Auftanken im Maisfeld

24. Oktober 2017 | Faszination Kranich, Große Vögel | 2 Kommentare

Knapp 20 Kranichs stehen mit erhobenen Köpfen am Rande eines Maisfelds.

Rund 250 m entfernt: aufmerksame Gruppe am Maisfeld

Im Oktober tauchen sie zu zigtausenden in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auf: Kraniche aus dem hohen Norden. Wenn Grus grus, der Graue Kranich, hier rastet, schlägt mein Herz höher. Alle Jahre wieder!

Manchmal starte ich morgens um 6 Uhr in Berlin, um dabei zu sein, wenn die „Vögel des Glücks“ – wie sie auch genannt werden – bei Sonnenaufgang von ihren Schlafplätzen in den seichten Fischteichen bei Linum starten. Manchmal fahre ich zum Einflug der Kraniche bei Sonnenuntergang dorthin.

Kürzlich habe ich einen sonnigen Oktobertag genutzt, um die Kraniche zu beobachten, wenn sie tagsüber auf einem abgeernteten Maisfeld nach Ernteresten und anderem Futter suchen.

Auftanken mit Vorsicht

Wassergraben mit Birken am linken Ufer und rechts das Maisfeld.

Wassergraben im Havel-Rhinluch

Bei meinem Ausflug Richtung Linum, nordwestlich von Berlin, war ich von der herbstlichen Landschaft wieder total fasziniert, obwohl auch hier die Agrarindustrie auf Mais und Biogas setzt.

Anderseits bieten abgeerntete Maisfelder und Grünland den rastenden Kranichen, die primär aus Finnland und der russischen Tundra zu uns kommen, wichtige Nahrung.

Allerdings werden die Vögel des Glücks von den Landwirten auf neueingesäten Ackerflächen häufig mit lauten Warnschüssen verjagt.

Dafür sorgen Kranichfreunde beim NABU und von Kranichschutz Deutschland für Futter auf ausgewählten Nahrungsflächen – und freuen sich über Spenden. Bei Linum steht aber genug Mais.

Die beeindruckenden Vögel, die immer seltener die angestammten Überwinterungsgebiete in Andalusien und Nordafrika aufsuchen und als Folge des wärmeren Klimas zum Teil sogar in Deutschland überwintern, meist aber bis nach Frankreich oder Spanien fliegen, tanken bei uns auf. Übrigens spricht man auch in englischsprachigen Fachpublikationen von „refuel“. Das heißt, die Vögel fressen möglichst viel, um für die Fortsetzung ihres Herbstzugs nach Süden gerüstet zu sein.

Zwölf Kraniche auf der Wiese blicken zu mir, darunter zwei Jungvögel. Im Hintergrund eine Baumreihe.

Auf einer Wiese am Maisfeld eine weitere Kranichgruppe: Jungvögel mit braunem Kopf (2. von rechts, 5. von links)

Schaut man den Tieren länger zu, fällt auf, dass die jungen Kraniche – erkennbar an dem braunen Kopf – hier von den Eltern und anderen Altvögeln lernen, mit den Anforderungen des Lebens in der Gruppe und diversen Stressfaktoren umzugehen.

Stressfaktor Mensch

Zu diesen Faktoren gehören heute übrigens auch alle, die beim sonntäglichen Familienausflug, als passionierte Fotografen oder engagierte Vogelguckerin etwa im Rhin-Havelluch bei Linum unterwegs sind. Viele Wege dürfen in dieser Gegend daher derzeit nicht befahren oder betreten werden.

Umso besser, dass der NABU von Berlin aus und zusätzlich in der Storchenschmiede von Linum Touren anbietet, die uns einerseits durch Informationen den Kranich nahe bringen und uns andererseits relativ nah zum Kranich bringen.

Maisfeld mit Bäumen am hinteren Rand. Dort sind die Kraniche, aber von der Straße aus nicht zu erkennen.htbar für unser Auge.

Mit bloßem Auge von der Straße aus unsichtbar: Kraniche am hinteren Rand des Feldes

Als ich kürzlich in der Gegend von Linum war, hab ich aus Erfahrung ein Auge auf jene Maisfelder geworfen, die ganz offensichtlich gerade abgeerntet worden waren. Diese Flächen sehen auf den ersten Blick ziemlich öde aus – und von Kranichen keine Spur. Wer mit dem Rad oder dem offenen PKW unterwegs ist, der kann aber in der Regel die weitschallenden Kranicherufe hören. Lange bevor – oder ohne dass – man sie sieht.

Mehr als ein Dutzend kraniche fressen am Rand des Maisfeldes.

