Flügge werden im Habichthorst

Weißer Habicht lugt über den braunen Nestrand.Für Habichte beginnt bereits im Winter die Fortpflanzungszeit: Das männliche Tier, der Terzel, besetzt das Revier und entweder legt er einen Horst neu an oder repariert den vorjährigen. Manchmal okkupiert er auch einen fremden Nistplatz, zum Beispiel ein Bussardnest, und baut ihn aus. Von Zeit zu Zeit lässt der Terzel seine eindringlich gickernden Rufreihen hören, um eine Habichtdame auf sich aufmerksam zu machen.

Die Balz beginnt bereits im Januar, Mitte März oder Anfang April legt das Weibchen im Abstand von etwa zwei Tagen zwei bis vier Eier, und Anfang Mai sind dann die Jungen geschlüpft.

Bäumchen wechsle dich

In diesem Jahr war ich gespannt, ob erneut ein Habichtpaar im nahen Stadtpark brüten würde, in dem 2018 aufmerksame Berliner das Großwerden der Jungen miterleben konnten – inklusive der Beringung. Denn im Herbst hatte ein heftiger Sturm den Horst aus dem Wipfel der Metasequoia, einem Mammutbaum, gefegt.

In einer Astgabel sitzt das zottelige Nest des Habichts, der sich gerade dort niedergelassen hat.
22. März: Die Buche ist noch kahl. Aber das Nest ist bereitet.

Bereits im Januar und Februar hörte ich den Terzel, der also wieder im Stadtpark unterwegs war. Aber dieses Mal hatte er sich zum Nestbau eine kräftige alte Buche ausgewählt.

Ein Weibchen ließ nicht lange auf sich warten. Dass es ein anderes war als im Vorjahr, erfuhr ich von einem Kollegen aus der Berliner NABU-Greifvogelgruppe, der per Spektiv ihren Kennring ablesen konnte. Vermutlich hat die Vorgängerin den Winter nicht überlebt.

Zuverlässiger Schutz

Ende März zeigte sich, dass die zahlreichen Kopulationen erfolgreich waren. Denn die neue „Dame“ saß bereits auf dem Nest, vermutlich war zumindest das erste Ei schon gelegt. Anfang April öffneten sich die ersten hellen Blattknopsen und der Horst wuchs nach und nach zu. So entstand ein wunderbarer Schutz vor Wind und Wetter, vor den lästigen Nebelkrähen und Kolkraben – die immer wieder Attacken auf die Habichte flogen – und vor zu viel Sonne bei steigenden Temperaturen.

Aus dem Nest hoch oben in der Astgabel lugt die Schwanzspitze des Weibchens hervor.
4. April: Da brechen die Blattknospen auf. Von der brütenden Habichtdame sieht man meist nur die Schwanzspitze.
Umgeben von dem saftigen Grün der Buch, ruht in einer Astgabel der Horst.
20. April: Der Horst ist genial verborgen, nur an wenigen Stellen konnte ich ihn durch das Geäst entdecken.
Aus dem Grün der Buche schaut der Oberkörper der Habicht"dame" hervor.
22. April: Nur selten lässt sich die brütende Habichtdame blicken, etwa wenn sie sich dreht oder der Terzel Futter bringt.

Arbeitsteilung am Nest

Bei Habichtpaaren herrscht weitgehend Arbeitsteilung: Während das größere und kräftigere Weibchen Revier und Nest bewacht und wochenlang brütet, schlägt der Terzel Beute und legt sie nahe am Horst für das Weibchen ab.

Aufmerksam blickender Habicht auf einem Lärchenast.
Die Beute im Blick, aber offenbar nicht übermäßig hungrig.

Anfang April konnte ich zufällig beobachten, wie der Habicht zwei ins Paarungsspiel vertiefte Eichhörnchen entdeckte. Sie tobten um den Stamm herum, bis eines von ihnen verschwand. Das andere wurde viele Minuten vom Habicht fixiert. Denn Eichhörnchen sind eine seiner „Leibspeisen“.

Eichhörnchen am Stamm.

Der possierliche Nager hatte zweifellos die Gefahr erkannt.

Er saß dem Greif direkt gegenüber an einem Lärchenstamm und klammerte sich wie erstarrt an einen kleinen Ast.

Lange wagte sich das Eichhörnchen nicht von der Stelle.

Irgendwann huschte es aber doch davon.

Der Tisch ist gedeckt

Wenn der Terzel mit einer Taube, einem Eichelhäher, einem Eichhörnchen oder anderer Beute kommt, legt er sie meist auf einem waagerechten Ast in Horstnähe ab und ruft das brütende Weibchen. Sobald sie entschieden hat, dass es ungefährlich ist, das Gelege zu verlassen, fliegt sie dorthin, um zu fressen.

Bei einem meiner Besuche am Horst hatte ich den Terzel laut rufen hören, konnte aber seinen Standort – verborgen hinter Lärchenzweigen – zunächst nicht entdecken. Darum hier zunächst nur das Gickern und dann die Ablagestelle für Beute.

 

Der Terzel steht auf einem Ast un druft mit geöffnetem Schnabel das Weibchen herbei.
Der Terzel hat Beute abgelegt und ruft die „Dame“.

Im weißen Dunenkleid

Wenn nach etwa 38 Tagen Brutzeit die Jungen schlüpfen, ist es in Berlin meist Ende April oder Anfang Mai. Zunächst sieht man von ihnen gar nichts, aber nach etwa 2 Wochen lässt sich manchmal ein weißer Kopf über dem Nestrand blicken. Anfangs tragen die Jungen ein sehr helles, plüschiges Federkleid aus Dunen – auch Daunen genannt –, das vor allem wärmen soll.

Junger Habicht in weißem dunenkleid lugt aus dem Nest.
24. Mai: Nestjunges im Dunenkleid

Wie agil und aufmerksam die Nestlinge sind, illustriert der folgende Videoausschnitt. Via Kopfhörer hört man auch, was es bedeutet, in einer Großstadt groß zu werden, wo nicht nur Rasenmäher lärmen, sondern auch gleich nebenan menschliche Wohnungen renoviert werden.

Während am 24. Mai 2019 dieser Jungvogel – offenbar ein Nachkömmling – noch ein rein weißes Dunenkleid trägt, sind bei seinen drei Geschwistern schon kleine braune Federn gewachsen. Aus ihnen entsteht das bräunliche Jugendkleid mit seinem hübschen Tropfenmuster auf der Bauchseite.

Junger Habicht in bräunlichem Gefieder sitzt im bräunlichen Nest.
24. Mai: Die älteren Geschwister bekommen schon das bräunliche Jugendgefieder. Und die weißen Dunen lösen sich.
Mit bräunlichem Federschmuck kaum zu entdecken.
Das bräunliche Gefieder macht Sinn, denn nun bleiben die Nestlinge oft allein und sind gut getarnt.

Ausgeflogen

Bei meinem nächsten Besuch, nur zwei Wochen später, war der Horst leer! Aber alles gut: Die Jungen waren „flügge“, wie man bei Jungvögeln sagt. Aus den Nestlingen waren „Ästlinge“ geworden. Sie saßen oberhalb des Horstes im Wipfel der stattlichen Buche und kamen nur herab, wenn sie im Horst ruhen wollten oder ein Altvogel dort Futter ablegte. (Wie üblich lassen sich alle Fotos im Blog durch Anklicken vergrößern.)

Beim Beringen am 18. Mai hatte sich übrigens gezeigt, dass in diesem Jahr vier gut entwickelte Junge im Horst groß geworden waren: drei Weibchen und ein Männchen. Der jüngste Nachkömmling, knapp drei Wochen alt, erwies sich als ein munterer weiblicher Habicht und hatte – wie seine Geschwister – mit den fusseligen Dunen einiges zu tun. In der Zeit des Gefiederwechsels schütteln sich die Jungen immer wieder und zupfen sich die lockeren Federchen vom Leib.

Ein brauner Rückenund braune Tropfenmuster auf hellem Grund kennzeichnen das Jugendgefieder.
6. Juni: Die letzten Dunen lösen sich, wenn sich die neuen Federn herausschieben. Und dabei entsteht auf der Vorderseite das getropfte Jugendkleid.

⇒ Wie es mit den Junghabichten weiterging und wie sie die Beute zerlegten, erzähle ich in einem später Blogpost.

Habicht | Autour des palombes | Goshawk | Accipiter gentilis



Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

5 Kommentare zu “Flügge werden im Habichthorst

  1. Es ist wohl wahr: eine solche faszinierende Entwicklungsgeschichte aus der Vogelwelt habe ich noch nicht gesehen. Möglicherweise bin ich auch deswegen begeistert, weil ich den Blog erst seit kurzem kenne. Ich schaue jetzt viel häufiger gen Himmel und frage mich, ob ich vielleicht etwas Besonderes sehe, ohne es zu wissen. Vermutlich ist es aber nicht so, dafür braucht es wohl den geschulten Blick.

    1. Vielen Dank für diese schöne Rückmeldung. Ich freue mich, wenn immer mehr Menschen auf die Vögel achten. Für Vogelbeoachtung braucht man etwas Zeit, darum ist es gut, ihrem Treiben etwa von einer Parkbank aus zuzuschauen. In Berlin sind auch Friedhöfe ideale Ort, weil dort die Tiere an Menschen gewöhnt sind. Ich habe ein paar Punkte zum Birding schon früher einmal aufgeschrieben; zu finden in der Rubrik Wissenswertes unter Mensch&Vogel. Die Tipps stehen fast am Ende des Textes.

  2. Liebe Elke Brüser !

    Vielen Dank für den Link zum Fischadlernest in Estland.
    Die Kamera dort ist ja so gut angebracht dass man meint, man sitzt mit im Nest. Ich bin so begeistert, dass ich jetzt jeden Tag vorbeigucke . Es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken.
    Auch anderen Live Kameras dort sind sehr interessant.

    Herzliche Grüsse von

    Gabriele Jäger

    1. Liebe Gabriele Jäger, ich bin auch immer wieder ganz begeistert, denn wer kann schon in den Horst von Fischadlern schauen. Die drei Jungen sind schon sehr kräftig geworden und wurden gerade wieder mit Fisch gefüttert. Wer ebenfalls neugierig ist: http://pontu.eenet.ee/player/kalakotkas2.html
      Und hier noch der Hinweis: Auf der Startseite meines Blogs ist jetzt ein Fischadlerhorst in Brandenburg zu sehen … hoch oben im Strommast. Meinem Eindruck nach werden dort bei der StromMastBesetzung zwei Junge groß.
      Auch von mir herzliche Grüße!

  3. Oh welch hinreißendes Bild vom Habichtküken! wie cool ist das denn. So fängt meine Woche gut an. Musste ich unbedingt auf Facebook und in meinem WhatsApp-Status posten. Danke dir für diesen Artikel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert