Basstölpel: Brüten am Kliff

Helgoland: Basstölpel am Steilhang der Kliffs und auf der Plattform – etwa bei der „Langen Anna“

Wer die wunderschönen Basstölpel beobachten möchte, hat es in Deutschland nicht weit: Basstölpel brüten nämlich seit 1991 auf der geschichtsträchtigen Insel Helgoland, dem roten Felsen in der Nordsee. Und es werden Jahr für Jahr mehr. Im Jahr 2021 gab es wieder eine Steigerung: Von 1289 Brutpaaren im Vorjahr auf aktuell 1458 Paare.

Alljährlich finden sich im März und April die Vögel am Brutplatz ein, um an oder auf dem Fels ihre Nester herzurichten und ihre Jungen großzuziehen.

Dieses Schauspiel möchte ich in zwei Portionen vorstellen, nachdem ich gerade fünf Tage auf Helgoland verbracht habe, um Seevögel zu beobachten: In diesem Blogbeitrag geht es vor allem um das Ei der Basstölpel, in einem weiteren dann um die Jungen.

Felsenbrüter: das passende Ei

Als ich Anfang Juni Helgoland besuchte, waren die Eier längst gelegt und die ersten Jungen geschlüpft. Die Brutzeit beträgt etwa sechs Wochen. Meist sind die Eier gut verborgen. – Alle meine Fotos lassen sich vergrößern.

Der Altvogel erhebt sich gerade, ansonst ist das Ei unter seinem Gefieder verborgen
Bei Aufräumen im Nest, das nicht nur aus Pflanzenmaterial besteht, gut erkennbar.

Das Ei der Basstölpel, wo es abgelegt und wie es bebrütet wird, ist eine insgesamt phänomenale Angelegenheit. Es liegt in einem unprätentiösen Nest, das zum einen das Territorium des Brutpaares markiert und zum anderen durch einen erhöhten Rand weitgehend verhindert, dass es wegrollt. Dann nämlich würde das Ei ins Meer stürzen, weil Basstölpel unmittelbar an der Steilküste brüten – direkt in kleinen Nischen der Felswand oder oben an der Felskante.

Brüten an der Felskante

Es gibt weitere Anpassungen an den riskanten Brutplatz. So ist die Eischale ziemlich rau. Anfangs ist sie strahlend weiß, aber die frische Kalkschicht ist bereits nicht so glatt wie bei einem Hühnerei. Mit der Zeit verfärbt sich das Ei durch aufgetragenen „Schmutz“ bräunlich, und die Oberfläche ist erst recht uneben.

Das Basstölpelei wiegt etwa 100 Gramm. Dieses wurde nicht mehr bebrütet.

Die braune Schicht stammt aus dem Nest selbst, wo alles Mögliche verbaut wird – darauf komme ich noch –, und zusätzlich haften die Ausscheidungen der Vögel, die die schalenförmige Unterlage verfestigen, teils an der Eischale.

Umfangen von den Schwimmhäuten

Ungewöhnlich und eine geniale Anpassung ist vor allem, wie das Ei ausgebrütet wird. Es liegt unter und zwischen den mit einer Schwimmhaut bespannten Füßen. Die krallenförmigen Zehen fixieren zudem das Ei, und die umgebenden Schwimmhäute sind so gut durchblutet, dass sie viel Wärme an das Ei abgeben können.

Umklammert auch beim Flügelschlagen

Während viele andere Vogelarten einen Brutfleck haben – dort stehen zur Brutzeit wenige Federn und die Haut ist besonders gut durchblutet – nutzen der Basstölpel und die Basstölpelin, die abwechselnd brüten, ihre Schwimmhäute. Diese Technik sorgt am Felshang für Sicherheit: Der Altvogel hält das Ei praktisch fest. Das gelingt natürlich nur mit einem einzigen Ei. Basstölpel investieren folglich nur in ein Junges, was bei anderen Felsenbrütern wie der Lumme oder dem Tordalk ebenso ist.

Vielleicht noch das: Wenn der Elternvogel bemerkt, dass der vielstündige Schlüpfprozess einsetzt, nimmt er gewissermaßen die Füße vom Ei. Andernfalls würde er die Eischale zerbrechen und das Junge möglicherweise zerdrücken.

Bevorzugt: am Klippenrand

Wer Helgoland und dort den sogenannten Lummenfelsen besucht, sieht und hört schon aus der Ferne die geradezu „grölenden“ schwarzen Lummen und die bei ihrem auffälligen Balzgehabe und Territorialverhalten ebenfalls lauten Basstölpel. Sie besetzen den Felsen auf verschiedenen Ebenen, hocken ganz oben, aber auch auf den langen, galerieartigen Simsen. Die weißen Basstölpel brüten meist weiter oben, die dunklen Lummen eher etwas tiefer.

Am Fels: in oberen Galerien weiße Tölpel, weiter unten mehr schwarze Lummen.

Für die Basstölpel gibt es bessere und schlechtere Standorte am Fels. Das hängt nicht nur mit der Brut zusammen, sondern auch mit dem Flugvermögen der Segler.

Die rund 3000 Gramm schweren Altvögel können nur von der Felskante aus starten, indem sie sich dort hinabwerfen und dann mit kräftigen Flügelschlägen und den Aufwinden abheben.

