Salzige Attraktion

31. Januar 2019 | Kleine Vögel | 7 Kommentare

Der rotstirnige Girlitz mit dunklem Kopf sitzt auf einem Zweig mit jungen, sprießenden Blättern.

Den Rotstirngirlitz gibt es in Deutschland nicht, aber zum Beispiel im Kaukasus. (Zum Vergrößern Fotos anklicken.)

Auf meiner Vogeltour in Armenien haben wir nicht nur die geflügelten Arten im Auge gehabt, sondern durchaus auch die beeindruckenden Klöster, die in abgeschiedenen Gegenden Jahrtausende überstanden haben. Das Kloster Noravankh in 1.600 m Höhe vor rotem Fels und mit fantastischen Ausblicken gehörte dazu.

Aber wie es der Zufall will, hatten sich dort zur Freude der Ornis aus Deutschland ein paar Rotstirngirlitze eingefunden. Der Grund war salzhaltiges Gestein.

Vor rötlichem Felsgestein steht ein Klostergebäude mit Kuppel und einer Fassade mit Kreuz.

Das Kloster Noravankh wurde im 13. Jh. errichtet. Ein Gotteshaus gab es schon zuvor. Mehrfach wurde es durch Erdbeben erschüttert oder zerstört.

m Inneren des Klosters aus rötlichem Stein ein Altar mit Marienbild und Kreuzen

Als weltweit erster Staat hat Armenien im Jahr 301 das Christentum (armenisch-apostolisch) als Staatsreligion eingeführt.

Wie immer hatten wir Spektive, Ferngläser, Kameras und Stative dabei, um in oder über der Felsschlucht vielleicht Greifvögel zu entdecken. Aber es kam anders. Wir gingen mit geschulterter Optik an den berühmten armenischen Kreuzsteinen vorbei und genossen den herrlichen Ausblick auf die Schlucht, bis wir an eine defekte Wasserrohrleitung kamen.

Hintereinander stehen sieben Kreuzsteine im frischen Grün. Dahinter das rötliche Felsgestein der Schlucht.

Kreuzsteine (Chatsch’khare) werden als Bekenntnis zum Christentum aufgestellt.

Dort sah ich meinen ersten Rotstirngirlitz. Er trank von dem heraussickernden Wasser, flog hin und wieder ins schützende Gebüsch, wetzte seinen Finkenschnabel und beäugte uns.

Wie ein dunkler Punkt sitzt der Rotstirngirlitz im Gebüsch.

Im Gebüsch gut gedeckt.

Von dem rötlichen Gestein aus, über das ein defektes Wasserrohr führt, blickt der Girlitz auf das tröpfelnde Wasser.

Vom Sinn defekter Wasserleitungen … eine Vogeltränke

Als auch andere Artgenossen heranflogen, entdeckten wir am Abhang für die braungemusterten, rotstirnigen Finken eine andere Attraktion – im wahrsten Sinne der lateinischen Wortbedeutung „anziehend“: diesen mineralienhaltigen Stein.

Sechs Rotstirngirlitze und ein Ortolan auf einem hellen Gesteinsbrocken.

Salzige Attraktion für Rotstirngirlitze und einen Bluthänfling – den ich zunächst für einen Ortolan hielt.¹

Nicht nur fünf, sechs Girlitze rissen sich dort um ein Plätzchen, auch ein Bluthänfling kam angeflogen und knabberte an dem Gesteinsbrocken. Ich vermute, dass durch Tau und Regen sich lebenswichtige Salze gelöst hatten und die Vögel es dadurch leicht mit dem Schnabel aufnehmen konnten.

Wozu Salz?

Nicht nur wir Menschen und andere Säugetiere wie etwa das hiesige Rotwild oder Elefanten in Asien und Afrika, sondern auch Vögel benötigen für ihren Stoffwechsel geringe Mengen an Kochsalz und anderen Mineralien. Zum Beispiel hängt die Funktion der Körperzellen hängt davon ab, dass im Wechselspiel von Natrium mit Kalium ständig genügend Ionen aus den Zellen raus und wieder rein können.

Während die fleischhaltigen Mahlzeiten von Raubtieren bereits salzhaltig sind, müssen viele Vegetarier unter den Tieren gezielt Salz aufnehmen.

Das ist kein Problem für Meeresvögel, die davon so viel konsumieren, dass ihre Salzdrüsen – das sind spezielle Ausscheidungsorgane für Salz – besonders groß sind. Wer aber im Binnenland herumfliegt, und sich weitgehend pflanzlich ernährt, muss wie die Finken – oder auch Papageien – sehen, wo er Salz und andere wichtige Mineralien findet.

