Schwebende Städte

25. Februar 2020 | Kleine Vögel | 1 Kommentar

Ein beige-brauner Vogel sitzt auf einem Ast und hat einen langen Halm im Schnabel.

Mit diesem Halm geht’s jetzt hoch zum Nest. Sollte passen.

In Afrika leben nahe Verwandte unserer Haus- und Feldsperlinge: die Webervögel. Manche von ihnen hängen kunstvoll geflochtene Einzelnester in einen Baum, andere Arten wie etwa die Siedelweber bauen Gemeinschaftsnester. Höchst aktiv werden die „Bauarbeiter”, wenn die Regenzeit einsetzt. Da wird gebalzt, gebaut und gebrütet – bis zu vier Bruten hintereinander wurden schon bei langen Regenzeiten beobachtet.

In einem Baum mit breiter Krone hängt ein großes Nest vom untersten Ast herunter.

Nest der Siedelweber in der Savanne des Etosha-Nationalparks

Wir kennen diese unermüdliche Aktivität von den hiesigen Sperlingen. Da fliegt schon mal verrottetes Material aus dem Einflugloch unter den Dachpfannen und ständig werden trockene Halme herangeschafft.

Unsere Sperlinge leben gesellig, das heißt, wo ein Nest ist, da ist auch ein zweites oder drittes.¹ Auch das verbindet sie mit den afrikanischen Webervögeln, die in der Regel gemeinschaftlich brüten.

Prächtige Nester

Berühmt und berüchtigt sind die gewaltigen Nester der Siedelweber, die bis zu 4 mal 7 Meter groß sind und bis zu einer Tonne (!) wiegen können. Dass sie manchmal von ihrem „Träger“, einem Baum oder einem Telefonmast, herabstürzen oder Teile abbrechen, verwundert wirklich nicht.

Eine unbelaubte Astgabel vor blauem Himmel und daran hängt ein großer Rest eines Webernestes

Nest von Siedelwebern mit abgestürztem Bereich im Etosha-Nationalpark

Webervögel sind unseren Sperlingen in Vielem ähnlich. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass die Siedelweber auch Siedelsperlinge genannt werden. Diese Art baut keine Einfamilienhäuser, sondern lebt quasi in einem großen Mehrfamilienhaus mit vielen Kammern und jeweils einer Eingangspforte pro Familie.

Das nest aus der Nähe und ein abfliegender Siedelweber

Einfluglöcher oder „Pforten” sind nach unten gerichtet.

Die Briten und andere englischsprachige Nationen nennen die Siedelweber „Sociable Weaver“ beziehungsweise „Social Weaver“, und die Franzosen sprechen sogar von „Républicain social“. Sie betonen also das enge Gemeinschaftsleben der Vögel, und das zu Recht. Denn die Anlage des Nests ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, und bei der Aufzucht der Jungen helfen jüngere Familienmitglieder mit.

Drei Rotkopfamadinen auf einem Ast, aber nur das Männchen mit leuchtend rotem Kopf.

Männliche Rotkopfamadine zwischen zwei Weibchen

Außerdem: Wenn die eine oder andere Kammer leer bleibt, können dort durchaus andere Vogelarten einziehen – etwa die Rotkopfamadine.

Während verschiedene kleinere Vogelarten als Untermieter kein Problem und gut gelitten sind, drohen den Webern auch Gefahren: Insbesondere Baumschlangen räubern die Nester aus.

Lust am Bauen

Das Nest wird normalerweise von einem stabilen Stamm oder Ast aus angelegt, und zwar aus trockenen Halmen und Pflanzenstängeln. Zunächst entsteht eine Art Dach, und darunter bauen die Siedelweber dann nach und nach immer mehr Kammern.

Manche Zugänge sind für uns von unten gut sichtbar. Aber je größer das Nest desto stärker müssen sich die Vögel durch ein Gestrüpp von Halmen zwängen, um in ihre Kammer zu kommen. (Bitte wieder die Fotos durch Anklicken oder Wischen vergrößern.)

Siedelweber leben ausschließlich im südlichen Afrika, und zwar im Nordwesten von Südafrika und in den angrenzenden zentralen Bereichen von Namibia und Botswana. Trockene Gebiete wie die Kalahari und der Etosha-Nationalpark sind ihr Lebensraum.