Und das hat Folgen: Wenn im Frühjahr die Basstölpel in ihre nordatlantischen Brutgebiete zurückkehren, sind es zunächst die älteren Vögel, die an den steilen Felswänden von Helgoland – aber auch von Frankreich, Schottland, Norwegen oder Island – neue Nester anlegen beziehungsweise das, was vom Vorjahr noch übrig ist, wieder aufbauen.

Ein Teil hatte den Winter im Mittelmeerraum oder an der Atlantikküste verbracht, und nun besetzen sie die optimalen Plätze – entweder direkt am Steilhang oder am Rand der Plattform.

Kleine Nistplätze auf schmalen Simsen am Hang
Nisten am Abhang zwischen Lummen
Sichere Plätze am Rand der Plattform
Wenig Platz, aber komfortabel zum Brüten

Mit Verzögerung treffen im Frühjahr junge Basstölpel ein, die noch keine vier oder fünf Jahre alt sind und sich dann am Rand der Kolonie niederlassen (müssen). Diese immaturen Vögel haben teilweise weit südlich an der westafrikanischen Küste überwintert und üben nun Partnersuche und Balz, einen Nistplatz zu ergattern und zu behaupten, Nistmaterial zu sammeln … Ein Ei legen sie noch nicht.

Nest eines jungen (immaturen) Vogels ohne Nistmaterial und ohne Ei

Wichtige Ressource und Zankapfel: Nistmaterial

Für das Nest sammeln Basstölpel vielerlei Materialien ein. Sicherlich bildet Seetang – also große Meeresalgen wie Blasentang oder Meersalat – das ursprüngliche Nistmaterial, das die Vögel aus dem Wasser fischen. Aber sie nutzen auch die im Wasser treibenden Stricke und Fäden von Fischernetzen aus farbigem Kunststoff. Diese gefährden heutzutage Alt- und Jungvögel, weil diese sich leicht in ihnen verheddern und nicht entkommen können.

Anflug mit fädigem Tang als Nistmaterial
Heikle Landung mit Blasentang als Nistmaterial
Gefährliches Nistmaterial aus Plastik im Schnabel

Dass die Vögel bei der Wahl ihres Nistmaterials nicht wählerisch sind, beschreibt Hans Heinrich Reinsch in seiner ausführlichen Monografie Der Basstölpel (Die Neue Brehm-Bücherei 1969, Wittenberg/Magdeburg), der ich viele gute Informationen entnehmen konnte, auf Seite 57 so:

Als Baumaterial dienen Seetang, Gras, Rasenplaggen, Erde. Außerdem kann alles mögliche Treibgut, wie Holz und Netzstücke, leere Dosen usw. eingebaut werden.

Und er zitiert einen britischen Autor, der bereits 1913 ein grundlegendes Werk über den Basstölpel veröffentlich hat, mit den Worten

Guerney (1913) nennt in diesem Zusammenhang noch Golfbälle, Spielzeug, Messer und Schuhe, eine Pfauenfeder und einen Rock.

Pflanzen am Rand der Brutkolonie werden manchmal abgezupft.
Nistmaterial wird aus einem anderen Nest stibitzt.

Diebstahl bei Basstölpeln

Mehrmals konnte ich beobachten, wie Vögel Nistmaterial aus einem anderen Nest entwendeten, und zwar aus Nestern, in denen nicht gebrütet wurde. Mit anderen Worten: Es sind jedenfalls im Juni vor allem die jüngeren Vögel, die sich hier behaupten müssen.

Wie die Auseinandersetzungen entstehen und beigelegt werden, illustrieren die drei folgenden Abschnitte aus einer längeren Videosequenz.

Zunächst der Diebstahl: Dem Gefieder nach ist dieser Basstölpel mindestens vier Jahre alt, denn sein Federkleid ist bis auf Kopf und Hals schlicht schwarz-weiß – wie für adulte Vögel typisch.

Als der Dieb sich davon machen will, packt der bestohlene Vogel sein Material und beide halten es mit dem Schnabel fest. Dem noch scheckigen Gefieder nach zu urteilen, ist der zupackende Vogel jünger.

Schließlich kommt dem Bestohlenen sein Partner oder seine Partnerin zu Hilfe. Auch er oder sie ist noch immatur. Während der Bestohlene sich mit seinem zurückeroberten Material davon macht, drohen die beiden anderen Vögel einander und packen sich an den Schnäbeln. Allerdings geht es glimpflich ab, der Dieb wendet sich ab und zieht sich zurück.

Und wie formuliert Hans Heinrich Reisch derartige Konflikte so schön und schnörkellos, Seite 58

Der Diebstahl von Nistmaterial ist weit verbreitet, unbewachte Nester werden von den Nachbarn abgebaut.

Basstölpel | Fou de Bassan | Northern gannet | Morus bassanus



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Kommentar zu “Basstölpel: Brüten am Kliff

  1. Gerade habe ich die aktuelle Angabe dür die Zahl der diesjährigen Brutpaare auf Helgoland bekommen. Es ist wieder ein Rekord zu verzeichnen: 1458 Brutpaare sind es 2021, im Vorjahr waren es 1289. Ein Dank an Elmar Ballstaedt, alle Zähler und Zählerinnen, schließlich den Verein Jordsand, der sich insbesondere dem Schutz der nordeutschen Seevögel angenommen hat.

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