Kürzlich konnte ich aus der Nähe beobachten und auch mit der Kamera festhalten, wie es einem Habicht gelingt, einen Zweig abzubrechen und zum Horst – also diesem ausladenden Habichtnest – zu befördern. Der Nestbau ist aus vielen Gründen spannend, und von Vogelart zu Vogelart sehr unterschiedlich.
Zuschauen ließ mich nun jener Habichtmann oder „Terzel”, der schon zum dritten Mal in einer Berliner Grünanlage das Nest für den Nachwuchs bereitet. Da bin ich sehr gespannt, wie sich das Familienleben im Jahr 2020 entwickeln wird.
Der Horst aus dem Vorjahr existiert noch, aber durch Herbststürme ist einiges an Material herunter geweht. Außerdem ist er sehr flach, nachdem dort vier Junge groß geworden sind. Der Rand müsste erhöht werden, damit eine Mulde entsteht.
Schon im Januar sah ich „meinen” Habicht mit der Ringziffer JC 60538 wieder auf dem Nest von 2019 hocken. Doch er und seine Gefährtin haben sich irgendwann für einen Neubau entschieden, und im Februar entstand in demselben Revier – etwa 300m Luftlinie entfernt – nach und nach ein zweiter Horst.¹
Der neue Horst
Von hier aus ruft seitdem der beringte Terzel von Zeit zu Zeit mit dem Habicht-typischen Gickern nach der Dame, lädt zu Kopulationen ein, erweitert und kontrolliert das Nest.
Wie bei Habichten üblich, ist das Nest in einer Astgabel mit mehreren Abzweigungen in einer Höhe von rund 15m angebracht. Und wieder wurde ein Laubbaum gewählt, bei dem jetzt schon klar ist, dass das Brutgeschehen gut verborgen ablaufen wird, wenn bald die Blattknopsen aufgehen und die grünen Blätter sich entfalten. (Per Klick oder Wischen lassen sich alle Fotos vergrößern.)
Passendes Baumaterial suchen
Bei meinem letzten Besuch blieb das Männchen zunächst eine gewisse Zeit am Nest. Es behauptete so schon durch bloße Anwesenheit die Umgebung als sein Brutrevier. Zwischenzeitlich verschwand es in der Nestmulde und flog schließlich zu einem Ahorn, der keine 30m entfernt stand.
Ich bemühte mich, möglichst ruhig zu bleiben und trotzdem schnell näher an den Baum heranzukommen, dessen Zweige der Greif beäugte und testete: Sind sie geeignet? Lassen sie sich gut abkneifen? Habe ich auf diesem Ast einen sicheren Stand?
Was dann folgte und weiter unten als Video zu sehen ist, beschreibt Wolfgang Fischer in meinem alten Habichtbuch (Die Habichte, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 158, 1983) sehr passend und mit wenigen Worten so, Seite 66
Zweige werden zumeist abgekniffen und auch im Schnabel zum Horst gebracht.
Habicht beim Nestbau: Wer macht was?
Das meiste Material für den Horst bringt das Männchen herbei, üblicherweise im Schnabel. Allerdings ist die deutlich größere und kräftigere Habichtdame zuständig für den Transport der dickeren Zweige , die den Unterbau bilden.
Übrigens: Zum Transport von Baumaterial nutzen Habichte durchaus auch ihre Fänge – also ihre Füße. Wolfgang Fischer weiß, dass die schönen Greifvögel da flexibel sind, Seite 66
Der Unterbau, stärkere Äste und dürre Knüppel dürfte doch das Weibchen herantransportieren. Diese Materialien werden mit den Fängen zum Horst getragen, und vorher entweder durch Aufspringen abgebrochen oder aber am Waldboden aufgelesen.
Die Bauarbeit der Habichtdame endet relativ früh im Jahr und ist später vor allem eine Zugabe. Sie legt die Eier, brütet mehr als der „Gemahl“, der sie tagsüber einige Male kurzfristig ablöst, und lässt sich von ihm mit Nahrung versorgen.
Aber zurück zum Brechen eines Zweigs. Drei Videoschnipsel aus einer längeren Sequenz zeigen, wie der Habicht beim Nestbau vorgeht: Landung und Suche – Auswahl und Abrechen – Abbrechen und Abflug.
Diesen Zweig nahm er also mit. Und man sieht sehr schön, wie der Vogel sich Habicht-typisch durch die Zweige nach unten wirft, bevor er dann hoch zum Horst fliegt, um das Material einzubauen. Habichte sind ja eigentlich Waldbewohner und haben erst in den letzten Jahrzehnten die Baumbestände und den Beutereichtum mancher Städte entdeckt.
Gerne empfehle ich an dieser Stelle nochmals das aufschlussreiche Buch Der Habicht. Außerdem kann ich schon verraten, dass die Geschichte der Horstkonstruktion und Horstbesetzung in dieser Berliner Grünanlage noch ziemlich spannend werden dürfte.
Denn kürzlich tauchte ein unberingter Jungvogel im Gelände auf. Er ist an seinem gefleckten Bauchgefieder auch aus der Ferne gut zu erkennen. Hier sitzt er über dem Horst von 2019.
Ältere Habichte sind gesperbert. Das heißt, sie haben wie die Sperber eine schwarz-weiße Querstreifung auf der Unterseite – was in diesem Blogpost auf den Fotos von dem Terzel JC 60538 unübersehbar ist.
Der Junghabicht, der sich neuerdings hier herumtreibt, verfolgt ganz offensichtlich die Idee, in dem Revier des eingesessenen Habichtpaares eine Familie zu gründen.
Das könnte zu Konflikten führen…
¹ Ich möchte den Habichtbegeisterten der AG Greifvogelschutz des NABU Berlin an dieser Stelle für die vielfältigen Informationen und ihre so wichtige Arbeit danken. NABU-Mitglied bin ich auch.
Habicht | Autour des palombes | Goshawk | Accipiter gentilis
Auch in diesem Jahr beobachte ich wieder Habichte auf einem Horst. Im Februar war das Paar noch mit Nestbau, also dem Abbrechen von Zweigen, beschäftigt. Und als Saisonfoto, passend zur Jahreszeit, hatte ich die langen Greife des Greifs abgebildet. (Zu sehen auch auf der Startseite des Blogs: Fotogalerie im Jahreslauf)
Und jetzt: wird bereits gebrütet.
Das ist wieder ein toller Beitrag!!
Ich habe nun über die Nabu App eindeutig durch
direkten Stimmenvergleich den Sperber in Düppel
identifiziert. Ich hatte es laut laufen lassen, um den
Vergleich zu bekommen und er ist dann das erste
Mal direkt über uns geflogen.
Hallo Irene, das freut mich sehr, dass ihr erfolgreich wart und dass ihr euch offenbar von den Greifvögeln in Berlin genauso faszinieren lasst wie ich.