die sich in Swakopmund an der Meeresküste entlangzieht. Die auffälligen Vögel haben zwischen den Beeten und Büschen offenbar den Status von Stadttauben und werden vermutlich auch gefüttert. Dadurch sind sie jedenfalls nicht scheu und lassen sich wunderbar beobachten.
Faszinierend ist zum Beispiel das Scharren. Mit ihren kräftigen Füßen lockern sie den Boden auf, um darin Würmer, Insekten und andere Nahrung zu finden. Scharrvöge werden sie daher auch genannt.
Aber das Scharren hat noch einen anderen Grund: Staub- oder Sandbaden ist für die Vögel wichtig. Ist der Boden aber zu trocken, muss er aufgelockert werden! Und in die Kuhlen, die beim Scharren und Fegen mit den Flügeln entstehen, kann „man“ sich wunderbar betten.
Und der Tagesablauf
Perlhühner leben gesellig, nur in der Brutzeit separieren sich die Paare. Tagsüber schweifen die Gruppen von meist 10 bis 50 Individuen viel umher, allerdings ist in der heiße Mittagszeit Ruhe angesagt. Dann hocken sie meist im schattigen Gebüsch.
Richtig munter sind sie morgens und nachmittags. Und mit der Dämmerung fliegen sie in ihre Schlafbäume, um dort die Nacht zu verbringen. Das ist auf jeden Fall sicherer als am Boden zu nächtigen, wo gerade abends und nachts hungrigen Großkatzen auf Beutefang aus sind.
Gute Flieger sind Helmperlhühner definitiv nicht: Müssen sie fliehen, dann eilen sie zunächst „zu Fuß“ davon, bevor sie mit ein paar kräftigen Flügelschlägen abheben und sich rasch auf einen Ast oder ins Gebüsch retten.
Ohne Wasser geht es nicht
Das Leben der Helmperlhühner in der „freien“ Natur, also nicht in einer städtischen Grünanlage, sieht nach einem harten Leben aus. Wie Hans von Boetticher auf Seite 34 schreibt, sind sie
Bewohner offener, frei daliegender Landschaften. Die trockene Buschsteppe, die nur mit vereinzelt stehenden Akazienbäumen bestanden ist, offenes Grasland mit wenigen verstreuten Bäumen sind die eigentliche Heimat dieser Vögel.
Damit sie in den ariden Regionen von Subsahara-Afrika überleben können, müssen sie die Möglichkeit haben zu trinken. Dazu nochmals von Boetticher, Seite 34
Eine Hauptbedingung für ihr Vorkommen ist das Vorhandensein von Wasser. Daher werden buschreiche Ufer von Flüssen und Seen gern aufgesucht.
Was es bedeutet, in der Dornbuschsavanne oder gar der Trockensavanne zu leben, konnte ich mir besser vorstellen, nachdem ich einen kleinen Trupp beobachtet hatte, der das Moringa Wasserloch beim Halali-Camp ansteuerte. Es liegt im Etosha-Nationalpark von Namibia.
Zunächst ein Blick auf den Beobachtungstand, der die Vogelguckerin und andere Besucher vor den Sonnenstrahlen schützte. Nach einer Weile kamen zunächst Steppenzebras und ein einzelnes Impala, auch Schwarzfersenantilope genannt, zum Wasser. Dort tranken sie ausgiebig.
Bald darauf erschienen Helmperlhühner. Und wie es bei ihren Touren im Gelände üblich ist: schön hintereinander, gemächlich und nahezu im Gänsemarsch. Nahe des Wassers löste sich die Reihe allerdings auf.
Wenn in der namibischen Savanne der Regen lange ausbleibt, trocknet das Gebiet nach und nach aus. Vor dem beige-braunen Hintergrund sind die Perlhühner dann kaum auszumachen. Dennoch ist der Weg ans Wasser gefährlich.
Sie tranken ausgiebig. Allerdings waren sie immer auf der Hut: Mindestens ein Vogel kontrollierte erhobenen Hauptes das Umfeld, während die anderen tranken.
Wie schon gesagt: Helmperlhühner sind gesellig. Im folgenden Video lässt sich sehr schön erkennen, wie praktisch das gerade in gefährlichen Situationen ist. Da kann man nämlich wechselseitig aufeinander aufpassen: Während die einen trinken, strecken andere den Kopf hoch, scannen die Umgebung.
Lange hielten sich die Helmperlhühner an der Wasserstelle nicht auf. Hier fehlte es an Deckung, und große Greife wie der Kampfadler verschmähen Perlhühner nicht. Kaum war der Durst gelöscht, zogen sie sich wieder zurück und entschwanden in der Weite des Landes.
Heuschrecken – keine Plage
Perlhühner sind, was den Speiseplan angeht, nicht pingelig: Sie nutzen tierische Nahrung wie Würmer, Schnecken und Insekten genauso wie Beeren und Knospen, Sämereien, junges Laub und frisches Gras, außerdem Pflanzenzwiebeln und Knollen. Daher machen sie sich bei der Landbevölkerung äußerst unbeliebt, sobald sie Gärten und Plantagen aufsuchen.
Anderseits werden die gepunkteten Hühnervögel als Lieferanten von Eiern und Fleisch geschätzt. Und sie haben noch einen Vorteil: Heuschrecken sind eine ihrer Leibspeisen! Wenn diese sich stark vermehren und in riesigen Schwärmen umherziehen, profitieren davon die Perlhühner.
Forscher berichteten schon vor über 100 Jahren, dass der Kropf eines Tieres zur Hälfte mit Termiten gefüllt sein kann. Von 5.100 Termiten im einen einzigen Perlhuhnkropf lese ich im Handbook of the Birds of the World (Hrsg. Josep del Hoyo u.a., Barcelona, 1994, Seite 558). Diese Menge wog insgesamt 243 Gramm. Dazu passt eine Anmerkung von Hans von Boetticher, Seite 42
Zu manchen Zeiten sind Kropf und Magen der Perlhühner mit Heuschrecken geradezu vollständig angefüllt, woraus ersichtlich ist, dass diese Vögel in der Bekämpfung dieser in Afrika besonders schädlich auftretenden … Landplage … sehr stark beteiligt sind und daher sich als ungemein nützlich … erweisen.
In Souvenirläden und auf dem Land sind Helmperlhühner zudem eine Einnahmequelle, etwa an diesem Verkaufsstand am Rand der Fernstraße B8 von Namibia nach Sambia und weiter nach Ostafrika. Außer als Töpferware gibt es die behelmten Hühner als Holzschnitzerei, auf Kissen gestickt, auf Tuch gedruckt…
Kurzgefasste Kulturgeschichte
Das Perlhuhn hat eine bewegte Kulturgeschichte: Schon in den altägyptischen Pyramiden von Sakkara sind Perlhühner auf Wandgemälden verewigt. Über 4000 Jahre sind diese alt.
Auch die Phönizier und Griechen kannten Perlhühner. Die Griechen hielten sie offenbar für heilig, so dass die Vögel eher geopfert als gegessen wurden. Die Römer hingegen betrachteten Perlhühner bereits als Lebensmittel, hielten sie zu „Küchenzwecken“ und verbreiteten das Geflügel bei ihren Eroberungszüge quer durch Europa – denn ihre Perlhühner nahmen sie als Fleisch- und Eierlieferanten mit.
Aus dem Mittelalter fehlen Berichte über Perlhühner. Aber bei den Portugiesen, diesen seefahrenden Weltentdeckern, tauchte das Perlhuhn im 15. bzw. 16. Jahrhundert wieder auf: Die Schiffe, die oft in Westafrika Station machten, nahmen die Vögel als lebenden Proviant in Guinea an Bord.
Daher hat die Geflügelgruppe übrigens ihren englischen Namen: Guineafowl. Per Schiff kamen die Perlhühner so nach Amerika und nach Europa. Insbesondere der transatlantische Sklavenhandel sorgte für eine weitere Verbreitung.
Immer war es übrigens das Helmperlhuhn, das die Menschen sich ins Haus holten – also domestizierten. Der Grund: Gerade diese afrikanische Perlhuhnart ist ein Standvogel. Die Tendenz hin und her zu ziehen ist bei ihm noch geringer als bei verwandten Arten.
Und wegen dieser genetischen Disposition eignet sich das Helmperlhuhn zur Haustierhaltung. Das gilt insbesondere, wenn Züchter oder Züchterin die standorttreuesten oder „behäbigsten“ Individuen vermehren. Und was die Haltung auf einem Geflügelhof angeht: Speziell Helmperlhühner gelten als verträglich und kommen auch mit Haushühnern und Enten gut zurecht.
Perlen oder Tränen?
Zu guter Letzt die Sache mit dem Gefiedermuster und die Frage, was der Artname dazu verrät. Der Begriff Perlhuhn steht in der Tradition der Spanier und Portugiesen, die diese Hühnervögel für Europa wiederentdeckten und als „gemalt“ bezeichneten: pintada.
Hans von Boetticher berichtet in seinem Eingangskapitel auf Seite 5, was der biologische Artname meleagris mit der Assoziation von Tränen zu tun hat. Er lässt Ovid zu Wort kommen und bezieht sich offenbar auf Brehm’s Tierleben (1900, Bd. 2, S. 613). Kurz gesagt:
Der wissenschaftliche Name der Helmperlhühner lautet Numida meleagris.³ Während sich der Gattungsname auf das nordafrikanische Reich der Numidier bezieht, geht der Artname auf den Sohn des griechischen Königs Oieneus von Kalydon zurück.
Dieser Sohn hieß Meleagros. Er wurde zu seiner Zeit einerseits als Held verehrt, verursachte andererseits aber großes Leid. Meleagros tötete die Brüder seiner Mutter, auch er selbst starb, und die Mutter nahm sich das Leben. Seine verzweifelten, weinenden Schwestern verwandelte die Jagdgöttin Artemis in eine Schar Vögel, die sofort aufflog. Ihr dunkles Trauergefieder ist angeblich mit den Tränen der Schwestern geschmückt, den weißen Punkten oder Perlen. Soweit die Sage, die sich auch in den Metamorphosen des griechischen Poeten Ovid findet.
Helmperlhuhn | Pintade de Numidie | Helmeted Guineafowl | Numida meleagris
¹ Hans von Boetticher war ein Zoologe seiner Zeit: geboren nahe Sankt Petersburg, beruflich an Zoologischen Gärten und Naturkundemuseen in Bulgarien und Deutschland tätig, viel auf Forschungsreisen in Ostafrika. Und sehr gebildet.
² Die Zeichnungen durfte ich dem Band Die Perlhühner (Neue Brehm-Bücherei Nr. 130) entnehmen. Vielen Dank dafür an die VerlagsKG Wolf in Magdeburg.
³ In dem besprochenen Buch Die Namen der Vögel Europas kommt das Helmperlhuhn nicht vor. Es ist eben keine europäische Art.
0 Kommentare