10.1.2024
Gestalt-Sehen nützt fachübergreifend
In einer der angesehensten medizinischen Fachzeitschriften hat eine junge Ärztin berichtet, warum sie vom Vogelgucken doppelt profitiert: Da ist zum einen der Entspannungseffekt, wenn die beruflichen Belastungen durch viel Bürokratie und Verpflichtungen hoch sind. Maria B. Antony beschreibt diesbezüglich das Glück, durch ein großes Fenster in ihrer Klinik auf das Nest von Wanderfalken schauen zu können. Sie zu sehen, bedeute Abstand vom Alltag zu gewinnen und etwa den Wechsel der Jahreszeiten wahrzunehmen. Von solchen Effekten haben auch schon andere Mediziner berichtet.
Was diesen Artikel so besonders macht ist ein anderer Aspekt, der Maria B. Antony aufgefallen ist: Wer mit der Vogelbeobachtung anfängt, geht anfangs leicht in den zu berücksichtigenden Details unter, wenn er oder sie eine Art bestimmen will. Denn bei insgesamt großer Farb- und Formenvielfalt ähneln sich viele Vogelarten sehr. Aber es gibt sie, die kleinen Unterschiede, und Menschen können sie wahrnehmen, weil sie einerseits Muster erfassen (kugelförmige Gestalt, langschwänzig, …) und andererseits Einzelheiten wie etwa Farbnuancen gezielt bewerten können. Wie in der medizinischen Diagnostik wird jeder und jede im Erkennen von Vögeln durch Übung besser; also durch wiederholtes Suchen, Finden und Identifizieren.
Vogelgucker und Vogelguckerinnen erkennen Vögel nicht nur anhand visueller Merkmale. Manchmal lässt sich ein Vogel besser am Gesang identifizieren. Auch Ärzte und Ärztinnen nutzen ihr Hörvermögen, um Erkrankungen einzuordnen. Darin sieht die US-Urologin ebenfalls Parallelen zwischen der Ornithologie und der Medizin.
Viele technische Entwicklungen haben für Professionen großen Nutzen. Dazu zählen Insturmente, die stereoskopisches Sehen ermöglichen: Fernglas hier, Binokular dort. Schließlich profitieren von der digitalen Revolution und gewaltigen Datenbanken sowohl die Medizin als auch die Ornithologie erheblich – Ornis etwa, wenn sie beispielsweise bei www.ebird.org oder www.ornitho.de Vogeldaten eingeben oder dort nach Infos suchen.
Und noch etwas – und es ist vielleicht das Wichtigste – zeichnet in den Augen der vogelbegeisterten Urologin sowohl Birdwatcher als auch Mediziner aus: die Neugier.
gelesen in:
British Medical Journal, 383/2023, S. 2757, Maria B. Antony: Birdwatching and Medicine: stories of curiosity and wonder
17.12.2023
Seevögel: Wie erfolgreich ist die Brut?
Es ist leider unübersehbar: An vielen Orten ist bei uns die Natur bedroht. Auch auf dem Meer. Konkret gemeint sind in diesem Fall die Seevögel, die in der Nord- und Ostsee leben und dort Junge aufziehen. Auf der einen Seite sind die Gefahren mit bloßem Auge zu erkennen, wenn etwa Basstölpel ihre Nester nicht nur mit Meeresalgen bauen, sondern auch gefährliche, bunte Plastikschnüre von Fischernetzen verwenden. Auf der anderen Seite ist es eine mühevolle Aufgabe zu erfassen und zu belegen, wie und wodurch eine Art in ihrem Lebensraum bedroht ist.
Das ist aber wichtig, um Tiere per Gesetz und finanziell unterfüttert zu schützen. Die Vogelzeitschrift Der Falke nimmt sich in dem Sonderheft „Seevögel. Wanderer zwischen den Welten“ in mehreren Artikeln der Thematik an und fragt, wie solche Daten gewonnen werden und wie sie dem Naturschutz helfen.
Am Beispiel der Basstölpel von Helgoland macht der Biologe Volker Dierschke klar, wie etwa der Bruterfolg ermittelt wird. Den zu kennen, ist wichtig. Denn nur wenn genügend Junge schlüpfen, flügge werden und sich schließlich selbst versorgen können, ist eine Population stabil – also ihr Überleben in einer bestimmten Region (ziemlich) sicher.
Bei den Seevögeln, die im Fels über dem Meer brüten, werden dazu Fotografien ausgewertet. Das heißt, die Nester markiert und gezählt, die Anzahl der flüggen Jungvögel gecheckt und so bestimmt, wieviel Nachwuchs in einer Saison in einem bestimmten Areal groß wurde. Das ergibt ein Maß für den Bruterfolg: Wurde beispielsweise in 19 von 31 Nestern erfolgreich gebrütet, liegt der Erfolg bei 0,61. Das ist ein ordentlicher Wert. Mehr wäre noch besser. Denn wenn in einer Brutsaison eine Hitzewelle entsteht oder die Vogelgrippe grassiert, kommt es zu heftigen Einbrüchen in der Population. Und die müssen kompensiert werden.
Bei mehreren Vogelarten der Nordsee ist der Bruterfolg schon jetzt so gering, dass mit dem Verschwinden der Art zu rechnen ist. Wichtige Gründe sind problematische Fangmethode in der Fischerei, Störungen durch Tourismus, nicht-heimische Beutegreifer und Lebensraumverluste. Diese werden durch die Industrialisierung der Nordsee, u.a. durch Windparks, weiter zunehmen. Um so wichtiger ist es den aktuellen Seevogelbestand zu erfassen und die Daten in die laufenden Planungen zum Schutz des Nordatlantiks (www.ospar.org ) zu berücksichtigen.
gelesen in:
Der Falke, Sonderheft 2023, S. 18-21, Volker Dierschke: Bruterfolg von Seevögeln in der Nordsee
12.11.2023
Glasflächen: Todesfalle für Vögel
Tödliche Kollisionen von Vögeln mit Glasflächen sind wesentlich häufiger als gedacht. Alljährlich sollen sie in Deutschland 110 bis 115 Millionen mal vorkommen. Die toten Vögel fallen in der Regel nicht auf, denn sie werden – wie am Berliner Flughafen BER – umgehend eingesammelt und entsorgt. Oder von Fuchs, Krähe & Co verspeist.
Bei Gefahren durch Glasflächen wird meist an große Fensterfronten gedacht, in denen sich womöglich Bäume spiegeln und dem Tier frisches Grün vorgaukeln. Auch ein blauer Himmel ist verlockend. Aber, wie der Arzt und Ornithologe Stefan Bosch in Der Falke berichtet, sind auch gläserne Wartehäuschen und Fahrgastunterstände gerade für Garten- und Siedlungsvögel höchst gefährlich. In der obigen Berechnung zum sogenannten Vogelschlag sind diese Glasflächen übrigens noch gar nicht berücksichtigt.
Das Problem: Vögel fallen nicht nur auf Spiegelungen herein. Sie blicken durch eine Glasscheibe hindurch und sehen beim Wartehäuschen an der Bushaltestelle dahinter den Garten oder verführerischen Baumbestand. Wenn sie sich dann mit einer Anfluggeschwindigkeit von 30 bis 60 km/h nähern, können sie nicht kurzfristig ausweichen und knallen gegen die massive Struktur. Vom Aufprall zeugen später meist nur noch Federreste oder ein Abdruck auf dem Glas.
Die kleinen Glashäuser (für Fahrgäste an Bahnhöfen und Bushaltestellen, dazu die Raucherpavillons, Rad- oder Einkaufswagenunterständen) haben für Menschen zwar teilweise schützende Markierungen in Augenhöhe, aber Schutzvorkehrungen für Vögel fehlen weitgehend, moniert Stefan Bosch. Und er erinnert daran, dass aufgeklebte Greifvögel-Silhouetten „völlig nutzlos“ sind. Experimente hätten gezeigt, dass nur vollflächige, engmaschige Streifen-, Punkt- oder andere Muster Vögeln signalisieren, dass sie hier nicht durchfliegen können. Größer als eine Handfläche dürfen die Lücken im Muster nicht sein, denn sonst halten die Vögel die Lücke für passierbar.
Für alle, die zu Hause selbst tätig werden möchten, hat Stefan Bosch einfache Tipps: Neben Folien mit Streifen und Punktmuster aus dem Handel helfen Rollos und Jalousien, Vorhänge, Insektengitter, Schnüre und Kordeln vor dem Fenster. Möglich seien auch „kreative Beklebungen mit Milchglas- oder Motivfolien oder Bemalungen mit Kreide – und Glasmalfarben.“ Aber die verbleibenden Lücken sollten unbedingt nicht größer sein als 5 cm in der Höhe und 10 cm in der Breite.
Was die gläsernen Fahrgastunterstände angeht, stellt der Autor beispielhaft und mit Fotos vor, wie die Gefahr durch Folien entschärft werden können. Aber jede Nachrüstung kostet. Darum fragt er, warum nicht standardmäßig vogelsichere Glasbauten beauftragt werden.
gelesen in:
Der Falke, 5/2023, S. 22-25, Stefan Bosch: Vogelschlag an Wartehäuschen. Nächster Halt entschärfte Glasflächen
10.10.2023
Rauchschwalben füttern einen Kuckuck durch
Das Vogelleben ist immer wieder voller Überraschungen. Zwar weiß (hoffentlich) jedes Kind, dass die Kuckucksdame ihr Ei immer in fremde Nester legt, sich dann davon macht und den Wirtseltern das Brüten und die Versorgung überlässt. Aber, dass auch Rauchschwalben einen Kuckuck durchfüttern, das hätte ich nicht gedacht – auch wenn in Brandenburg bereits 52 Vogelarten gezählt wurden, in deren Nester der sein großes Ei platziert.
Doreen Petrak berichtet, dass sie in der Uckermark beobachten konnte, wie Rauchschwalben einen jungen Kuckuck, der bereits ausgeflogen war und heftig bettelte, mehrmals fütterten. Sie hat dazu tolle Fotos machen können: Der „dicke“ Kuckuck sitzt auf einem Metallzaun, eine elegante Rauchschwalbe fliegt an und steckt ihm das Futter tief in den Rachen. Innerhalb von 20 Minuten erhielt der Jungvogel so fünfzehnmal von einem Rauchschwalbenpaar Nahrung.
Das Trio ließen sich am selben Ort über einige Tage beobachten. Wo der Kuckuck ausgebrüteten wurde, ist allerdings unklar. Denn intakte Rauchschwalbennester waren erst in einer Entfernung von 2,5 km zu finden und damit zu weit entfernt. Doreen Petrak hält es für möglich, dass der Vogel in einem überdachten Jagdunterstand – der aber nicht entdeckt wurde – geschlüpft ist. Irgendwann hielt das Nest der Rauchschwalben seinem Gewicht aber wohl nicht mehr stand und zerbrach. Eine weitere Frage ist, wie die Kuckucksdame ihr Ei in das schwer zugängliche Nest von Rauchschwalben platzieren konnte. Auch das wissen wir nicht. Er dürfte nicht einfach gewesen sein.
gelesen in:
Otis, 30/2023, S. 129-132, Doreen Petrak: Rauchschwalbe Hirundo rustica zieht Kuckuck Cuculus canorus auf
15.9.2023
Aktionsraum von Fischadlern an der Müritz
Wenn Fischadler Junge haben, bleiben sie zunächst am oder in der Nähe des Nestes. Wie groß der Radius der Eltern bei ihren Ausflügen tatsächlich ist, wurde bisher nicht untersucht. Das ist mit solarbetriebenen GPS-unterstützten Satellitensender gut möglich, denn das Federkleid des Fischadlers und ihre Angewohnheit auf einem sonnigen Platz zu sitzen ermöglicht das Aufladen der Solarzellen.
Die Auswertung der Flugdaten von Fischadlern an der Müritz in Brandenburg ergab, dass sie unterschiedlich weit vom Horst wegfliegen, wenn im Nest Eier liegen und Junge geschlüpft sind. Männliche Vögel haben in dieser Zeit einen insgesamt deutlich größeren Aktionsraum als die weiblichen. Wenn die Jungen flügge sind, unternehmen auch die Weibchen größere Ausflüge, übernachten manchmal in weiter Entfernung.
Die Unterschiede werden mit den Rollen der Brutpartner erklärt: Weibchen verteidigen den Nistplatz, brüten und versorgen die Jungen. Männchen kümmern vor allem um die Nahrung: Sie füttern die brütende Gattin, später auch die Jungen, und bleiben in der Nähe der flüggen Jungvögel, wenn die weiblichen Fischadler sich bereits immer länger und weiter vom Horst entfernen. Diese begeben sich früh auf den Herbstzug in Richtung Iberische Halbinsel und Westafrika. All das drückt sich in den Flugdaten aus.
gelesen in:
Journal of Ornithology, 164/2023, S. 765-776, Bernd-Ulrich Meyburg u.a.: Dynamics in spatial use by Ospreys (Pandion haliaetus) during the breeding season revealed by GPS tracking
3.8.2023
Zaunammern erobern den Rheingau
Die Zaunammer (Emberiza cirlus) begegnet uns vor allem in sonnigen Mittelmeergebieten und gilt als mediterrane Vogelart. Aber zunehmend häufig siedeln sie sich nun auch in Deutschland an, neuerdings in den südwärts ausgerichteten Weinbergen des Rheingaus bei Rüdesheim.
Was 2010 noch eine kleine ornithologische Sensation war, ließ sich bald durch Beringung bestätigen: Zaunammern brüten im Rheingau und kehren aus ihren Überwinterungsgebieten dorthin zurück. Im Zeitraum 2015 bis 2021 wurden bereits 130 Zaunammerreviere entdeckt.
Als Biotop bevorzugt die Ammer Gebiete, in denen nahe der Weinberge zusätzlich Gebüsch wächst. Auch Goldammern und Zippammern leben hier und die beiden hessischen Ornithologen Ingolf Schuphan und Armin Weschbach werfen in ihrem Artikel die Frage auf, ob die Zaunammer die zartere Zippammer zukünftig aus ihrem angestammten Lebensraum verdrängt. Möglich ist es.
Auf welchem Wege die Zaunammern den Rheingau „erobert“ haben, ist den beiden Autoren keines falls rätselhaft. Die ersten zugewanderten Vögel erschienen dort, wo die Nahe in den Rhein mündet. Und von diesem Durchbruch durch den Hunsrück ist es nicht weit in die Pfälzer Weingegend, wo schon 2010 rund 300 Reviere gezählt wurden. – Und wie kam die mediterrane Ammernart dorthin? Über die französischen Vogesen und deren Anbindung an das Rhonetal.
gelesen in:
Der Falke, 5/2023, Bd. 70, S. 7-9; Ingolf Schuphan & Armin Weschbach: Die Zaunammer überrennt die Weinberge des Rheingaus
20.7.2023
Erfindungsreiche Elstern
Es ist immer wieder erstaunlich, wie Elstern (Pica pica) und andere Krähenvögel uns Menschen austricksen können. Kürzlich wurde von dem niederländischen Biologen Auke-Florian Hiemstra beobachtet und von ihm in einer Onliner-Fachpublikation mitgeteilt, dass Elstern scharfkantigen Metalldraht in ihre Nester einflechten.
Dabei handelte es sich um Vogelabwehrdraht, der eigentlich die Funktion hat, Vögel etwa von Gebäuden fernzuhalten.
Bei den Elstern schaffen die männlichen Vögel das Nistmaterial herbei, und die Damen verwenden es dann am Nest. In diesem Fall hatte der Elstervater in spe 50 Meter Abwehrnadeln aus dem Dachvorsprung einer Klinik in Antwerpen gezogen und Frau Elster hatte einen Teil davon zum Nestbau verwendet. Kann das gut gehen?
Für alle, die wissen, dass diese Vögel gerne dornige Zweige, wie die von Schlehen und Weißdorn, verbauen, ergibt das durchaus Sinn. Zudem schlüpfen sie generell sehr geschickt in ihr Nest, das üblicherweise gewölbt ist und eine Art Schutzdach besitzt.
Dass Eier und Junge bei einer solchen Konstruktion mit scharfkantigem Material gut vor Prädatoren wie Greifvögeln geschützt sind, liegt auf der Hand. Und daher verwundert es auch nicht, dass zum Beispiel im schottischen Glasgow ebenfalls Vogelabwehrspieße von Elstern verwendet wurden. Und in Rotterdam sind Krähen auf dieselbe Idee gekommen, lese ich in der Süddeutschen Zeitung.
gelesen in:
Süddeutsche Zeitung, 19.7.2023; Tina Baier: Vögel nutzen Abwehrdraht
30.6.2023
Lichtverschmutzung an der Meeresküste
Mittelmeer-Sturmtaucher (Puffinus yelkuan) sind besondere Vögel, aber Vielen unbekannt. Darum zuvor ein paar Stichworte: Sie leben auf beziehungsweise am Meer, ernähren sich und den Nachwuchs von Fisch sowie Kopfüßern, pflanzen sich erstmals im Alter von 4, 5 oder 6 Jahren fort und bilden im Mittelmeer größere Brutkolonien. Solche gibt es zum Beispiel an der Steilküste von Malta, wo die lebenslang verpaarten Seevögel in 0,5 bis 1 m lange Höhlengänge jeweils ein Ei legen. Es wird 7 bis 8 Wochen bebrütet, und dann dauert es nochmals 7 bis 8 Wochen bis das „Einzelkind“ selbstständig ist.
In der Brutzeit sind Mittelmeer-Sturmtaucher nachtaktiv und schützen ihre Nachkommen vermutlich so besser vor Prädatoren wie der Großen Raubmöwe – auch Skua genannt. Die Vogeleltern bringen den Fisch also vornehmlich in der Dunkelheit zu den Jungen. Und da liegt ein Problem, das Ornithologen schon länger beschäftigt.
Bekannt ist, dass diese Sturmtaucher in hellen Nächten, also bei Vollmond, weniger oft die Brutkolonie anfliegen – jedenfalls solange der Mond die Kolonie bescheint. Was aber passiert, wenn hell beleuchtete Schiffe längere Zeit nahe der Brutkolonie liegen, weil sie dort ent- und beladen werden, um so Hafengebühren zu sparen?
Um das zu klären, hat ein Forschungsteam um Petra Quillfeldt (Universität Gießen) an der Küste Maltas das Verhalten der brütenden Mittelmeer-Sturmtaucher mit technisch anspruchsvollen Methoden untersucht. Und das Ergebnis ist deutlich: Liegen dort beleuchtete Schiffe, dann ist es an der Steilküste nachweislich heller und die Zahl der Anflüge nimmt um 18% ab. Das könnte bedeuten, dass Jungvögel weniger Nahrung erhalten und der Bruterfolg geringer ist. Zwar wurde das in dieser Arbeit nicht untersucht, ist aber eine realistische Befürchtung.
Die Daten sind jedenfalls so alarmierend, dass die Forschenden schon jetzt fordern, die Lichtverschmutzung nahe solcher Kolonien zu minimieren, denn die Art ist vom Aussterben bedroht. Wichtig sei, den Schiffsverkehr dort zumindest dann einzustellen, wenn die Jungen gerade schlüpfen und zusätzlich in den ersten Lebenstagen. Das ist der Zeitraum von Ende April bis Mitte Mai.
Mein Kommentar: Bedenkenswert ist zudem, dass Mittelmeer-Sturmmöwen häufig via Bosporus ins Schwarze Meer fliegen, um dort zu fischen. Teilweise sind sie dort ganzjährig zu sehen, manche fliegen bis ins Asowsche Meer und besonders viele erscheinen im Herbst an der Südküste der Krim. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht zusätzlich unter dem menschengemachten Krieg in der Ukraine leiden.
gelesen in:
Journal of Ornithology, 2023, Bd. 164, S. 527-536; Martin Austadt u.a.: The effects of temporally distinct light pollution from ships on nocturnal colony attendance in a threatened seabird
10.5.2023
Lebensraum von Vögeln: Überall Risiken
Zugegeben, dieser Artikel über die bedrohte Vogelwelt in unserem Land ist nicht mehr druckfrisch, aber der Verfasser Gerold Dobler gibt einen sachkundigen Überblick über einige Gründe für den Artenschwund – gewürzt mit einer berechtigten Priese Wut. Denn das Aus für diverse heimische Vogelarten ist menschengemacht.
1. Da wird der Schutz von Schwarzstörchen und Großtrappen gelockert, weil sich Bestände stabilisiert haben. (Was kein Zufall, ist sondern der Erfolg von Naturschutzprogrammen und vieler engagierter Menschen.)
2. Es werden Artenhilfsprogramme auf Agrarflächen erschwert und zugleich Kleinstwasserwerke finanziell unterstützt, obwohl diese Flüsse und ihre Bewohner schädigen.
3. Und immer mehr Menschen schaffen sich Hund oder Katze an, um das Bedürfnisse nach sozialem Kontakt zu befriedigen. Jedoch ohne zu realisieren, dass beide Haustiere im Grunde Raubtiere geblieben sind.
Dass Katzen als Freigänger alljährlich zigtausende Vögel – insbesondere Jungvögel – töten, ist kein Geheimnis. Und der unangeleinte Hund, der „nichts tut“, scheucht nicht nur Bodenbrüter auf, sondern ist für zahlreiche Vögel ein unangenehmer Stressfaktor: Sie müssen ihn im Auge behalten, sollten andere Vögel warnen und sind so bei der Futtersuche für sich und die Nachkommen gestört. Das senkt ihre Reproduktionsrate.
