Kranich-Ballett

Kranichpaar, bei dem ein Partner frisst und der andere den Kopf hebt, um zu sichern.
Gut abgestimmt: eine frisst, einer sichert

Wer in Berlin wohnt muss nicht weit fahren, um Kraniche zu sehen. Das gilt nicht nur für den Herbstzug im Oktober, sondern auch für das „Brutgeschäft” im Frühjahr. Es gibt im Berliner Umland und selbst in der Hauptstadt mehr als ein Kranichpaar, das hier brütet statt dazu in den Norden zu ziehen, etwa nach Finnland oder Russland.

Bereits im letzten Jahr traf ich in Brandenburg regelmäßig zwei Paare, die morgens auf den Feldern nach Nahrung suchten und sicher im angrenzenden Wald ein Nest angelegt hatten. Denn dort ist es feucht und Spaziergänger (mit und ohne Vierbeiner) suchen sich andere Wege aus. Ein solcher Ort ist genau richtig für das Bodennest des Grauen Kranichs, das von seichtem Wasser umgeben ist. Allerdings: Dass eins dieser Paare Nachwuchs hatte, habe ich bisher nicht bemerkt.

Neues Spiel, neues Glück

Aber vielleicht klappt es in der kommenden Brutsaison, und ich sehe irgendwann ihren Nachwuchs. Kürzlich machte ich mich auf den Weg, um zunächst nach den beiden Kranichpaaren zu suchen. Und das war nicht schwer. Sie standen am Waldrand rechts und links der Straße, die hoffentlich nie und nimmer weiter ausgebaut wird. Und später sah ich sie dann auch am Dorfrand auf einer Wiese.

Kranichpaar auf einem grünen Feld und ganz in der Nähe fährt ein Trecker.
Der Trecker am Feldrand stört nicht.

Kraniche haben eine große Fluchtdistanz. Wer ein Rotkehlchen fotografieren will, kommt leicht auf 3 Meter heran. Bei dem Grauen Kranich beträgt die Fluchdistanz etwa 200 bis 300 Meter.

Da die Vogelart geschützt ist, sollte jeder und jede Abstand halten.

Das klappt am besten, wenn man im Auto bleibt oder langsam an ihnen vorbeiradelt. Ansonsten drehen die wachsamen Vögel einem rasch den Rücken zu und fliegen davon. Andererseits stört ein stinkender lauter Trecker sie wenig, solange der Abstand stimmt.

Dauerehe, wenn möglich

Bis in den April hinein balzen die imposanten grauen Vögel, die sich nicht jedes Jahr neu verpaaren müssen, sondern in der Regel zusammen bleiben – auch wenn sie im Herbst nach Süden ziehen und dort einige Wochen überwintern. Die Bindung zwischen ihnen ist offenbar stark:

Nach dem Verlust eines Partners kann der verbliebene Altvogel wochenlang seine Suchrufe äußern. Hierbei können auch regelrechte Suchflüge durchgeführt werden.

Das schreibt der Tiermediziner Hartwig Prange, ein Experte für den Grauen Kranich (Neue Brehm-Bücherei, Bd. 229, S. 56), und er fügt in seiner umfassenden Kranich-Monographie diesen amüsanten Hinweis aus den 1930er Jahren hinzu:

Die Kraniche leben in Dauerehe. Diese bestand über mehrere Jahre sogar bei einem Paar, dessen zahmes Männchen im Forsthaus lebte und überwinterte, während das wilde Weibchen zog.

Kranichpaar: Pas de deux

Zurück zu meinen Kranichpaaren: Sie waren jedenfalls dort, wo ich sie erwartet hatte. Wenn ich ihnen zusehe, bin ich immer wieder erstaunt, wie gut sie aufeinander abgestimmt sind, wie gut sie sich offenbar kennen und synchronisiert sind: Nicht nur, dass ein Tier mich beäugt, während das andere frisst. Ist die Luft rein, dann fressen sie gleichzeitig. Fliegt dann ein Partner auf, macht es auch der andere. Putzt sich der eine, tut es der andere ebenfalls.

Zwei wegfliegende Kraniche - sie verschwinden vom Feld in Richtung Wald.
Fliegt ein Partner auf, tut es auch der andere.

Bei der Futtersuche auf einem Feld, wo sie mit dem Schnabel in der feuchten Erde stochern, um außer den frischen Trieben vielleicht auch Regenwürmer aufzunehmen, wechseln sie synchron die Richtung. Und manchmal sind selbst ihre Schritte perfekt aufeinander abgestimmt. Eben wie bei Ballett-Tänzern.

