Dieser junge Greifvogel ist seit Monaten der Star vieler Berliner Naturfotografen und Naturfotografinnen. Er ist deutlich kleiner als ein Sperber und hat ganz wunderbare, große dunkelbraune Augen: Typisch Turmfalke! Denn die dunkle Pupille und die dunkle Iris verschwimmen bei dieser Greifvogelart. Beim Sperber ist die Iris hingegen gelb.
Das dunkle Auge ist nicht nur für den Turmfalken kennzeichnend, sondern auch für seine Falkenverwandten. Walter Bednarek, ein Biologe und Falkner, erklärt (Greifvögel, Landbuch–Verlag, 1996, S. 17):
Alle Falken haben spitz zulaufende Flügel, einen runden Kopf mit einem Auge, das nahezu schwarz wirkt, da die dunkelbraune Iris sich von der Pupille kaum abhebt. Optisch vergrößert und kontrastiert wird dieses Sehorgan durch eine gelbe, unbefiederte, „nackte“ Hautpartie, von der es umgeben wird.
Auf dem Ansitz
Der Jungvogel ist erst 2017 in Berlin Neukölln aus dem Ei geschlüpft, wurde von dem NABU-Greifvogelexperten Stefan Kupko beringt und hält sich bisher außerordentlich gut. Das erhöht seine Überlebenschancen, denn das erste Lebensjahr ist für Jungvögel besonders riskant.
Zum Glück ist dieser Winter nicht eiskalt, und bisher fiel in Berlin kaum Schnee. Sonst wären die Feldmäuse, auf die Turmfalken am liebsten Jagd machen, unter der Schneedecke verborgen und nicht erreichbar. In den zwei Stunden, die ich in der Nähe von „Turmi“ – wie er bereits genannt wird – verbrachte, hat er tatsächlich vier Mäuse geschlagen. Ein toller Kerl!
Er ist aber – leider, muss man sagen – Menschen gegenüber äußerst distanzlos. Es ist darum zu befürchten, dass ihm seine Zutraulichkeit zum Verhängnis wird. Deshalb schreibe ich nicht, wo er sich in Berlin meist herumtreibt. Freut euch also einfach über ein paar Fotos von dem jungen Jäger.
Der Stoßflug-Greifer
Wenn Turmfalken Beute machen – meist sind es Mäuse, eventuell auch mal ein Maulwurf oder ein größeres Insekten –, dann verfolgen sie eine von zwei Strategien: Entweder sie sitzen etwas erhöht auf einem „Ansitz“, kontrollieren mit ihren sehr guten Augen die Umgebung und starten von dort, um die Beute mit den Fängen zu greifen.
Oder sie fliegen über eine Wiese oder ein Feld, sondieren von hoch oben die Umgebung und rütteln von Zeit zu Zeit. „Rüttelfalken“ werden sie daher auch genannt.
Sehr schön hat Theodor Mebs das Rütteln beschrieben (Grzimeks Tierleben, Kindler, 1968, Bd. VII, S. 420):
Er verharrt dabei flatternd an einer Stelle im Luftraum – gleichsam wie festgeheftet – und spreizt den langen Schwanz je nach Windstärke mehr oder weniger stark gefächert schräg nach unten.
Sobald ein Turmfalke eine Feldmaus oder auch mal eine Eidechse entdeckt hat, lässt er sich schwebend etwas fallen und stößt in einem günstigen Moment auf seine Beute, die er mit den Fängen ergreift und mit einem Genickbiss tötet. Meist fliegt er dann mit der gegriffenen Beute an einen sicheren Ort. Dort frisst er sie und hält sie dabei mit den Fängen fest.
Jeder Beuteflug kostet viel Energie, daher ist es für Greifvögel wichtig, ökonomisch zu arbeiten. Zum Beispiel jagen Turmfalken vor allem zu Tageszeiten, zu denen die Mäuse besonders aktiv sind. Und wie sie jagen, das hängt unter anderem vom Wind ab: Sowohl bei Sturm als auch bei Windstille starten Turmfalken meist vom Ansitz aus. Bei leichtem Wind rütteln sie und schlagen die Beute, indem sie aus der Luft steil herabstoßen, kurz vor dem Erdboden abbremsen und zugreifen. Daher die Bezeichnung Stoßflug-Greifer.