Gerold Dobler macht auch darauf aufmerksam, dass viele Naturschutzgebiete in Deutschland während der Coronazeit von Menschen und ihrer tierischen Gefolgschaft „sprichwörtlich überrollt“ wurden. Er resümiert:
Die geringe Zahl an eingesetzten Naturschutzwarten mit in der Praxis unzureichenden Befugnissen, waren daher nicht ansatzweise in der Lage, die in Schutzgebiete einfallende und immer noch einfallende Spaßgesellschaft zurückzuhalten, da in vielen Fällen auch keine polizeiliche Unterstützung – meist aus Kapazitätsgründen – vor Ort bereitgestellt wurde.
Das sind klare und wenig versöhnliche Worte, sie sind zugleich mutig. Der ausführliche Text enthält nicht nur weitere kritische Anmerkungen, etwa zum Mangel an Insekten oder der Tatsache, dass der Mensch Vogel- und Eier-fressende Prädatoren wie den Waschbären eingeschleppt hat. Er zeigt auch Lösungsansätze auf: Katzenrassen mit geringem Raumanspruch anschaffen – die also drinnen bleiben können –, oder die Insekten-freundliche Gestaltung beziehungsweise Verwilderung des Hausgartens zulassen! Und natürlich muss die Politik all das umsetzen, was längst bekannt ist.
gelesen in:
Vögel, 5/2022, S. 38-45, Gerold Dobler: Artenschutz in der Falle
9.4.2023
Licht aus Gewächshäusern beeinflusst Singvögel
Eine Wissenschaftlerin und ihre Kollegen haben in Polen untersucht, wie sich das Licht von Gewächshäusern, das täglich vier bis acht Stunden brannte, auf das Gesangsverhalten von Singvögeln ausgewirkt hat. Das ist insofern spannend, als die Lichtverschmutzung in Städten bekanntlich dazu führt, dass Amsel & Co morgens früher und abends teils länger singen. Die Folgen können vielfältig sein.
So wird in vielen Untersuchungen betont, dass es negative Einflüsse auf die innere Uhr geben dürfte, da diese üblicherweise von Außenfaktoren wie Licht justiert wird. Auch verbraucht ein Vogel, der mehr Stunden am Tag singt, mehr Energie und verpulvert diese womöglich zur falschen Zeit.
Diese neue Untersuchung hat nun gezeigt, dass die Lichtverschmutzung vor ländlichen Gebieten nicht Halt macht. Künstliche Lichtquellen in Form von Gewächshäusern können Vögel irritieren, denn auch in deren Nähe fingen die Vögel morgens früher an zu rufen und zu singen. Die untersuchten Arten, Amsel und Rotkehlchen, sangen abends jedoch nicht länger – was das Autorenteam als energetischen Kompromiss wertet.
Das sehr frühe Vokalisieren in Gewächshausnähe wurde vor allem im Monat Februar registriert. Die Hypothese der Biologin und ihrer Kollegen: Zu Beginn der Fortpflanzungszeit sind diese Frühaufsteher unter den Vögeln lichtsensibler, so dass sie unter dem Einfluss von künstlichem Licht früher am Morgen vokal aktiv sind.
gelesen in:
Journal of Ornithology 2/2023, S. 399-405; Karolina Skorb, Lukas Jankowiak, Adam Zbyryt: Light-emitting greenhouses affect daily vocalization behavior in birds
19.3.2023
Sitzt der Vogel auf dem Zweig?
Es ist üblich zu sagen und zu schreiben: Die Amsel sitzt auf dem Zweig einer Robinie oder Die Stockente sitzt am Ufer des Sees. Doch gehen wir vom Menschen aus und von seiner Anatomie, dann sitzen Vögel nicht. Denn Sitzen bedeutet bei uns und anderen Primaten, sich am Hinterende abzustützen, dort wo die muskulösen Oberschenkel entspringen.
Vögel sitzen so gesehen nicht, erklärt der renommierte Ornithologe Hans-Heiner Bergmann in seinem Artikel und argumentiert mit dem Bau sowie den Bewegungsmöglichkeiten von Vogelbeinen. Eigentlich stehen Vögel auf einem Zweig und klammern sich mit den Zehen fest, oder sie stehen am Boden auf ihren Zehen.
Drei größere Abschnitte bilden das Vogelbein, das mit den Zehen endet:
-> ein Fußbereich, der bei Vögeln schmal und oft lang ist (Tarsometatarsus)
-> ein dünner Unterschenkel, der von Laien regelmäßig für das Bein gehalten wird (Fibula/Tibotarsus)
-> und der meist im Gefieder verborgene Oberschenkel (Femur)
Zwischen den Abschnitten liegen Gelenke, aber diese sorgen nicht für ein menschenähnliches Sitzen oder Hocken, sondern werden insbesondere beim Fortbewegen benötigt.
Korrekter wäre es also zu sagen: Die Amsel oder das Rotkehlchen steht auf dem Zweig – statt sitzt. Und statt Das Huhn oder die Ente hockt auf dem Nest, müsste es heißen Das Huhn liegt auf dem Nest. Denn der Kontakt zu den Eiern erfolgt bäuchlings liegend, während die Beine an den Seiten zusammengefaltet sind und ruhen.
Ob sich die Sichtweise von Hans-Heiner Bergmann durchsetzen wird? Wenn ein Vogel im Geäst sitzt, wissen wir, dass er sich nicht auf seinem Hinterteil niedergelassen hat … Wie präzise kann und muss die Formulierung sein? Spannende Fragen, Ausgang offen …
gelesen in:
Vögel, 3/2023, S. 70-73; Hans-Heiner Bergmann: Vogelbeine. Stehe, sitzen, hocken
15.2.2023
Mehr als nur trommeln
Wer an Spechte und ihre Lautäußerungen denkt, dem fällt sicher zunächst ein, dass sie im Wald oder auch im Garten an Baumstämmen trommeln. Das machen sie, um etwa ihr Revier zu markieren oder sich als Partner oder Partnerin anzubieten. (Und die Stadtspechte sind nicht unbedingt auf Bäume angewiesen, weshalb ich sie bereits Blechtrommler getauft habe.)
Es gibt aber Spechtarten wie Grünspecht, Mittelspecht und Wendehals, die nur wenig trommeln. Das ist insofern kein Problem, als unsere zehn Spechtarten mit zahlreichen anderen Lautäußerungen kommunizieren können, gemeint sind vor allem ihre Rufe und Gesänge. Diese sind einerseits artspezifisch und andererseits variieren sie. Davon berichtet Joachim Weiss, der in einem Spezialheft über Spechte charakteristische Trommelsequenzen, ihr Klopfen, ihre Rufen und die Gesänge der verschiedenen Arten vorstellt.
Wie diese bei Buntspecht, Schwarzspecht & Co klingen, können all jene sich anhören, die dieses Spezialheft schon besitzen oder kaufen. Denn das akustischen Repertoire der Spechte ist darin nicht nur beschrieben, sondern mit dem Handy über QR-Codes als Tonfolge oder Videosequenz abrufbar.
Für Laien tut sich da eine faszinierende Vielfalt auf. Die Wissenschaft hat allerdings noch viel zu tun, bevor sie die Lautäußerungen nicht nur formal beschreiben, sondern ihre jewelige Bedeutung besser einschätzen kann.
gelesen in:
Der Falke, 2/2023, Spechte, S. 16-21; Joachim Weiss: Lautäußerungen unserer Spechte
14.1.2023
Plattdeutsche Vogelnamen in MV
Die Namen der Vögel sind eine Fundgrube und oft ein Amüsement. Damit meine ich nicht die wissenschaftlichen Namen, die in Latein oder einem latinisierten Griechisch abgefasst sind, sondern die regional üblichen. Ornithologen des 19. Jahrhunderts haben sie in ihrem Übersichten oft aufgelistet, so etwa Alfred E. Brehm und Johann F. Naumann. Für den Graureiher finde ich da zum Beispiel neben dem wissenschaftlichen Namen Ardea cinera noch den bis vor wenigen Jahrzehnten üblichen Begriff Fischreiher, der seine heftig debattierte Nahrungspräferenz thematisiert. Zusätzlich listet Naumann in seiner Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (1887-1905, 3. Aufl., Bd. 6, Seite 203) Bezeichnungen auf, die äußere Aspekte hervorheben wie etwa Großer Kammreiher, Bläulicher Reiher, Gehäupter Reiher, Türkischer Reiher und Schildreiher.
Außerdem gibt es Benennungen in der jeweils regionalen Mundart oder Sprache. In Norddeutschland ist dies das Platt. Der Graureiher heißt da Schietreiher oder Schittrei – „wegen seiner spritzenden Kotabgabe“. Das lese ich in der Broschüre der beiden Ornithologen Ernst Schmidt und Walter Thiel aus Mecklenburg-Vorpommern. Für Uneingeweihte möchte ich ergänzen, dass schieten für scheißen steht und der Schitt eben die Scheiße ist.
Ernst Schmidt und Walter Thiel beschäftigen sich seit langem mit den pattdeutschen Vogelnamen ihrer Region, jetzt wurde ihre 2015 erstmals erschienene Broschüre überarbeitet und neu herausgegeben. 146 plattdeutsche Artnamen enthält die Liste, die mit zahlreichen Vogelfotos illustriert ist.
Ein paar Beispiele: Der Haubentaucher firmiert im Plattdeutschen von Mecklenburg-Vorpommern als Langhals, der Gartenrotschwanz als Rotstiert (wegen Siert = Steert = Hinterteil), der Feldsperling heißt Ackersparling, das Rotkehlchen wird zum Rotbröster (wegen der roten Brust).
Das ausführliche Vorwort der Broschüre macht deutlich, welch ein fragiles Kulturgut hier erhalten wurde. Dafür ist nicht nur den Autoren zu danken, sondern neben diversen Ornithologen auch dem Naturparkleiter vom Sternberger Seenland.
Das Heft kann für 5€ plus Porto bestellt werden: info-ssl@lung.mv-regierung.de
gelesen in:
Publikation Naturpark Sternberger Seenland, 2022, 48 Seiten; Ernst Schmidt & Walter Thiel: Vögel up platt
29.12.2022
Seltsames Paarungssystem
Die Alpenbraunelle aus der Familie der Braunellen ist nicht nur in ihrer Habitatwahl, sondern auch in ihrem Verhalten außergewöhnlich. Davon berichten zwei Schweizer Biologen, die sich mit den Vögeln der Alpenregion gut auskennen.
Ihrem Namen entsprechend und im Gegensatz zur Heckenbraunelle lebt die Alpenbraunelle im Hochgebirge. Das konnte ich in einer schneereichen Gebrigsregion Armeniens staunend erleben. Selbst im Winter treibt sie sich dort auf über 2.000m herum. Noch ungewöhnlicher ist allerdings ihre soziale Organisation: Die Vögel brüten in Gruppen, wobei 3 – 5 männliche Vögel ein gemeinsames Territorium verteidigen. In diesem halten sich 2 – 3 weibliche Braunellen auf, die von mehreren Männchen begattet werden, bevor sie Eier legen und ausbrüten.
Ein solches Paarungssystem wird in der Biologie als Polygynandrie bezeichnet – eine Zusammensetzung aus Wörtern griechischen Ursprungs: poly steht für viel, gyn/gyne für Frau und andrie/andros für Mann).
Wenn ein Weibchen durch eine leuchtend rote Kloake seine „fruchtbaren Tage“ und Paarungsbereitschaft verrät, kommt es täglich zu vielen Paarungen mit verschiedenen Männchen. Die Folge: In einem Vierer-Gelege finden sich später beispielsweise Eier mit dem Erbgut von drei unterschiedlichen Vätern. Auffällig ist auch, dass die Fürsorge der Jungen nicht allein Sache der Mutter ist, beim Füttern helfen mehrere Männchen mit.
Spannend ist die Frage, warum sich dieses Paarungssystem bei den Alpenbraunellen entwickelt hat. Dazu stellt der Text zwei Alternativen vor, die jeweils ein Selektionsvorteil im Rahmen der Evolution sein könnten:
Entweder ist in dem hochalpinen Lebensraum die Nahrung so knapp, dass mehr Jungvögel besser überleben, wenn mehrere Individuen – weiblich und männlich – sie füttern.
Oder es ist ein Vorteil, dass die Nachkommenschaft genetisch variabler ist. Auch das lässt sich als Anpassung an den extremen Lebensraum und seinen Herausforderungen verstehen.
Letztendlich tendieren die beiden Autoren zur zweiten Erklärung, denn bei der Fütterung der Jungen leisten die männlichen Helfer zusammen nicht mehr, als die Vogelmutter alleine. Sie wären folglich durch einen mitfütternden Vater – im Sinne einer Elternschaft aus einer weiblichen und einem männlichen Braunelle – durchaus zu ersetzen.
Lorenz Heer und Thomas Sattler berichten nicht nur vom Fortpflanzungsverhalten der Alpenbraunelle, sondern auch von der Verbreitung der Art und wie die Vögel den Winter überstehen. Der Klimawandel ist ihnen übrigens keineswegs willkommen, denn der gewohnte Lebensraum wird sich strukturell und auch im Nahrungsangebot verändern. Es ist zu befürchten, dass die nur noch 430 – 800 Brutpaare in den Bayerischen Alpen weiter abnehmen.
gelesen in:
Der Falke, 2022, Sonderheft: Vögel der Alpen, S. 60-63; Lorenz Heer & Thomas Sattler: Die Alpenbraunelle
19.11.2022
Wenn eine Behörde den Naturschutz ernstnimmt
Leider gerät das Freizeitverhalten in der Natur immer wieder in Konflikt mit dem Lebensraum und den Ansprüchen von Tieren und Pflanzen. An der Meeresküste und an Seen ist zum Beispiel intensiver Wassersport häufig eine Belastung, in den Bergen stören oder zerstören Mountainbiker – aber auch der Klettertourismus – wertvolle Naturräume. Dabei ist oft nicht der Einzelne das Problem, sondern die Masse respektlosen und wenig naturverbundenen Menschen.
Das Regierungspräsidium in Karlsruhe (Baden-Württemberg) hat nun ein Zeichen gesetzt. Es verbietet auf Basis einer umweltrechtlichen Entscheidung einen beliebten Kletterfelsen zu erklimmen. Ab 2023. Ganzjährig. Zum Schutz von Wanderfalken.
Es handelt sich um die Badener Wand im Naturschutzgebiet Battert, gelegen im nordwestlichen Bereich des Schwarzwalds. Sie beherbergt seit 2004 Wanderfalken, aber in der Brutnische ist der Bruterfolg bisher äußerst gering. Das wird auf Störungen durch den zunehmenden Klettertourismus zurückgeführt. Und da die vorübergehende Sperrung von Routen während der Fortpflanzungsphase keine positiven Konsequenzen hatte, wird nun für einen Zeitraum von fünf Jahren ganzjährig gesperrt.
Thomas Krumenacker, regelmäßiger Autor von Die Flugbegleiter, ist ein versierter Ornithologe und engagierter Umweltschützer. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt den Greifvögeln, zumal dem Schreiadler. Der Einzigartigkeit und Gefährdung dieses Greifs hat er ein Buch gewidmet, das hoffentlich viele Menschen verzaubert und zugleich wach rüttelt.
Während der Autor des Artikels über die Entscheidung der Behörde hocherfreut ist und das gut begründen kann, sehen die Klettergemeinde und auch der Deutsche Alpenverein das anders. Dabei stehen 19 weitere Kletterfelsen im FFH-Naturschutzgebiet Battert zur Verfügung. Vor allem: Manchmal gibt es eben keine guten Kompromisse, und wir Menschen müssen mit gewissen Einschränkungen klar kommen, damit andere Arten überleben. Thomas Krumenacker gibt zu Bedenken:
„Der Schutz der lebendigen Naturvielfalt kann sich aber nicht auf den Amazonas oder die Savannen Afrikas beschränken: auch vor der eigenen Haustür sind gelegentlich Zugeständnisse nötig.“
gelesen in:
Riffreporter/Flugbegleiter, 19.11.2022, Thomas Krumenacker: Schutz für den Wanderfalken am Kletterfelsen – Behörde zeigt klare Kante
Der Text ist nicht frei zugänglich, aber käuflich. Man darf das Autorenteam, das regelmäßig vom Zustand der Vogelwelt berichtet, durchaus finanziell unterstützen. Am besten mit einem Abo.
11.10.2022
Tödliche Influenzaviren
Mittlerweile müssen wir jedes Jahr befürchten, dass wieder zigtausende Wildvögel verenden, weil sie sich mit dem gefährlichen Grippevirus (Influenzavirus) angesteckt haben, der Mitte der 1990er Jahr aus dem südostasiatischen Raum nach Europa gekommen ist. Weil eine Infektion mit dem Stamm und neueren Varianten des Vogelgrippevirus (H5N1) hochgradig tödlich ist, spricht man auch von Geflügelpest.
Sind die Wildvögel erkrankt, meldet bald auch die Presse, dass das Virus nun auch die Geflügelhaltungen erreicht hat und von betroffenen Stallungen jeweils der ganze Bestand gekeult, also getötet werden muss. Suggeriert wird meist: Wildvogelpopulationen hätten die Gänse, Enten oder Hühner in der Massentierhaltung angesteckt.
Das ist nicht belegt und eher unwahrscheinlich. Die Ausbreitungswege des Virus sind nicht geklärt und einiges spricht dafür, dass Influenzaviren mit den Transporten verbreitet werden, die Küken, Hühner und Eier quer durch Europa kutschieren. Die wissenschaftliche Klärung scheint unter anderem an ökonomischen Interessen der Geflügelhalter zu scheitern. Das jedenfalls meint der Autor des Berichts über das Drama der diesjährigen Infektionswelle, die insbesondere an der Nordsee kleinere aber auch riesige Populationen an Seevögeln zusammenbrechen ließ.
Allein auf der niederländischen Insel Texel sank die Zahl der wertvollen Brandseeschwalben von 4500 auf 50 Brutpaare. Auch auf Neuwerk traf es die seltenen Brandseeschwalben hart, und wo die Altvögel starben, verhungerten bald die Jungen. Auf dem Minsener Oog wurden zum Beispiel 2568 tote Altvögel und 2807 tote Küken von NaturschützerInnen eingesammelt.
Nicht besser erging es den attraktiven Basstölpeln: Eine der weltweit größten Kolonien mit 150 000 Vögeln – auf der schottischen Felsinsel Bassrock – war nur noch halb so groß, nachdem dort das Virus gewütet hatte. Dasselbe auf Helgoland: Im Mai war die Welt noch in Ordnung. Aber im Juli war der Lummenfelsen nicht mehr wie üblich von weißen Basstölpeln bedeckt, sondern kahl. Das Influenzavirus hatte Alt- und Jungvögel umgebracht. Nur an der Steilwand, wo die Vogelnester mehr Abstand zueinander haben, überlebten überhaupt Basstölpel.
Die traurige Reihe ließe sich fortsetzen: Kraniche starben, sogar Störche, verschiedene Gänsearten, Flussseeschwalben, Löffler …
Fraglich ist, woher die aktuelle Virusvariante kam – erste alarmierende Berichte erreichten uns im Dezember 2021 aus Israel –, und offen ist, wie man die nächste Welle verhindern oder eindämmen kann. Diese Ratlosigkeit wundert allerdings nicht. Helmut Kruckenberg, der Autor des Berichts, legt den Finger in die Wunde, wenn er schreibt:
Leider fehlt es in Deutschland an einer Institution, deren Aufgabe es ist, solche grundlegenden naturschutzfachlichen Fragestellungen zu klären, denn das Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems hat seinen Aufgabenschwerpunkt bei den Nutz- und nicht bei den Wildtieren.
Bedenkt man, dass gefährliche Influenzastämme am ehesten in der Massentierhaltung entstehen und sich vermehren können, bevor sie von dort zu Wildvögeln gelangen, dann käme es darauf an die Belegungsdichte in Ställen strenger zu regulieren und sie überhaupt nur dort zuzulassen, wo keine Feuchtgebiete in der Nähe sind. Denn die sind ein attraktiver Lebensraum für Wildvogelpopulationen.
Doch die Gesetzeslage kommt den Ansprüchen wildlebender Tiere nicht entgegen. Sie haben keine starke Lobby.
Gelesen in:
Der Falke, 2022, Bd. 69, 10, S. 7-13, Helmut Kruckenberg: Die Geflügelpest greift um sich
20.9 2022
Spielverhalten bei der Rabenkrähe
Es ist häufig zu beobachten, dass Krähen sich auf Schulhöfen oder Kinderspielplätzen aufhalten. Sie fahnden nach Essensresten der Kinder und plündern Mülleimer. Zur Zeit der Schulferien suchen sie anderweitig nach Nahrung.