Kranichpaar mit abgestimmten Schritten.
Schritt für Schritt aufeinander abgestimmt.

Was vielleicht auf diesem Gif aus sechs Fotos einer Serie noch auffällt: der dunkle, sehr buschige Schwanz. Diese Federn gehören eigentlich nicht zum Schwanz (sie bedecken ihn nur), sondern zu den Schwungfedern der Flügel. Es sind sogenannte Schmuckfedern, die in der Balzzeit besonders auffällig sind – aber dazu ein andermal. Nur noch dies: Ich finde sie tatsächlich ziemlich attraktiv.

Grauer Kranich | Grue cendrée | Common crane | Grus grus

aktualisiert 08.09.2021



Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

6 Kommentare zu “Kranich-Ballett

  1. Ich finde das total aufregend, wenn Kraniche über Berlin fliegen. Und bei diesen vokalen Meetings frage ich mich immer, ob sie nun die Richtung aushandeln. Tatsächlich müssen sie ja Entscheidungen treffen, wenn Landmarken sich verändern oder die Witterung ihnen einen Streich spielt.
    Deine Sandhill Cranes heißen bei uns übrigens Kanadakraniche (Grus canadensis). Und dem wunderschönen Buch von Carl-Albrecht von Treuenfels „Zauber der Kraniche“ entnehme ich, dass sie unserem Grauen Kranich recht ähnlich sehen. Was die Gesamtzahl angeht, nehmen sie sich auch nicht viel: Es gibt weltweit jeweils rund eine halbe Million.

  2. Mitte März flogen über mein Haus in Austin/Texas viele Kraniche Richtung Norden, sie hielten am hohen Himmel mit lauten Rufen ein Meeting ab. Faszinierend. Die Sandhill Cranes überwintern in Mexiko und Florida und fliegen im Frühjahr in ihre Brutgebiete, die vor allem in Kanada liegen.

  3. Ich finde Ihre Schilderungen immer sehr gut und interessant – verfolge sie alle mit großem Interesse. Kraniche konnte ich schon seit längerem Nähe Kremmen und sogar auf den Polderwiesen Nähe Großen Graben beobachten.
    Letztes Jahr im Herbst machte ich eine interessante Beobachtung, als ich in Beetz-Sommerfeld auf meinen Zug wartete. Gegenüber befindet sich die Wiese. Dort flogen mehrere Kraniche ein und von meinem Sitz aus :)) habe ich zwei Schnappschüsse gemacht. Erst zu Hause auf dem Monitor konnte ich sehen, daß sich auf der Wiese ein kleines Rudel Rehe befand. Sie verhielten sich völlig entspannt, einige lagen sogar, als die Kraniche über ihren Köpfen einflogen und dort niedergingen. Für die Rehe sind die Kraniche wahrscheinlich eine Art Wachschutz: liegen sie auf, bedeutet es auch für sie, die Flucht zu ergreifen. So haben sie sich wohl aufeinander abgestimmt.

    1. Mir ist das auch aufgefallen, dass Rehe und Kraniche oft nah beieinander stehen. Und als ich für den letzten Blogpost ein bisschen rumgelesen habe, da fand ich bei Hartwig Prange den Satz: „Die Kontakte zwischen Rehen und Kranichen wirken am Äsungsplatz eher harmonisch, und die eine Tierart partizipiert vom Wachverhalten der jeweils anderen.“ Mit anderen Worten, du hast völlig Recht!

  4. Auf unserer heutigen Radtour haben wir auch ein Kranich-Paar gesehen, und zwar auf einer Wiese an der Landstraße von Dahlewitz nach Groß Kienitz. Wir sind einmal rund um den Flughafen BER gefahren. Viel Beton, aber auch zahlreiche jubelnde Feldlerchen über oder vor uns, und dann ein Rudel mit neun Rehen, die quer über die Felder jagten, Schwänze wippend. Und zwei Eichelhäher-Paare, die sich lauthals um gute Nistplätze stritten.

    1. Ja, das ist eine sonderbare Gegend – mit dieser Mischung aus Natur und Beton. Und die Lerchen, wie schön! Kennst du von Ralph Vaughan Williams: The Larking Ascending. Romanze für Violine und Orchester. Ich habe die Einspielung von Janine Jansen, ganz wunderbar diese „aufsteigende Lerche“. – Wir waren heute übrigens im Tegeler Fließtal. Und was höre ich in großer Ferne: einen Kranich … oder auch zwei.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert