Der Name Steinkauz beruht darauf, dass die kleine Eule besonders häufig auf Steinhaufen, alten Mauern oder auch Ziegeldächern zu finden ist. Außerdem brütet sie gerne in Scheunen und Schuppen, das tut sie aber auch in den Höhlungen von alten Weiden und Schopfbäumen. Dass der nachtaktive Steinkauz oft wie versteinert auf seinem Ausguck und tagsüber ziemlich starr auf einem Plätzchen zum Sonnen sitzt, ist also nicht namensgebend.
In Deutschland ist der Steinkauz eine bedrohte Art, denn Lebensräume, die die kleine Eulenart in unseren Breiten traditionell nutzt, wurden in den letzten Jahrzehnten vernichtet. Dazu gehören die Streuobstwiesen, auf denen der Chemieeintrag durch Düngemittel und Pestizide gering ist. Auf solchen mit alten Obstbäumen bestandenen Wiesen herrscht ein großer Reichtum an Käfern, Heuschrecken und Ohrwürmern, von denen der Steinkauz lebt.
Auch Regenwürmer werden von ihm verzehrt und in der Brutzeit häufig an die Jungen verfüttert. Außerdem jagen Steinkäuze allerlei Kleinsäuger wie Feldmäuse und verwandte Arten. Selbst Frösche und kleinere Vögel stehen auf ihrem Speiseplan. Je nach Größe der Beute greifen sie mit dem Schnabel oder den Zehen zu.
Meist hält der Steinkauz von einem Ansitz aus nach Beute Ausschau, etwa von einer Mauer oder einem Zaun aus. Oder er fliegt flach über das Gelände. Um ein Insekt zu fangen, sind Steinkäuze manchmal auch zu Fuß unterwegs. Da zeigen sich ihre vergleichsweise langen Beine, die ansonsten meist unter dem Körper verborgen sind. Etwas mehr als 20 cm sind die adulten Käuzchen groß, wobei die etwas größeren Weibchen rund 200 Gramm auf die Waage bringen, bei den Männchen sind es im Schnitt nur 180 Gramm.
Habitatverlust in Deutschland
Was den Steinkauz in Deutschland dezimiert hat, sind außer dem Verlust an Streuobstwiesen noch die Flurbereinigung, die Zersiedlung der Landschaft und die intensive Landwirtschaft, resümiert Anita Schäffer in der ornithologischen Zeitschrift Der Falke (2019, Bd 8, S. 24 ff.).
Kein Wunder also, dass ich bei 8.000 bis 9.500 Brutpaaren hierzulande noch keinen Steinkauz zu Gesicht bekommen habe. Das ist etwa in Nordgriechenland (noch) ganz anders. Zwei Mal war ich für gut eine Woche dort und habe insgesamt vier Mal diese rundliche und kurzschwänzige Eule beobachten können.
Die Situation in Nordgriechenland, der Region Mazedonien, erinnert außerhalb großer Städte vielfach jenen Landstrichen, die Johann F. Naumann in Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas als charakteristischen Lebensraum beschrieben hat. Ich lese auf Seite 11, Der Steinkauz
lebt gerne in der Nähe der Menschen, aber an einsamen Orten, oft mitten in den Städten auf Türmen und Dachböden der Kirchen, in Gewölben, Begräbnissen, in den Ritzen und Löchern der Stadtmauern, in Scheunen, auf den Böden der Gartenhäuser… auch in den Wäldern hält er sich auf, doch mehr in kleineren lichteren Holzungen, in der Nähe der Felder, als in tiefen Waldungen.
All das ist bei uns weitgehend verlorengegangen: Es wird verputzt, versiegelt, abgedichtet oder rundum erneuert, was das Zeug hält.
Todbringender Aberglaube
In der Kunst sind der Steinkauz und andere Eulen ein beliebtes Motiv. Ihre großen, nach vorne gerichteten Augen schauen uns direkt an: Dadurch haben die Vögel ein attraktives Gesicht, und irgendwie unheimlich sind sie auch. Dieses Gemälde der Künstlerin Camilla Berg hängt in meinem Arbeitszimmer an der Wand.
Früher wurden Steinkäuze übrigens wahllos abgeschossen, denn sie galten als Boten des nahen Todes. Als Totenvogel und Leichenvogel wurden sie auch bezeichnet. Ein Grund sind ihre lautstarken Rufe in der Nacht, die abergläubischen Menschen Furcht einflößten und völlig falsch interpretiert worden sind.
Schon vor rund 150 Jahren kritisierte der Vogelkenner Johann F. Naumann seine Zeitgenossen mit klaren Worten: Bei den Lautreihen
wähnt der abergläubische Pöbel hiesigen Landes darinnen die Worte: Komm mit – komm mit – auf den Kirchhof – hof – hof zu vernehmen und in ihm einen Todespropheten zu hören.*
Ergänzend steht dazu in der berühmten 3. Auflage von Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas
Die Dummen werden eben nicht alle und hören das heraus, was sie gerne hören möchten; der Aberglaube ist ihnen ein zu guter Freund, um von ihm zu lassen …
Nachhaltig vertrieben
Der Mensch hat auf vielerlei Art, den Steinkauz aus seinem Lebensraum vertrieben.¹ Während der Vogel vor rund 80 Jahren in Niedersachsen noch häufig vorkam und als Garten- und Hausvogel nicht selten war, bezeichnen Thomas Brandt und seine Coautoren in Der Falke ( 2014, Bd. 61) den massiven Rückgang an brütenden Steinkäuzen in Niedersachsen als erschreckend.
Östlich der Weser gebe es kaum noch Brutpaare, obwohl Steinkauzröhren und andere Maßnahmen die Vögel anlocken sollten. Das Fazit einer gründlichen Erhebung, die der NABU koordiniert hatte, lautet auf Seite 42
Somit ist die Hälfte des zweitgrößten Bundeslandes steinkauzleer.
Der heute durchaus beliebten Eule die Neu- oder Wiederbesiedlung von Landstrichen zu erleichtern, hat sich bisher als schwierig erwiesen.² Denn es reicht eben nicht, künstliche Bruthöhlen anzubieten, wenn das Nahrungsangebot oder weitere Faktoren nicht stimmen. Und: Raps- und Maisfelder sind definitiv nicht das, was Steinkäuze brauchen.
Auch sind die Vögel standorttreu, und einmal verpaart bleiben Männchen und Weibchen lebenslang zusammen. Den Brutplatz wechselt das Paar mehr als ungern.
Chancen: In der Nuthe-Nieplitz-Niederung südlich von Berlin sind die Voraussetzungen günstig, den Steinkauz wieder anzusiedeln. Denn in diesem großflächigen Naturpark gibt es „wilde Ecken“, kleinteilige Landwirtschaft und etwa durch die verbreitete Pferdehaltung auch Stallungen als Unterschlupf, Zäune zum Ansitzen, Weideflächen und Insekten.
Doch auch hier geht es trotz großartigem Engagement nur langsam voran. Allmählich steigt die Zahl der Brutpaare jedoch.³ Aber dazu ein andermal.
Wohlfühlecken für den Steinkauz
In Griechenland sah ich im Mai ganz konkret, was Steinkäuze zum Wohlfühlen brauchen: etwa an unsere Streuobstwiesen erinnernde Olivenhaine, die nicht immer „fein herausgeputzt“ sind, und Geräteschuppen, die nicht unbedingt top aussehen.
Unter das Vordach von diesem Schuppen rettete sich ein Steinkauz, den ich offenbar aufgeschreckt hatte. Er wusste genau, wohin er sich flüchten konnte, und ich vermute, dass er hier auch einen Brutplatz hat. Im Schatten des Vordachs hielt er sich verborgen. Kaum zu entdecken!
Nach anhaltendem Staunen, großer Freude und zwei Fotos überließ ich den Steinkauz – Weibchen und Männchen sind nicht zu unterscheiden – der schönen mazedonischen Region.
* Das Wort wähnt lässt sich durch glaubt ersetzen.
¹ https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/artenschutz/greifvoegel/07258.html
² Matthias Putze u.a.: Telemetrie von Steinkäuzen (Athene noctua) im Havelland 2006/2007 in: Otis, 2009, Bd 17, S. 59-68
³ Günter Kehl & Peter Koch: Wiederansiedlung von Steinkäuzen Athena noctua in der Nuthe-Nieplitz-Niederung – ein Projektüberblick, in: Otis, 2019, Bd 26, S. 83-99
Steinkauz | Cheveche Athéna | Little Owl | Athene noctua
Der häufigere Waldkauz hat einen ähnlichen Ruf.
Der Steinkauz ist in NRW gar nicht so selten; hier hat er den Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland.
Aber auch bei Frankfurt/ M kommt er noch öfters vor.
In Deutschland kommt die Art aber (anders als in Südeuropa) nicht in Ortschaften vor.
Zu meinen lieblings-vorlese-geschichten zählt „Ich trage eine Eule nach Athen“ in dem Buch „Lieblose Legenden“ von Wolfgang Hildesheimer.
Danke für den Hinweis Charly. Das ist eine wunderbare, denn kluge und unterhaltsame, Geschichte. Und wir wissen dann endlich, warum der Steinkauz in der wissenschafltichen Terminologie so heißt wie er heißt: Athene noctua. – Naja, eigentlich liegt es an der griechischen Mythologie, wie sich bei Wikipedia nachlesen lässt: „Die Eule – genau genommen der Steinkauz (Athene noctua) – war der griechischen Göttin Athene, der Göttin der Weisheit und der Stadtgöttin Athens, heilig. Dort war dieser Greifvogel an den Hängen der Akropolis nicht selten …“
Ich wohne in Halle in der Südstadt und ich bin sehr glücklich, sagen zu können, dass seit etwa 5 Jahren hier des nachts Käuzchenrufe zu hören sind. Sie sitzen verteilt an verschiedenen Orten und rufen sich. Vor ein paar Jahren hatte ich die große Ehre ein Käuzchen auf dem Dach (ich wohne in der obersten Etage eines Mehrfamilienhauses) ganz nah zu sehen. Ich war total gerührt von dem Anblick dieses wunderschönen Eulenvogels.
Bin im nördlichen Speckgürtel von Berlin aufgewachsen und erinnere mich gut und mit Freude an gelegentliche Beobachtungen dieser kleinen, wunderschönen Eule. Was für ein Geschimpfe, wenn einige Singvögel, die die kleine Eule entdeckt hatten, aus dem Schornstein der Nachbarlaube immerwieder abtauchend.
Danke für die schöne Beobachtung. Wir bekommen ja eher selten mit, was zwischen verschiedenen Vogelarten so „alles läuft“.
Ich auch, lebe leider in der Stadt. Es sind so wunderschöne Tiere, die niemals aussterben dürfen.
Der Steinkauz ist einer meiner Lieblingsvögel und ich höre ihn mehrmals im Jahr rufen !
Ein interessanter Bericht. Leider verschwindet der Steinkauz in vielen Gebieten, nach und nach, weil die Biotope verloren gehen.
wohne in einer kleinen ruhigen ecke einer siedlung mit einem baumsaum. kleine waldinsel sozusagen. wald- und steinkauz sind hier zu hause und es ist schön, ihnen nachts zuzuhören <3
Wie wunderbar. Das hätte ich auch gerne.