Jeder kennt Tauben. Hat sie als Kind vielleicht gefüttert, vielleicht auch weggescheucht, später sich über ihren Kot geärgert oder auch über ihre großartigen Fähigkeiten gewundert – etwa der Brieftauben, aus der Ferne wieder heimzufinden. In Großstädten wie Berlin haben wir es meist mit Straßen-, Stadt- oder Haustauben zu tun, die übrigens nahe Verwandte der Felsentaube sind.
Die Prächtige
In meinem Garten aber, da wohnen die etwas gemächlichen, pastellfarbenen Ringeltauben. Besser gesagt, sie verbringen hier oft viele Stunden: knabbern an den Blüten der Robinie, flattern in die Birke, dösen auf einem der Äste des Ahorns und knipsen sich Zweige ab, wenn wieder einmal Nestbau angesagt ist. Und die Tauber lassen ihr stimmungsvolles, irgendwie tiefgründiges „Huhuhuhu“ hören.
Vor allem morgens sitzen die Ringeltauben meist paarweise in der Nähe des Schornsteins und lassen sich in der Heizperiode dort wärmen oder aber von der aufgehenden Sonne bescheinen. Mal sind es zwei oder drei Täubchen, manchmal auch mehr. Gegen Abend halten sie dann in den Baumwipfeln den Bauch der untergehenden Sonne entgegen. Das beobachte ich sowohl im Sommer, als auch im Winter. Denn aus der Stadt ziehen sie in der kalten Jahreszeit nur dann weg, wenn es sein muss. Meist muss es nicht sein, denn sie finden genügend Futter und ein warmes Plätzchen.
Ringeltauben sind ursprünglich Waldbewohner, haben aber längst die Gärten, Friedhöfe und Parkanlagen von Großstädten erobert. Sie ernähren sich vor allem von Körnern und Sämereien. Manchmal werden sie – wie andere Tauben auch – von einem Habicht erbeutet.
Erst durch einen Satz im „Naumann” (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1905, Bd VI, S. 22) habe ich verstanden, was meine Ringeltauben immer in der blühenden Robinie treiben: Sie fressen die Blüten, die im späten Frühjahr mit weißen Trauben die knorrigen Bäume schmücken.
Zu den ungewöhnlichen Nahrungsmitteln gehören außer Baumknospen, auch männliche Blütenkätzchen von Buchen…
Demnach haben sie es auf die Knospen und Blüten abgesehen. Verständlich, denn bei der Gewöhnlichen Robinie (Robinia pseudoacacia) bilden die Blüten viel Nektar, der zur Hälfte aus Zucker besteht. Das scheint den Ringeltauben zu schmecken. Und Bienen, die Pollen und Nektra sammeln sammeln, produzieren daraus den hellen Akazienhonig. Das entnehme ich dem wirklich nützlichen Kosmos-Baumführer Europa von Margot und Roland Spohn (Stuttgart 2011).
Der Straßenfeger
Zu der Familie der Taubenvögel zählen weltweit fast dreihundert Arten. Meistens erkennt man sie auf den ersten Blick: kurzer Schnabel, kleiner Kopf, etwas klobiger Körper, kurze Beine – das sind eigentlich die Füße – , im Gefieder dominieren graue, braune und grüne Töne, oft mit einem metallischen Glanz.
All das sieht man bei den Haus- oder Straßentauben auf den ersten Blick, sei es im südfranzösischen Albi, bei den Stadttauben in Berliner Bahnhöfen oder auf Venedigs San Marco Platz.
Typisch für Tauben ist noch etwas: Sie müssen nicht, wie die meisten anderen Vögel, das Wasser portionsweise mit dem Schnabel löffeln und jedes Mal den Kopf heben, um es zu herunter zu schlucken. Tauben können das Wasser einschlürfen! Im Urania Tierreich heißt es dazu (Bd. 5, Vögel 2, Rowohlt 1974, S. 225):
Sie tauchen den Schnabel ganz ins Wasser und saugen es in stetigem Strom ein.
Die Stammform
Unsere städtischen Straßentauben (Columba livia f. domestica) gehen auf die Felsentaube (Columba livia) zurück. Die nahe Verwandtschaft lässt sich sofort dem wissenschaftlichen Namen entnehmen.
Meine erste Felsentaube sah ich zufällig auf Fuerteventura, dort wo vulkanische Eruptionen Felsformationen aus Lava hinterlassen haben. Kein Wunder, dass sich ein Felsentaubenpaar dort eingefunden hatte.
Felsentauben sollen bereits vor fünf Jahrtausenden von Menschen gehalten und gezüchtet worden sein. Auf diese ursprüngliche Art gehen nicht nur die Haustauben zurück, sondern über 100 teils skurrile Zuchtformen – mit Schmuckfedern, langen Hälsen oder der angeborenen Tendenz, in der Luft Purzelbäume zu schlagen.
Die Weitgereiste
Sie wirkt mit ihrem blassen, pastellfarbenen Gefieder äußerst zart und doch hat sie es weit gebracht: die Türkentaube. Ihr ursprünglicher Lebensraum wird in Indien und Süd-West-China verortet. Von dort erreichte sie im 16. Jahrhundert Kleinasien, wurden von den Türken geschätzt und gepflegt, vermehrte sich stark und kam über die Balkanländer nach Westeuropa. In Deutschland brütet sie nachweislich seit 1946. Und einige Türkentauben leben auch in Berlin, so der „Berliner ornithologischer Bericht“ von 2016. So weit hat es die wärmeliebende Palmtaube noch nicht gebracht.
Kennzeichnen für die Türkentaube ist das lichtgraue bis lichtbraune Gefieder und ihr schmales schwarzes Nackenband.
Mir begegnete die Türkentaube – sie war meist mit ihrem Partner unterwegs – in Südfrankreich zwischen Atlantik und Pyrenäen. Und gerne erinnere ich mich an ihre gurrenden oder girrenden Rufe auf dem Hausdach oder aus den Pinien.
Die Lautäußerungen von Tauben sind übrigens sehr unterschiedlich, statt des Gurrens sind sie manchmal zischend oder fauchend. Die vielen Arten werden heute schlicht als Taubenverwandte (Ordnung Columbiformes) zusammengefasst. Besser gefällt mir aber der Oberbegriff, den ich bei einem der angesehensten Ornithologen des 19. Jh. finde. Johann F. Naumann sprach von Girrvögeln und fasste sie in der Ordnung Gyrantes zusammen.
Taube | frz. pigeon/tourterelle | engl. dove/pigeon | Familie der Taubenvögel = Columbidae (lat.)|
Tolle Geschichten! Dank an Charly!
Bei chefkoch.de gibts übrigens rund 30 Tauben-Rezepte…. Der Renner ist wohl „Gefüllte Tauben nach Art des Steigerweibs“ … ein Fake ist das Rezept zu „Blinde Tauben“, das ist nämlich eine Süßspeise.
Das ist nun mal ein Kommentar, der es in sich hat und wahrlich ganz neue Aspekte auf den Tisch bringt. Brehm und Naumann klären mich übrigens auch oft über die Schmackhaftigkeit oder Ungenießbarkeit eines Bratens auf … das unterschlage ich aber.
Jedenfalls: Danke Charly.
als kleiner junge war ich oft bei meinem onkel heini, taubenzüchter und bauarbeiter in hamburg, gestorben kurz nach seiner pensionierung an staublunge, hat immer zement in den mischer geschippt, ist ihm nicht gut bekommen… der hat auch ein taubenhaus gehabt. das musste ich immer mit dem spachtel reinigen und kälken. danach hatte ich milben, die gingen aber von selbst wieder weg, denn so ein schönes bad gab´s nicht… jedenfalls musste ich auch den tauben gipseier unterlegen, weil ich garnicht so vielen jungtauben den kopf abdrehen (ja, man muss ihn drehen und reißen) konnte, wie da ausgebrütet wurden.
jungtauben (der schnabelaufsatz ist dann noch rosa), von meiner tante minna zubereitet, waren eine köstlichkeit, letztmalig dann wieder mal bei einer radtour an der tauber genossen, denn man kommt selten in den genuß: wir sind glatt noch einen tag länger in dem gasthof geblieben, der ausser den im teigmantel gebackenen täubchen auch einen schönen spruch über dem tresen hängen hatte: man gebe mir die fähigkeit, mein maul so lange zu halten bis ich weiß, was ich sagen will.
tante minna und onkel heini (dazu hießen die noch müller!) hatten auch zwei tauben, die auf namen hörten, welche, habe ich vergessen. die kamen auch in die küche und setzten sich auf die schultern. und wenn du mal über spatzen schreibst, erzähle ich dir, was ich mit denen gemacht habe. solltest du aber zart besaitet sein, lass ich das lieber. nur so viel: die kann man auch essen!
immerhin wußte ich nicht, wie tauben trinken. deshalb mach bitte weiter.