Zu diesem Blogpost hat mich letztlich das Bild einer Malerin verführt. Sie lässt den Säbelschnäbler, der an sich schon eine faszinierende Erscheinung ist, sehr aufrecht durch eine bizarre roségetönte Landschaft schreiten. So sah ich den Säbelschnäbler nie.
Anderseits: Die Berliner Malerin Ursula Köppl hat das matte Grau des Watts, das sich bei Sonnenuntergang durchaus fast surreal mit Violett- und Rosétönen mischen kann, wunderbar eingefangen.
Und ihr Säbelschnäbler geht darin nicht unter. Ganz im Gegenteil.
Meine erste Begegnung mit dem schwarz-weiß gefiederten Vogel liegt schon etwas zurück. Mit seiner auffälligen Zeichnung überraschte er mich auf der Hallig Hooge, wo er genau das tat, was für ihn so typisch ist: Er watete durch ein flaches Gewässer und säbelte. Das gehört nämlich zu seiner Art der Nahrungsbeschaffung.
Kleine Schnabelkunde
Der Schnabel ist lang, sehr dünn und markant gebogen. Was das bedeutet, hat der große Ornithologe Johann F. Naumann so gut aufgeschrieben, dass ich ihn wieder einmal zitieren möchte (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. VIII, S. 145):
Ein solcher Schnabel kann wegen seiner Schwäche und allzugroßer Biegsamkeit an der Spitze weder eine Zange noch wegen seiner Härte und dichten Konsistenz jemals ein Tastwerkzeug heißen…
Und beim Fressen gebraucht er ihn
… niemals wie andere Schnepfenvögel, weder zum Stechen und Wühlen im Schlamme, noch zum einzelnen Auflesen der Nahrung vom Boden; dazu ist seine Spitze offenbar viel zu dünn; sie würde entweder bei härteren Gegenständen bald abbrechen oder zum Festhalten lebender Geschöpfe aus Schwäche nicht genügend kneipen, da sie sogar öfters nicht ganz genau schließt.
Die Evolution hat dem Säbelschnäbler zur Schnabelkonstruktion natürlich die passende Fangtechnik „geliefert“. Sie ist einmalig, und am ehesten mit dem Seihen von Flamingos zu vergleichen. Auch deren Schnabel ist stark gebogen, aber kurz und kräftig. Und sie durchseihen das Wasser ebenfalls, allerdings kopfüber.
Im Schnabelinneren verlaufen beim Säbelschnäbler zwei scharfkantige Leisten, an denen sich Fischrogen und Krabbenbrut, kleine Wassertiere und Wasserpflänzchen verfangen, bevor sie rasch verschluckt werden. Zur Art des Säbelns nochmals Naumann: Der Vogel
fährt mit dem ein wenig geöffneten Schnabel, ziemlich rasch und oft wiederholt seitwärts, rechts und links, hinüber und herüber; die so quer durch den Schnabel fahrenden Geschöpfchen stossen an die über die innere Schnabelfläche erhabenen Leistchen und, werden da aufgehalten und schnell verschluckt.
Zwischen Watt, Siel und Salzwiese
Säbelschnäbler findet man vor allem an Meeresküsten oder an Flussläufen wie Weser, Ems, Rhein oder Elbe. Allerdings sind sie bei uns eine Rarität; zudem meist äußerst scheu. Ein anderes bevorzugtes Habitat in Europa sind die Uferzonen salzhaltiger Gewässern wie dem Neusiedler See oder dem Plattensee in Ungarn.
Das entnehme ich dem schönen Brutvogelatlas, der auch verrät, dass die meisten der 6.000 – 7.000 Brutpaare in Deutschland an der Wattenmeerküste von Niedersachsen und Schleswig-Holstein nisten.
Den Winter verbringen viele Säbelschnäbler am Mittelmeer oder an Seen Nordafrikas, andere ziehen längs der westafrikanischen Küste weiter bis ins verzweigte Flussgebiet des Niger.
Aber auch in der Helgoländer Bucht und im Rheindelta, wo Schwärme schwedischer, dänischer, deutscher und holländischer Vögel ab Mitte Juli hinfliegen und mausern, überwintert ein Teil der Population.
Wenn die Vögel im Frühjahr aus dem Süden an die Nordsee kommen, sieht man sie – so wie ich – meist im flachen Wasser: entweder in einer Art „Graben“, in der Weite des Watts oder auf einer Wiese. Nordseekundige wissen, dass diese Gräben als „Siele“ Teil eines Entwässerungssystem sind. Sie füllen sich bei Flut und mit jeder Ebbe sinkt der Wasserstand wieder.
Naumann, der übrigens mehrfach die Insel Helgoland und die Nordseeküste besuchte, hat bereits seinen Zeitgenossen erzählt, dass der Säbelschnäbler bei Flut die Siele und die feuchten Wiesen links und rechts davon aufsucht. Wenn sich aber das Meer von der Küste zurückzieht, dann ist er im Watt unterwegs. Genau das habe ich auf der Hallig Hooge beobachtet und mit der Kamera festgehalten. – Aber erst jetzt durchschaut.
Gesellige Kerle
Und noch etwas habe ich gerade erst gelernt: Der Säbelschnäbler ist ein äußerst soziales Wesen, nicht nur was das Brüten mit unzähligen Artgenossen in großen Kolonien angeht, sondern er gesellt sich auch gerne zu „fremden“ Arten. Das fand ich auf einem Foto von meiner Birding-Tour in Weißrussland tatsächlich bestätigt.
Die schwarz-weiße Schönheit, die ich dort in der Ferne entdeckt hatte, stand auf dem schmalen Damm in einem Brackwassersee neben Möwen und seltenen Kampfläufern. Über diese Schnepfen mit ihrem zeitweilig rostfarbenen Federkleid werde ich ein anderes Mal berichten.
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