In diesem Bericht beschreibt Thomas Baum-Nägel, dass er Rabenkrähen (Corvus corone) dabei beobachten konnten, wie sie auf einem Schulgelände Walnüsse knackten. Drei verschiedene Methoden kamen zum Zuge, wenn die Krähenvögel von nahestehenden Walnussbäumen die Früchte zum Schulhof brachten: Manche ließen sie aus großer Höhe herabfallen, andere schmissen sie mit Schwung auf den harten Schulhofbelag, oder sie ließen die Nüsse fallen, während sie sich schwungvoll von einem der Schulgebäude stürzten.
Solche Techniken ergänzen, was wir auch von den pfiffigen Nebelkrähen (Corvus cornix) wissen: Walnüsse werden auf Asphaltstraßen geworfen und, sobald ein Auto darüber gefahren ist, von den klugen Vögeln eingesammelt und die Frucht verzehrt.
Aber der Autor des Berichts beobachtete auch, wie die Rabenkrähen mit den Nüssen spielten – ganz zweckfrei und dem Anschein nach mit Vergnügen. Hungrig wirkten sie dabei nicht.
Dass Krähenvögel mit dem Wind und mit allerlei Utensilien spielen, ist bekannt. Das „Walnuss-Spiel“ bestand nun darin, dass eine Rabenkrähe aus großer Höhe ihre Nuss fallen lässt, aber im Sturzflug und mit wenigen heftigen Flügelschlägen ihr Spielzeug wieder erreicht. Es wird mit dem Schnabel gepackt, die Krähe fliegt wieder hoch, lässt die Nuss erneut fallen, fängt sie wieder auf usw. Mehrere solche Zyklen folgten bei den Spielereien aufeinander, bevor die Rabenkrähe mit ihrer Nuss davon flog.
Wie viele Krähen sich mit diesem Spiel vergnügten oder ob es immer dieselbe war, ist nicht klar. Doch auch so gibt der Bericht eine tolle Beobachtung wieder, die nochmals die Intelligenz der Rabenvögel unterstreicht.
Gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen, 2021, Bd. 73, Nr. 5/6, S. 115-124, Thomas Baum-Nägel: Vergnügen am Spiel oder bloße Konkurrenz ums Futter? Beobachtungen an Rabenkrähen Corvus c. corone im Umfeld einer Schule
10.8.2022
Den Nilgänsen Einhalt gebieten
Die Nilgans (Alopochen aegyptiaca) gehört zu den invasiven Arten, also zu den in Deutschland nicht-heimischen Tierarten. Immer wieder zeigt sich, dass diese Vögel sich dort ausbreiten, wo eigentlich und seit langem Stockente, Teichhuhn und Blässhuhn leben. Oliver Weirich und andere ornithologisch Engagierte wollten wissen, welche Konsequenzen die Zuwanderung hat. Sie haben daher in Wiesbaden auf teichnahen Grünflächen ermittelt, was die Nilgänse dort treiben und wie stark sie sich ausbreiten. Und sie waren teilweise überrascht.
Sehr genau wurde das Verhalten der Nilgänse, die äußerst territorial sind, erfasst. Und es ist nun belegt, dass sie sowohl bei Auseinandersetzungen mit unliebsamen Nachbarn der eigenen Art die Gössel – also die Jungen – töten, als auch junge Stockenten nicht verschonen. Adulte Stockenten retten sich notfalls durch Abtauchen vor den Attacken von Nilgänsen.
Allerdings hat sich die Population der Invasoren in den letzten Jahren nicht weiter vergrößert, und die herben Konflikte mit Stockenten sind sogar etwas zurückgegangen. Auch sind sowohl Blässhühner als auch Teichhühner keine ernstzunehmende Konkurrenz für Nilgansfamilien. Sie werden nicht bedroht und am Teichufer ruhen die Arten oft friedlich nebeneinander.
Nilgänse breiten sich über weite Distanzen hinweg aus. Ringablesungen zeigen, dass sie von der Wiesbadener Region bis in die Niederlande flogen und manche von weit her kamen. Für Städter, die die Parkanlagen nutzen wollen, ist vor allem der Kot auf Wegen und Grasflächen ein Ärgernis. Sie möchten daher wissen, wie man Nilgänse vertreiben und einer weiteren Vermehrung Einhalt gebieten kann. Doch das erweist sich als schwierig.
Möglicherweise hilft es, ihnen die nächtlichen Schlafplätze unangenehm zu machen: Die Vögel ruhen üblicherweise nachts aufgereiht nebeneinander am Ufer und kontrollieren die überschaubare Rasenfläche hinter sich. Vielleicht lohnt es, hier durch Anpflanzungen die Übersicht zu mindern, meint das Autorteam des Berichts. Sicher ist das aber nicht.
Sicher ist hingegen, dass an Teichen mit Wasservögeln nicht gefüttert werden darf. Zum Beispiel brauchen jungen Stockenten kleinste Wasserinsekten und nicht Brot. Das mindert offenbar die Entwicklung eines wärmenden Federkleids. Außerdem: Rabenkrähen, die oft den Tod von Stockentenjungen herbeiführen, lockt ausgestreutes Futter an. Und nicht zuletzt: Wanderratten stürzen sich nicht nur auf herumliegende Brotkrumen, sondern auf die Gelege und den Nachwuchs von Teichhuhn, Blässhuhn, Stockenten & Co.
Dies sollten auch Kinder früh lernen, findet das Autorenteam: Enten zu füttern ist nicht nützlich, sondern schädlich für sie und andere schützenswerte Tiere!
gelesen in:
Vogelwarte. Zeitschrift für Vogelkunde, 2021, Bd.59, Nr. 4, S. 337-356, Oliver Weirich u.a.: Phänologie, Reproduktion, Verhalten und Flächennutzung der Nilgans Alopochen aegyptiaca in städtischen Parkanlagen in Wiesbaden und Vorschläge zum Management
3.7.2022
Deutschland: für Zugvögel höchstgefährlich
Alljährlich freuen sich viele Menschen, wenn am Ende des Winters die kleinen Singvögel, die Störche, Schwalben, Fischadler und im Mai endlich auch die Mauersegler zurückkehren. Sie haben nördlich und südlich der Sahara in den Wintermonaten das gefunden, was hierzulande fehlt: Insekten, Schnecken und andere Weichtiere, Amphibien wie Frosch und Kröte, diverse Reptilien und Fische, die bei uns zeitweilig unter einer Eisdecke verschwinden.
Aber wer denkt schon darüber nach, dass es nicht selbstverständlich ist, dass den Geflügelten der weite Flug über Kontinente hinweg gelingt. Wer fragt, ob Zugvögel davon bedroht sind, dass wir Menschen die Welt zunehmend nach unseren (angeblichen) Bedürfnissen gestalten – auf Kosten anderer Mitgeschöpfe. Oder weniger klerikal: auf Kosten anderer Lebewesen.
Wo für Zugvögel – insbesondere für die weitreisenden Langstreckenzieher – besondere Gefahren liegen, hat Thomas Krumenacker kürzlich mit dem britischen Wissenschaftler James Gilroy besprochen. Der hat maßgeblich an einer Studie mitgewirkt, die menschengemachte Gefahren für Kuckuck, Fitis, Schwalben und viele andere Vogelarten untersucht hat.
Dazu gehören hohe Gebäude, Masten und Windturbinen, die zu Kollisionen führen, aber auch die Lichtverschmutzung durch städtische Beleuchtung, durch Kraftwerke und Raffinerien. Sie führen Zugvögel in die Irre, machen sie orientierungslos.
Viele kleinere Vogelarten fliegen nachts und orientieren sich am Licht, also seit Jahrtausenden dem Stand der Gestirne. Und sie können nicht von heute auf morgen umschalten, denn hinter ihren Orientierungsleistungen stecken genetisch fixierte Programme … deren Sinn ist es, ihnen einen Kompass bei Dunkelheit zu geben und sie zugleich vor den tagaktiven Greifvögeln zu schützen.
Und was macht Deutschland für Zugvögel so gefährlich? Es ist die Notwendigkeit, geschützte Landschaften – etwa Feuchtgebiete oder das Wattenmeer – zu verlassen und dann über Regionen zu fliegen, in denen immer mehr Fläche zugebaut oder durch andere Infrastrukturmaßnahmen unwirtlich wird. Doch Zugvögel müssen etwa zwischen Skandinavien und Nordafrika pausieren können, teils auf bessere Flugbedingungen warten oder energetisch auftanken können. Das wird immer schwieriger.
gelesen in:
Riffreporter/Flugbegleiter, 29.6.2022, Thomas Krumenacker: Vogelzug. Deutschland gehört zu den gefährlichsten Ländern überhaupt
Der Text ist frei zugänglich, aber man darf das Autorenteam, das regelmäßig vom Zustand der Vogelwelt berichtet, durchaus finanziell unterstützen. Am besten mit einem Abo.
18.6.2022
Bienenfresser: Profiteure des Klimawandels?
Es ist eine erfreuliche Nachricht, dass immer mehr Bienenfresser (Merops apiaster) bis nach Deutschland kommen, um hier zu brüten. Der Bestand liegt derzeit bei mehr als 5.000 Brutpaaren. Verbreitet sind die farbenprächtigen Vögel vor allem in trockeneren Regionen wie Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
Sie sind auf warmes Klima und Insektenreichtum angewiesen. Für die Brut bevorzugen sie Steilhänge – etwa in trockenen Flusstälern oder in menschengemachten Sandgruben. Denn hier graben sie ihre Bruthöhlen.
Einiges spricht dafür, dass die klimatischen Veränderungen in Europa dazu geführt haben, dass sich die Bienenfresser, deren Brut- und Verbreitungsgebiet ursprünglich weiter südlich liegt, zunehmend nach Norden „vorwagen“. Selbst in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wurden einzelne Vögel gesichtet.
Den Brutbestand zu erfassen, ist Ziel der Fachgruppe Bienenfresser innerhalb der Deutsche Ornithologen-Gesellschaft (DO-G). Mitarbeit beim Monitoring der Bienenfresser ist erwünscht, schreiben Markus Jais und Hans-Valentin Bastian aus dieser Fachgruppe in Der Falke. Ausgiebige Daten sind in der Zeitschrift Vogelwarte in einem Sonderheft publiziert.
Die Bienenfresser-Experten weisen unter anderem darauf hin, dass auch in der Schweiz und Österreich der Brutbestand wächst, während in Spanien mit seinen rund 200.000 Paaren die Entwicklung offenbar uneinheitlich ist. Womöglich spielt hierbei die Imkerei eine ungute Rolle, denn ihr Partialinteresse hat regional zur Abschreckung von Bienenfressern durch laute Schüsse und den Einsatz von Greifvögeln geführt.
gelesen in:
Der Falke, Mai 2022, S. 32, Markus Jais & Hans-Valentin Bastian: Bienenfresser in Deutschland
10. 5. 2022
Auf der Spur der Original-Illustrationen im „Naumann“
Die zwölfbändige Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas des großartigen Ornithologen Johann F. Naumann gibt es in mehreren Auflagen. Die dritte Auflage von 1905 ist dank wunderbarer Grafiken ein Prachtwerk. Und ich freue mich immer wieder, sie in meinem Bücherschrank zu haben und daraus zitieren zu können.
In dieser Mammutausgabe sind die Vögel nicht nur durch ihr jeweiliges Gefieder – junge und alte Vertreter der Art, männliche und weibliche Vögel – charakterisiert, sondern in dem für sie jeweils charakteristischen Habitat. Und auf Sonderseiten werden die mal schlichten, mal gesprenkelten, die großen und die kleinen Vogeleier präsentiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und den folgenden politischen Umbrüchen galten die Werke der Künstler dieser Grafiken offiziell als verschollen. Doch 2018 sind sie aus der Versenkung geholt worden. Es war gewissermaßen eine Sensation, von der bisher nur wenige Westeuropäer erfahren haben. Gut, dass Wolfgang Baumgart in Ornithologische Mitteilungen davon berichtet hat.
Die Vorlagen für die Original-Illustrationen lagerten offenbar jahrzehntelang im Historischen Regional-Museum Sofia (RHM), bevor anlässlich einer internationalen Konferenz ihr Verbleib auf einem Poster geklärt und sie im RHM auch einem größeren Publikum zugänglich gemacht wurden.
Warum und wie die Kunstwerke von John Gerrad Keulemanns, Otto Kleinschmidt u.a. so lange und völlig unbemerkt überdauert haben, ist eine lange Geschichte – und Geschichte. Die hat damit zu tun, dass die Vertretung der sozialistischen Volksrepublik Bulgarien den Zar Ferdinand I – aus dem Hause Sachsen-Coburg – nicht eben schätzte. Er war schon 1918 zurücktreten und ging damals nach Deutschland ins Exil. Allerdings hatte er zuvor für die Kunst und Wissenschaft in Bulgarien viel getan.
Unter seiner Herrschaft kamen damals auch deutsche Ornithologen nach Sofia und in höhere Positionen sowohl am neugegründeten königlichen Naturgeschichtlichen Museum als auch am Zoologischen Garten. Die Idee, die Vorlagen für die farbenprächtigen Original-Illustrationen aus der Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas zu erwerben, wird heute auf die Berater von Zar Ferdinand I zurückgeführt.
gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen, 2021 Bd. 1/2, S. 43, Wolfgang Baumgart: Zur Wiederauffindung der Original-Illustrationen von Naumanns „Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas“ in Bulgarien
14.4.2022
Lesenswertes Porträt: Die Waldschnepfe
Ob ich jemals eine Waldschnepfe (Scolopax rusticola) zu Gesicht bekomme, steht in den Sternen. Doch wenn es passieren sollte, dann liegt das sicher auch an dem guten Porträt des Vogels, dass Anita Schäffer in der Vogelzeitschrift Der Falke veröffentlich hat.
Wie der Name schon sagt, geht es um eine Schnepfe. Aber ihre Beine sind viel kürzer als die der nahverwandten Arten, die als Watvögel in und am Wasser unterwegs sind. Typisch und zum Beispiel dem Großen Brachvogel ähnlich, ist neben dem langen Schnabel auch das braungemusterte Gefieder. Es macht sie auf dem laubbedeckten Waldboden fast unsichtbar, vor allem wenn sie sich schutzsuchend in eine Kuhle duckt.
Bekannt ist die Waldschnepfe wegen ihres Balzflugs und durch einen Gesang, der auch als Quorren bezeichnet wird. Es ist traurig und mehr als ärgerlich, dass ihr Lebensraum durch menschliche Aktivitäten ständig schrumpft und infolgedessen auch diese Vogelart existenziell bedroht ist.
Kein Mensch weiß genauer, wieviele Brutpaare es derzeit in Europa gibt. Und dennoch ist die Waldschnepfe in Deutschland – und Nachbarstaaten – vor Jägern und Jägerinnen nicht sicher. Gemäß Bundesjagdgesetz (BJagdG) § 2 zählt die Waldschnepfe zu den jagdbaren Arten und darf vom 16. Oktober bis zum 15. Januar bejagt werden. Dabei geht es den „Grünröcken“ oft um eine traditionelle Jagdtrophäe, den Schnepfenbart.
gelesen in:
Der Falke, März 2022, S. 36, Anita Schäffer: Quorren und streichen. Waldschnepfe
18.3.2022
Erfolgsgeschichte aus dem Elbsandsteingebirge
Wir können es durchaus als eine Erfolgsgeschichte bezeichnen, dass es heutzutage wieder eine stabile Population von Wanderfalken (Falco peregrinus) in Sachsen und dem angrenzenden Böhmen auf tschechischer Seite gibt. Denn das war nicht immer so. – In dieser von Sandsteinfelsen, Waldgebieten und tiefen Schluchten geprägten Landschaft wurden vor hundert Jahren und bis zum 2. Weltkrieg durchweg 20 Brutpaare von Ornithologen erfasst. Das mag wenig erscheinen, aber hier nisten neben dem imposanten Uhu, der auch auf Wanderfalkenjunge aus ist, noch weitere Greifvögel, zudem Eulen und Falken. Und jede Art braucht ihren Brutplatz und ihr Jagdrevier.
Ein besonders trauriges Kapitel in Sachen Wanderfalke ist menschengemacht und führte vor rund 50 Jahren vielerorts in Europa zum Zusammenbruch der regionalen Population. Tödlich wirkten sich damals die Pestizide aus Land- und Forstwirtschaft aus. Denn vergiftete Vögel und Nager vergiften Greifvögel, und sie machen Eischalen dünn und zerbrechlich. Von den mindestens acht Brutpaaren, die Ornithologen in der Sächsischen Schweiz um 1950 gezählt hatten, war Mitte der 1970er Jahre keines mehr aktiv. Der letzte Bruterfolge wurde 1972 registriert, berichtet Ulrich Augst vom Nationalpark Sächsische Schweiz.
Das rief eine Gruppe engagierten Ornithologen auf den Plan, die mit Hilfe von Falknern ein Wiederansiedlungsprojekt initiierten. Von 1989 bis 1996 wurden 77 Jungfalken im Herzen des Elbsandsteingebirges ausgesiedelt und systematisch beobachtet. Schon 1993 brüteten drei Paare mit Erfolg, und 1997 waren es bereits 10 Paare, schreibt Augst, der das Projekt viele Jahre als Beringer und Experte für Biotop- und Artenschutz begleitet hat.
Darüber hinaus zeigte sich, dass einige Wanderfalken „ihre Keimzelle“ im Nationalpark verlassen hatten und unter anderem im ebenfalls naturgeschützten, tschechischen Teil des Elbsandsteingebirges brüteten. Bereits 2017 wurden 30 Brutpaare diesseits und jenseits der Grenze gezählt, die mit unterschiedlichem Erfolg Junge großziehen. So wurde durch viel Engagement eine stabile Population erreicht. Mehr Platz für Wanderfalkenpaare gibt es dort praktisch nicht. Weitere Details sind der Publikation zu entnehmen.*
gelesen in:
Actitis, 2018, Bd. 49, S. 3-15, Ulrich Augst: Bestandsentwicklung und Reproduktion der durch Auswilderung begründeten Population der Wanderfalken Falco peregrinus im Elbsandsteingebirge
* Zuletzt wurden auf der sächsischen und der böhmischen Seite je 13 Brutpaare ermittelt, berichtete mir Ulrich Augst in einer E-Mail. Offenbar geht aber der Bruterfolg zurück, was vornehmlich auf Kletterer und ungezügelten Tourismus zurückzuführen ist. Menschen stören die Brutpaare und ihre Jungen, weil sie den geschützten Horsten verbotenerweise zu nahe kommen.
10.2.2022
Neozoen: Zugeflogene Tierarten
In einem interessanten Sonderheft von Der Falke geht es um die Bewertung der Neozoen, also jener Tierarten, die durch das Mitwirken von Menschen, sei es gezielt oder ungezielt, bei uns heimisch geworden sind. Stellen sie als invasive Art eine Gefahr für die Tier- und Pflanzenwelt – also für Fauna und Flora – dar, oder sind sie eine Bereicherung?
Schlagzeilen machen diese ortsfremden Arten, weil sie
→ wie zum Beispiel Nilgänse sich als aufdringlich und kämpferisch erweisen oder
→ wie etwa Rosaflamingos besonders hübsch anzusehen sind oder
→ wie der lautstarke Halsbandsittich manchen Menschen womöglich den letzten Nerv rauben.
Eine generelle Bewertung für die mehr als 90 geflügelten Neozoen, die bei uns auch brüten, ist schwierig. Immerhin gibt es für den Umgang mit ihnen eine Reihe von europa- und sogar weltweit gültigen Regelungen. Was hierzulande gilt, ist beim Bundesamt für Naturschutz ausführlich nachzulesen.
Ich möchte an dieser Stelle auf 2 von insgesamt 12 Artikeln in dem Sammelheft Neozoen eingehen, die jeweils illustrieren, warum die ökologische Bedeutung der geflügelten Neubürger, wie sie umgangssprachlich auch heißen, so schwer einzuschätzen ist:
Gregor Scheiffarth, Philipp Schwemmer: Neubürger im Wattenmeer: Nahrung für Vögel?
Im Wattenmeer der Nordsee wachsen ausgedehnte Muschelbänke mit Miesmuscheln. Auf ihnen hat sich die gebietsfremde Pazifische Auster ausgebreitet. Sie erschwert den Austernfischern den Zugang zu den Miesmuscheln – ihrer Leibspeise seit die Europäische Auster praktisch ausgestorben ist. Silbermöwen und Eiderenten stört die Besiedlung der Muschelbänke mit der Pazifischen Auster hingegen wenig, denn sie ernähren sich bevorzugt von Strandkrabben beziehungsweise Herzmuscheln, die in größeren Wassertiefen im Sand stecken. Auch die Amerikanische Schwertmuschel ist ein Neozoon im Wattenmeer. Sie enthält reichlich Fleisch, ist also ernährungstechnisch von Vorteil für Silbermöwen und auch für den Austernfischer!
Während die Ausbreitung der Pazifischen Auster auf das Konto experimenteller Muschelkulturen nahe Sylt geht und die Amerikanische Schwertmuschel mit dem Schiffsverkehr zu uns kamen, hat die Schwarzkopfruderente hierzulande Fuß gefasst, weil sie von Menschen als attraktiver Wasservogel angeschafft wurde. Und entkam!
Friederike Woog: Schwarzkopfruderente trifft Weißkopfruderente: die teuerste Ente der Welt
In verschiedenen Regionen der Welt leben verschiedene Ruderkopfentenarten. In Europa ist die Weißkopfruderente heimisch. In Nordamerika die Schwarzkopfruderente. Wenn aber beide Arten räumlich aufeinandertreffen, dann mischen sie sich und haben fruchtbare Nachkommen (Hybriden). Das liegt u.a. daran, dass weibliche Weißkopfruderenten das Balzgehabe der männlichen Schwarzkopfruderenten durchaus attraktiv finden. Die europäische Art droht daher in der schwarzköpfigen aufzugehen. Das soll verhindert werden, weshalb in England, Frankreich, Spanien und anderen Staaten ein von der EU finanzierter Abschussplan für viel Geld umgesetzt wurde.
Wohl niemand freut sich über die Jagd auf eine invasive Art, um auf diese Weise eine andere Art zu schützen. Besser wäre es, wenn die Einfuhr von gebietsfremden Organismen konsequenter verhindert würde. Im föderalen Deutschland sind die Kontrollen jedoch besonders schwierig. Aber: Wer etwa eine Schwarzkopfruderente sichtet, muss sie melden. Je nach Bundesland an eine der hier verlinkten Behörden.
gelesen in:
Der Falke (Sonderheft) Neozoen. Gefiederte Neubürger, 2020, 64 Seiten
15.1.2022
Seeadler „adoptieren“ Mäusebussarde
Seeadler sind mit einer Flügelspannweite von 1.90 bis 2.40 m gewaltig groß. Auch ihr Nest, der sogenannte Horst, ist mächtig. Er bietet für die Jungvögel und die Beute, die ihre Eltern eintragen, viel Platz. Das hat womöglich Folgen…
Junge Seeadler werden von den Altvögeln nicht nur mit Fisch versorgt, sondern unter anderem mit dem Nachwuchs anderer Greifvögel. Gar nicht selten entwenden die Adler junge Mäusebussarde aus dem Nest und transportieren sie in ihren eigenen Horst. Dabei kommt es allerdings vor, dass die Beute nicht tot, sondern quicklebendig oder nur leicht verletzt bei den jungen Seeadlern ankommt. Und dann?
Manche werden von den viel größeren Alt- oder den Jungvögeln etwas später getötet und verspeist. Einige wenige Mäusebussarde überleben und sitzen mit den viel größeren Seeadlerjungen im Nest, ohne von ihnen attackiert zu werden. Dass das Adlernest sehr groß ist und Abstand zwischen den Vögeln ermöglicht, könnte dabei von Vorteil sein. Gleichzeitig dürfte eine Tötungshemmung für Vögel im Nest bestehen, sofern diese bestimmte Merkmale, etwa eine Mindestgröße, besitzen.
Nachweislich töten Seeadler die Bussardbeute, die munter im Seeadlerhorst sitzt, nicht (immer) sofort und gezielt. In einem Überblicksartikel stellen die Ornithologen Markus Jais und Remo Probst mehrere Berichte und fotografische Dokumente vor, die eindeutig zeigen, dass junge Mäusebussarde von den mächtigen Greifen sogar gefüttert wurden, wenn sie – wie bei Jungvögeln üblich – bettelten, also den Schnabel aufsperrten.
Oft gab es Fisch, was für junge Mäusebussarde ungewöhnlich sein dürfte. Einzelne „adoptierte” Bussarde haben die Nestlingszeit überlebt und wurden flügge. Unbekannt ist, was aus ihnen geworden ist.
gelesen in:
Der Falke, 2022, Nr. 1, S. 7, Markus Jais & Remo Probst: Mäusebussard mit Ziehfamilie. Aufzucht im Seeadlerhorst
26.12.2021
Turmfalke bunkert Beute
Turmfalken füttern ihren Nachwuchs vor allem mit Mäusen, meist mit Feldmäusen. Wenn die Jungen satt sind, legen sie die Beute durchaus im Nest oder Nistkasten ab. Einige Male wurde schon beschrieben, dass Turmfalken erbeutete Mäuse offensichtlich auch außerhalb des Nestes verstecken – um sie den Jungen später anzubieten oder selbst zu verspeisen. Auch Ludwig Schlottke, einer der Berliner Turmfalkenberinger, konnte das schon beobachten.
Protokolliert und fotografisch dokumentiert hat das nun Christian Harms, der die Aufzucht junger Turmfalken an einem ungewöhnlichen Brutplatz, nämlich in der Höhlung eines alten Apfelbaums, beobachten konnte.
Der Freiburger Ornithologe sah dort immerhin viermal, wie das Weibchen Feldmäuse in einer Astgabel ablegte, beziehungsweise unter einer großblättrigen Staude versteckte. Auch dass die so gebunkerte Beute später verfüttert wurde, kann er durch Videoaufnahmen belegen. Seine Dokumentation ist großartig und lesenswert. Sie kam offenbar zustande, weil er ein erfahrener Ornithologe ist und viel Zeit in der Nähe des Brutplatzes verbracht hat. Daher erkannte er zum Beispiel, dass Beute von den Falken immer dann versteckt wurde, wenn die Jungen bereits von den Altvögeln bereits gefüttert und – höchstwahrscheinlich – satt waren.
Das Verhalten der Altvögel zu beobachten ist die eine Sache, es zu erklären eine andere. Überschüssige Beute zu verstecken oder zu horten ist bei Greifvögeln nicht so ungewöhnlich. Das macht die Versorgungslage für Alt und Jung generell sicherer. Es bedeutet aber auch, dass der Hunger nicht unmittelbarer Auslöser für Jagdverhalten ist – obgleich er natürlich ein Motiv sein kann. Beute wird also gemacht, wenn Beute greifbar ist – also wenn die Mäuse unterwegs sind. Denn: Ein Vorrat hilft, den Mangel zu anderen Zeiten zu kompensieren.
gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen, 2021, Bd. 73, Nr. 1/2, S. 2, Christian Harms: Turmfalke Falco tinnunculus versteckt überschüssige Beute
10.11.2021
Drosselrohrsänger im Vorteil
Der Drosselrohrsänger ist ein auffälliger Vogel, wenn er aus seinem Winterquartier zurück ist und bis Ende Mai lauthals sein Revier markiert. Auch mit nur wenigen ornithologischen Kenntnissen kann man ihn an seinem Gesang identifizieren.
Vor allem in Brandenburg, wo an den schilfbestanden Gewässern traditionell viele Drosselrohrsänger leben, gibt es zahlreiche Reviere. Allerdings ist der Bestand dieser Art in den 1960er und 1970er Jahren an der Berliner Havel und in Brandenburg nachweislich zurückgegangen. Umso wichtiger, dass Ornithologen durch ein Monitoring der Vogelart feststellen konnten, dass die Population seit 1995 wieder wächst.
Bereits 1991/92 hatte die Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgische Ornithologen (ABBO) angeregt, die Verbreitung des Drosselrohrsängers mit Hilfe von Probeflächen zu ermitteln. Hochrechnungen ergaben damals 3.000 – 4.500 Reviere in Brandenburg. Diese Zahl hat sich sehr wahrscheinlich verdoppelt. Das geht jedenfalls aus den Daten hervor, die Vogelkundige nach einem Aufruf der ABBO für die Jahre 2018 und 2019 erfasst und übermittelt haben.
Einerseits sind diese Daten sehr heterogen, weil nicht alle Beteiligte die formalen Vorgaben für die Kartierung eingehalten haben. Andererseits sind die Angaben für die 353 erfassten Gewässer eindeutig. Der Bestand an Brutrevieren ist gewachsen, berichten Wolfgang Mädlow, Alec Petri und Bodo Rudolph. In einzelnen Gebieten ist der Bestand allerdings zurückgegangen.
Der Drosselrohrsänger brütet im Röhricht von Teichen und Seen, von natürlichen Fließgewässern, Fischteichen und Gräben. Die beobachtete Bestandszunahme erklären sich die Autoren des Berichts unter anderem damit, dass die Wasserqualität vielfach besser geworden ist, dass sich Schilfbestände neu bilden konnten, Gebiete wieder vernässt wurden und Fischteiche weniger extensiv bewirtschaftet werden. Aber sie weisen auch auf Gefahren für den Drosselrohrsänger hin: Trockenheit und ein sinkender Grundwasserspiegel, diverse Freizeitaktivitäten am Ufer und auf dem Wasser, schließlich Graugänse und Blässhühner, die an Schilftrieben knabbern.
Der Status quo ist jedoch erfreulich!
gelesen in:
Otis, Zeitschrift für Ornithologie und Avifaunistik in Brandenburg und Berlin, 2021, Bd. 28, S. 89, W. Mädlow, A. Petri und B. Rudolph: Brutbestandserfassung des Drosselrohrsängers Acrocephalus arundinaceus 2018/19 in Brandenburg
12.10.2021
Vogel des Jahres 2022: Fünf Arten stehen zu Wahl
Im Jahr 2021 haben erstmalig nicht nur Ornithologen und Ornithologinnen in den Verbänden NABU und LBV den Vogel des Jahres gewählt, sondern viele Menschen im Land – rund eine halbe Million. Es wurde dann das Rotkehlchen zum Sieger gekürt.
Für das Jahr 2022 hat sich der Modus der Wahl geändert: Es gibt eine Vorauswahl mit fünf Kandidaten, für die wir votieren können, nämlich Steinschmätzer, Wiedehopf, Bluthänfling, Mehlschwalbe und Feldsperling. Bis auf den Feldsperling – er begenete mir kürzlich als große Schar an der Mittelelbe – habe ich von allen bereits in dem einen oder anderen Kontext berichtet, und darum auch entsprechend verlinkt.
Thomas Krumenacker hat die Kandidaten als Autor der Riffreporter/Flugbegleiter so schön und informativ vorgestellt, dass ich mir weitere Worte sparen möchte – zumal sein Text frei verfügbar ist. Aber man darf das Autorenteam, das regelmäßig vom Zustand der Vogelwelt berichtet, durchaus finanziell unterstützen. Am besten mit einem Abo.
gelesen in:
Riffreporter/Flugbegleiter, 5.10.2021, Thomas Krumenacker: Der Wahlkampf geht nahtlos weiter. Wer wird Vogel das Jahres 2022?
18.9.2021
Ein Schreibtischtäter entdeckt die Vogelwelt
Julius Schophoff ist Journalist und mit Vögeln hatte er lange Zeit nichts am Hut, eher schon mit kauzigen Ornithologen, die in Tarnkleidung und mit einer Artenlisten draußen unterwegs sind. Diese Spezies Mensch zu porträtieren, war lange Zeit nicht nur für ihn als Journalisten ein gefundenes Fressen. Und das gibt er auch zu.
Aber nun hat er die Seite gewechselt. Soll ich jetzt sagen „dank Corona“ oder doch lieber „durch Corona“? Das Virus hat den hieisigen Lockdown ausgelöst, auch am Donauufer in Regensburg, wo Julius Schophoff oft spazieren geht. Die Konsequenz: Er hat vor der Haustür die Vogelwelt entdeckt, wie jenen fischenden Graureiher, den er von der berühmten Steinernen Brücke aus beobachten konnte. Ungestört war der Vogel hier, weil das UNESCO-Weltkulturerbe plötzlich nicht mehr von Reisenden aus aller Welt bevölkert war.
Die Natur quasi rückte im Lockdown näher, und der Journalist begab sich auf Ornithologenfüße: Immer intensiver lässt er sich auf die Vogelwelt am Donauufer ein, genießt die naturbelassene Schönheit eines Flussarms dessen Wasser an der Stadtinsel Stadtamhof vorbeiströmt und beobachtet das Vogelleben. Ihm geht es dabei nicht um die seltene Vogelarten, sondern um die durchaus gewöhnlichen: krächzende Krähen in den Baumkronen, im Eiswasser paddelnde Enten, die Flugtechnik der Tauben und Möwen, die chaotische Choreographie fliegender Rauchschwalben…
Von diesen Beobachtungen ist es übrigens kein weiter Weg zu Die Taube von Patrick Süsskind und zu einer kleinen, aber bedeutsamen Intervention, in der das Hinweisschild: „Achtung, Vogelbrutzeit…“ eine tragende Rolle spielt.
Leider ist das Ende des Reports nicht für alle gut, jedenfalls nicht für die Natur und auch nicht für die Menschen – so meine ich. Aber lesen Sie, lest bitte selbst. Mir wurde dieser wunderbare Text gleich von drei Seiten zugespielt. Und wie schön, dass er auf der Webseite von Julius Schophoff allen zugänglich ist.
gelesen in:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15. Juni 2021, S. 55, Julius Schophoff: Was für Vögel und auf der Webseite von Julius Schophoff
10.8.2021
Der Steinwälzer brütet in Deutschland nicht mehr
Es ist ein Jammer. In der neuen Roten Liste der Brutvögel ist nachzulesen, dass der Steinwälzer hierzulande nicht mehr brütet. Der Würgfalke übrigens auch nicht mehr. Das sind nur zwei der 14 Vogelarten, die hierzulande in den letzten 200 ausgestorben sind, berichtet der kenntnisreiche Vogelbeobachter und Wissenschaftsjournalist Thomas Krumenacker in der Süddeutschen Zeitung.
Die Rote Liste, die alle sechs Jahre von ornithologischen Fachverbänden und dem Bundesamt für Naturschutz veröffentlicht wird, enthält noch weitere Hiobsbotschaften: zum Beispiel sind 33 Vogelarten vom Aussterben akut bedroht. Darunter ist der Goldregenpfeifer, der im letzten Jahr bei der Wahl des Vogels des Jahres einige Berühmtheit erlangt hat. Sollte er demnächst hierzulande nicht mehr brüten, können wir ihn mit einigem Glück noch an der Nordsee als Durchzügler sichten – jedenfalls solange seine nordischen Brutgebiete noch nicht zerstört sind. Das gilt für den hübschen Steinwälzer übrigens ebenfalls.
Durch die Art und Weise, wie bei uns Landwirtschaft betrieben wird, sind insbesondere die Wiesenvögel bedroht – und alle Vogelarten, die Insekten fressen. Neben solchen deprimierenden Nachrichten gibt es auch ein paar erfreuliche: Die Bestände von Rauchschwalbe und Steinkauz sind nicht mehr unmittelbar gefährdet. Und der schneeweiße Silberreiher hat sich hierzulande in Mecklenburg-Vorpommern als Brutvogel etabliert.
gelesen in:
Süddeutsche Zeitung, 22.6.2021, S. 16, Thomas Krumenacker: Und wieder sind zwei Arten verloren
15.7.2021
Todbringende Glasfassade
Das Problem ist längst bekannt, aber weder Bauherren noch Architekturbüros berücksichtigen es: Alljährlich sterben Hochrechnungen zufolge mehrere Millionen Vögel, weil sie gegen Glasfassaden prallen – und das allein in Berlin. Davon berichtet am Beispiel des neuen Flughafens BER der NABU in seiner Zeitschrift Natur in Berlin. Schon im Oktober 2012, als der BER noch lange nicht in Betrieb war, starben 50 Singdrosseln in einer einzigen Nacht. Und das war nur ein Teil der Schlagopfer.
Im Herbst sind die Zugvögel unterwegs, und besonders viele Vertreter der ziehenden Arten verenden dann an gläsernen Fassaden. Allein an der Haupthalle des BER wurden 20.000m2 Glas verbaut. Eine tödliche Falle.
Bei einer Begehung durch Vogelkundige des NABU wurden rund 100 Spuren von Kollisionen ermittelt. Wer vom Fach ist und genau hinsieht, erkennt nämlich klebrige Reste an den Scheiben und übrig gebliebene Federn. Beutegreifer aus der Umgebung und Angestellte des BER können jederzeit Schlagopfer entfernen – es dürften also mehr Tiere verenden, als bei einer Begehung ersichtlich ist.
Das Problem: Glasfassaden werden von fliegenden Vögeln nicht wahrgenommen, sie erscheinen ihnen transparent und wenn sich darin Bäume spiegeln äußerst sicher. Unzählige Innenräume sind zudem nachts beleuchtet und ein Anziehungspunkt für die vielen Vogelarten, die nachts unterwegs sind. Das weiß man schon lange, und zwar von Kollisionen an Leuchttürmen in der Nordsee.
Im Prinzip gibt es Abhilfe: Schon bei der Planung der Glasfassade und später durch spezielle Folien. Weitere Möglichkeiten, Vögel vor einem Schädelbruch oder anderen Verletzungen zu schützen, nennt eine Broschüre der Schweizerischen Vogelwarte.
Unkompliziert und sogar eine Kostenersparnis ist ein weiterer Tipp: Die Glasscheiben weniger gründlich reinigen. Die Silhouette von Greifvögeln oder Krähen auf das Glas zu kleben, bringt hingegen gar nichts.
gelesen in:
Natur in Berlin, 2021, Nr. 1, S. 14, Ansgar Poloczek: Tödliche Wände. Massiver Vogelschlag am BER-Terminal
22.6.2021
Die Farbvielfalt des Sichlers
Der Sichler, früher Brauner Sichler genannt, ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Strukturfarben entstehen und das Gefieder bunt schillern lassen. Denn wenn der Sichler im Schatten sitzt, erscheint er tatsächlich „nur braun“ zu sein. Dieser Farbeindruck geht auf das Pigment Melanin zurück, das bekanntlich auch in der menschlichen Haut steckt und sie färbt. Beim Sichler liegt dieses lichtabsorbierende Pigment körnchenweise in den Federn.
Sitzt, steht oder fliegt der Vogel allerdings in der Sonne, dann schillert sein Gefieder in grünen, violetten, rosa und rotbraunen Tönen. Diese Farbenpracht entsteht durch Lichtreflexion und geht auf das Konto dünner Schichten im Keratin zurück – ein Stoff aus dem unsere Nägel und Haare sind. Es handelt sich also nicht um chemische Farben, sondern um durch die Federstruktur bedingte Farben, also um die Strukturfarben.
Vom jeweiligen Blickwinkel und den Lichtverhältnissen hängt es daher ab, wie der Sichler aussieht. Zu erkennen ist er am besten an der Gestalt, die etwas an einen Brachvogel erinnert. Typisch ist der lange, gebogene Schnabel, mit dem es sich gut im feuchten Boden stochern lässt. Der Schnabel des Sichlers wird zur Spitze hin schmaler. Ganz anders ist die Situation bei seinem Verwandten, dem weißen Löffler, der aus Afrika kommend neuerdings sogar auf Nordseeinseln brütet. (Ich konnte ihn einmal auf Neuwek mit der Kamera einfangen und habe ihn hier als Anschlussfoto eingebaut.) Bei Löffler verbreitert sich der Schnabel vorne zu einem „Löffel.“
gelesen in:
Vögel – Magazin für Vogelbeobachtung, 2021, 3, S. 60- 63, Hans-Heiner Bergmann: Glanz des Sichlers
12.5.2021
Bedeutsame Tierkadaver
In diesem Artikel geht es am Beispiel eines überfahrenen Igels um die Rolle von Tierkadavern im Ökosystem. Sie werden normalerweise umgehend entsorgt, obwohl sie einer Vielfalt von Tierarten als Nahrungsquelle dienen. Das ist für Geier und Rabenvögel gut belegt, in diesem Bericht geht es aber darum, dass auch kleiner Singvögel von Kadavern profitieren. Der Autor Stefan Bosch hat das mit einer Wildkamera beobachtet, nachdem er einen toten Igel in seinem Garten zwischen Haselnusssträuchern abgelegt hatte.
Da kamen sogleich Fliegen herbei, die den Igel umschwärmten und ihrerseits Kohlmeisen und Kleiber anlockten. Die Kleiber versorgten ihre Brut mit den Fliegen und später auch mit Fliegenmaden. Auch Mäusebussarde kamen, aber dass sie vom Igel fraßen, hat die Kamera nicht eingefangen. Stattdessen war zu sehen, dass eine Hauskatze vorbei kam – und der Fuchs. Der machte dem Experiment ein Ende, weil er den Kadaver verschleppte. Dennoch kamen tags darauf wieder Kohlmeisen. Sie pickten die letzten Maden vom Boden, um damit ihre flüggen Jungen zu füttern.
Obwohl diese Mitteilung keine große Datenfülle liefert, macht sie einen wichtigen Punkt: Totholz wird inzwischen toleriert und gilt allenfalls als „Unordnung“, wohingegen selbst kleine Tierleichen tabu und eher angstbesetzt sind. Der Autor möchte, unterstützt von verschiedenen Studien, dafür werben, überfahrene Tiere nicht ungenutzt liegen zu lassen, sondern sie als Biodiversität-Impuls zu nutzen. „Die Natur profitiert jedenfalls eindeutig davon, wenn Kleintierkadaver nicht im Müllsack landen, sondern dem Stoffkreislauf zurückgegeben werden.“
gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen, 2020, 72, Nr.7/8, S. 225-227, Stefan Bosch: Kleiner Biodiversitäts-Impuls: Wie Singvögel vom Kadaver eines Igels Erinaceus europaeus profitieren
14.4.2021
Eigröße: Eine Frage des Alters
Bekanntlich sind die Eier von sehr jungen und alten Hühnern kleiner als von Hühnern in der Lebensmitte. Das dürfte bei anderen Vogelarten ähnlich sein, ein Thema ist es selten. Wolfgang Mewes ist bei den langlebigen Kranichen (Grus grus) gezielt der Frage nachgegangen, ob die Eigröße altersabhängig ist. Und die Antwort ist: ja.
