Dieser Seeregenpfeifer war im Februar an der Küste des Omans auf Nahrungssuche. Er hat vermutlich schon einige hundert Kilometer hinter sich und wohl viele hundert Kilometer noch vor sich. Denn die kleinen Regenpfeifer fliegen enorme Strecken, um den Winter in wärmeren Regionen zu verbringen.
Fast alle Seeregenpfeifer überwintern in Afrika. Im Frühjahr ziehen sie dann entweder längs der ostafrikanischen Küste bis ans Schwarze Meer oder Kaspische Meer. Oder sie fliegen auf der westafrikanischen Seite nach Norden und bleiben für die Brut an der französischen Atlantikküste oder am Mittelmeer. Andere suchen zum Brüten die Küsten von Nord- und Ostsee.
Dort, wo die Wellen an den Strand schlagen, ist der Lebensraum des Seeregenpfeifers. Er flitzt am Spülsaum herum, hat mit seinen großen Augen alles im Blick, was das Meer anspült oder sich im feuchten Boden regt.
Der legendäre Ornithologe Johann F. Naumann beschrieb das in dem Klassiker „Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas“ ehemals so (1900, Aufl. 3, Bd. VIII, S. 57):
Man sieht ihn auf den Rasenflächen herumlaufen, sich öfters bücken und etwas aufnehmen, auch fliegt er zu Ebbezeiten auf die Watten oder liest dort fleißig auf, was die See zurückliess, oder er fängt es in stehengebliebenem Wasserpfützen, wo man ihn nicht selten im seichten Wasser herumwaten sieht.
Bedroht
Leider brüten an der norddeutschen Küste seit Jahren immer weniger Seeregenpfeifer. In Schleswig-Holstein ist der Bestand zwischen 1970 bis 2005 um Zweidrittel geschrumpft: von 600 auf 200 Brutpaare.
Das entnehme ich dem zusammenfassenden Bericht des NABU für das Umweltministerium von Schleswig-Holstein (Dominic V. Cimiotti u.a., Möglichkeiten zum Erhalt der Brutpopulationen des Seeregenpfeifers in Schleswig-Holstein – Untersuchungen 2015). Der Bericht beginnt so:
Der Seeregenpfeifer (Charadrius alexandrinus) gehört zu den in Deutschland vom Aussterben bedrohten Brut- und Gastvogelarten.
Und wer ist schuld an der Misere? Viele Faktoren spielen eine Rolle. Zum Beispiel vernichten Füchse und andere Prädatoren oft Eier und Küken der kleinen Bodenbrüter. Außerdem geht dem Seeregenpfeifer durch touristische Nutzung und Küstenschutzmaßnahmen notwendiger Lebensraum verloren. Dem versucht man in Schleswig-Holstein nun mit einem gezielten Naturschutz-Management entgegen zu treten: Abschuss von räuberischen Marderhunden, Vogelberingung, Absperrung von Brutgebieten, Kontrolle der Nester.
Ergötzlich
Dass es sich unbedingt lohnt, diesen flinken Watvogel zu schützen, indem man seinen Lebensraum absichert, hat Johann F. Naumann in Worte gefasst, die uns heute vor allem schmunzeln lassen (S. 58). Aber wer das Glück hat, Seeregenpfeifer zu entdecken, kann sich durchaus an dem possierlichen Langstreckenflieger ergötzen …
Das muntere fröhliche Wesen dieser lieblichen Geschöpfe zieht auch die Aufmerksamkeit schlichter Menschen auf sich und dient zu Zeiten zur ergötzlichen Unterhaltung.
Seeregenpfeifer haben einige recht ähnliche Verwandte: den etwas größeren Sandregenpfeifer, den Flußregenpfeifer – der im Binnenland zu sehen ist – und den wunderschönen Goldregenpfeifer, der bei uns auf dem Weg in seine skandinavischen Brutgebiete nur durchzieht. Auffällig und typisch für den Seeregenpfeifer sind seine dunklen Beine, die beim Fluss- und Sandregenpfeifer gelb sind. Das half mir übrigens auch ihn in der Nähe von Muscat, am Golf von Oman, zu identifizieren.
Seeregenpfeifer | Gravelot à collier interropu | Kentish plover | Charadrius alexandrinus
Du weißt natürlich, dass es Schutzzonen an der Küste gibt, die man nie – oder zumindest nicht zur Brutzeit bodenbrütender Watvögel – betreten darf. Denn viel zu leicht übersehen Fußgänger ein Gelege. Um Eier und Junge aber vor Prädatoren wie Fuchs und Marder zu schützen, stellt man zum Beispiel beim Sandregenpfeifer Drahtkörbe über Nester mit Eiern. Der Altvogel kann durch das Gitter raus und rein schlüpfen – also weiter brüten. Zusätzlilch sichern Naturschützer die Gelege manchmal durch einen Drahtzaun. Beides kann aber nicht immer verhindern, dass etwa Krähen, ihren Kopf durch das Drahtgeflecht stecken und an die Eier kommen. Sehr gut beschreibt das Jan Goedelt in der aktuellen Ausgabe von „Vögel“ (2/2017, S. 24) ff) und liefert dazu von der Balz und den Jungen des Sandregenpfeifers schöne Fotos.
Das ist mal wieder sehr spannend berichtet! Danke! Bleibt die Frage, wie man solche Bodenbrüter konkret schützen könnte… ? Gibt’s da schon Erfindungen?