Bei manchen Vogelarten reichen salzhaltige Kräuter aus, um das über die Nieren ausgeschiedene Salz zu ersetzen. Andere nutzen mineralhaltige Steine oder auch Wasserquellen als Salzspender.

Ein Vogel der Gebirgswälder

Dass ich den Rotstirngirlitz erstmals in Armenien traf, ist kein Zufall. Bei uns und in ganz Westeuropa gibt es ihn nicht. Sein Verbreitungsgebiet beginnt in den Gebirgszügen der Türkei und zieht sich von dort nach Osten bis zum Himalaya.

Johann F. Naumann schreibt in seiner Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. III, S. 278:

Dieses äusserst niedliche Vögelchen bewohnt die Gebirgswälder, in Höhen über 3.000 und 3.500 bis zu 10.500 Fuss über dem Meere, zieht sich aber im Winter in tiefere Lagen hinab. … Die Art ist Brutvogel im Kaukasus, ungeheuer zahlreich im Taurus in Kleinasien, in Nordpersien, Afghanistan und Turkestan …

Durchaus Gerangel

Nicht nur an unseren Winterfutterstellen ist manchmal viel los, und es kommt auf gute Strategien und Durchsetzungsvermögen an, wenn man zum Zuge kommen will. Auch an mineralienreichen Plätzen wird gerangelt, und nicht jeder, der angeflogen kommt, ist willkommen und darf sich setzen.

Die munteren rotstirnigen Girlitze waren definitiv ein Ereignis. Doch nun warte ich auf eine Begegnung mit unseren Girlitzen, also den gelb-grünen Verwandten mit gestreifter Flanke. Ihre trillernde Stimme mit silbrigem Klang – oft wird sie so beschrieben – kenne ich, schwieriger ist es die kleinen Flitzer zu fotografieren. Aber ich rechne mit interessanten Ergebnisse, wie in Armenien.

Wie eine Hummel mit rotem Kopf fliegt der rotstirngirlitz auf uns zu.

„Und tschüss …”

¹Ein Blogleser machte mich darauf aufmerksam, dass die Rotstirngirlitze nicht von einem Ortolan, sondern von einem Bluthänfling Besuch erhielten. Vermutlich ist es ein junges Weibchen. Ich habe die Info am 13.4.2019 eingepasst. Vielen Dank für den Hinweis!

Rotstirngirlitz | Serin front rouge | Red-fronted Serin | Serinus pusillus

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

7 Kommentare

  1. Hallo Elke!
    Super Bilder!!! Der Vogel zwischen den Rotstirngirlitzen am Salzstein ist allerdings ein Bluthänfling – Weibchen, kein Ortolan. Viele liebe Grüße!
    Matthias

    Antworten
    • Vielen Dank für deinen Hinweis, Matthias! Sobald ich wieder in Berlin bin, werde ich mir die Fotos – denn es gibt eine ganze Menge davon – nochmals genau anschauen. Wahrscheinlich hast du Recht. Viele Grüße nach Österreich von Elke.

    • Hallo Matthias, du hast völlig Recht: Es ist ein Bluthänfling und kein Ortolan. Jungvögel und Weibchen beider Arten sind sich zwar ähnlich, aber es fehlt der gelbe Augenring des Ortolan, der braune Mantel und der Rücken – beides fein gestrichelt – sind indes typisch für den Bluthänfling. Und eine rote Brust hat das Bluthänfling-Männchen nur im Prachtkleid.

  2. Liebe Elke! Deine Mail zu lesen macht mir große Freude. gefällt mir sehr gut, wie du die Vögel beobachtest und einen so schönen Beitrag gestaltest. Liebe Grüße aus Plauen von Erika.

    Antworten
    • Danke, liebe Erika. Auch dank deiner Artenkenntnis, hat mir unsere Armenienreise viel gebracht!

  3. Liebe Elke,
    die Rotstirngirlitze beim »Salztanken« – das ist aber eine schöne und interessante Beobachtung. Ich habe die putzigen Kerlchen erst letztes Jahr im Kaukasus (Aserbaidschan) bei einem hoch gelegenen Dorf Laza gesehen. Sie sind einfach hübsch.

    Antworten
    • Ja, wir wären uns fast am Rande des Kaukasus über den Weg gelaufen. Ich finde die Rotfärbung der Stirn sehr interessant. Ein tolles Signal – etwas schwächer auch bei den Weibchen vorhanden -, und ich würde gerne den verhaltensbiologischen Sinn herausfinden.

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5 von 805 Kommentaren

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Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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