In Namibia konnte ich den Siedelwebern, die keinen wohlklingenden Gesang haben, aber permanent am „zwitschern“ sind, lange dabei zuschauen, wie sie mit Halmen im Schnabel das Nest Anfliegen, ins Gestrüpp schlüpfen oder an der Außenfassade herumzuppeln. Das ist ein munteres Treiben – und manchmal bildete ich mir ein, sie würden mit den langen Stängeln ordentlich angeben wollen.²

Drei vögel auf einem querliegenden Ast.

Zwei vögel und einer hat eine langen Halm im Schnabel

ein Vogel bleibt auf dem Ast zurück, der mit dem Halm fliegt weg - nur noch die Schwanzspitze im Foto..

In Brehms Tierleben zitiert Alfred E. Brehm einen Vogelbeobachter aus dem 18. Jahrhundert, der die Siedelweber sehr schön charakterisiert hat (Leipzig und Wien, 1900, Bd. IV, Vögel I, S. 275)

Sie sind den ganzen Tag beschäftigt, Gras herbeizuholen, woraus der wesentliche Teil ihres Gebäudes besteht, und welches sie zum Ausbessern und Ergänzen gebrauchen. Ohne Zweifel vermehren sie jährlich die Nester, so daß die Bäume, welche diese schwebenden Städte tragen, sich biegen.

Hier habe ich also den Titel des Blogposts „Schwebende Städte” geklaut. Und der folgende, etwas unruhige Videoschnipsel zeigt, wie die Vögel an der Ausbesserung ihrer Fassade arbeiten:

 

Webervögel: Nicht immer bunt

Webervögel, von denen es über 100 Arten gibt, sind in ihrem Verhalten generell sehr sozial. Sie verbringen die Nacht oft gemeinsam an einem Schlafplatz oder sind tagsüber als Gruppe auf Nahrungssuche unterwegs. Bekannt sind die gewaltigen Schwärme von Blutschnabelwebern, Quelea quelea, die manchmal massenhaft auf Feldern einfallen und rasch eine Ernte vernichten können.

Viele Weberarten sind auffälliger gefärbt als die braun-beige-schwarzen Siedelweber. Zu den farbenprächtigen zählen die gelb-schwarzen Maskenweber, die äußerst kunstvolle Einfamilienhäuser flechten und oft balzend über dem Nest stehen, um Weibchen anzulocken.

Gelb- und Rottöne dominieren bei vielen Webervögeln und gehen auf das Konto von Karotinoiden, die die Vögel mit ihrer Pflanzennahrung aufnehmen und die sie sowohl direkt als auch – über Zwischenstufen – umgetönt in ihr Gefieder einbauen.

Siedelweber von vorne auf einem Ast sitzend, gegen den blauen Himmel fotografiert.Reine Vegetarier sind Siedelweber nicht, obwohl der kräftige Schnabel sie zum „Knacken“ von hartschaligen Sämereien prädestiniert.

Pflanzen können über 80% ihrer Nahrung ausmachen. (Handbook Of The Birds Of The World, Hrsg. J. del Hoyo u.a., Lynx Edicions, Barcelona,  2010, Bd. 15, S. 138)

Doch die Vögel sind flexibel: Fehlt es an Sämereien oder haben sich Insekten besonders gut vermehrt, dann besteht ihre Nahrung zu 80% aus Heuschrecken, Termiten oder anderer fleischlicher Kost.

Mit ihrem hellblauen Schnabel, dem dunklen Gesicht und den weiß-gesäumten dunklen Flankenfedern wirken die  beige-braunen Vögel auf mich äußerst apart. Und ihrem munteren Treiben zuzusehen, macht definitiv Spaß. Mit den Sperlingen hierzulande ist das übrigens nicht anders …

¹ Käufliche Nisthilfen für Spatzen sind immer gleich als Reihenhäuser angelegt.
² Das ist natürlich nur eine unterhaltsame Assoziation und nicht belegt.

Siedelweber = Siedelsperling | Sociable Weaver | Républicain social | Philetarius socius

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

1 Kommentar

  1. Sehr interessanter Artikel. Über Webervögel wußte ich noch nicht so viel.

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Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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