Stressfrei fressen die Kraniche weiter oder putzen das Gefieder …

Kraniche sind klug und vorsichtig. Darum halten sie eine Fluchtdistanz von 250 – 300 m ein. Das heißt, wer näher herangeht oder heranfährt, beunruhigt die Vögel und scheucht sie womöglich auf. Und nicht nur das: Er gefährdet die Gäste auf ihrem anstrengenden Herbstzug. Denn sie werden davonfliegen, und statt zu fressen werden sie Energie verlieren.

Es ist darum gut, dass Kranichschutz Deutschland für Vogelbeobachter ein paar Tipps zusammengestellt hat. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang außer unauffälliger Kleidung, ein gutes Fernglas oder ein Spektiv. Denn ein Kranichrastplatz ist kein Streichelzoo.

Nähe durch Technik

Zum Fotografieren nutze ich das beste Objektiv, das es für meine Kamera gibt (Brennweite 200 – 800 mm bezogen auf Kleinbild), den eingebauten Stabilisator und achte auf gute Beleuchtung. Dann kann ich später die Fotos am PC bearbeiten und die Tiere näher heranholen. Zwar ist die Bildschärfe manchmal suboptimal, weil Vögel sich bewegen und ich mich meist für kurze Belichtungszeiten entscheide, aber sei’s drum. Ich möchte die Herbstgäste beim Auftanken nicht stören.

Fünf weitere Kraniche landen am Maisfeld bei den dort fressenden Artgenossen.

… und weitere Kraniche landen hier.

Es hat sich übrigens tatsächlich bewährt, den PKW als Tarnzelt zu benutzen, wie es Kranichschutz Deutschland empfiehlt. Ich rate zudem, mit offenen Fenstern zu fahren, wenn möglich mit geöffnetem Verdeck, und für längere Zeit an einer Stelle stehen zu bleiben. Wenn man nämlich Kraniche entdeckt hat, dann abwartet und sich ruhig verhält, akzeptieren die großen Vögel mit der Zeit die fremden Beobachter. Das heißt: Auch wenn sie zunächst die Köpfe heben und die Lage sondieren, entspannen sie sich allmählich, senken die Köpfe und beginnen wieder zu fressen.

Genau so erging es mir jetzt: Je länger ich mit meinem PKW am abgeernteten Maisfeld stand, desto ruhiger wurden die Vögel. Erst als ich langsam davonfuhr, schauten wieder alle auf und blickten neugierig hinter mir her. Aufgeflogen ist keiner.

Zwei Reihen von kranichen blicken zu mir als ich wegfahre.

Unaufgeregte Kraniche blicken mir nach.


Grauer Kranich | Grue cendrée | Common crane | Grus grus

aktualisiert 28.09.2021

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

2 Kommentare

  1. Liebe Elke, das ist ein wunderbarer Artikel über die Kraniche. Ich liebe diese majestätischen Vögel sehr und habe auch einmal einen Tag beim Kranich-Beobachten in Mecklenburg verbracht. In Japan werden sie als Glücksvögel sehr verehrt. Auf Bildern und als Origami-Figuren sind sie dort überall präsent. Ich habe noch einen 25 Jahre alten Papierkranich aus Japan, der nur leider langsam zerfällt. Viele Grüße. Tina

    Antworten
    • Wie schön, dass du auch dieses erhebende Gefühl kennst, wenn die Kraniche fliegen. Manchmal ziehen sie ja auch über unser Haus hinweg, und ich hoffe immer, dass sie Berlin unbeschadet hinter sich lassen. Erst kürzlich habe ich gelernt, dass man die Jungen und die Altvögel an den Kontaktrufen unterscheiden kann. Die diesjährigen Jungen rufen in einer höheren Frequenz.

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Vogelthema gesucht?

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5 von 782 Kommentaren

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  • Elke Brüser zu Segler der AndenLiebe unbekannte Katja, da hast du mir mit deinem Kommentar heute Morgen aber große Freude geschenkt. Danke!
  • Katja Garni zu Segler der AndenHerzensDank für den so tiefgründigen Bericht ❣️ Ich liebe sie sehr die Könige der Lüfte … Und die Anden faszinieren mich schon geraume Zeit - WunderVolle Bilder und Erfahrungen teilst du mit uns teils…
  • Elke Brüser zu Rätselhafte MarmelenteDass die Chancen steigen, am Mittelmeer wieder öfter Marmelente zu beobachten, könnte auch daran liegen, dass es Wiederansiedlungsprojekte gibt, etwa auf Sizilien. Das erzählte mir gerade Jens Hering.…
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Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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