Schnepfen gehören zu den Watvögeln, die am Strand, im Watt, auf feuchten Wiesen oder an einer Felsküste unterwegs sind. Die meisten sind langbeinig. Viele Arten ähneln einander.
Es gibt aber ein paar besonders auffällige Vertreter, etwa den Säbelschnäbler oder den Austernfischer mit leuchtend rotem Schnabel und ebensolchen Beinen.
Der größte Watvogel ist der Große Brachvogel¹. Etwas kleiner ist der Regenbrachvogel. Ihr Markenzeichen ist der lange und sehr sanft nach unten gebogene Schnabel.
Hauptsache feucht
Watvögel finden ihre Nahrung im Feuchten. Viele stochern im Boden herum, andere suchen auf Wiesen oder traditionell bewirtschafteten Äckern kleine Schnecken und Insekten, oder sie „fischen“ im Flachwasser nach Nahrung.
Sowohl der Große Brachvogel als auch sein naher Verwandter, der Regenbrachvogel, zählen zur Familie der Schnepfenvögel. Bei beiden verrät bereits der Name, wo sie sich gerne aufhalten und vor allem brüten: auf brachliegenden Flächen.
Mit „Brache“ war früher meist das moorige oder jenes allzu feuchte Gelände gemeint, das der Landwirt sowieso links liegen ließ. Auch ein vorübergehend nicht bewirtschafteter Acker gehört dazu. Heute gibt es zu wenige Brachen. Darum sind Natur-geschützte Regionen an der Küste oder an Flussläufen und wieder vernässte Flächen so wichtig. Sie bieten den Watvögeln noch den Lebensraum, den sie brauchen.
Brutgebiete: nah und fern
Obwohl der Große Brachvogel selten und sein Bestand bedroht ist, brüten in Deutschland immerhin zwischen 3.700 und 5.000 Paare, lese ich im bereits gelobten Atlas deutscher Brutvogelarten. Die meisten von ihnen nisten im Norddeutschen Tiefland, aber auch an der Havel und an der Donau gibt es Brutpaare.
Die wichtigsten Brutgebiete liegen allerdings in Finnland und weiter östlich zwischen Moskau und dem Weißen Meer. Das haben Biologen von der Universität Kiel mit leichten GPS-Sendern, die im Gefieder der Vögel befestigt wurden, herausgefunden.² Und ich habe es unter Blogs, Books und Infos kurz zusammengefasst.
Und der Schnabel
Der Schnabel des Großen Brachvogels ist manchmal enorme 16 cm lang und von der Mitte an leicht nach unten gebogen. Das hilft ihm auf dem Land, Nacktschnecken und Regenwürmer, Käfer, Spinnen oder Weberknechte zu fangen. Aus dem Wasser holt er sich zum Beispiel Insektenlarven und Wasserkäfer, Krebse und Meeresschnecken. Aber wer hätte das gedacht: Vor allem zur Brutzeit – also speziell im hohen Norden – frisst er auch Heidelbeeren und andere Beeren.
Für mich ist dieser Schnabel, der gut 2 cm lang und ganz gerade ist, wenn das Küken aus dem Ei schlüpft, schlichtweg faszinierend: Er wächst im ersten Jahr auf über 10 cm an und danach – mit Biegung – noch langsam weiter.
Im Wattenmeer
Wer den Großen Brachvogel sehen möchte, kann das am ehesten im Wattenmeer der Nordsee. Hier rasten zeitweise tausende von ihnen, wenn sie Anfang Juni aus ihren Brutgebieten im hohen Norden zurückkommen. Und je nach Witterung überwintern die großen Schnepfen auch bei uns. Oder sie fliegen – wenn es ihnen zu ungemütlich wird – über die Niederlande in Richtung französische Atlantikküste weiter.
Eine größere Anzahl dieser stattlichen Schnepfen habe ich im Sommer auf Wangerooge photographiert. Die Natur der Insel ist im Bereich des Watts besonders streng geschützt. Nur so bekommen die Vögel jene Ruhe, die sie brauchen. Aber mit einem Fernglas, mit Spektiv oder einem guten Kameraobjektiv kann man dort viele Vogelarten mit respektvollem Abstand gut beobachten.
Zugvögel sind viel in Bewegung und fliegen auch bei leichten Störungen auf. Hier hob ein ganzer Schwarm Austernfischer ab. Die großen Schnepfen blieben hingegen ruhig sitzen.
Am Lavastrand
Ich möchte jetzt noch den Regenbrachvogel vorstellen, den man bei uns seltener sieht. Ich hatte letzten Dezember das Glück, einen sehr aufmerksamen und fotogenen Vertreter an der Nordküste von Fuerteventura anzutreffen. Am Spülsaum suchte er nach Meeresschnecken, Muscheln oder Krebschen. Manchmal flog er auf einen der Lavabrocken. Vielleicht wollte er so zu mir und der Kamera auf Abstand gehen.
Der Regenbrachvogel ist zwar etwas kleiner als sein großer Bruder, aber sein Verbreitungsgebiet ist größer: Während der Große Brachvogel von Island ausgehend fast überall in Europa und bis in die Mongolei vorkommt, bewohnt der Regenbrachvogel zusätzlich Alaska und Kanada. Außerdem sieht man ihn häufiger an felsigen Küsten, und sein Winterquartier findet er weiter südlich: auch an Korallenriffen und in Mangrovensümpfen.
Regenbrachvögel ernähren sich ähnlich wie Große Brachvögel: Im Binnenland suchen sie Insekten, Schnecken und Regenwürmer. Am Meer schnappen sie nach Krebsen und Garnelen, Sandhüpfern und Meereschnecken. Außerdem ernähren auch sie sich manchmal von Beeren. Und wohl nicht nur manchmal, wie ich bei Johann F. Naumann lese (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 3. Aufl., Bd. IX, S. 156): Die Heidelbeeren
soll er sogar zuweilen in solcher Menge geniessen, dass sich sein Unrat davon ganz blau färbt. Der Name Blaubeerschnepfe gründet sich hierauf, denn Blaubeeren heissen die Heidelbeeren in vielen Gegenden Deutschlands und weiter nordwärts. Er besucht daher die freieren Gegenden, wo sie wachsen, sehr häufig.
Um die beiden bräunlich gemusterten Brachvogelarten zu unterscheiden, muss man schon genau hinschauen. Mir half dabei der Kosmos Vogelführer von Lars Svensson: Der Regenbrachvogel ist nicht nur kleiner, auch sein Schnabel ist nicht so lang. Kennzeichnend ist ein schwarzer Strich, der „Zügel“ genannt wird und sich vom Schnabel zum Auge zieht. Außerdem: Auf dem Scheitel kann man beim Regenbrachvogel eine weiße Strichzeichnung entdecken.
Am Indischen Ozean
Und wie der Zufall manchmal so mitspielt: Auch an der Küste des Oman sah ich den Großen Brachvogel. Im sumpfigen Naturschutzgebiet der Hauptstadt Maskat wollte ich ursprünglich die Spiegelung der Möwenschaar fotografieren, die sich auf einer Sandbank niedergelassen hatte.
Doch dann sah ich außer den Möwen, drei Glanzkrähen und „ihn“. Ich vermute, dass dieser Große Brachvogel Ende März bereits auf dem Weg in die nördlichen Brutgebiete war. Er gehört offenbar zu einer russischen oder innerasiatischen Population, die im Spätsommer weit östlich vom Mittelmeer nach Süden fliegt, um der winterlichen Kälte im Norden zu entkommen.
Ein Stopp Over am Golf von Oman, also am Rand des Indischen Ozeans, ist für viele dieser nach Afrika ziehende Watvögel nichts Ungewöhnliches.
¹ Neuerdings heißt der Große Brachvogel nur noch schlicht „Brachvogel“.
² P. Schwemmer u.a., Migration routes of Eurasian Curlews (Numenius arquata) resting in the eastern Wadden Sea based on GPA telemetry
(Großer) Brachvogel | Courlis cendré | Eurasien Curlew | Numenius arquata
Regenbrachvogel | Courlis corlieu | Whimbrel | Numenius phaeopus
Ich habe Deinen Bericht mit großem Interesse gelesen – gestaunt über die unglaublich gelungenen Aufnahmen,
besonders die des Regenbrachvogels !!! Ich habe in den 60iger Jahren auf Norderney gewohnt (befreundet mit einem
örtl. Ornithologen) und freue mich darüber, daß die Schutzgebiete von Erfolg gekrönt sind. Damals war die Vogel-
schar noch sehr breit gefächert. Sehe noch vor mir die großen Mantelmöwen 🙂 Auch habe ich erlebt, wie das
Vogelschutzgebiet auf der Insel dank der Initivative von Dr. M. Temme gegründet wurde. Ich wünsche mir, daß
es so bleibt.
Als „Norddeutsche“ kenne ich fast alle ostfriesischen Inseln und bin sehr froh, dass der Naturschutz im Wattenmeer sich durchsetzen konnte. Neue Probleme gibt es natürlich durch die Windparks, aber freuen wir uns mal, was durch Naturschutz und viele engagierte Leute dort gelungen ist.