(Fast) alles über Vögel

12. Dezember 2024 | Vogelbücher, Wissenswertes | 0 Kommentare

Buchcover von "Wie funktioniert ein Vogel?" Mit Bienenfresser und Lachmöwe.In der Reihe Das will ich wissen! ist ein empfehlenswertes Buch über die Biologie der Vögel erschienen. Verfasst hat es Hans-Heiner Bergmann, ein außergewöhnlicher und vielseitiger Zoologe mit einem Fokus auf das Verhalten von Vögeln und bioakustische Fragen.

Ihm ging es während seiner langjährigen Tätigkeit als Hochschullehrer nicht nur um neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern zugleich – und bis heute – auch darum, den Wissensstand der Biologie verständlich weiter zu geben.

Wer mehr über das Vogelleben erfahren will, ist beim ihm daher genau richtig. Davon spricht bereits der Titel seines Buches: Wie funktioniert ein Vogel?

Sich über einen attraktiv gefiederten Vogel zu freuen, eine Rarität in der heimischen Vogelwelt zu entdecken oder einen Greif, der sich gerade auf Beute stürzt, zu beobachten, ist an sich schon etwas Tolles und bereichert unseren Alltag. Mit der Zeit tauchen beim Vogelbeobachten oder neudeutsch „Birding“ jedoch allerlei – und mit der Zeit immer neue – Fragen auf. Viele davon kann dieses Büchlein auf rund 150 Seiten anschaulich beantworten.

Damit der Vogel fliegt

Ein zentrales Thema ist selbstverständlich der Vogelflug. Wie funktioniert er, und welche anatomischen Voraussetzungen machen ihn überhaupt möglich? Davon berichtet Hans-Heiner Bergmann ausführlich und erklärt die Zusammenhänge in lesenswerten Texten, die mit Fotos und Grafiken angereichert sind.

Ohne Frage macht es Sinn, leichte Knochen zu haben, wenn man wie ein Vogel vom Erdboden oder vom Wasser aus abheben will. Wie dieses Erfordernis bei Vögeln umgesetzt ist, beschreibt der Autor äußerst griffig: Ihre Knochen sind luftiger als Säugetierknochen. Viele sind gewissermaßen hohl und nicht mit Knochenmark ausgefüllt – wie bei uns Menschen. Stabil sind sie dennoch, und zwar durch allerlei Verstrebungen. Festigkeit muss unbedingt sein, denn kräftige Muskeln setzten an Knochen wie dem Brustbein an und sorgen dafür, dass die Flügel auf- und abschwingen.

Fliegender Seeadler

Seeadler (Haliaeetus albicilla)

Wir erfahren beim Lesen, dass Vögel unterschiedliche Arten des Fliegens entwickelt haben, wobei manche mehr Kraft erfordern als andere.

Wer zum Beispiel wie Adler, Geier und Bussarde den Segelflug nutzt, verbraucht beim Fliegen wenig Energie. Aber um überhaupt segeln zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein; zum Beispiel sind große, breite Flügel günstig. Auch muss der segelnde Vogel lernen, die Thermik geschickt zu nutzen. Er lässt sich von Aufwinden hochtreiben.

Auch der Gleitflug ist eine „bequeme Art des Vorwärtskommens in der Luft“ schreibt Hans-Heiner Bergmann. Dabei wird die Form des leicht gebogenen Flügels ausgenutzt, wodurch ein Sog nach oben entsteht. Weil der in der Regel nicht dauerhaft ausreicht und allmählich Höhe verloren geht, muss der Vogel von Zeit zu Zeit mit den Flügeln auf- und abschlagen. Man nennt dies auch Schlagflug, Aktivflug oder Kraftflug.

Der Rüttelflug lässt sich am besten bei Turmfalken beobachten. Der Vogel steht praktisch in der Luft und schlägt permanent mit den Flügeln. Sofern möglich, positioniert er sich  gegen die Windrichtung und gleicht Verdriftungen mit der Körperhaltung aus. Nur der Kopf hält seine Position und steht absolut fest. Auch den Kolibriflug erwähnt der Zoologe Bergmann. Und als eine weitere Technik, beim Fliegen Energie zu sparen, stellt er den Formationsflug vor. Der ist bei ziehenden Kranichen und Gänsen besonders gut zu beobachten. Die Linien- und V-Formation hilft, die Herausforderung ausgedehnter Flugstrecken in der Gruppe Kräfte schonend zu verteilen.

Eingehend beschäftigt sich Hans-Heiner Bergmann auch mit dem Federkleid der Vögel, etwa dem Aufbau, den Farben und dem Wechseln der Federn. Das verwundert nicht, denn er hat mit Das große Buch der Vogelfedern ein Fachbuch für Interessierte verfasst.

Wie der Vogel lebt

Das Verhalten der Vögel wirft viele Fragen auf. Im Winter möchte man zum Beispiel gerne wissen, „Warum dem Vogel die Füße nicht erfrieren“. So und nicht anders lautet auch eine Kapitelüberschrift in Wie funktioniert ein Vogel? Trockener klingt hingegen die Kapitelüberschrift „Die Nahrung der Vögel“, und doch ist auch hier viel Spannendes zu entdecken. Wir erfahren etwa, wie Vögel hartschalige Nüsse knacken, wie sie Fische fangen, das Fleisch aus einer Schnirkelschnecke lösen, und was der Speiballen einer Eule verrät.

