Die Sprache der Vögel

17. Dezember 2018 | Vogelbücher | 1 Kommentar

Cover des Buches mit einer Bachstelze auf eine Stein sitzend, dahinter bergiges GrünBisher gab es in meinem Leben kein Buch, das ich von vorne bis hinten ein zweites Mal gelesen habe. Nur jetzt dieses: Die Sprache der Vögel. Es ist eines der schönsten Bücher, die ich kenne.

Auch wegen der wundervollen Vogelaquarelle, die der Sohn des Autors – mit kaltem Kaffee – aufs Papier gezaubert hat.

Als der Roman von Norbert Scheuer 2015 erschien, war manchen Kritikern darin zu viel Vogelleben, anderen zu viel Eifel-Welt. Viele waren voll des Lobes. Ich selbst bin damals wie heute begeistert, und darum einige persönliche Gedanken und Wahrnehmungen.

Krieg und Frieden

Diese elegant gestrickte Geschichte erzählt auf besondere Art von Krieg und Frieden und von drei Männern, die nicht die schlichte Vogelbeobachtung verbindet, sondern eine schiere Sehnsucht nach den Freiräumen der gefiederten Kumpanen, die so leicht abheben und sich davonmachen können – immer auf der Suche nach einem geeigneten Ort.

Die drei Vogelsüchtigen des Romans sind keine Ornis, die es strikt auf die Menge der gesichteten Vogelarten abgesehen haben, sondern stehen für drei Generationen von ganz normalen Wahnsinnigen: Einerseits gelingt es ihnen, in dieser Welt eine Zeitlang unauffällig zu funktionieren, andererseits arbeiten sie daran, diese Welt auf Flügeln zu verlassen. Dazu auf Seite 98

In dieser Nacht schlägt in der Mitte des Lagers eine Rakete ein. Auf dem Feldbett liegend, höre ich an- und abschwellendes Pfeifen … Unsere Welt kommt mir vor wie ein großes verwinkeltes Haus mit Fluren, Stockwerken und Türen, in einigen Räumen herrscht Krieg. In diesem Augenblick weiß ich nicht, was ich da eigentlich zu suchen habe.

Der Protagonist des Romans, Sanitätsobergefreiter Paul Arimond aus der Eifel, den wir auf seinem Einsatz in Afghanistan begleiten, ist vor einem persönlichen Desaster in die Ferne geflohen. Wie nebenbei berichtet er von seinem kriegerischen Erleben, Seite 76 und 168

Ein etwa zehn Jahre altes Mädchen liegt auf dem Behandlungstisch. Während ich den schmutzigen Verband entfernte, werden Medikamentenkisten herein getragen.

Das Lager steht jetzt mehrmals in der Woche unter Raketenbeschuss, die Wachposten sind verstärkt worden und in ständiger Alarmbereitschaft.

Und über seinen Zimmerkameraden notiert er, Seite 78

Julian möchte Offizier werden, seine Ausrüstung muss immer entsprechend perfekt sein, er liest Bücher über Kriegstaktiken und Strategien für höhere Offiziere, geht täglich ins Fitnesscenter und joggt durchs Lager mit einem Rucksack, in den er seine Hanteln gepackt hat.

Abheben können

Paul Arimond berichtet in seinen knappen Tagebucheintragungen nicht nur, wie er zur Eifel Kontakt hält und das Lagerleben erträgt, sondern immer wieder von den Vögeln, die er auf dem Flugplatz, vom Wachturm aus – Seite 88 – und durch die Luke des Transportpanzers entdeckt.

Wieder auf meinem Turm beobachte ich Schwarzmilane (Milvus migrans). Sie lassen sich von einer Säule warmer Luft nach oben tragen, schweben scheinbar ohne Anstrengung in immer größer werdenden Spiralen höher und höher, ihre Schwingen ausgestreckt, ganz ruhig.

In Gedanken verfolgt er unablässig ein verbotenes Ziel, das durch Schanzwall und elektronische Sperre im Prinzip unerreichbar ist: einen vogelreichen See, den „Stillen See“, jenseits des militärischen Sperrgebietes, das sein Lager umgibt. Auf Seite 57 steht

Im Sperrgebiet hält sich ein Trupp Rotstirngirlitze (Serinus pusillus) auf … Einige der Männchen balzen, tragen enthusiastisch ihre Lieder vor, lassen dabei ihre Flügel hängen und richten das Kopfgefieder auf, wobei ihre rote Stirn besonders auffällt.

Und am Ufer des Sees dann wie eine Erlösung, Seite 149

Säbelschnäbler fliegen auf, strahlend weiße Flügel mit schwarzen flatternden Linien, langgestreckte blaugraue Beine, das dünne hohe Flöten aus ihren gebogenen Schnäbeln, als sie über mich hinwegfliegen.

Die Sprache der Vögel

Verwoben ist diese traurig-sehnsuchtsvolle Geschichte mit Ambrosius Arimond, einem Urahn von Paul, der im 18. Jahrhundert über Palästina und Persien bis Afghanistan reiste, um das Fliegen und den Vogelgesang – und damit die Sprache der Vögel – zu erkunden. Und verwoben ist sie auch mit dem Vater von Paul Arimond. Denn der nahm seinen Sohn mit zu den brütenden Wanderfalken an der Autobahnbrücke und war nicht zufällig – und mit tragischen Konsequenzen – ein eleganter Hochspringer, Seite 61

Im Frühjahr 1996 beobachtete ich zusammen mit meinem Vater Wanderfalken (Falco peregrinus). Nach langer Zeit hatten sie sich wieder in unserer Gegend angesiedelt … Das Männchen kündigte sich mit schrillen Rufen an. Vater und ich saßen sehr günstig, wir konnten mit unseren Gläsern in das Nest sehen. Drei junge Wanderfalken waren gerade geschlüpft.

Das Ende des Romans möchte ich euch durchaus vorenthalten. Alles spitzt sich zu, nach dieser Tagebucheintragung von Paul, die mit den Worten beginnt, Seite 222

Es wird immer gefährlicher hier.

 

Die Sprache der Vögel
Autor: Norbert Scheuer
Verlag: C.H.Beck, München
Jahr: 2015 (2. Aufl.)

E-Book (C.H.Beck, München)
Taschenbuch (S.Fischer Verlag, Frankfurt a.M.)

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

1 Kommentar

  1. Norbert Scheuer steht gerade mit „Winterbienen“ auf der Liste des Deutschen Buchpreises – und ist für mich eine Entdeckung.
    Wie schön, dass Du gerade jetzt auf „Die Sprache der Vögel“ hinweist.
    Ich folge Deinem Blog ausgesprochen gern.
    Rosi

    Antworten

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Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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