Die Schale des Hühnereis, das bei uns üblicherweise auf den Tisch kommt, ist rein weiß oder matt braun, und manchmal ist sie – vor allem am stumpferen Ende – bräunlich gesprenkelt. Aber es leben in unserer Nähe Vogelarten, deren Eischale im Grundton blau ist oder grünlich. Und mal ist das Vogelei außen sehr schlicht, mal von unregelmäßigen braunen Flecken übersät, mal wie von Girlanden geschmückt oder zart marmoriert. Da stellen sich doch ein paar Fragen.
Wie kommt es überhaupt zur jeweiligen Farbgebung?
Warum sind viele Vogeleier gemustert – wie diese Wachteleier?
Und: Hat eine variantenreiche, teils zauberhafte Schalenfärbung biologisch einen Sinn?
Ursprünglich schlicht weiß
Wenn sich ein Ei aus dem Eierstock in den Eileiter begibt und – nach der Besamung – mit dem Eiklar und feinen Häuten umwandet ist, gleitet es immer weiter durch den schlauchförmigen Eileiter – auch Ovidukt oder Legedarm genannt. Das Ei nimmt an Volumen zu und gelangt schließlich in den Uterus des Vogels.
Dieser Bereich, fast am Ende des Eileiters, wird auch als Schalendrüse bezeichnet, denn hier entsteht die feste Kalkschale des Eis. Ihr wichtigster Baustein ist Calciumcarbonat.
Vieles spricht dafür, dass eine weiße Eihülle oder Eischale in der Evolution der eierlegenden Wirbeltiere die Ausgangsform war.
Bei den stammesgeschichtlichen Vorläufern – also den Sauropsiden –, aus denen die heutigen Vögel und Kriechtiere (Reptilien) hervorgegangen sind, waren die Eier jedenfalls weiß.
Die sekretorischen Zellen in der Uteruswand von Vögeln produzieren nicht nur die Kalkschale, sondern in manchen der Drüsenzellen werden Pigmente gebildet und in die ständig wachsende Kalkschicht eingelagert. So entsteht ein homogener Grundton, und aus Weiß wird zum Beispiel Braun.
Im nächsten Schritt werden sukzessive Farbtupfer auf die Schale gesetzt und erzeugen vielfältige Muster. Linienmuster lassen sich damit erklären, dass sich das Vogelei beim Farbauftrag bewegt hat. Befördert durch weitere Sekrete, gleitet das Ei schließlich in die Vogelvagina und durch die Kloake ins Nest, in die Bruthöhle oder bei Bodenbrüter auf den mehr oder minder gut vorbereiteten Boden.
Gleich und doch verschieden
Einerseits sind Eier arttypisch, das heißt innerhalb einer Art ähneln sie einander, während sie von Art zu Art unterschiedlich sind. Das ist genetisch so angelegt.
Die weißen Eier von Strauß, Gans und Huhn sind – wie eingangs gezeigt – bereits in der Größe verschieden, und außerdem sind sie unterschiedlich geformt: eher rundlich, mehr gestreckt oder an einem Eipol schmal zulaufend.
Andererseits sind die Eier sogar bei ein- und demselben Vogel nicht identisch, wenn man sie mit der Lupe oder unterm Mikroskop betrachtet, sie wiegt oder gezielt die Poren in der Schale zählt. In diese Poren münden feine Kanälchen, durch die Sauerstoff von außen zum Embryo gelangt und Kohlendioxyd von innen nach außen dringt.
Letztlich gleicht kein Ei dem anderen haargenau, zumal Grundfarbe und Musterung jeweils einzigartig sind.
Was färbt das Vogelei?
Die Vielfalt der Muster und Farben von Eischalen geht auf wenige Pigmente zurück, die chemisch mit dem roten Blutfarbstoff, dem Hämoglobin, verwandt sind. Sie werden im Uterus, also der Schalendrüse, gebildet und von den Drüsenzellen auf die langsam wachsende Schale gewissermaßen gesprüht.¹ Rötlich-braune Töne gehen auf das Konto von Protoporphyrin. Blau-grüne Töne basieren auf dem Pigment Biliverdin.
Übrigens: Jeder kennt Biliverdin, früher Oocyan genannt, denn es entsteht, wenn bei einer Prellung Blutgefäße lädiert sind und sich ein „blauer Fleck“ bildet. Der ist zunächst blau-grün, bevor er unauffällig hautfarben wird.
Die Vielfalt der Muster auf Eischalen hat Wolfgang Makatsch in Der Vogel und sein Ei (Neue Brehm-Bücherei, 1949, Ziemsen Verlag/VerlagsKG Wolf) sehr anschaulich so beschrieben, Seite 81
Vom feinsten Pünktchen bis zu breit auslaufenden Flatschen, wie wir sie bei den Eiern der Wachtel finden, haben wir alle nur möglichen Übergänge. Charakteristisch für die Eier der meisten Ammenarten sind z.B. die sog. Haarlinien, die Eier der Nachtschwalbe wieder erscheinen marmoriert, die Lummeneier zeigen verschiedene Kringel und Schnörkel… Andere Eier wieder sind, wie z.B. die des Blaukehlchens, bräunlich gewölkt, so dass sie fast einfarbig olivbraun erscheinen.
Wozu der Aufwand?
Grundsätzlich sind Eier mit einem bräunlichen oder cremefarbenen Grundton und einem olivfarbenen oder bräunlichen Muster gut getarnt – je nachdem, wie es im Habitat der Vogelart aussieht. Sprenkel, Flecken und unregelmäßige Streifen lassen Eier im Nest und zwischen Zweigen und Blattwerk praktisch verschwinden und schützen so vor Prädatoren.
Allerdings müssen die Pigmente vom Organismus produziert werden, was natürlich dazu passende Stoffwechselprozesse erfordert.
Tarnfarben schützen indes nicht immer vor Nesträubereien, wie diese Amseleier zeigen, die ich Ende März in unserem Garten entdeckte. Sie lagen erstaunlicherweise in der Vogeltränke, in der die Nebelkrähen gerne ihr „Essen“ einweichen.
Keinen Aufwand mit dem Eierfärben treiben Höhlenbrüter wie Spechte, Bienenfresser und Eisvögel. Bei manchen von ihnen – etwa dem Star – sind die Eier lichtblau oder grünlich-hellblau. Auch Vögel, die wie das Rotkehlchen in Halbhöhlen brüten, können sich eher auffällige Eier leisten. Warum jedoch die Heckenbraunelle in ihr recht offenes Nest helle Eier legt, ist schwer zu erklären. Fast immer wird ihr erstes Gelege leer geräubert.
Während ein leuchtend weißes oder hellblaues Ei im offenen Nest für Eierdiebe wie Krähen, Elstern und Eichelhäher attraktiv ist, bedeuten auffällige Schalen in einer dunklen Höhle kein Risiko für die Brut. Vielleicht sorgen weiß-blaue Töne sogar dafür, dass Elternvögel die Eier in der Dunkelheit besser erkennen, so eine der wissenschaftlichen Erklärungen.
Auch einige Greifvögel, etwa Habichte, haben schlicht weiße Eier – wie die Abbildung weiter oben illustriert. Ein Grund könnte sein, dass bereits nach der ersten Eiablage gebrütet wird, auch wenn dann noch weitere Eier folgen. Das Weibchen verlässt also nicht mehr den Horst – außer um kurz Nahrung aufzunehmen, die der männliche Vogel herbeibringt und in der Nähe ablegt. In diesen Pausen sitzt der Partner auf dem Gelege.
Bei manchen Wasservögeln ist die Sache wieder anders: Das Gelege wird mit Zweigen bedeckt, bevor der brütende Altvogel es verlässt, um etwa Nahrung zu suchen. Oder das Paar wechselt sich beim Brüten zeitnah ab, wie dieser Berliner Haubentaucher, der sich behutsam auf das Nest mit den weißen Eiern setzt, kurz nachdem der Partner oder die Partnerin das Gelege verlassen hatte.
All das erklärt allerdings nicht die Vielfalt der Muster auf Eischalen innerhalb einer Art. Entweder fehlt einfach der evolutionäre Druck für eine arttypische Zeichnung, oder die Vielfalt selbst ist von Vorteil. Das könnte bei Koloniebrütern, wenn die Eier nah beieinander liegen, der Fall sein.
Neben der Topografie des Nistplatzes dürfte das individuell gemusterte Ei den Altvögeln helfen, ihr Gelege zu finden. Dafür sprechen Studien u.a. bei Trottellummen, die an Meeresküsten auf Felsen brüten. Sie fliegen regelmäßig zur Nahrungssuche aufs Meer und kehren dann zielsicher zu ihren Eiern zurück.² Bei vielen Vögeln ändert sich übrigens die Schale wähend der Brutzeit, aber das ist nun wirklich ein anderes Thema.
¹ Der britische Ornithologe Tim Birkhead berichtet, dass bei einem größeren Gelege die letzten Eier manchmal weniger stark gefärbt sind. Es könnte bedeuten, dass die Pigment-bildenden Drüsen erschöpft sind.
² Form und Färbung der Vogeleier – und insbesondere von Trottellummen – hat Tim Birkhead ausgiebig untersucht. Während sein Buch Die Sinne der Vögel ins Deutsche übersetzt wurde, liegt sein Buch The Most Perfect Thing, gemeint ist das Vogelei, nur auf Englisch vor.
* Oskar und Magdalena Heinroth: Die Vögel Mitteleuropas, 1924-1933, Berlin
** Johann F. Naumann: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, Leipzig
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