Jedes Tier braucht Sinnesorgane, um in seinem jeweiligen Lebensraum klar zu kommen. Wie also sind sie beim Vogel ausgebildet, was leisten sie – auch im Vergleich zum Menschen? Hans-Heiner Bergmann erklärt an vielen Beispielen, wie und was Vögel sehen, auf welche Entfernung ihre Augen scharf stellen können, ob sie riechen können und was es mit dem Magnetkompass beziehungsweise Magnetsinn auf sich hat. Manche Themen werden nur gestreift, andere ausführlicher behandelt.

In dem Kapitel „Geschicklichkeit, Gedächtnis, Verstand, Einsicht“ fokussiert der Zoologe auf die Krähenverwandtschaft. Denn Arten wie Dohlen, Kolkraben und Eichelhäher gelten – neben den Papageien – schon lange als die klügsten Vögel. Was das heißt, leuchtet rasch ein: Werkzeuge herstellen und gebrauchen, Vorräte anlegen und verstecken, wenn Zeit ist spielen und gegebenenfalls leidenden Artgenossen Empathie entgegenbringen.

Vom Singen und Rufen

Der bioakustisch versierte Autor räumt den Lautäußerungen von Vögeln aus gutem Grund viel Raum ein. Denn die innerartliche Verständigung erfolgt bei ihnen weitgehend akustisch, da die Mimik als Signalgeber ausfällt. Zwar spielen Körperhaltungen durchaus eine Rolle, aber vor allem der Gesang und die Rufe dienen der Kommunikation. Während die gesangliche Aktivität von der Jahreszeit abhängt, hormonell getriggert ist und der Verpaarung inklusive der Revierbesetzung dient, sorgen Rufe hauptsächlich für die rasche Information, etwa bei Gefahr.

Nachtigall sitzt mit offenem Schnabel uaf einem Ast. Ungeben von grünen Blättern.

Nachtigall (Luscinia megarhynchos)

Die Grundstrukturen des arttypischen Gesangs sind jedem Vogel in die Wiege gelegt, werden aber durch Lernen weiter entwickelt und verfeinert. Darum lassen sich Singvögeln wie Nachtigall und Amsel individuell am Gesang unterscheiden. Die Rufe der Vögel sind hingegen in ihrer jeweiligen Form starrer, arttypisch und weitgehend angeboren. Allerdings gebe es regionale Unterschiede, betont Hans-Heiner Bergmann.

An vielen Beispielen macht das Buch deutlich, wie sich Vögel verständigen, übrigens auch über Artgrenzen hinweg. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit der Fortpflanzung, mit der Körperpflege, dem Weg- und Heimzug, dem Schutz und der Gefährdung von Vögeln. Und es bleibt die bange Frage: Wie können wir die Gefiederten schützen, statt ihre Existenz weiter durch Vogelfang und Jagd, durch Pestizide, Glasfronten, Lärm und Licht zu bedrohen.

Hans-Heiner Bergmann ist ein kondensierter und zugleich anschaulicher Überblick über die Biologie der Vögel gelungen. Schön, dass am Ende des Buches spezielle Literatur genannt wird und ein Stichwortverzeichnis mit Schlagwörtern sowie den Namen der erwähnten Vogelarten zu finden ist.

Wie funktioniert ein Vogel?
Autor: Hans-Heiner Bergmann
Verlag: Quelle & Meyer
Jahr: 2022

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

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5 von 796 Kommentaren

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  • Claudia Lochmann zu Die bodenständige AmmerSchöne Fotos und nun weiß ich, wer heute meine Futterstelle besucht hat. Fallen auf, nicht nur durch die Färbung, sondern auch, weil sie am liebsten am Boden herum picken. Nun kann ich 8 Exemplare mei…
  • Marie zu Die Schnee-AmselHallo, auf der Suche nach einer Biberburg zu den Biberbissspuren haben wir auch eine gesehen, und dachten aus der Ferne zunächst an einen entflogen Ziervogel. Mit Fernglas und Geduld haben wir ihn dan…
  • Elke Brüser zu Rostrot geschmücktDanke für Ihren netten Kommentar, und gerne dürfen Sie den Sperber als Vorlage benutzen. Wenn Sie mögen, können Sie mir auch später das Ergebnis senden. Und vielleicht gefällt es Ihnen sogar, wenn ich…
  • Dr. Elisabeth Schnell-Rath zu Rostrot geschmücktWie wundervoll dieser Bericht wieder ist!!! Toll und herzlichen Dank dafür! Ja Bernd Pöppelmann malt sehr gelungene Bilder - übrigends auch sein Freund Claus Rabba… Darf ich bitte das wunderschöne Fot…
  • Elke Brüser zu Segler der AndenLiebe unbekannte Katja, da hast du mir mit deinem Kommentar heute Morgen aber große Freude geschenkt. Danke!

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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