Dieses fein illustrierte Sachbuch ist von vorne bis hinten sachkundig geschrieben – wer hätte bei seinem Autor auch anderes erwartet. Aber das Bemerkenswerte ist: Es steckt voller persönlicher Erlebnisse an den Küsten von Wales, im Unterholz von Neuseeland, in den südamerikanischen Anden… Und es verbindet elegant unterhaltsame Forschergeschichten mit erstaunlichen Vogelgeschichten.
Alles rankt sich darum, wie Vögel die Welt mit ihren Sinnen erfassen. Genauer: was wir davon an ihrem Verhalten ablesen können, welche anatomischen Strukturen und verarbeitenden Prozesse damit verbunden sind.
Nicht jedes Detail ist auf Anhieb leicht zu verstehen, aber nicht jedes muss der Leser oder die Leserin verstehen.
Was kann der australische Kiwi?
Das Tolle an Die Sinne der Vögel ist, dass der Verhaltensforscher Tim Birkhead uns nahe bringt, wie Sinnesleistungen von Tieren zu ihrer ökologischen Nische passen. Zum Beispiel beim flugunfähigen Kiwi: Der ist nachts im Unterholz unterwegs und fast blind, doch sein Geruchsvermögen und sein Tastsinn sind viel besser entwickelt als beim Menschen. Er braucht daher keine guten Augen, um nachts ein paar Grillen zu schnappen.
Tim Birkhead, übrigens Professor für Verhaltensökologie an der Universität Sheffield, langweilt uns nicht mit dem Erklären von komplizierten Hirnstrukturen oder dem Aufbau von Sinneszellen. Er geht in der Regel vom Verhalten der Vogels aus, kommt auf die Geschichte der Erforschung – etwa des Sehvermögens – zu sprechen und erklärt dann zum Beispiel, was die großen Pupillen des nachtaktiven Waldkauzes bedeuten: hohe Lichtempfindlichkeit mit der er auch unter Bäumen und bei Dunkelheit jagen kann.
Hören, tasten und noch viel mehr
Birkhead weiß aus eigener Forschung, wie der Bartkauz – ausgestattet mit einem phantastischen Gehör – seine Beute fängt und erklärt daran, wie große Ohröffnungen und die Federchen im Gesicht, der sogenannte Gesichtsschleier, bei der Jagd zusammenspielen. Und wir erfahren ganz nebenbei, warum die Bartkauzohren nicht links und rechts an derselben Stelle sitzen, sondern asymmetrisch angebracht sind.
Beim Thema Tasten geht es unter anderem um den Brutfleck, jenen kahlen Hautbereich im Brustgefieder brütender Vögel, mit dem sie Körperwärme an die Eier abgeben können und mit Hilfe von Sensoren in der Haut auch messen, wie warm die Eier sind. Zudem können sie ertasten, wie viele tatsächlich im Nest liegen. Und das wiederum reguliert, wie viele Eier sie noch legen, um die artgemäße Gelegegröße zu erreichen.
Außer dem Sehen, Hören, Tasten, Schmecken, Riechen und dem Magnetsinn hat dieses Buch auch ein spezielles Kapitel zum Thema Gefühle. Keine schlechte Idee! Am Schluss wissen wir nicht wirklich, wie es ist, ein Vogel zu sein. Aber wir sind um viele Erkenntnisse reicher und … aus dem Staunen nicht herausgekommen.
Das Buch ist mit einem Glossar und vielen Quellenangaben untermauert. Das ermöglicht allen Interessierten, Sachverhalte nachzulesen und vielleicht auch die vornehmlich englischsprachigen Quellen mit eigenen aus Deutschland oder Osteuropa zu ergänzen.
Die Sinne der Vögel ist 2018 in 2. Auflage erschienen. Diese Neuausgabe mit flexiblem Umschlag enthält als Bonus den Link zur EBook Version. Das ist praktisch.
Die Sinne der Vögel
oder: Wie es ist, ein Vogel zu sein
Autor: Tim Birkhead
Verlag: Springer Berlin
Jahr: 2018 (2. Auflage)
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