Wie versteinert

14. Juli 2022 | Große Vögel | 11 Kommentare

Starr sitzender Steinkauz auf einem roten Ziegeldach

Solche Sonnenplätzchen auf dem Dach sind beim Steinkauz beliebt

Der Name Steinkauz beruht darauf, dass die kleine Eule besonders häufig auf Steinhaufen, alten Mauern oder auch Ziegeldächern zu finden ist. Außerdem brütet sie gerne in Scheunen und Schuppen, das tut sie aber auch in den Höhlungen von alten Weiden und Schopfbäumen. Dass der nachtaktive Steinkauz oft wie versteinert auf seinem Ausguck und tagsüber ziemlich starr auf einem Plätzchen zum Sonnen sitzt, ist also nicht namensgebend.

Auf dem Dachfirst sitzt kaum sichtbar ein Steinkauz

In der Abenddämmerung kaum zu entdecken

Der Kopf eines Steinkauzes auf dem Dachfirst

Bald beginnt die Jagd auf Feldmäuse & Co.

In Deutschland ist der Steinkauz eine bedrohte Art, denn Lebensräume, die die kleine Eulenart in unseren Breiten traditionell nutzt, wurden in den letzten Jahrzehnten vernichtet. Dazu gehören die Streuobstwiesen, auf denen der Chemieeintrag durch Düngemittel und Pestizide gering ist. Auf solchen mit alten Obstbäumen bestandenen Wiesen herrscht ein großer Reichtum an Käfern, Heuschrecken und Ohrwürmern, von denen der Steinkauz lebt.

Auch Regenwürmer werden von ihm verzehrt und in der Brutzeit häufig an die Jungen verfüttert. Außerdem jagen Steinkäuze allerlei Kleinsäuger wie Feldmäuse und verwandte Arten. Selbst Frösche und kleinere Vögel stehen auf ihrem Speiseplan. Je nach Größe der Beute greifen sie mit dem Schnabel oder den Zehen zu.

Steinkauz auf einem metalischen Zaun, der eine Wiese teilt.

Ein moderner Zaun dient als Ansitz

Meist hält der Steinkauz von einem Ansitz aus nach Beute Ausschau, etwa von einer Mauer oder einem Zaun aus. Oder er fliegt flach über das Gelände. Um ein Insekt zu fangen, sind Steinkäuze manchmal auch zu Fuß unterwegs. Da zeigen sich ihre vergleichsweise langen Beine, die ansonsten meist unter dem Körper verborgen sind. Etwas mehr als 20 cm sind die adulten Käuzchen groß, wobei die etwas größeren Weibchen rund 200 Gramm auf die Waage bringen, bei den Männchen sind es im Schnitt nur 180 Gramm.

Steinkauz sitzt auf einem metallischen Zaun

Steinkauz aus der Näher mit gut sichtbarer weißer Fleckung auf den Flügeln

Typisch: Weiße Sprenkelung auf dem Gefieder und gelbe Iris der Augen.

Habitatverlust in Deutschland

Was den Steinkauz in Deutschland dezimiert hat, sind außer dem Verlust an Streuobstwiesen noch die Flurbereinigung, die Zersiedlung der Landschaft und die intensive Landwirtschaft, resümiert Anita Schäffer in der ornithologischen Zeitschrift Der Falke (2019, Bd 8, S. 24 ff.).

Kein Wunder also, dass ich bei 8.000 bis 9.500 Brutpaaren hierzulande noch keinen Steinkauz zu Gesicht bekommen habe. Das ist etwa in Nordgriechenland (noch) ganz anders. Zwei Mal war ich für gut eine Woche dort und habe insgesamt vier Mal diese rundliche und kurzschwänzige Eule beobachten können.

Blick auf Häuser, Stallungen und Gärten

Ortschaft in ländlicher Umgebung

Kleiner Steinkauz hockt auf der Spitze eines Ziegeldachs

Domizil des gut getarnten Steinkauzes

Die Situation in Nordgriechenland, der Region Mazedonien, erinnert außerhalb großer Städte vielfach jenen Landstrichen, die Johann F. Naumann in Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas als charakteristischen Lebensraum beschrieben hat. Ich lese auf Seite 11, Der Steinkauz

lebt gerne in der Nähe der Menschen, aber an einsamen Orten, oft mitten in den Städten auf Türmen und Dachböden der Kirchen, in Gewölben, Begräbnissen, in den Ritzen und Löchern der Stadtmauern, in Scheunen, auf den Böden der Gartenhäuser… auch in den Wäldern hält er sich auf, doch mehr in kleineren lichteren Holzungen, in der Nähe der Felder, als in tiefen Waldungen.

All das ist bei uns weitgehend verlorengegangen: Es wird verputzt, versiegelt, abgedichtet oder rundum erneuert, was das Zeug hält.

Todbringender Aberglaube

In der Kunst sind der Steinkauz und andere Eulen ein beliebtes Motiv. Ihre großen, nach vorne gerichteten Augen schauen uns direkt an: Dadurch haben die Vögel ein attraktives Gesicht, und irgendwie unheimlich sind sie auch. Dieses Gemälde der Künstlerin Camilla Berg hängt in meinem Arbeitszimmer an der Wand.

Foto eines Gemäldes mit zwei Steinkäuzen

Früher wurden Steinkäuze übrigens wahllos abgeschossen, denn sie galten als Boten des nahen Todes. Als Totenvogel und Leichenvogel wurden sie auch bezeichnet. Ein Grund sind ihre lautstarken Rufe in der Nacht, die abergläubischen Menschen Furcht einflößten und völlig falsch interpretiert worden sind.

Schon vor rund 150 Jahren kritisierte der Vogelkenner Johann F. Naumann seine Zeitgenossen mit klaren Worten: Bei den Lautreihen

wähnt der abergläubische Pöbel hiesigen Landes darinnen die Worte: Komm mit – komm mit – auf den Kirchhof – hof – hof zu vernehmen und in ihm einen Todespropheten zu hören.*

Ergänzend steht dazu in der berühmten 3. Auflage von Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas

Die Dummen werden eben nicht alle und hören das heraus, was sie gerne hören möchten; der Aberglaube ist ihnen ein zu guter Freund, um von ihm zu lassen …

Nachhaltig vertrieben

Der Mensch hat auf vielerlei Art, den Steinkauz aus seinem Lebensraum vertrieben.¹ Während der Vogel vor rund 80 Jahren in Niedersachsen noch häufig vorkam und als Garten- und Hausvogel nicht selten war, bezeichnen Thomas Brandt und seine Coautoren in Der Falke ( 2014, Bd. 61) den massiven Rückgang an brütenden Steinkäuzen in Niedersachsen als erschreckend.

Östlich der Weser gebe es kaum noch Brutpaare, obwohl Steinkauzröhren und andere Maßnahmen die Vögel anlocken sollten. Das Fazit einer gründlichen Erhebung, die der NABU koordiniert hatte, lautet auf Seite 42

Somit ist die Hälfte des zweitgrößten Bundeslandes steinkauzleer.

Der heute durchaus beliebten Eule die Neu- oder Wiederbesiedlung von Landstrichen zu erleichtern, hat sich bisher als schwierig erwiesen.² Denn es reicht eben nicht, künstliche Bruthöhlen anzubieten, wenn das Nahrungsangebot oder weitere Faktoren nicht stimmen. Und: Raps- und Maisfelder sind definitiv nicht das, was Steinkäuze brauchen.

Auch sind die Vögel standorttreu, und einmal verpaart bleiben Männchen und Weibchen lebenslang zusammen. Den Brutplatz wechselt das Paar mehr als ungern.

Chancen: In der Nuthe-Nieplitz-Niederung südlich von Berlin sind die Voraussetzungen günstig, den Steinkauz wieder anzusiedeln. Denn in diesem großflächigen Naturpark gibt es „wilde Ecken“, kleinteilige Landwirtschaft und etwa durch die verbreitete Pferdehaltung auch Stallungen als Unterschlupf, Zäune zum Ansitzen, Weideflächen und Insekten.

Doch auch hier geht es trotz großartigem Engagement nur langsam voran. Allmählich steigt die Zahl der Brutpaare jedoch.³ Aber dazu ein andermal.

Wohlfühlecken für den Steinkauz

In Griechenland sah ich im Mai ganz konkret, was Steinkäuze zum Wohlfühlen brauchen: etwa an unsere Streuobstwiesen erinnernde Olivenhaine, die nicht immer „fein herausgeputzt“ sind, und Geräteschuppen, die nicht unbedingt top aussehen.

Olivenhain mit jungen und alten Bäumen, darunter viel Wildwuchs

Nordgriechischer Olivenhain: alte und neue Pflanzungen

Ein weiß gestrichener Backsteinbau mit maroder Verputzung und Wandbemalung an einer Strßenkreuzung auf dem Land.

Ortsnaher Schuppen auf dem Land

Unter das Vordach von diesem Schuppen rettete sich ein Steinkauz, den ich offenbar aufgeschreckt hatte. Er wusste genau, wohin er sich flüchten konnte, und ich vermute, dass er hier auch einen Brutplatz hat. Im Schatten des Vordachs hielt er sich verborgen. Kaum zu entdecken!

Dachkonstruktion aus Holz und Blech, darunter hockt im Schatten ein Steinkauz

Gut verborgen. (Foto: stark gezoomt)

Schattiger Unterschlupf zwischen Balken und Dach

Schon zum Abflug bereit (Foto: stark gezoomt und aufgehellt)

Nach anhaltendem Staunen, großer Freude und zwei Fotos überließ ich den Steinkauz – Weibchen und Männchen sind nicht zu unterscheiden – der schönen mazedonischen Region.

* Das Wort wähnt lässt sich durch glaubt ersetzen.

¹ https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/artenschutz/greifvoegel/07258.html
² Matthias Putze u.a.: Telemetrie von Steinkäuzen (Athene noctua) im Havelland 2006/2007 in: Otis, 2009, Bd 17, S. 59-68
³ Günter Kehl & Peter Koch: Wiederansiedlung von Steinkäuzen Athena noctua in der Nuthe-Nieplitz-Niederung – ein Projektüberblick, in: Otis, 2019, Bd 26, S. 83-99

Steinkauz | Cheveche Athéna | Little Owl | Athene noctua

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

11 Kommentare

  1. Der häufigere Waldkauz hat einen ähnlichen Ruf.
    Der Steinkauz ist in NRW gar nicht so selten; hier hat er den Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland.
    Aber auch bei Frankfurt/ M kommt er noch öfters vor.
    In Deutschland kommt die Art aber (anders als in Südeuropa) nicht in Ortschaften vor.

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  2. Zu meinen lieblings-vorlese-geschichten zählt „Ich trage eine Eule nach Athen“ in dem Buch „Lieblose Legenden“ von Wolfgang Hildesheimer.

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    • Danke für den Hinweis Charly. Das ist eine wunderbare, denn kluge und unterhaltsame, Geschichte. Und wir wissen dann endlich, warum der Steinkauz in der wissenschafltichen Terminologie so heißt wie er heißt: Athene noctua. – Naja, eigentlich liegt es an der griechischen Mythologie, wie sich bei Wikipedia nachlesen lässt: „Die Eule – genau genommen der Steinkauz (Athene noctua) – war der griechischen Göttin Athene, der Göttin der Weisheit und der Stadtgöttin Athens, heilig. Dort war dieser Greifvogel an den Hängen der Akropolis nicht selten …“

  3. Ich wohne in Halle in der Südstadt und ich bin sehr glücklich, sagen zu können, dass seit etwa 5 Jahren hier des nachts Käuzchenrufe zu hören sind. Sie sitzen verteilt an verschiedenen Orten und rufen sich. Vor ein paar Jahren hatte ich die große Ehre ein Käuzchen auf dem Dach (ich wohne in der obersten Etage eines Mehrfamilienhauses) ganz nah zu sehen. Ich war total gerührt von dem Anblick dieses wunderschönen Eulenvogels.

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  4. Bin im nördlichen Speckgürtel von Berlin aufgewachsen und erinnere mich gut und mit Freude an gelegentliche Beobachtungen dieser kleinen, wunderschönen Eule. Was für ein Geschimpfe, wenn einige Singvögel, die die kleine Eule entdeckt hatten, aus dem Schornstein der Nachbarlaube immerwieder abtauchend.

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    • Danke für die schöne Beobachtung. Wir bekommen ja eher selten mit, was zwischen verschiedenen Vogelarten so „alles läuft“.

  5. Ich auch, lebe leider in der Stadt. Es sind so wunderschöne Tiere, die niemals aussterben dürfen.

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  6. Der Steinkauz ist einer meiner Lieblingsvögel und ich höre ihn mehrmals im Jahr rufen !

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  7. Ein interessanter Bericht. Leider verschwindet der Steinkauz in vielen Gebieten, nach und nach, weil die Biotope verloren gehen.

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  8. wohne in einer kleinen ruhigen ecke einer siedlung mit einem baumsaum. kleine waldinsel sozusagen. wald- und steinkauz sind hier zu hause und es ist schön, ihnen nachts zuzuhören <3

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    • Wie wunderbar. Das hätte ich auch gerne.

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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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