In Afrika leben nahe Verwandte unserer Haus- und Feldsperlinge: die Webervögel. Manche von ihnen hängen kunstvoll geflochtene Einzelnester in einen Baum, andere Arten wie etwa die Siedelweber bauen Gemeinschaftsnester. Höchst aktiv werden die „Bauarbeiter”, wenn die Regenzeit einsetzt. Da wird gebalzt, gebaut und gebrütet – bis zu vier Bruten hintereinander wurden schon bei langen Regenzeiten beobachtet.
Wir kennen diese unermüdliche Aktivität von den hiesigen Sperlingen. Da fliegt schon mal verrottetes Material aus dem Einflugloch unter den Dachpfannen und ständig werden trockene Halme herangeschafft.
Unsere Sperlinge leben gesellig, das heißt, wo ein Nest ist, da ist auch ein zweites oder drittes.¹ Auch das verbindet sie mit den afrikanischen Webervögeln, die in der Regel gemeinschaftlich brüten.
Prächtige Nester
Berühmt und berüchtigt sind die gewaltigen Nester der Siedelweber, die bis zu 4 mal 7 Meter groß sind und bis zu einer Tonne (!) wiegen können. Dass sie manchmal von ihrem „Träger“, einem Baum oder einem Telefonmast, herabstürzen oder Teile abbrechen, verwundert wirklich nicht.
Webervögel sind unseren Sperlingen in Vielem ähnlich. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass die Siedelweber auch Siedelsperlinge genannt werden. Diese Art baut keine Einfamilienhäuser, sondern lebt quasi in einem großen Mehrfamilienhaus mit vielen Kammern und jeweils einer Eingangspforte pro Familie.
Die Briten und andere englischsprachige Nationen nennen die Siedelweber „Sociable Weaver“ beziehungsweise „Social Weaver“, und die Franzosen sprechen sogar von „Républicain social“. Sie betonen also das enge Gemeinschaftsleben der Vögel, und das zu Recht. Denn die Anlage des Nests ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, und bei der Aufzucht der Jungen helfen jüngere Familienmitglieder mit.
Außerdem: Wenn die eine oder andere Kammer leer bleibt, können dort durchaus andere Vogelarten einziehen – etwa die Rotkopfamadine.
Während verschiedene kleinere Vogelarten als Untermieter kein Problem und gut gelitten sind, drohen den Webern auch Gefahren: Insbesondere Baumschlangen räubern die Nester aus.
Lust am Bauen
Das Nest wird normalerweise von einem stabilen Stamm oder Ast aus angelegt, und zwar aus trockenen Halmen und Pflanzenstängeln. Zunächst entsteht eine Art Dach, und darunter bauen die Siedelweber dann nach und nach immer mehr Kammern.
Manche Zugänge sind für uns von unten gut sichtbar. Aber je größer das Nest desto stärker müssen sich die Vögel durch ein Gestrüpp von Halmen zwängen, um in ihre Kammer zu kommen. (Bitte wieder die Fotos durch Anklicken oder Wischen vergrößern.)
Siedelweber leben ausschließlich im südlichen Afrika, und zwar im Nordwesten von Südafrika und in den angrenzenden zentralen Bereichen von Namibia und Botswana. Trockene Gebiete wie die Kalahari und der Etosha-Nationalpark sind ihr Lebensraum.
In Namibia konnte ich den Siedelwebern, die keinen wohlklingenden Gesang haben, aber permanent am „zwitschern“ sind, lange dabei zuschauen, wie sie mit Halmen im Schnabel das Nest Anfliegen, ins Gestrüpp schlüpfen oder an der Außenfassade herumzuppeln. Das ist ein munteres Treiben – und manchmal bildete ich mir ein, sie würden mit den langen Stängeln ordentlich angeben wollen.²
In Brehms Tierleben zitiert Alfred E. Brehm einen Vogelbeobachter aus dem 18. Jahrhundert, der die Siedelweber sehr schön charakterisiert hat (Leipzig und Wien, 1900, Bd. IV, Vögel I, S. 275)
Sie sind den ganzen Tag beschäftigt, Gras herbeizuholen, woraus der wesentliche Teil ihres Gebäudes besteht, und welches sie zum Ausbessern und Ergänzen gebrauchen. Ohne Zweifel vermehren sie jährlich die Nester, so daß die Bäume, welche diese schwebenden Städte tragen, sich biegen.
Hier habe ich also den Titel des Blogposts „Schwebende Städte” geklaut. Und der folgende, etwas unruhige Videoschnipsel zeigt, wie die Vögel an der Ausbesserung ihrer Fassade arbeiten:
Webervögel: Nicht immer bunt
Webervögel, von denen es über 100 Arten gibt, sind in ihrem Verhalten generell sehr sozial. Sie verbringen die Nacht oft gemeinsam an einem Schlafplatz oder sind tagsüber als Gruppe auf Nahrungssuche unterwegs. Bekannt sind die gewaltigen Schwärme von Blutschnabelwebern, Quelea quelea, die manchmal massenhaft auf Feldern einfallen und rasch eine Ernte vernichten können.
Viele Weberarten sind auffälliger gefärbt als die braun-beige-schwarzen Siedelweber. Zu den farbenprächtigen zählen die gelb-schwarzen Maskenweber, die äußerst kunstvolle Einfamilienhäuser flechten und oft balzend über dem Nest stehen, um Weibchen anzulocken.
Gelb- und Rottöne dominieren bei vielen Webervögeln und gehen auf das Konto von Karotinoiden, die die Vögel mit ihrer Pflanzennahrung aufnehmen und die sie sowohl direkt als auch – über Zwischenstufen – umgetönt in ihr Gefieder einbauen.
Reine Vegetarier sind Siedelweber nicht, obwohl der kräftige Schnabel sie zum „Knacken“ von hartschaligen Sämereien prädestiniert.
Pflanzen können über 80% ihrer Nahrung ausmachen. (Handbook Of The Birds Of The World, Hrsg. J. del Hoyo u.a., Lynx Edicions, Barcelona, 2010, Bd. 15, S. 138)
Doch die Vögel sind flexibel: Fehlt es an Sämereien oder haben sich Insekten besonders gut vermehrt, dann besteht ihre Nahrung zu 80% aus Heuschrecken, Termiten oder anderer fleischlicher Kost.
Mit ihrem hellblauen Schnabel, dem dunklen Gesicht und den weiß-gesäumten dunklen Flankenfedern wirken die beige-braunen Vögel auf mich äußerst apart. Und ihrem munteren Treiben zuzusehen, macht definitiv Spaß. Mit den Sperlingen hierzulande ist das übrigens nicht anders …
¹ Käufliche Nisthilfen für Spatzen sind immer gleich als Reihenhäuser angelegt.
² Das ist natürlich nur eine unterhaltsame Assoziation und nicht belegt.
Siedelweber = Siedelsperling | Sociable Weaver | Républicain social | Philetarius socius
Sehr interessanter Artikel. Über Webervögel wußte ich noch nicht so viel.