An den Füßen kann man übrigens erkennen, welche Nahrung ein Greifvogel bevorzugt. Denn die einen sind auf kleinere Vögel spezialisiert, die anderen greifen in der Regel nach kleinen Säugetieren:
Sind die Zehen recht lang, wie beim Sperber oder beim Wanderfalken, dann sind kleinere Vögel ihre bevorzugte Beute. Mit den langen Zehen lässt sich das Federkleid eines Vogels besser packen. Er könnte sonst wegflattern.
Demgegenüber haben Greife, die normalerweise Mäuse und andere Kleinsäuger erbeuten, deutlich kräftigere Zehen und Krallen. Das ist beim Habicht, Turmfalken und Mäusebussard der Fall, denn sie müssen die sich wehrende Beute gut festhalten können.
Wenn der Falke ein Beutetier geschlagen hat und konkurrierende Artgenossen oder Menschen in der Nähe sind, dann sieht man das sogenannte Manteln. Dabei legt er seine abgespreizten Flügel und den Stoß – so heißt der Schwanz bei Greifvögeln – über die Beute.
Tischmanieren
Beim Fressen halten Turmfalken ihre Beute mit den starken Krallen fest. Während dieser Arbeit schauen sie – wie hier „Turmi“ – immer wieder auf und sichern sich in alle Richtungen ab.
Nach seiner Mäusemahlzeit saß der junge Greif – er hatte sich noch gar nicht richtig die „Zähne“ geputzt – rasch wieder auf seinem Ansitz, von wo aus er kurz darauf eine weitere Maus erlegte. Bei den sechs Angriffen, die „Turmi“ binnen zwei Stunden geflogen ist, hat er mal aus dem Rüttelflug, mal vom Ansitz aus vier Mäuse erwischt. Das ist eine gute Quote. Der Literatur entnehme ich, dass bei Turmfalken nur etwa jeder zweite Beuteflug erfolgreich ist – die andere Hälfte geht daneben und kostet nur Kraft.
Ich hoffe, wie so viele andere Greifvogelbegeisterte auch, dass uns der junge Turmfalke noch lange erhalten bleibt, sich beizeiten verpaart und Junge aufzieht.
Turmfalke | Faucon créderelle | Kestrel | Falco tinnuculus
Ein fantastisches Foto, was mir großen Respekt abverlangt. Dazu gehört viel Geduld und Erfahrung.
Das sind die Momente, wo Wildlife-Fotos Feste feiern :))
Vielen lieben Dank für das Lob.
Kürzlich mailte mir eine Turmfalken-Freundin dieses tolle Foto des fotogenen Jägers mit erbeuteter Maus (©Kerstin Kruse). Ich wollte es euch nicht vorenthalten.
„Flugverkehr“. Was für ein irres Saison-Foto auf der Startseite. Diese Farben! Ich bin begeistert!
Danke für die tollen Fotos und Erklärungen! Ich lebe ja auf dem Land bei einer sehr alten Dorfkirche und da haben wir auch Turmfalken, und es gibt einen Turmfalkenbeauftragten, der einmal im Jahr kommt und im Kirchturm nach ihnen schaut. Mich beeindruckt immer sehr, wenn die Jungvögel das Fliegen lernen sollen und die Alten sie von dem Dachfirst, auf dem sie hocken, regelrecht herunterschubsen, damit sie sich trauen und das Fliegen ausprobieren. Es sind wirklich besonders hübsche aufgeweckte Vögel, oder?
Was du beschreibst, das habe ich noch nie gesehen. Also: Wie die Altvögel ihren Nachwuchs zum Ausfliegen „überreden“. Toll, dass du das beobachten konntest – die Vorteile des Landlebens, um das ich dich beneide. Ich habe mich in der Hauptstadt immerhin amüsiert, als ich sah, dass zwei Junge auf der Sitzstange des Nistkastens hockten und sich nicht trauten abzufliegen. Und wenn dann ein paar Nebelkrähen um den Wasserturm düsten, verschwanden sie sofort in den Nistkasten. Das ist natürlich nicht „unklug“.
Deine Infos zu den Fotos sind – wie immer – sehr lehrreich. Dass sich die Krallen und Zehen der Greifer nach der
Fangart entwickelt haben, war mir mit diesen Details neu, ist aber auch logisch.
Eine schöne Fotosequenze zeigst Du uns hier; ich wünsche ihm ein langes Greiferleben 🙂