Mit ihrem schwarz-weißen Gefieder sind Säbelschnäbler – übrigens nahe Verwandte der Stelzenläufer – unglaublich attraktive Vögel. Eine Freude ist, dass ihre Brutgebiete nicht nur in den fernen asiatischen Steppengebieten, in Äthiopien, in Ost- und Südafrika liegen, sondern auch bei uns. Das heißt konkret, einige Tausend Säbelschnäbler brüten an der deutschen Nordseeküste, und zwar auf Inseln oder im Vordeichbereich des naturgeschützten Wattenmeeres. Auch an der Ostsee kommen sie vor.
Ende April konnte ich an der Wesermündung eine Gruppe von Säbelschnäblern beobachten, die ihre Nester auf der kleinen Insel eines Gewässers mit Brackwasser angelegt hatten. In diesem Jahr zählte ich dort acht Nester! Es waren wieder mehr als im Jahr 2022.*
Am Beobachtungsturm
Wer zu dem wunderbaren Beobachtungsturm nach Cappel-Neufeld kommt, kann sich auf dem Weg dorthin an Rotschenkel, Wiesenpieper und Schafstelze erfreuen, die dort alljährlich im Frühjahr auf den Holzpfählen hocken – genau genommen stehen.
Tipp:
Unbedingt langsam gehen. Besser noch: Stehen bleiben und abwarten. Denn selbst wenn die Vögel aufgeflogen sind … es dauert ein wenig, aber sie kommen bald zurück, weil sie von hieraus, ihrem Ansitz, Insekten jagen.
Sind die Luken des Beobachtungsturms geöffnet, blicken wir auf das Vordeichland und unweigerlich auf die Insel (siehe oben).
Meist sind dort Brandgänse, Krick- und Löffelenten, Austernfischer und Rotschenkel zu sehen. Mein Highlight war übrigens ein Dunkelwasserläufer.
Noch ein Tipp: Leise sein und abwarten! Immer wieder begegnen mir in Beobachtungshütten Menschen, die nur kurz vorbei kommen und dadurch nichts sehen … Gerne erkläre ich etwas, gebe auch mein Fernglas ab, aber Zeit muss sein. Dies hier ist ja kein Zoo.**
Das Nest des Säbelschnäblers
Im Frühjahr denke ich beim Vogelbeobachten besonders oft: Was für ein Aufwand wird da betrieben. Kaum zurück aus dem Winterquartier steht die Revierbildung an, danach Balz und Verpaarung, Nestbau, Brüten und schließlich die Versorgung der Jungen.
Als ich nun Ende April an der Wesermündung war, war schon viel davon erledigt. Die Vögel saßen auf ihren Nestern.
Und wenn ein brütender Säbelschnäbler vom Nest aufstand, sah ich jeweils zwei oder drei braungesprenkelte Eier darin. Wie schön!
Mit drei oder vier Eiern ist bei dieser Watvogelart zurechnen. Etwa alle 24 Stunden wird ein Ei gelegt, und wenn das Weibchen damit durch ist, beginnt die eigentliche Brutzeit.
Im Standardwerk für Vogelbegeisterte, dem Handbuch der Vögel Mitteleuropas (Aula und Vogelzug-Verlag 2011, Band VIII) ist anschaulich beschrieben, wie die Nester im trockenen Gelände aussehen, Seite 754:
Je nach Standort eine bloße oder mit Nistmaterial spärlich ausgelegte Mulde … Das Nistmaterial stammt aus der unmittelbaren Umgebung des Nestes und variiert von dürrem Gras, Kräutern, Wurzeln, Scirpus (Bolboschoenus-)Stengeln, Schilfblättern … bis zu trockenem Dung, Schnecken, Muscheln …
Stimmt. Alles richtig. Sehr viel poetischer und ebenfalls richtig formulierte jedoch Johann F. Naumann in seinem ornithologischen Klassiker des 19. Jahrhunderts, der bis heute eine Fundgrube ist. (Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. VIII). Darin lese ich zum Thema Nest des Säbelschnäblers unter anderem, Seite 146
Das Nest selbst ist eine durchaus nicht versteckte, unbedeutende, selbstgekratzte Vertiefung, in welcher meistens einzelne Stückchen trockener Hälmchen oder Würzelchen liegen, aber so wenige, dass sie als Unterlage keine Erwähnung verdienen, zumal sie oft auch gänzlich fehlen.
Gleichberchtigtes Brutgeschäft
Weil weibliche und männliche Säbelschnäbler sich beim Brüten abwechseln und zum Brutbeginn auch beide gleichzeitig unterwegs sein können, hatte ich hin und wieder freien Blick auf das Gelege. Wer gerade auf dem Nest saß, konnte ich allerdings nicht erkennen, denn beim Säbelschnäbler unterscheiden sich die beiden Geschlechter (für unsere Augen) rein äußerlich nicht.
Dass sich bei dieser Watvogelart die Geschlechter die Brutfürsorge teilen und quasi gleichberechtigt sind, lässt sich beim direkten Wechsel am Nest beobachten. Außerdem wissen Ornithologen und Ornithologinnen, dass beide Eltern einen Brutfleck haben, also am Bauch einen Bereich ohne Federn. Dort geben sie ihre Körperwärme direkt an die Eier weiter.
Wenn sich ein Säblerschnäbler zum Brüten hinsetzt, können wir gut beobachten, wie er dafür sorgt, dass der Brutfleck (A) die Eier (B) berührt. Das Gefieder wird geschüttelt, damit A und B Kontakt haben. Das zeigen die beiden folgenden Videoausschnitte, in denen der frische Nordseewind noch rauscht – obwohl er durch meine Bearbeitung bereits stark heruntergeregelt ist.
Niedersetzen: von der Seite
Niedersetzen: von hinten
Abstandhalten und Territorialität
Säbelschnäbler sind Koloniebrüter, das heißt sie brüten gern auf engem Raum nebeneinander. Das sorgt wie bei Seeschwalben oder Möwen für Sicherheit, wenn Beutegreifer oder Greifvögel die Eier oder Jungvögel stehlen wollen. Untereinander sind Säbelschnäbler generell verträglich – auch in der Brutzeit. Dennoch konnte ich einen Konflikt beobachten, der zugleich schwer zu interpretieren ist. Möglicherweise wollten Partnerin und Partner brüten.
Abwehrverhalten eines Säbelschnäblers
Vertreiben des abgewehrten Säbelschnäblers
Die Brutablösung am Nest ist manchmal kompliziert, weil bei den angehenden Vogeleltern der Brutdrang hoch ist. Manchmal will der „Brüter“ oder die „Brüterin“ nicht aufstehen, wenn die Ablösung kommt. Vielleicht habe ich genau das hier beobachtet.
Das Kopfnicken und das Aufrichten des Säbelschnäblers ist ein Hinweis auf seine Erregung und wird in der Balz wie auch zum Drohen verwendet: „Komm nicht näher!“. Aber ist dies hier ein Konflikt unter „Ehepartner“ oder kommt ein anderer Säbelschnäbler auf seinem Weg zum Ufer zu nah am Nest vorbei? Ich weiß es nicht.
Wenig später stieg der kämpferische Vogel gemächlich zurück aufs Ufer und setzte sich behutsam auf die Eier. Ich möchte dazu noch ein paar Einzelaufnahmen zeigen, weil sie illustrieren, wie vorsichtig er sich niederlässt, nachdem er oder sie den Zustand des Nestes und die Position der Eier darin kontrolliert hat. Mit dem Schnabel werden diese gedreht oder verschoben, falls das dem Vogel nötig erscheint.
Sich dem Nest nähern
Das Gelege prüfen
Sich niederlassen
Zum Schluss
Vielleicht kann ich irgendwann die Jungen – wir nennen sie in der Ornithologie auch Pullys – beobachten. Wenn sie aus dem Ei geschlüpft sind, sind sie als Nestflüchter gleich sehr agil und werden von beiden Eltern geführt. Sie brauchen dann allerdings noch gut drei Wochen, bis sie fliegen können.
Die Eltern begleiten Ihre Jungen möglichst auf Flächen, wo es reichlich Nahrung gibt. In dieser Zeit sind Säbelschnäbler äußerst kampfbereit. Kein Wunder, Greifvögel und Füchse stellen ihnen nach.
Im Nationalparkhaus von Dorum – das heute Nationalparkhaus Wurster Nordseeküste*** heißt – wurde übrigens meine Beobachtung bestätigt: Auf der kleinen Insel brüten immer mehr Säbelschnäbler. Sie haben offenbar gelernt, dass sie hier vor dem Fuchs sicher sind.
* Regelmäßig besuche ich die Wesermündung. Jedes Jahr waren es ein paar Nester mehr. In einem früheren Blogpost fehlt sogar der Bewuchs der Insel noch weitgehend.
** Auch in Zoologischen Gärten lohnt es, länger vor einer Voliere oder einem Gehege stehen zu bleiben und den Tieren zuzuschauen.
*** Wir befinden uns hier im Land Wursten, und der Ort Dorum gehört zur Einheitsgemeinde Wurster Nordseeküste.
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