Um das zu belegen, hat er an bekannten Kranichbrutplätzen in Mecklenburg-Vorpommern Länge und Breite der Eier gemessen. Daraus wurde anschließend das Ei-Volumen ermittelt. Kranichweibchen brüten im 4. Lebensjahr das erste Mal und selbst mit mehr als 20 Jahren legen einige noch Eier. Aber wie gelingt die Zuordnung einzelner Eier zu dem jeweiligen Weibchen und seinem Alter?
Zum ersten: Seit 1989 stehen die Gelege unter Beobachtung. Zum zweiten: Wolfgang Mewes fertigt seit 2005 systematisch Fotos von Kranicheiern an und kann mit Hilfe seines Gelegekatalogs, der die typische Eiform und Eifarbe der Gelege von individuell bekannten Weibchen enthält, die vermessenen Eier zuordnen. – Was für eine fantastische Arbeit! Sie hilft ihm, die Korrelation zwischen dem Alter der Weibchen und dem Volumen ihrer Eier zu ermitteln.
Das Ergebnis auf der Grundlage von 25 Weibchen mit Namen wie Adelina, Jenny oder Wiebke und ihren 204 Gelegen: Im 4. Lebensjahr ist das Eivolumen gering, es steigt in den nächsten Jahren an und nach dem 15. Lebensjahr ist eine Volumenabnahme zu erkennen. Bei weiteren 20 Weibchen war nicht bekannt, wann sie erstmals gebrütet hatten, und ihr Alter wurde geschätzt. Der Verlauf der Daten aus diesen 212 Gelegen war der ersten Stichprobe sehr ähnlich.
gelesen in:
Vogelwarte, 2020, Bd. 58, S. 363 – 372, Wolfgang Mewes: Die Volumenentwicklung der Gelege von Kranichen Grus grus im Laufe ihres Lebens – ein Beitrag zur m Nachweis von Alterungserscheinungen bei Kranichweibchen
14.3.2021
Mehr als eine Legende: ertrinkender Fischadler
Schon oft wurde berichtet, dass Fischadler ertrinken können, wenn sie mit ihren Klauen einen knapp unter der Wasseroberfläche schwimmenden Fisch erbeutet haben und es ihnen nicht gelingt, ihn hochzuhieven. Doch immer wieder wurde das angezweifelt, weil wichtige Belege fehlten. Kürzlich berichtete nun der ornithologisch versierte Wissenschaftsjournalist Thomas Krumenacker, dass in Norwegen genau diese Situation von mehreren Menschen zeitgleich beobachtet worden ist. Sie waren unabhängig von einander an einem See unterwegs.
Diese Menschen sahen einem minutenlangen Kampf zu, bei dem der Fischadler schließlich in die Tiefe gezogen wurde. Das Ereignis liegt schon über zehn Jahre zurück, aber erst jetzt wurden die Beobachtungen systematisch aufbereitet und in einer norwegischen vogelkundlichen Fachzeitschrift publiziert.
Einen Erklärungsversuch für den „Unfall” gibt es auch: Möglicherweise gelang es dem Fischadler nicht, die Krallen wieder aus dem Fischkörper zu ziehen, weil er einen Muskelkrampf hatte.
gelesen in:
Die Flugbegleiter (Online-Magazin), 10.03.2021, Thomas Krumenacker: Können Fischadler bei der Jagd ertrinken?
18.2.2021
Ringelnde Spechte im Tiergarten
Wer gerne Vögel beobachtet, freut sich über kleine Mitteilungen wie diese. Es geht um eine Verhaltensweise, über die ich bereits berichtet habe, das sogenannte Ringeln. Dabei schlagen Spechte Löcher in den Stamm und trinken vom Baumsaft.
Bekannt ist das Verhalten insbesondere vom Dreizehenspecht in den Nadelwäldern Norwegens. Aber auch im baumreichen Tiergarten von Hannover können Besucher und Besucherinnen an den Baumstämmen frische und alte Ringelspuren entdecken. In unseren Laub- und Mischwälder ringeln vor allem Buntspechte und bevorzugen offenbar Baumarten wie die Hainbuchen, Linden oder Spitzahorn. Fließt erstmal der Saft, kehren die Vögel mehrfach dorthin zurück. Welche Rolle das Verhalten für verschiedene Spechtarten spielt und warum sie es praktizieren, ist weiterhin nicht völlig geklärt, aber vermutlich wird vor allem bei Nahrungsknappheit geringelt – also zum Beispiel im kalten Februar oder März.
Der Begriff „Ringeln“ rührt übrigens daher, dass diese gut sichtbaren Löcher im Kreis – besser gesagt ringförmig – um den Baumstamm gehämmert werden.
Ornithologische Mitteilungen, 2020, Heft 3/4, S. 59-66, Egon Günther: Zum Ringeln der Spechte Dendrocopos im Tiergarten Hannover
10.1.2021
Große Graureiherkolonie unter ornithologischer Kontrolle
Wer an den Gewässern Brandenburgs oder an den Ufern Berlins unterwegs ist, entdeckt sicher irgendwann einen Graureiher. Aber eine Brutkolonie wie in Potsdam mit um die 200 Brutpaare – und das über Jahrzehnte – ist etwas Besonderes. Seit 1957 wird diese Kolonie am Schäfereiberg bei Geltow von Ornithologen beobachtet. Sie erfassen den Bestand an Bruthorsten und Jungvögeln, und mutige Beringer erklettern die hohen Kiefern, um Jungvögel zu beringen.
An den Daten lässt sich unter anderem erkennen, wann Stürme Brutbäume zerstört haben, wie sich Trocken- und Kälteperioden auswirken, wann die Kolonie in einen anderen Bereich des Waldes umgezogen ist und wie die Vögel auf eine benachbarte Recylingfirma reagieren. Kurz gesagt: Sie sind anpassungsfähig, was den Maschinenlärm angeht.
Interessant sind auch die Wiederfunde von beringten Vögeln, von denen der Text in Otis, der Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen, berichtet. Einige Graureiher wurden in der näheren Umgebung gesichtet, andere flogen in ein benachbartes Bundesland. Die größte Strecke hatte der Graureiher mit der Kennnummer X971 zurückgelegt: Die Ringablesung erfolgte im 552 km entfernten belgischen Troine.
gelesen in:
Otis, 2020, Bd. 27, S. 95-103, Wolfram Schulz: Die Potsdamer Graureiherkolonie Ardea cinerea bei Geltow
20.12.2020
Auf gute Augen kommt es an
Vögel sind Augentiere, so können wir durchaus formulieren. Denn im Vergleich mit anderen Tiergruppen besitzen sie ausgesprochen große Augen – zum Teil machen diese ein Drittel ihres Kopfgewichts aus. Der Grund: Gut zu sehen, ist für die großen und kleinen Flügelschläger wichtig. Und je größer ein Auge, desto schärfer das Sehen.
Allerdings haben die Bedürfnisse der verschiedenen Arten zu unterschiedlichen Augenkonstruktionen und Positionen am Kopf geführt: Bei Rotkehlchen stehen die Augen seitlich, aber es gibt vorne eine größere Überschneidung der Sehbereiche von linkem und rechten Auge. Dadurch sehen sie hier dreidimensional. Waldschnepfen haben hingegen eine „Panoramablick“ mit ihren extrem seitlich sitzenden Augen und ob sie dreidimensional sehen, ist fraglich. Bei Greifvögeln wie den Habichten blicken die Augen hingegen gezielt nach vorne – in etwa wie bei Menschen.
Viele weiter Details an diesem Bericht mit der Frage „Wie sehen Vögel?“ sind nicht nur für Vogelzüchter oder Vogelhalterinnen, von denen viele diese älteste deutsche Vogelzeitschrift beziehen, sehr spannend. Zum Beispiel spezialisieren sich bei Jungvögeln die Augen für unterschiedliche Aufgaben, aber nur dann, wenn sie genügend Licht bekommen und in Eigeninitiative eines abdecken können. Zudem sehen Vögel UV-Licht und benötigen es. Außerdem: Leuchtmittel mit 50 Hz sind für Vögel, die in Innenräumen gehalten werden, eine Qual, denn sie erleben das als permanentes Flimmern – so als würde unablässig das Licht aus- und angehen.
gelesen in:
Gefiederte Welt, 2020, 9, S. 23-27, Matthias Hakemeyer: Wie sehen Vögel?
25.11.2020
Lärm und Lichtverschmutzung verändern das Vogelleben
Dass die Lichtverhältnisse und auch Lärm das Vogelleben beeinflussen und verändern, ist keine Neuigkeit. In lauten Städten singen Vögel lauter, bei viel künstlicher Beleuchtung beginnen sie früher im Jahr mit der Balz und der Eiablage. Das kann gerade für Singvögel fatale Folgen haben, sofern es noch nicht genügend Insekten gibt, wenn ihre Jungen schlüpfen. Denn der Nachwuchs ist in der Regel auf Insekten als Futter – gewissermaßen als Babynahrung – angewiesen.
Eine vorzeitige Brut, ist aber offenbar nicht für alle Vogelarten problematisch. Das liegt zum Teil am Klimawandel, der beispielsweise bewirkt, dass Insekten früher im Jahr schlüpfen. Gerade für Vögel, die auch in der Dämmerung gut sehen, bietet sich diese Nahrungsquelle an.
Die Bewertung der kulturellen Einflüsse ist also kompliziert und wird in diesem Artikel, der primär eine Publikation der angesehen Fachzeitschrift Nature wiedergibt, anschaulich erklärt.
Auch Lärm beeinflusst den Fortpflanzungserfolg bei Vögeln – doch der Biologe oder die Biologin müssen genau hinschauen: Denn wie stark der Balzgesang städtischer Singvögel und damit ihre Fortpflanzung von Lärm gestört wird, hängt von der Frequenz, also von der Tonhöhe, des Gesangs ab. Vogelarten mit „heller“ Stimme haben hier offenbar weniger Nachteile. Aber bei anderen Arten sinkt der Fortpflanzungserfolg – und steigt also die Gefährdung der Art.
gelesen in:
Der Tagesspiegel, 15. Nov. 2020, Roland Knauer: Aus der Spur: Licht und Lärm stören Fortpflanzung bei Vögeln
15.10.2020
Schwarzmilan: wie sich Jungvögel ausbreiten
Der Schwarze Milan (Milvus migrans), von dem es in Europa rund 100.000 Paare gibt, verlässt seine hiesigen Brutgebiete im Monat August, um im tropischen Afrika – wenige bleiben in Südeuropa – zu überwintern. Auch die Jungvögel, die nach dem Schlüpfen zunächst in einem Umkreis von rund 3 km unterwegs sind, machen sich dann auf den Weg.
Es gibt zwei Hauptzugsrouten: Eine verläuft in Richtung Südwesten über die Straße von Gibraltar nach Westafrika, die andere über die Türkei und den Nahen Osten ins weiter östliche Afrika. Flüge über Italien nach Afrika sind selten. Schwarzmilane überwintern jenseits der Sahara in einem Streifen zwischen dem Senegal und Gambia bis nach Äthiopien.
Was viele nicht wissen und in dieser Publikation nachzulesen ist: Die jungen Schwarzmilane kehren nicht unmittelbar nach ihrem ersten Winteraufenthalt in Afrika dahin zurück, wo sie dem Ei entschlüpft sind, sondern bleiben die ersten ein, zwei Jahre durchgängig in Afrika oder Südeuropa.
Ein weiterer interessanter Befund der Untersuchung zum Zugverhalten junger Schwarzmilane zeigt: Geschwister nutzen in der Regel dieselbe Zugroute und finden sich in denselben Sommer- und Winterquartieren ein. Das spricht für eine genetische Basis des Zugverhaltens – zumal die Verwandten keineswegs gemeinsam ziehen.
Wer sich für weitere Details interessiert, etwa für die Auswirkungen unter des Gen“mixes“ bei Mischlingen aus Schwarz-und Rotmilan oder für die Rolle von Zwischenstopps, findet Interessantes in der Orignalliteratur.
gelesen in:
Journal of Ornithology, 2020, 4, S. 935-952, Simona Ovciarikova u.a.: Natal dispersal in Black Kites Milvus migrans migrans in Europe
17.9.2020
Weshalb ringeln Spechte?
In der Ornithologie, speziell unter den Spechtbeobachtern, wir schon länger diskutiert, was jenes Verhalten soll, das als ein „Ringeln“ bezeichnet wird. Dabei öffnen die Spechte mit ihren kräftigen Schnabelhieben die Saftbahnen der Bäume: Macht das Sinn – also erschließen sich die Vögel so wertvollen Saft aus den „blutenden Bäumen“? Oder ist das ein reines Luxusverhalten? Vielleicht schlicht ein Atavismus – irgendwann in der Evolution entstanden, aber heute ohne biologischen Sinn?
Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, denn weder ist durch Fotos belegt, dass Spechte den nahrungsreichen Baumsaft (Phloemsaft) trinken, noch wurde dieser im Magen von Spechten nachgewiesen. Doch beobachtet wurde das Verhalten schon oft, insbesondere beim Dreizehnspecht und beim Buntspecht. Und schließlich lassen sich insbesondere im Frühjahr an Nadel- und Laubbäumen Ringelspuren entdecken.
Viele andere Informationen enthält diese kleine Publikation, die anhand von Fotos zeigt, wie Ringelspuren aussehen und die unter anderem berichtet, dass etwa Kohlmeisen ebenfalls an diesen Spechtringeln trinken. So spricht einiges dafür, dass hier eine wertvollen Nahrungsquelle angezapft wird.
gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen, 2019, 11/12, S. 287-292, Klaus Ruge: Überflüssiger Zeitvertreib oder Nahrungssuche?
19.8.2020
Und wie heißt der Vogel nun?
Wer sich mit Vogelarten und ihrer Benennung beschäftigt, kennt das Problem: ein und derselbe Vogel taucht im Alltag und auch in der wissenschaftlichen Literatur unter verschiedenen Namen auf: als Stieglitz und Distelfink zum Beispiel. Daneben finden sich viele regionale Varianten.
In der mehr als 100 Jahre alten Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (1887-1905) von Johann F. Naumann lassen sich die oft sehr passenden, teils regionalen Alternativen unterhaltsam vergleichen. Dazu eine kleine Auswahl aus dem „Naumann“ (Bd. 8, S. 91): Für den Austernfischer kennt der Autor mehr als ein Dutzend Bezeichnungen wie Austernsammler, Austerndieb, Meerelster, Elsternschnepfe usw.
Aber um uns zu verständigen, brauchen wir eine einheitliche Nomenklatur, sonst gibt es Missverständnisse, Verwirrung. Was ist also richtig: Dunkelwasserläufer, Dunkler Wasserläufer oder Schwarzer Wasserläufer?
Ein umfangreiches Heft der Vogelwarte (2020, Bd. 58, Heft 1) räumt nun mit all den Unsicherheiten bei der Benennung von Vogelarten auf: Ein sachkundiges, engagiertes Team von Ornithologen hat für alle Vögel der Erde festgelegt, welcher deutsche Artname zu verwenden ist. Für diese Aufgabe hat die Deutschen Ornithologen-Gesellschaft eine eigene Kommission mit dem Sprecher Hans P. Barthel eingerichtet, die diese Liste in jahrelanger internationaler Abstimmung erarbeitet hat und weiter betreut.
Zu den Grundsätzen der Kommission zählt, dass Namen nur dann geändert werden, wenn es nötig erscheint. So wurden zum Beispiel diskriminierende, kolonialistische und rassistische Bezeichnungen ersetzt. Möglichst viele Namen werden zusammengeschrieben oder sind mit Bindestrich verbunden, und außerdem sollen die Begriffe die Verwandtschaftsverhältnisse – so wie sie heute gelten – widerspiegeln.
Für über 10.000 (!) Vogelarten ist im über 200 Seiten starken Heft der Vogelwarte jeweils der deutsche Artname genannt, zudem der lateinische und der englische. Es heißt also künftig: Dunkelwasserläufer (Tringa erythropus, Spotted Redshank) und Stieglitz (Carduelis carduelis, European Goldfinch).
Bestellung der Liste: Bitte nicht über die DO-G sondern über Christ Media.
gelesen in:
Vogelwarte 58, 2020, S. 1-214; Peter H. Barthel u.a.: Deutsche Namen der Vögel der Erde
20.7.2020
Zum Schutz der Turteltaube
In Deutschland leben von den 309 wild lebenden Taubenarten vier: Ringeltaube, Hohltaube, Türken- und Turteltaube. Aber während rund drei Millionen Ringeltauben bei uns brüten, ist der Bestand an Turteltauben ganz erheblich geschrumpft. Allein im letzten Jahrzehnt hat er sich halbiert – auf 12.500 bis 22.000 Brutpaare. Das ist der Grund, weshalb der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) die Turteltaube zum Vogel des Jahres 2020 gewählt haben.
In einem Artikel für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und das online-Magazin Flugbegleiter hat Carl-Albrecht von Treuenfels fabelhaft dargestellt, warum wir die Turteltaube schätzen und schützen müssen.
Schätzen, weil sie ein so prächtiger Vogel ist, der alljährlich zweimal die Sahara überquert, um im Norden zu brüten und im Süden zu überwintern. Und welch schönes Schauspiel ist die Balz: Da „tänzeln die beiden gleich gefärbten Männchen und Weibchen auf einem Ast umeinander, strecken und recken sich dabei und berühren sich gegenseitig zärtlich am Hals und mit den grauen Schnäbeln“.
Schützen, weil wir Menschen durch intensive Landwirtschaft den Lebensraum der Turteltaube in ihren Brut- und Überwinterungsgebieten und auch längs der Zugroute zerstören. Hinzu kommt die Jagd, bei der jährlich 1,4 Millionen Turteltauben geschossen werden. Legal. Allein in der EU.
Treuenfels nennt als Staaten Frankreich, Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, Bulgarien, Zypern und Malta. Und natürlich sind die Vögel jenseits des Mittelmeeres auch nicht auf der sicheren Seite. Umso wichtiger, dass sich LBV und NABU als Mitglied von Birdlife International auch auf politischer Ebene für die Turteltaube einsetzen.
https://www.riffreporter.de/flugbegleiter-koralle/turteltaube-vogel-2020/
14.6.2020
Sprosser: Grenze offen
Der Sprosser ist nah mit der Nachtigall verwandt – und er singt auch ähnlich schön. Die Verbreitungsgebiete der beiden Vogelarten unterscheiden sich aber. Grob gesagt: östlich der Oder singt der Sprosser, westlich der Elbe die Nachtigall. Und dazwischen – also beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und auch Berlin kann es beide Arten geben. Manchmal mischen sie sich und übernehmen Gesangsanteile voneinander.
Schon länger wird beobachtet, dass sich der Sprossers nach Westen ausbreitet. Nun Ralf K. Berndt untersucht, wie sich die Verbreitung in Schleswig-Holstein entwickelt hat, wo seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Sprosser hin und wieder als Brutvogel vorkommt.
Tatsächlich ist der Bestand im 20. Jahrhundert deutlich gestiegen. Ende der 1970er Jahre wurden rund 1.500 Brutpaare gezählt. Doch längst sinkt die Zahl – auf etwa 600 Paare im Jahr 2018. Der Autor weiß, dass das nicht ungewöhnlich ist. Denn an den Rändern eines Verbreitungsgebietes treten oft größere Fluktuationen auf, ohne dass die Ursachen immer klar sind. Es bedeutet, dass eine Art viele Jahre quasi „vorprescht“ und sich dann wieder „zurückzieht“.
Vielleicht limitiert in den westlichen Gebieten des norddeutschen Bundeslands die Meeresluft die weitere Ausbreitung der genialen Sänger. Schon möglich. Daneben gibt es fraglos Faktoren, die menschengemacht sind und den Lebensraum von Sprosser und übrigens auch der Nachtigall reduzieren: In Schleswig-Holstein werden Gebüsche gekürzt oder entfernt, gerade auch in Uferbereichen, wo die Vögel brüten. Überzogene Gehölzpflege an Wanderwegen und in Ausflugsgebieten bekommt dem Sprosser und der Nachtigall – die ebenfalls abnimmt – sowieso nicht.
gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen, 2019, 5/6, S. 115-134, Rolf K. Berndt: Der Sprosser Luscinia luscinia als Brutvogel in Schleswig-Holstein – sein Vorrücken und Zurückweichen an der südwestlichen Verbreitungsgrenze
18.5.2020
Hilfe für betagte Graupapageien
Solche Geschichten liest man nicht alle Tage. Aber sie sind lesenswert. In Gefiederte Welt berichtet Christiane Pett von den sieben Graupapageien und drei Timneh-Graupapageien, die sie betreut – die sie ins Leben zurückholt, sollte es vielleicht heißen. Es geht dabei um sogenannte Gebrauchspapageien, die bereits einen oder zwei Vorbesitzer hatten. Diese Vögel sind bereits 25 bis 50 Jahre alt, als sie zu Christiane Pett und ihrem Mann kommen. Dort haben sie die Chance, sich in eine Gruppe von Papageien einzugewöhnen.
Das ist wichtig, denn Graupapageien sind Gruppentiere, obwohl sie in vielen Privathaushalten einzeln gehalten werden. Und natürlich hätten solche Vögel, die oft wie Menschen behandelt würden, mehr oder weniger starke Verhaltensstörungen, schreibt die Autorin.
Sehr anschaulich erklärt der Artikel, wie wichtig es ist, die Graupapgeien als Persönlichkeiten zu behandeln – was sie sind – und wie es gelingt, ihnen in „einem Wohnzimmer-Biotop, das wir ihren Bedürfnissen angepasst haben“ ein angenehmes Vogeldasein zu ermöglichen.
Ein Beispiel: Vögel, die ein Leben lang mit ihrem Besitzer oder der Besitzerin am Tisch gegessen haben (und sich selbst als Personen begreifen), müssen zum Beispiel mit sachter Hand an ein Leben mit Artgenossen herangeführt werden. Denn deren Nähe erleben sie teilweise als Bedrohung. Möglich wird das u.a. durch ein „therapeutische Frühstück“, bei dem jeder Vogel seinen festen Platz am Tisch hat, und zwar auf einer Holzkiste. Sind die Plätze eingenommen, kann es losgehen:
„Nicht-geflügelte Menschen frühstücken Müsli (Bananen, Haferflocken, Körner, Milch), geflügelte „Menschen“ erhalten geschälte Sonnenblumenkerne vom Löffel, richtige Papageien Körnerfutter (angereichert mit geschälten Sonnenblumenkernen).“
Das klingt nach einem gemütlichen Leben, aber es gibt eine Kehrseite der Medaille: angenagte Türen, Möbel und Bücher, die laute Stimme der Papageien und Kosten, etwa für Tierarztbesuche. Christiane Pett möchte ihren Vögeln einen „würdigen Lebensabend bescheren“. Das gelingt offenbar. Vor allem macht der Artikel nochmals klar, wie leichtfertig Menschen handeln, die sich einen Papageien anschaffen, der sich ihren Gewohnheiten anpassen muss und womöglich länger lebt als sie selbst.
gelesen in:
Gefiederte Welt, Fachzeitschrift für Vogelfreunde, Vogelpfleger und Vogelzüchter, 2020, 4, S. 14-15, Christiane Pett: Beobachtungen an älteren Graupapageien
16.4.2020
Zu kalt: Vogeltod in Griechenland
Der Zug aus den Winterquartieren nach Norden ist für viele Vögel eine gefährliche Reise und eine Strapaze. Zwischen 11 und 36 Millionen werden jährlich allein im Mittelmeerraum abgeschossen und erreichen ihre nördlichen Brutgebiete nicht! Und wenn die Witterungsbedingungen ungünstig sind, wie dieses Jahr um Ostern in Griechenland, dann fallen die erschöpften und ausgehungerten Vögel praktisch vom Himmel.
Singvögel wie Schwalben und Mauersegler haben nämlich gerade die Sahara und das Mittelmeer hinter sich, wenn sie die europäische Mittelmeerküste erreichen, und brauchen unbedingt Insektennahrung und eine Ruhepause. Aber in Griechenland wehte in diesem Jahr zur Ankunftszeit ein heftiger Wind, und es war kalt. So kam es zum Tod von einigen Zehntausend Zugvögeln.
Ein trauriges Geschehen, aber an sich nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich war die mediale Präsenz der toten Vögel in den sozialen Medien, die Fotos gingen viral. Das sei das eigentlich Neue, erklärt Claudia Ruby.
Und bekannt ist, dass Zugvögel in Europa weniger durch schlechtes Wetter als durch den generellen Mangel an Insekten gefährdet sind. Das liegt nicht nur bei uns an einer Agrarwirtschaft, die durch Pestizide und rabiate Formen der Bodenbewirtschaftung Fauna und Flora zerstört. Auch in traditionellen afrikanischen Rast- und Überwinterungsgebieten wird immer mehr Buschland in Ackerfläche umgewandelt. All das bedroht die Artenvielfalt.
gelesen in:
Die Flugbegleiter, Online-Magazin, 15. April 2020, Claudia Ruby: Zehntausende Zugvögel sterben in Griechenland https://www.riffreporter.de/flugbegleiter-koralle/zugvoegel-griechenland/
14.3.2020
Der Wiedehopf: Truppenübungsplatz als Brutrevier
Die Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt wird schon seit den 1930er Jahren als Schießplatz für die Artillerie und als Truppenübungsplatz genutzt. Dieses 230 km2große unzerschnittene Heidegebiet mit sandigen Flächen, Heidekraut und niedrigem Grasbestand, mit Birken- und Kiefernwäldern ist für Wiedehopfe attraktiv – zumal die Nahrung in der Regel reichlich ist. Denn dank seltener Anwendung von Pflanzen“schutz“mitteln gab und gibt es eine reichhaltige Insektenfauna – was für Wiedehopfe, die etwa von Raupen, Feldgrillen und Heuschrecken leben und diese an ihre Jungen verfüttern, wichtig ist.
Wiedehopfe gab es in der Region schon immer. Zu DDR-Zeiten waren es geschätzte 20 eher 40 Reviere. Aber die Zahl sank, nachdem auf dem Truppenübungsplatz die Hinterlassenschaften der Sowjetarmee abgeräumt worden waren. Vermutlich fehlten dem Höhlenbrüter Wiedehopf dadurch traditionelle Nistgelegenheiten zwischen kleinen Bauwerken, Schrott und Schuttansammlungen.
Als Kompensation werden darum künstliche Nisthilfen angeboten, die Björn Schäfer seit über zehn Jahren kontrolliert. Dazu gehört auch das Beringen der Jungvögel. Erstmals angenommen wurden die Nistkästen, die bodennah zwischen Steinhaufen oder an Birken angebracht sind, im Jahr 2008. Mittlerweile ist der Bestand an Revieren von unter 10 im Jahr 2005 auf über 70 angestiegen und hat sich seit 2014 auf diesem Niveau eingependelt. Die Daten zeigen auch, dass alljährlich über 70 Bruten erfolgreich abgeschlossen werden. Eine Erfolgsgeschichte!
gelesen in:
Der Falke, Journal für Vogelbeobachtung, 2017, 10, S. 38-41, Björn Schäfer: Der Wiedehopf der Colbitz-Letzlinger Heide
10.1.2020
Bedrohter Mittelsäger
Der Mittelsäger gehört wie der Gänsesäger zu den Entenvögeln und brütet bei uns in flachen Küstenregionen von Nord-und Ostsee. Von der deutschen Brutpopulation mit rund 400 Paaren, leben 300 an der Küste Schleswig-Holsteins. Im Winter rasten oder überwintern geschätzte 14.000 Mittelsäger an der deutschen Ostseeküste; aber europaweit ist ihr Bestand bedroht.
Ganz wunderbar mit Fotos illustriert, beschreibt dieser Artikel im Magazin „Vögel“, wie Mittelsäger ihre Beute durch „Lugen“ sichten und unter Wasser erjagen. Sehr effektiv auch in Gruppen. Und eine Freude ist die genaue Beschreibung der Balz bei Mittelsägern – mit tollen Fotos vom „Knicksen“ als wichtigem Ausdrucksverhalten. Wer mehr über die Mittelsäger, inklusive Nestbau, Brut und die „Kindergärten“ wissen möchte, dem empfehle ich diesen Artikel oder das ganze Heft zu kaufen.
Der Text widmet sich auch dem Bestandsproblem und erklärt, warum Ruhezonen notwendig und für diese Vogelart überlebenswichtig sind. „…mit der oftmals ungesteuerten Intensivierung der Freizeit und Urlaubsaktivitäten an den Küsten durch Wassersport, Badebetrieb und Camping“ fehle es den schönen Vögeln mit attraktiver Punkfrisur an Lebensraum, schreibt Jan Goedelt. Dabei vergisst der Fotograf und Autor des Artikel nicht, auch die Stellnetzfischerei, Gewässerverschmutzung und die Zunahme an Prädatoren wie dem Rotfuchs als alltägliche Gefahren zu erwähnen.
gelesen in:
Vögel, Magazin für Vogelbeobachtung, 2020, 1, S. 20-27, Jan Goedelt: Der Mittelsäger. Punkfrisur und Gruppenbalz
17.12.2019
Wenn Kolkraben mitspielen
Es ist kein Geheimnis, dass Kolkraben äußerst kluge und äußerst verspielte Tiere sind. Und dass Spielverhalten etwas mit Klugheit und Strategielernen zu tun hat, ist auch kein Geheimnis. Erst kürzlich erzählte mir ein golfspielender Kollege von den Kolkraben, die sich auf dem Golfplatz bei Semlin, im brandenburgischen Havelland, einen Spaß daraus machen, die gerade geschlagenen Bälle zu stibitzen und mit ihnen Richtung Wald zu verschwinden.
Bei den Kolkraben passen diese Bälle in den mächtigen Schnabel. Nebelkrähen, ebenfalls häufig in Berlin und Brandenburg, wären damit überfordert.
Und nun blättere ich in der aktuellen Ausgabe von Otis und stoße auf den Bericht von Christine-Dorothea Sauer, die von einem anderen brandenburgischen Golfclub berichtet: Nahe Kemnitz hat sie mehrfach beobachtet, dass Kolkraben Golfbälle „stehlen“. Offenbar holen sie sich Bälle, die weit geflogen sind und im kurzgemähten Bereich landen. Da helfe dann auch kein Rufen der Golfer und Golferinnnen.
Nicht jeden Ball nehmen die Vögel auf, und nicht an jeder Bahn erbeuten sie Bälle, so die Beobachtung von Christine-Dorothea Sauer. Was die Kolkraben mit ihrer Beute treiben ist etwas rätselhaft. Auf jeden Fall lassen sie manche Bälle einfach fallen, und die landen dann hin und wieder in den Gärten des nahegelegenen Dorfes Kemnitz.
Die Redaktion der Zeitschrift Otis merkt ergänzend an, dass vom Golfplatz am Seddiner See ähnliche Berichte bekannt sind.
Und in einem Kommentar zu diesem Artikel schreibt der Biologe Prof. Dr. Dieter Wollschläger, dass solche Beobachtungen spielerischen Verhaltens bereits Mitte der 1990er Jahre am Golfplatz bei Kemnitz gemacht wurden. Für unwahrscheinlich hält er, dass die Raben Golfbälle mit Eiern verwechseln, denn erbeutete Vogeleier werden vor Ort aufgehackt und gefressen.
Tiere, die viel spielen, klug sind und gut lernen, entwickeln am ehesten Traditionen. Um eine solche dürfte es sich bei den brandenburgischen Kolkraben rund um Berlin handeln. Sie sind aber definitiv nicht die einzigen „golfball-verliebten“ Rabenvögel, denn das Thema wird in englisch-sprachigen Ländern im Internet regelmäßig diskutiert.
gelesen in:
Otis, 2019, 26, S. 125-126, Sauer C.-D.: Kolkraben Corvus corax als Ballräuber auf dem Gelände des Golfplatzes Kemnitz (Werder, Landkreis Potsdam-Mittelmark)
15.11.2019
Lachmöwen: Was verrät die braune Haube?
Bei Vögeln spielt die Gefiederfärbung für die Fortpflanzung eine zentrale Rolle: Viele Männchen tragen nach der Mauser ein Prachtgefieder, das sie für die Weibchen attraktiv und im Rahmen der Balz eine Begattung überhaupt erst möglich macht. Außerdem ist bekannt, dass eine intensivere Färbung die sexuelle Attraktivität erhöht. Darum ranken sich viele Studien um die Frage, was Vögel am Federkleid ihres zukünftigen Partners oder der Partnerin alles ablesen können.
Während Körpergröße beim Männchen dafür spricht, dass Nest oder Nachwuchs bei Angriffen vehement verteidigt werden, zeigen viele andere Untersuchungen, dass die Intensität der Farbe von Federn, Schnabel oder der Haut – etwa an den Beinen oder als leuchtender Augenring – etwas über den Gesundheitszustand des Tieres aussagt. Untersuchungen zeigen, dass etwa eine intensivere Gelbfärbung von Augenring oder Beinen für gesundheitliche Fitness spricht, denn sie basiert auf der Aufnahme von Carotinoiden mit der Nahrung. Und Carotinoide wiederum gelten als wichtige Antioxidantien, die vor bestimmten Erkrankungen und Alterungsprozessen schützen können.
So weit so gut. Aber was ist mit dem braunen Häubchen, das die Lachmöwen und viele andere Möwenarten zur Zeit der Partnerwahl zeigen – und das im sommerlichen Schlichtkleid nicht zu erkennen ist? Sagt diese Haube, deren dunkelbraune Federn der schwarze Farbstoff Melanin bildet, etwas Besonderes aus? Können Lachmöwen, wo beide Geschlechter im Prachtkleid die braune Haube tragen, an ihr die Fitness des Gegenübers ablesen?
Genau das fragten sich polnische Wissenschaftler und nahmen die dunkle Haube bei mehr als 500 Lachmöwen in diversen Brutkolonien in Polen unter die Lupe. Die Ergebnisse sind interessant und online nachzulesen: Sie Biologen fanden, dass nicht die Farbintensität, wohl aber die Größe der Haube ein Indikator für den Gesundheitszustand des Vogels ist und wahrscheinlich auch für den sogenannten physiologischen Stress durch Oxidation.
Das ergaben Korrelationen zwischen der gemessenen Haubengröße und Werten aus Blutproben, die bei den kurzfristig gefangenen Vögeln gewonnen wurden. Je größer die Haube, desto höher die Konzentration an Hämoglobin im Blut – und damit die Sauerstoffverfügbarkeit und Leistungsstärke der Tiere. Zudem war bei größerer Haube das Verhältnis bestimmter weißer Blutkörperchen günstiger und sprach dafür, dass die Vögel sich nicht mit schweren Infektionen herumschlugen.
Die Autoren der Studie sind mit der Interpretation ihrer Ergebnisse zurecht zurückhaltend, denn sie ermittelten zunächst nur Korrelationen. Darum wünschen sie sich weitere Untersuchungen zur Bedeutung melaninabhängiger Gefiederfarben.
Abschließend möchte ich daran erinnern, dass sowohl männliche als auch weibliche Lachmöwen den schokobraunen Kopf zur Fortpflanzungszeit ausbilden – seine Größe also für beide Partner Informationen über den Gesundheitszustand des anderen signalisieren könnte und folglich ein „gegenseitiges Partnerwahl-Kriterium“ wäre.
gelesen in:
Journal of Ornithology, 2019, 160, S. 1159 -1169, Minias, P.: Melanin-based plumage ornamentation signals condition and physiological stress in the Black-headed Gull
https://doi.org/10.1007/s10336-019-01690-7
20.09.2019
Riskant für Wasservögel: Stand-Up-Paddling
Im Stehen zu paddeln, ist ein neuer Trendsport. Aber auch Stand-Up-Paddling (SUP), das auf den ersten Blick so wohltuend ruhig daherkommt, stört Wasservögel. Ergänzend zu vielen Einzelbeobachtungen, hat der Landesverband Bayern (LBV) einen Protokollbogen entwickelt, um solche Störungen durch Wassersportler in Bayern und auf dem Bodensee besser zu erfassen.
Die Auswertung der Protokolle, die 104-mal SUP betrafen und 260-mal andere Wassersportler, ergab, dass Wasservögel vor den stehenden Paddlern bereits aus großer Distanz flüchten. Und sie fliegen danach besonders weit weg. Dadurch verlieren die aufgeschreckten Blässhühner, Reiherenten, Haubentaucher, Tafelente usw. besonders viel Energie. Und zwar nicht nur durch die Flucht- und Ausweichaktivitäten selbst, sondern schon die Erregung führt sicherlich zur Ausschüttung von Stresshormonen, so dass die Herzschlagrate steigt und Energie verloren geht.
Bisher ist nicht klar, warum SUP ein besonders starkes Fluchtverhalten auslösen. Möglicherweise reagieren die Vögel auf die „klare Erkennbarkeit der menschlichen Silhouette“, so der Verdacht des Autors, der die Daten im Rahmen seiner Masterarbeit gewonnen hat. Er befürchtet zudem, dass die Vögel sich dort zurückziehen werden, wo SUP unterwegs sind.
Außerdem hat er Filmaufnahmen von Rastplätzen am Rothsee in Mittelfranken und vom Starnberger See in Oberbayern ausgewertet und sah wiederholt, dass Stand-Up-Paddler die Grenzen von Naturschutzgebieten nicht respektiert hatten.
Nicht nur für Zugvögel, die im sonnigen Herbst unterwegs sind, können solche Wassersportler eine Bedrohung sein. Auch brütende Wasservögel verlassen das Nest, wenn ihnen SUP zu nahe kommen. Und nicht immer kehren die Vögel hinterher zurück. Auch dafür gibt es Belege.
Der Autor Matthias Bull ist nicht der einzige, der darin ein Problem sieht, dass sportorientierte Freizeitaktivitäten immer populärer werden. „Der Freizeitdruck auf Natur und Landschaft nimmt dabei nicht nur in aquatischen Lebensräumen rasant zu. Auf der Suche nach Abenteuer, unberührter Natur und immer neuen sportlichen Herausforderungen dringt der Mensch selbst in entlegene und bislang wenig gestörte Bereiche der Natur vor.“ Durchaus nachvollziehbar beklagt er, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit unserer Umwelt und Respekt vor anderen Lebewesen vielfach fehlt.
gelesen in:
Der Falke, 2019, 6, S. 18-23, Bull, M.: Stand-Up-Paddling – Wirkung auf Wasservögel
22.07.2019
Gänsesägerdame besetzt die Bruthöhle von Uhus
Seit Mitte der 1990er Jahre fällt auf, dass auf dem Oberrhein am Kaiserstuhl die Gänsesäger nicht nur paarweise unterwegs sind, sondern dort auch brüten. Denn es wurden mehrfach Weibchen mit ihren Jungen („Pullis“) beobachtet. Die Gelege zu finden, ist allerdings nicht einfach, denn Gänsesäger sind Höhlenbrüter, die ihre Eier in verborgene Baum- oder Felshöhlen legen.
Da die flüggen Jungen von dort herabspringen und direkt zum Wasser „marschieren“ müssen, sind die Anforderungen an passende Brutplätze recht speziell und passende Orte rar. Darum wählen Gänsesäger durchaus auch Hohlräume in Bauwerken, an Brücken und Stauwehren.
In ihrem Artikel beschreiben die Autoren allerdings eine andere Art von Selbsthilfe in der Not: ein Gänsesäger-Paar hat ganz offensichtlich ein Uhu-Paar aus seiner angestammten Bruthöhle verdrängt. Wiederholt hatten die Uhus – ebenfalls Höhlenbrüter – dort in der lösshaltigen Steilwand ihre Junge aufgezogen.
Was war nun passiert?
Uhus beginnen frühzeitig mit der Brut, meist im Februar. Nachdem das angestammte Paar bei der Lösshöhle gebalzt hatte, schien alles seinen normalen Verlauf zu nehmen. Aber ab Anfang März beobachteten die Autoren, wie ein Gänsesägerweibchen immer wieder in die Lösshöhle flog – und von da an haben die Ornithologen das Uhu-Paar dort nicht mehr gesichtet.
Ob es zu einem Konflikt zwischen den beiden Höhlenbrütern kam und warum sich das – eigentlich sehr wehrhafte – Uhu-Paar zurückzog, ist nicht klar. Möglicherweise hat das Gänsesägerweibchen die Tatsache ausgenutzt, dass Uhus tagsüber eine anvisierte Bruthöhle nicht besetzen. Diskutiert wird in dem Bericht auch, dass Uhus womöglich erst dann ihre Bruthöhle vehement verteidigen, wenn bereits Eier gelegt sind.
Vieles spricht jedenfalls dafür, dass das Gänsesägerweibchen hier erfolgreich gebrütet hat und mit den flüggen Jungen, wie üblich, aus der Höhle im Steilhang herabsprang, um das Wasser zu erreichen. Schwimmend und zeitlich passend wurde eine Mutter-Kind-Familie etwas flussaufwärts gesichtet.
Vermutlich haben auch die Uhus noch erfolgreich brüten können. Denn nicht weit vom angestammten Brutplatz entfernt hatten sie erneut gebalzt, und Ende Mai entdeckten die Autoren mit viel Glück zwei gut versteckte junge Uhus, die nahe der Lösswand ausharrten und noch von der elterlichen Fürsorge abhängig waren.
Mit anderen Worten: Ende gut, alles gut.
gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen, 2018, Nr. 9/10, S. 257 – 268 , Harms, C. , Hipp, J. und Hilfinger, S. Gänsesäger Mergus merganser verdrängen Uhu Bubo bubo in Konkurrenz um Bruthöhle
06.06.2019
Bartgeier in den Alpen
Bei all den negativen Botschaften, was den Bestand der Brutvögel in Deutschland und die Artenvielfalt insgesamt angeht, ist diese Info mal erfreulich: Seit 1978 gibt es Bemühungen die wunderschönen Bartgeier in den Alpen wieder anzusiedeln. Man hatte sie als „Lämmergeier“ und „Schädling“ diffamiert und ausgerottet. Doch nun leben in der Alpenregion wieder 220 Bartgeier, nachdem dort 1913 der letzte seiner Art abgeschossen worden war.
1986 wurden die ersten Bartgeier ausgewildert. Und mittlerweile schlüpfen in den Alpen jedes Jahr Jungvögel: 31 waren es 2017!
Diese Erfolgsgeschichte beruht auf dem Engagement vieler Menschen und der sogenannten „Hackingmethode“, bei der die Jungvögel mit etwa drei Monaten von der Aufzuchtstation in einen Bereich gebracht werden, wo sie zwar noch Nahrung erhalten – aber keinen Kontakt zu Menschen bekommen. Anfangs werden sie jedoch rund um die Uhr bewacht. Bis sie selbstständig werden und die Region erkunden dauert es nicht lange.
Markieren, Beringen und Telemetrie helfen die Individuen weiter zu verfolgen, so dass Naturschützer ziemlich gut wissen, wo ihre Bartgeier abgeblieben sind. Die meisten halten sich im Grenzgebiet der Schweiz mit Frankreich sowie der Schweiz mit Italien auf – verloren gehen sie vor allem in Ostalpen. Als Hauptgründe dafür gelten: direkte Abschüsse, Kollisionen und Bleivergiftungen durch Munition in den Kadavern, von denen sich die Geier ernähren.
Einmal im Jahr gibt es den Internationalen Bartgeier-Zähltag. Dafür können sich interessierte Frauen und Männer beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) als Beobachter anmelden. Für das Jahr 2019 ist als Stichtag der 12. Oktober festgelegt. Mehr Infos gibt es auf der Webseite des LBV. Auch wer seinen Urlaub in den Alpen verbringt, kann Sichtungen von Bartgeiern melden. Und zwar hier: geiermeldung@lbv.de.
Dies sollten Unerfahrene in Sachen Vogelbeobachtung allerdings bedenken: Erst mit sieben Jahren sind Bartgeier vollständig adult und fortpflanzungsfähig. Bis dahin verändert sich das Gefieder kontinuierlich. Schaut man zum Beispiel von unten – was ja meistens der Fall ist –, so ist der Hals beim Jungvogel schwarz. Er wird mit den Jahren heller, und bei erwachsenen Bartgeiern sind Kopf und Hals fast ganz weiß. Auch die Flügelfärbung ändert sich. Illustrationen dazu finden sich in dem Artikel von Henning Werth in der Juni-Ausgabe von Der Falke, die in der Print- oder Online-Version bestellt werden kann.
Gelesen in:
Der Falke, 2019, 6, S. 32-34, Henning Werth: Bartgeier wiedererkennen und melden
30.05.2019
Der Gelbspötter als Brutvogel in Berlin-Marzahn
Dieser aktuell publizierte Artikel von Winfried Otto, der seit Jahrzenten als Vogelbeobachter und Vogelschützer aktiv ist, hat mich aus mehreren Gründen fasziniert:
Da hat jemand Beringungs- und Beobachtungsdaten ausgewertet, die vor rund 30 Jahren gewonnen wurden, und leistet damit einen Beitrag zu der Frage: Wo siedeln sich die Jungvögel an, wenn sie aus dem afrikanischen Winterquartier zurückkehren – in der „alten Heimat“ oder anderswo?
Und gleichzeitig macht er klar, zwischen 1985 und 1992 hat er in Berlin-Marzahn – längs der Wuhle sowie am und um den Kienberg herum – exakt 491 Gelbspötter beringt. Heute brüten in dem Untersuchungsgebiet, das an das Gebiet grenzt, wo 1987 die Berliner Gartenschau stattfand und wo seit der Internationalen Gartenschau 2017 eine Seilbahn zum Kienberg hinauffährt, keine Gelbspötter mehr.
Der vorletzte Satz des Artikels von Winfried Otto lautet: „Aus den hier vorgestellten Untersuchungsflächen ist der Gelbspötter inzwischen vollständig verschwunden.“
Der Gelbspötter ist kein so auffälliger Vogel wie der Mäusebussard, der mir in Mahrzahn mal vor die Linse kam, sondern einer dieser gelb-grünen Zweigsänger – wie der Fitis und der Zilpzalp – die kaum voneinander zu unterscheiden sind. Aber diese kleinen Sänger sind eine wunderbare Bereicherung, wenn ihr Gesang aus den Baumkronen ertönt.
Die Auswertung der Beringungsdaten (Beringungszentrale Hiddensee) ergab jedenfalls, dass von den Vögeln, die als Erwachsene beringt worden waren, etwa jeder achte Vogel im Folgejahr wieder vor Ort war. Bei den Vögeln, die als Nestjunge beringt worden waren, ließen sich nur 2,6 % – also nur etwa jeder vierzigste Gelbspötter – erneut im Marzahner Beobachtungsgebiet blicken.
Diese Wiederfundraten erscheinen zunächst als gering. Aber man muss bedenken, dass etwa 70% der jungen Gelbspötter sterben, bevor sie selbst brüten könnten. Berücksichtigt man diese hohe Sterberate im ersten Lebensjahr und rechnet mit dem Prozentsatz der Überlebenden, dann sind nicht 2,6% sondern 9,6% wieder sehr nah an ihrem Schlupfort aufgetaucht, um dort selbst zu brüten. Diese Zahlen entsprechen auch dem, was Winfried Otto in der Literatur findet, und er lässt anklingen, dass andere Individuen womöglich in der weiteren Umgebung gebrütet haben.
Brandenburg ist in der Tat nur ein paar Flügelschläge entfernt. Und übrigens macht es Sinn, dass Jungvögel nicht strikt an den Ort der Kindheit zurückkehren: Hat sich nämlich dort das Habitat verändert, sind ihre Brutbemühungen chancenlos und das eigene Überleben auch. Ein Blick nach Mahrzahn inklusive der „Gärten der Welt“ macht klar, was in wenigen Jahren passieren kann. Die Umgestaltung von ehemals naturnahem Stadtgrün sowie Verdichtung und Ausbreitung des Berliner Wohnraums macht es Gelbspötter & Co definitiv nicht einfach sich anzusiedeln.
Gelesen in:
Vogelwarte, Zeitschrift für Vogelkunde, 2019, Bd. 57 (2), S. 73 – 80, Otto, Winfried: Über das Ansiedlungsverhalten des Gelbspötters Hippolais icterina in Berlin-Marzahn
19.04.2019
Warum werden Vogelnester begrünt?
In einem Kommentar zu meinem Blogpost „Von Zuträgern und Baumeisterinnen“ hatte Ludwig Schlottke von der AG Greifvogelschutz des Berliner NABU darauf aufmerksam gemacht, dass bei den Habichten frische grüne Zweige sowohl vom Männchen als auch vom Weibchen zum Horst getragen werden.
Das konnte ich auch beobachten und möchte ergänzen: Sie benutzen dabei den Schnabel, ansonsten bevorzugen sie für den Transport von Nistmaterial die Zehen.
Da das Eintragen von frischem Grün aus mehreren Gründen interessant ist, möchte ich kurz berichten, was Wissenschaftler dazu schon früher untersucht haben. Es ging ihnen vor allem darum, dass und warum ein Teil der Vogelarten es macht, ein anderer nicht, und welchen Zweck dieses Verhalten haben könnte. Denn klar ist: Das Begrünen von Nestern hat nicht direkt etwas mit dem Nestbau zu tun, da die Vögel es auch dann machen, wenn die Eier bereits gelegt und die Jungen schon geschlüpft sind. Und der Nestreparatur dient es offensichtlich auch nicht.
Der Biologe Peter H. Wimberger ging schon 1984 der Frage nach, ob das Begrünen Parasiten wie Flöhe, Zecken, Fliegen und Milben fernhält, denn sie sind eine lebensbedrohliche Gefahr für Nestlinge. Diese Hautparasiten, auch Ektoparasiten genannt, schwächen als Blutsauger die Jungen und übertragen Viren oder andere krankmachende Erreger.
Bekannt ist, dass frische Zweige etwa von Nadelbäumen stark duften – wer kennt nicht den Geruch von Tannen. Viele Ektoparasiten orientieren sich aber geruchlich, und womöglich kaschiert der Pflanzenduft den Nestlingsduft. Soweit die Hypothese.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, analysierte Wimberger ältere Daten zum Begrünen, die Nest- und Eiersucher in den USA und Europa bei Falken und ihnen verwandten Arten erhoben hatten. Seine Überlegung war: Das Eintragen von grünen Zweigen sollte vor allem bei Vogelarten, die ihr Nest mehrfach nutzen, ausgeprägt sein. Denn viele Ektoparasiten überdauern den Winter und sind im Frühjahr sofort zur Stelle.
Diese Hypothese der Ektoparasitenabwehr fand er gewissermaßen bestätigt, denn von den 28 Arten, die ihr Nest begrünen, waren 22 Wiederbenutzer wie der Habicht, Mäusebussard, Fisch- und Seeadler. Wer unter den 48 Greifvogelarten aber nicht begrünte, der gehörte mehrheitlich zu denen, die jedes Jahr ein neues Nest bauen.
Eine andere Hypothese war, dass vor allem Greife, die sich von Mäusen und anderen Kleinsäugern ernähren, grüne Zweige eintragen, weil ihre Beute oft mit Parasiten belastet ist. Das ließe sich nicht nachweisen. Und darüber, ob die frischen Zweige besonders reich an Duftstoffen waren, konnte der Wissenschaftler anhand der Daten auch nichts sagen.
Wimbergers Studie ist längst ein viel zitierter Klassiker, denn er hat weitere Aspekte diskutiert und zu Forschungen angeregt, etwa zu der Frage, ob die frischen Zweige Schatten spenden oder für Feuchtigkeit sorgen. Auch zu mehr Hygiene könnte frisches Grün beitragen. – Und da zeigt sich wieder die Vielfalt im Vogelleben. Neuere Studien haben ergeben: Eine Menge hängt von der Art ab und dem jeweiligen Lebensraum.
Gelesen in:
Auk 1984, 101, S. 615 – 618, Wimberger, Peter H.: The Use of Green Plant Material in Bird Nests to Avoid Ectoparasites
15.01.2019
Winterfütterung: Wer will? Wer kann? Wer wartet?
Manchmal sind es die kleinen, unscheinbaren Artikel, die meine Aufmerksamkeit erregen. So wie jetzt in der Zeitschrift „Vögel“, die ich allen empfehlen möchte, die in Sachen Vogelleben gerade erst auf den Geschmack gekommen sind. Der Text, um den es hier geht, heißt: „Konkurrenz am Futterhaus. Rangordnung festgelegt“. Das Schöne an dem Artikel ist, dass es eigentlich gar nicht so sehr um Konkurrenz und Rangordnung geht, sondern um das, was dahinter steckt.
Es geht um Groß und Klein, mehr oder minder kämpferische Arten – die kleine Blaumeise ist zum Beispiel ein farbenprächtiger und erstaunlich „aggressiver“ Vogel – und um gute Strategien. Wer wie die Sumpfmeise darauf spezialisiert ist, das aufzupicken, was die wählerischen Amseln aus dem Futterhaus „schmeißen“, kommt energetisch womöglich besser über die Runden als kleine Kämpfer.
Der Autor des Artikels, Philipp Meister, hat viele schöne Beobachtungen am Futterhaus zusammengetragen. Von einigen, die jeder und jede im Winter an einer Futterstelle selbst machen kann, möchte ich kurz berichten:
Es gibt zum Beispiel Stoßzeiten mit Gedränge, weil die Vögel morgens „ausgehungert“ sind – durch Energieverlust in der langen und kalten Nacht. Auch wenn der Tag zu Ende geht, finden sich viele Arten an Futterstellen ein.
Im Prinzip dominieren größere Vögel die kleineren. Größere Individuen und Arten daher die kleineren; vertreiben sie also. Das stimmt aber nicht immer, denn es gibt den „Heimvorteil“ und Gruppeneffekte: Ein Trupp Schwanzmeisen, nimmt es durchaus mit einem viel größeren Amselmännchen auf.
Auch die größeren Arten haben ihre Streitereien: Amsel und Buntspecht tragen öfter „Meinungsverschiedenheiten“ aus. Der Kleiber vertreibt Konkurrenz mit hochgestellten Flügeln. Der rabiate Eichelhäher schafft sich auch gegenüber dem Buntspecht Raum und Futter (!) mit aufgestellten Scheitelfedern – einer Art Kamm auf dem Kopf.
Mit anderen Worten, wer sich am Fenster oder draußen etwas Zeit nimmt, kann an Futterstellen für Vögel – sei es zu Hause oder in einem Park – viel Interessantes beobachten. Aber etwas Zeit, die sollten Sie schon mitbringen.
Gelesen in:
Vögel. Magazin für Vogelbeobachtung 2019, 1, S. 16 – 21, Philipp Meister: Konkurrenz am Futterhaus. Rangordnung festgelegt.
10.12.2018
Der indische Resteverwerter
Im Englischen heißt der Schmutzgeier wörtlich übersetzt Ägyptischer Geier (Egyptian Vulture), was ich eigentlich schöner finde, aber die Sache nicht trifft. Denn der attraktiv gefärbte Geier lebt in mehreren südeuropäischen Regionen, auch im Atlas Gebirge Nordafrikas, in Nordgriechenland und der Türkei. Von dort reicht sein Lebensraum bis nach Indien.
Während die meisten europäischen Schmutzgeier im Herbst in Regionen südlich der Sahara ziehen – und dabei auch über Ägypten kommen –, bleiben die meisten indischen Schmutzgeier dort, wo sie sind: auf dem indischen Subkontinent. Sie werden als eigene Unterart geführt und als Gelbschnabelschmutzgeier bezeichnet. Und wie der Name verrät, ist ihr ganzer Schnabel gelb und seine Spitze nicht schwarz – wie bei den südeuropäischen Vertretern.
Wolfgang Baumgart, ein Experte in Sachen Schmutzgeier, fragt in seinem Artikel, ob die indische Population nicht als eigene Art geführt werden sollte. Für die wissenschaftliche Nomenklatur würde das bedeuten, dass aus Neophron percnopterus ginginianus ein Neophron ginginianus wird. Allerdings ist das nicht das, was ich besonders spannend finde. Interessant sind hingegen seine Ausführungen zur Lebensweise der Schmutzgeier und was ihren Bestand bedroht.
Sagen wir es mal klipp und klar: In Indien krepierten in den 1990er Jahren zigtausende Geier, als in der Tiermedizin das Schmerzmittel Diclofenac zum Renner wurde und die Tierkadaver, von denen sich Geier ernähren, damit verseucht waren. Da der Schmutzgeier nicht wie andere Geierarten auf das Ausweiden von Kadavern spezialisiert ist, kam er mit einem blauen Auge davon. Doch er litt und leidet darunter, dass die menschlichen Hygienanforderungen gewachsen sind.
Der Bestand dieses Abfallsammlers und Resteverwerters sank um die Jahrtausendwende vor allem durch Fortschritte in der Abfallverwertung. Insbesondere in den Städten liegt weniger Unrat herum, so dass die rund 12.500 Schmutzgeierpaare, die noch vor 50 Jahren rundum Delhi gezählt wurden, heute Geschichte sind.
Viele urbane Schmutzgeier sind in der Folge auf Müllkippen ausgewichen. Doch auch die werden nach und nach verschlossen. Und in ländlichen Gebieten, wird immer weniger privat oder im öffentlichen Raum geschlachtet. Vor allem: Fäkalien von Mensch und Tier – durchaus eine Nahrung für Schmutzgeier – liegen nicht mehr herum. Der einzige Fäkalienfresser unter den Vögeln, muss sich daher andere Nahrungsquellen erschließen.
Was die Schmutzgeier vielleicht rettet ist ihre Klugheit, Lern- und Anpassungsfähigkeit. Ich sah sie an einem Picknickplatz im Oman, und Wolfgang Baumgart schreibt, dass sie auch Insekten und Muscheln, Schnecken, Frösche, kleine Fische und Nestlinge von Vögeln fressen. Und intelligent sind die attraktiven Vögel sowieso: Bekannt sind sie für ihren Werkzeuggebrauch (einen Stein), um ans Ziel zu kommen (ein Straußenei öffnen). Wie das möglich ist, steht in meinem Post Die Ausputzer.
Gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen 2018, 3/4, S. 59 -74, Wolfgang Baumgart: Indiens Schmutzgeier: Neophron percnopterus ginginianus oder N. ginginianus
Die Sonnenanbeter
Ich habe mich schon oft gefragt, warum die Vögel, die sich am Morgen regelmäßig für einige Zeit auf all den Schornsteinen, Baumwipfeln und Antennen einfinden, die ich im Dachgeschoss von meinem Schreibtisch aus überblicke, in Richtung Sonne schauen. Es handelt sich dabei vornehmlich um Nebelkrähen, Elstern, Ringeltauben und Stare. Auch am Abend richten sie sich oft zur Sonne aus – doch Sonnenanbeter sind sie sicher nicht. Ich glaube auch nicht, dass sie den Sonnenaufgang oder den Sonnenuntergang über Berlin genießen wollen. Nur, eine wirklich befriedigende Antwort habe ich noch nicht gefunden.
Allerdings hat mich kürzlich Ommo Hüppop vom Institut für Vogelforschung der Vogelwarte Helgoland auf eine Publikation aufmerksam gemacht, die sich am Beispiel der Schneeeule mit einigen der Fragen beschäftigt, die hier eine Rolle spielen:
Wer in die Sonne blickt, ist fast blind und sieht weder potenzielle Beute noch potenzielle Angreifer. Warum also in die Sonne blicken?
Ein Vogel, der in die Sonne schaut, profitiert von der Wärme der Sonnenstrahlen. Denn im Gesicht – also am Schnabel, den Augen und drumherum – ist er wenig befiedert und die wärmenden Strahlen treffen direkt auf die Haut. Geht es also um Wärmeaufnahme beziehungsweise Thermoregulation?
Welche Rolle spielt der Wind für die Wahl und die Ausrichtung des Sitzplatzes? Ist es wichtiger in den Wind zu schauen, damit das Gefieder nicht zu sehr durchgeweht wird – und der isolierend Schutz nachlässt – als sich nach der wärmenden Sonne auszurichten?
Wer sich von der Sonne bescheinen lässt, noch dazu hoch oben, wird beleuchtet. Von Konkurrenten, Reviernachbarn und potenziellen Fortpflanzungspartner ist er oder sie also besser zu erkennen. Dabei könnte das meist hellere Brustgefieder eine Rolle spielen.
Was sagt die Überprüfung der Beobachtungsfakten? Ich will es kurz machen. Für Interessenten ist der Artikel online käuflich.
Die kanadischen Autoren der Publikation haben bei Sonne und bei bedecktem Himmel exakt 851 Sichtungen von Schneeeulen erfasst und notiert, wohin der Vogel schaute. Einiges spricht dafür, dass es den Eulen nicht so sehr darauf ankommt, sich zu zeigen. Also von der Sonne beschienen zu werden und dadurch besonders attraktiv oder auffällig zu sein.
Was das Beuteverhalten angeht, muss man sagen: Die Schneeeule ist klug. Bei viel Wind startet der Beutegreifer eher vom Boden, bei Sonne von Ausguck in den Baumwipfeln aus. Für all die Vogelarten, die ich in Berlin auf der vierten Etage im Blick habe, spielt das Beutemachen jedoch keine Rolle. Ich setze daher auf die Thermoregulation, die den Autoren der Studie zufolge durchaus eine Rolle spielt.
Kurz und knapp gesagt: Schneeeulen schauen in den Wind, wenn der Himmel bedeckt und der Wind stark ist. Bei schwachem Wind (unter 18 km/Std) und wenig Wolken blicken sie in die wärmende Sonne.
Fazit: Nach wie vor finde ich die Idee faszinierend, dass die geflügelten Stadtbewohner den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang genießen – so wie ich. Aber das ist Blödsinn, keine Wissenschaft. Und ich freue mich, wenn ich weitere Publikationen zu diesem Thema entdecke oder ihr mich darauf aufmerksam macht.
Gelesen in:
IBIS (international journal of avian science) 2018, 160, S. 62 -70, Karen L. Wiebe & Alexander M. Chang: Seeing sunlit owls in a new light: orienting Snowy Owls may not be displaying
Nachwuchsmangel bei Brandenburgs Weißstörchen
Die Störche in Brandenburg haben in diesem Jahr nicht so viele Jungen durchgebracht, wie es eigentlich nötig wäre, um den Bestand langfristig zu erhalten. Zwei pro Horst ist dafür die Schlüsselzahl. In der Uckermark waren es aber nur 1,5 Junge pro Storchenpaar. Besser sah es im Landkreis Dahme-Spreewald aus: Da verließen tatsächlich zwei Junge pro Horst die Heimat und machten sich auf nach Süden. – Insofern freue ich mich, dass im Horst von Tristan und Isolde drei Junge groß wurden und Anfang August auf und davon flogen. Es hätten sogar vier sein können, wenn nicht einer – offenbar bei Flugübungen – unglücklich abgestürzt wäre.
Knapp 7.000 Brutpaare hat das alljährliche Monitoring der Weißstörche für 2017 ergeben. Nur wenn es stimmt, dass die süddeutschen Störche in diesem Jahr besonders erfolgreich gebrütet haben, könnte 2018 diese Zahl wieder erreicht werden. In Mecklenburg-Vorpommern geht es nämlich mit den Störchen besonders stark bergab. Kein Wunder, denn im Nordosten Deutschland wird auf riesigen, weitgehend rainlosen Äckern viel mehr Mais- und Raps angebaut als etwa in Baden-Württemberg.
Die Gründe für eine abnehmende Storchenpopulation sind bekannt: Ist es zu trocken, fehlen die zarten Regenwürmer für „Babystörche“. Durch enorme Pestizideinsätze auf den Agrarflächen für Mais und Raps mangelt es im Sommer an Feldmäusen. Es fehlen die Feuchtgebiete für Frösche und allerorten herrscht Insektenarmut. Hinzu kommt, dass die nordostdeutsche Storchenpopulation, die auf dem östlichen Weg nach Süden zieht, eine schwierigere Route haben und noch dazu weiter fliegen als Störche, die sich Richtung Spanien auf den Weg machen. Dadurch kommen die ostwärts ziehenden im Frühjahr erst relativ spät zu uns zurück und haben weniger Zeit für eine erfolgreiche Brut. Mehr Informationen dazu im verlinkten Artikel.
Gelesen in:
Der Tagesspiegel vom 4. September 2018, S.19 und online
Roland Schulz: Ein klapperdürres Jahr für den Storch
Das Usutu-Virus macht Amseln todkrank
Es ist nicht das erste Mal, dass das Usutu-Virus, dessen Ursprünge wahrscheinlich in Afrika liegen, Amseln und andere Singvögel förmlich von den Bäumen fallen lässt. Aber in diesem Jahr ist es vor allem in Norddeutschland besonders schlimm. Beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) sind im Sommer über 5.000 Meldungen zu 10.000 totaufgefundenen Vögeln eingegangen. – Auch ich fand kürzlich in Berlin zwei tote Amseln unter den Büschen im Garten. Doch sie liegen dort schon zu lange. Darum werde sie nicht beim NABU melden oder zur Untersuchung versenden.
Es ist übrigens kein Zufall, dass besonders viele Meldungen aus Städten kommen: Überträger des Virus ist die Hausmücke (Culex pipiens). Diese Plagegeister leben vor allem in Städten und stechen nicht nur Menschen gern, sondern auch Vögel.
Bisher hat die Amselpopulation in Deutschland nicht allzu stark unter den Usutu-Epidemien gelitten, sondern sich offenbar immer wieder erholt. Aber das muss nicht so bleiben, zumal in angesagten Städten wie Berlin der Vogellebensraum und der Menschenwohnraum heftig konkurrieren: Viele Bäume, in denen Amseln üblicherweise nisten, werden gefällt.
Wer mehr darüber wissen will, warum Vögel in der Mauser besonders Infekt-gefährdet sind, welche Viren für Bartkäuze den Tod bedeuten und was WissenschaftlerInnen zu all dem sagen, der findet viele Informationen und weiterführende Links in einem Artikel, der bei den Flugbegleitern erschienen ist. Diese Online-Text-Sammlung ist übrigens ein sehr empfehlenswertes Angebot für alle Vogelbegeisterten: Viel Hintergrundinformation für wenig Geld.
Gelesen in:
Riffreporter: Flugbegleiter – Ihre Korrespondenten aus der Vogelwelt 28. August 2018 (online)
Joachim Budde: Das Amselsterben ist in Norddeutschland angekommen
Altweltgeier an der unsichtbaren Grenze
Nirgendwo sonst in Europa leben so viele Geier, wie auf der Iberischen Halbinsel – die meisten von ihnen in Spanien. Besonders hoch ist die Zahl der spanischen Gänsegeier (Gyps fulvus) mit 24 000 Brutpaaren. Bei den Mönchsgeiern (Aegypius monachus), die im Folgenden ebenfalls eine Rolle spielen, sind es 1 800 Paare.
Spanische und portugiesische Biologen machen nun darauf aufmerksam, dass die aasfressenden Geier in Spanien satt werden, weil dort der Tisch gut gedeckt ist, während in Portugal der Tisch leer ist.
Das geht aus den Daten von Gänsegeiern (60) und Mönchsgeiern (11) hervor, die in Spanien mit Sendern versehen wurden und ihren jeweiligen Aufenthaltsort an die Rechner der Wissenschaftler funkten. Deren Analyse ergab: Obwohl auf beiden Seiten der Grenze zwischen Portugal und Spanien die Natur und ihre Nutzung durch den Menschen nahezu identisch sind, hielten sich die Geier fast ausschließlich in Spanien auf. Von den 24.000 Messpunkten der Gänsegeier liegen deutlich weniger als 5% auf der portugiesischen Seite, und zwar meist nah an der Grenze zu Spanien. Während alle anderen Messsignale aus Spanien stammten.
Die Wissenschaftler haben dafür nur eine Erklärung: In Spanien dürfen die Tierkadaver, etwa von verunglückten Lämmern oder Ziegen, vielfach in der Wildnis liegen bleiben – und sind für Geier ein gefundenes Fressen. In Portugal müssen Kadaver offiziell entsorgt werden. Dieser Unterschied wirkt sich auf die Vielfalt der Natur in Portugal ungünstig aus und Aasfresser werden nicht satt.
Aber was steckt dahinter? Nach der BSE-Krise („Rinderwahnsinn“) hat die Europäische Kommission eine Verordnung (EC 1774/2002) erlassen, die verbietet, Kadaver in der Natur liegen zu lassen. Was eine solche Vorschrift regional für Konsequenzen hat, schreibt Brüssel nicht im Detail vor, sondern bedarf einer Auslegung. Und die kann von Staat zu Staat und von Region zu Region unterschiedlich ausfallen (Subsidaritätsprinzip).
Infolge der Verordnung EC 1774/2002 ging es vielen Geiern schlecht, sie hungerten. Spanien nutzte frühzeitig ergänzende EU-Vorschriften, die es ermöglichen, Kadaver für Geier zurückzulassen oder auszulegen. Portugal erlaubt das bisher nur grenznah an ganz wenigen Fütterungsplätzen. Daher lohnt es sich für spanische Gänse- und Mönchsgeier nicht, über die Landesgrenze zu fliegen, und zwar obwohl der Lebensraum links und rechts der Grenze gleichartig und die Grenze eigentlich unsichtbar ist.
Um ihre Daten zu erhärten, würden die Wissenschaftler durchaus auch portugiesische Geier beringen, aber es gibt nur wenige. Außerdem liegen ausreichend viele Fakten vor. Umso wichtiger ist ihr Appell zu bedenken, dass staatliche oder regionale Unterschiede in der Auslegung von Naturschutzvorschriften für Tierarten mit ausgedehnten Revieren höchstproblematisch sind.
gelesen in:
Biological Conservation, 2018, 219, S. 46-52
Eneko Arrondo u.a.: Invisible barriers: differential sanitary regulations constrain vulture movements across country borders
Die englischsprachige Publikation findet man bei 4vultures.
Wenn die Wacholderdrossel in die Stadt zieht
Der typische Lebensraum einer Wacholderdrossel (Turdus pilaris) sind die Randzonen von Laub-, Nadel- und Mischwäldern, auch in Feld- und Ufergehölzen, in Alleen und Gärten halten sie sich gerne auf und brüten dort. In Deutschland ist die Wacholderdrossel vor allem in den Mittelgebirgsregionen als Brutvogel verbreitet. Aber das war nicht immer so: Erst um 1700 sind die grau-köpfigen Drosseln von Osten kommend in das Baltikum vorgedrungen, erreichten Skandinavien und wurden 1830 an der Oder gesichtet. So wurden sie in Deutschland heimisch.
All das beschreiben eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler der Baltischen Föderalen Universität Immanuel Kant in Kaliningrad, die seit etwa 20 Jahren verfolgen, wie sich die Wacholderdrossel im früheren Königsberg zunehmend wohl fühlt. Anders gesagt: Wie sich in ausgewählten Grünanlagen der Stadt der Bestand entwickelt hat. Und das ist in der Tat interessant, denn hier brüten etwa 15% der rund 170 Paare, die im Gebiet von Kaliningrad leben.
Dies ist eine neue Entwicklung, denn bis 1984 brüteten keine Wacholderdrosseln mehr in der russischen Großstadt. Die ehemalige Population war nach dem Zweiten Weltkrieg offenbar zusammengebrochen. Eine erste Stadtpopulation hatte es dort Anfang des 20. Jh. bereits gegeben: Maria S. Šukšina und Gennadij V. Grišanov berichten, dass sich diese zwischen 1901 und 1920 entwickelt und in den 1930er und 1940er Jahren stabilisiert hatte.
Am Beispiel der Neubesiedlung beschreiben die Autoren wie eine „Natur-Population“ sich nach und nach in einer Großstadt wortwörtlich einnistet. Wissenschaftler sprechen von „Synanthropisation“ (syn/gr. steht für das Miteinander, anthrop/gr. für Mensch).
Zunächst besiedelten einzelne Paare den Waldpark am Stadtrand, einige Jahre später wagten sie sich in innerstädtische Bereiche vor und brüteten zunehmend in von Menschen geprägten Gebieten. Seit 2000 ist der Bestand in den Grünanlagen Kaliningrads, die von den Wissenschaftlern kontrolliert werden, stabil.
Dankenswerterweise vergleichen die Wissenschaftler das Verhalten der Wacholderdrossel mit anderen synanthropen Vogelarten, wie der Amsel (Turdus merula) und der Ringeltaube (Columba palumbus) und sie bemerken unter anderem dies: Beim Stadtvogel ist die Fluchtdistanz geringer. Aber im Gegensatz zu anderen urbanen Vogelarten ernährt sich die Wacholderdrossel kaum von menschlichen Nahrungsresten – das wurde nur im Winter beobachtet –, sie brütet nicht an Gebäuden und nutzt zum Nestbau kein künstliches Material.
Abschließend noch das: Es ist erfreulich, dass in den Ornithologischen Mitteilungen, Monatszeitschrift für Vogelbeobachtung, Feldornithologie und Avifaunistik, russische Wissenschaftler zu Wort kommen und so unsere Perspektive Richtung Osten erweitern. Ein Dank an den Übersetzer Uwe Alex.
gelesen in:
Ornithologische Mitteilungen, 2014, Nr. 11/12, S. 279 – 288
Maria S. Šukšina & Gennadij V. Grišanov: Die Historie der Herausbildung und der heutige Status der Stadtpopulation der Wacholderdrossel Turdus pilaris in Kaliningrad
Wohin verschwindet der Große Brachvogel?
Im Wattenmeer vor der Küste von Schleswig-Holsteins und Niedersachsens kann man in vielen Monaten des Jahres den Großen Brachvogel entdecken – solange es nicht zu kalt wird auch im Winter. Im Frühsommer sind allerdings nur wenige der langschnäbligen Watvögel dort, denn die meisten fliegen zum Brüten in den hohen Norden. Wo die Brutgebiete genau liegen und welchen Weg die Tiere einschlagen, war bisher nicht bekannt.
Ein Forschungsprojekt an der Universität Kiel hat nun die Flugrouten genauer untersucht. Zunächst wurden dazu vier Vögel an der Nordseeküste von Schleswig-Holstein mit solarbetriebenen GPS-GSM-Datenloggern ausgestattet, mittlerweile sind es 13 Tiere.
Die Datenlogger werden als federleichter Rucksack (27 g) mit Teflonbändern auf dem rund 850 g schweren Vogel befestigt. Sie senden regelmäßig Signale, die über Tageszeit und Aufenthaltsort des Vogels informieren. Bei brütenden Vögeln bleibt diese Ortsinformation via GPS über einige Wochen konstant.
Und das Ergebnis?
Im deutschen Wattenmeer sind die Vögel sehr ortstreu, sie fliegen nur wenige hundert Meter von ihrem Rastplatz weg, um nach Nahrung zu suchen. Im April machen sich die erwachsenen Vögel dann in nord-östlicher Richtung auf, fliegen mehr oder minder küstennah über die Ostsee, gönnen sich eine kurze Verschnaufpause im Baltikum und erreichen kurz darauf ihre russischen Brutgebiete. Diese liegen nördlich von Sankt Petersburg: zwischen Moskau und dem Weißen Meer.
Und obwohl die Region viele hundert Kilometer entfernt ist – ein Vogel flog 2070 km weit –, schaffen sie das in weniger als fünf Tagen. Knapp zwei Monate bleibt der Große Brachvogel dann am Brutplatz und zieht den Nachwuchs groß. Anschließend geht es – allerdings meist langsamer – zurück. Auch dann sind die Großen Brachvögel „konservativ“, landen nicht irgendwo im Wattenmeer, sondern ziemlich genau da, wo sie zuvor gefangen und mit einem Sender bestückt worden waren.
Interessant ist, dass der besenderte Jungvogel nicht ins russische Brutgebiet flog, sondern sich vor allem in Polen herumtrieb.
Wichtig ist ein anderer Punkt: Da der Große Brachvogel auf seinem Zug die Ostsee überquert oder ihrer Küstenlinie folgt, ist er durch Windkraftanlagen gefährdet. Das Kollisionsrisiko ist vor allem deshalb bedeutsam, weil 40 – 50% der Population im norddeutschen Wattenmeer die nordöstliche Route nutzen. Andere fliegen nach Finnland.
Der Biologe Philipp Schwemmer, Erstautor der Publikation über die vier besenderten Vögel im Journal of Ornithology, berichtete kürzlich auf der 150. Tagung der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft in Halle, dass sich die ersten Ergebnisse bestätigt haben: Was das Brutgebiet, die Rast- und Überwinterungsplätze angeht, sind die Großen Brachvögel äußerst standorttreu. Auch bei der Zugroute setzen sie nicht auf Abwechslung, sondern wählen alljährlich etwa dieselbe Strecke.
Das ist ein hübsches Ergebnis, wird aber für die schönen Watvögel umso gefährlicher je mehr Windkraftanlagen in der Ostsee und im Baltikum entstehen. Die Sorgen der Biologen um den gefährdeten Großen Brachvogel nehmen also nicht ab.
gelesen in:
Journal of Ornithology (2016, 157, S. 901 – 905)
Schwemmer, P., Enners, L. & Garthe, S.: Migration routes of Eurasian Curlews (Numenius arquata) resting in the eastern Wadden Sea based on GPS telemetry
Vortrag auf der DO-G 2017 in Halle:
Schwemmer, P., Enners, L. & Garthe, S.: Zugmuster von im Wattenmeer rastenden Großen Brachvögeln
Berliner Turmfalken sind der Stadt treu
Hier geht es um spannende Daten, die im Jahresband der „Berliner Ornithologische Arbeitsgemeinschaft e.V.“ veröffentlicht sind und nicht online zur Verfügung stehen. Der Band mit knapp 150 Seiten für 15€ ist allerdings bestellbar und sein Geld wert.
Darin befasst sich Ludwig Schlottke, seit vielen Jahren als Beringer in vielen Türmen Berlins unterwegs, mit den Turmfalken der Stadt. Mehr als 200 Paare brüten in Berlin. Seine zentrale Aussage: Wer als Turmfalke in der Hauptstadt das Licht der Welt erblickt, indem er die Eischale sprengt, der bleibt.
Das geht aus den Beringungen und Ringsichtungen hervor, die im Westteil der Stadt seit 30 Jahren von ehrenamtlichen Beringern durchgeführt werden. Mit einem Metallring beringt wurden und werden hauptsächliche nestjunge Turmfalken im Alter von 15 – 20 Tage: Seit 1996 erhalten sie auch einen Farbring.
Drei unermüdliche Beringer haben auf diese Weise im Westen Berlins 6.255 junge Turmfalken beringt. Auch in Ostberlin sorgten drei engagierte Vogelkundige dafür, dass viele junge Turmfalken beringt wurden – knapp 2.500 seit 1986.
Vogelringe lassen sich – außer bei toten Tieren – nur mit Fernglas, Spektiv oder von guten Fotos – ablesen. Bei Turmfalken gelingt das am ehesten am Brutplatz, wo sie allerdings keinesfalls gestört oder beunruhigt werden dürfen. Am Brutplatz halten sich die weiblichen Tiere besonders lange auf – obwohl auch männliche Tiere am Brutgeschäft beteiligt sind. Daher liegen mehr Daten von Weibchen vor.
Bei vielen Sichtungen wurde nur die Farbkennung identifiziert. Das reichte allerdings, um festzustellen, wie alt ein Turmfalke ist und ob er ein Berliner oder eine Berlinerin ist. Der Grund: Nur in der Hauptstadt wird dieser Greif mit einem zusätzlichen Farbring markiert. Wobei jede Farbe eindeutig für ein „Geburts“jahr steht.
Die Auswertung von 503 Turmfalkensichtungen im Stadtbereich ergab nun einige Überraschungen:
◊ Turmfalken brüten bereits als Einjährige selbst. Unter den gesichteten Brutvögel waren 15,5% im Vorjahr als Nestjunge beringt worden.
◊ Sie wechseln meist alljährlich ihren Partner, ihre Partnerin. Dass dasselbe Paar erneut gemeinsam Junge großzieht, ist die Ausnahme.
◊ Der Brutplatz ist meist nur wenige Kilometer vom eigenen „Geburts“ort entfernt – im ersten Jahr im Mittel unter 10 km; später ist er nicht wesentlich weiter weg. Wobei die Weibchen unternehmungslustiger sind.
◊ Nur fünf Individuen wurden weit entfernt von Berlin gesichtet und haben zwischen 40 km und 120 km vom „Geburts“ort entfernt gebrütet.
◊ In Berlin wurden zwei weibliche Brutvögel gesichtet, die von weither gekommen waren: Sie hatten 203 km bzw. 321 km entfernt ihren Ring erhalten. Aus dem Umland – etwa aus Brandenburg – kommen kaum Turmfalken zum Brüten nach Berlin.
Mit anderen Worten: Berliner Turmfalken sind flexibel in der Partnerwahl und nicht Geburts- oder Brutorts-treu. Auf den Lebensraum „Stadtlandschaft“ sind sie jedoch offenbar geprägt. Sofern sie geeignete Brutplätze finden, bleiben sie hier.
gelesen in:
Berliner ornithologischer Bericht, Bd. 26, 2016, S. 29 – 40
L. Schlottke: Die Population des Turmfalken Falco tinnunculus in West-Berlin
Warum sind nicht alle Eier rund?
Schon in einem Sechserpack mit Hühnereiern vom Biohof oder aus dem eigenen Garten gleicht kein Ei dem anderen. Viel extremer sind die Unterschiede zwischen den Vogelarten. Straußeneier sind riesig, weiß und beinah rund, Eier des Seeregenpfeiffers hingegen braungefleckt, klein, etwas länglich und an einem Ende leicht zugespitzt.
Größe, Farbe und Form der Vogeleier haben zu allerlei Theorien über den möglichen Nutzen beziehungsweise den Adaptationswert Anlass gegeben. Betrachtet man nur die Form oder Gestalt von Eiern so ist wohl die bekannteste Überlegung: Vögel, die am Kliff brüten, wo unten das Meer rauscht, legen keine runden Eier, die leicht wegkullern könnten, sondern längliche, die an dem einen Ende stärker zulaufen als am anderen. Statt Ende sagt man auch Pol.
Diese Form einer asymmetrischen Ellipse hat den Vorteil, dass ein solches Ei nicht wegrollt, wenn es angestoßen wird und ins Rollen kommt, sondern um den schmaler zulaufenden Pol kreiselt. Aber ist das der wichtigste Motor für die Entwicklung einer nicht-runden Eischale?
Eine aktuelle Auswertung der Fotos von fast 40.000 Vogeleiern, die von 1.400 verschiedenen Arten stammen, präsentiert ein anderes Argument für die Evolution dieser Eiform: Die an einem Ende spitzer zulaufenden länglichen Eier („konisch“) werden von Vögeln mit hoher Flugleistung produziert, die einen stromlinienförmigen Körper mit engem Becken haben.
Dazu muss man wissen – und wer schon ein Huhn selbst ausgenommen hat, der weiß es –, dass die Eier im Eierstock zunächst rund sind. Sie bestehen dann nur aus Eidotter. Erst im Eileiter und nach der Befruchtung wird das Ei mit Eiweiß umhüllt. Im nächsten Schritt wird es mit einer doppelschichtigen zarten Haut umgeben und bekommt dann seine Schale.
Die Autoren der Studie argumentieren, dass bereits die Schalenhaut für die jeweilige Form sorgt und die Schalenbildung sich ihr dann anpasst. Als Hauptfaktoren betrachten die Wissenschaftler, die die Fotos einer Datenbank vom Museum für Wirbeltier-Zoologie in Berkeley genutzt haben, nun also die Flugleistung. Denn die korrelierte am stärksten mit der Eiform, wenn Nesttyp, Nistplatz, Gelegegröße, Nahrung und Flugleistung – gemessen als Hand-Flügel-Index – berücksichtigt werden.
Das Gewebe, das den Eileiter umgibt, könnte bewirken, dass aus der Eidotter-Eiweiß-Kugel ein längliches Ei wird. Denn so kann bei den schmaler gebauten Vielfliegern der Durchmesser des Eis verringert werden, ohne dass an der Eimasse gespart werden muss. Und wenn diese Eier an einem Pol schmaler sind, könnte das die Eiablage erleichtern. Das Paradebeispiel der Wissenschaftler dafür ist der amerikanische Wiesenstrandläufer, bei dem das kleine Ei außergewöhnlich konisch ist.
Wer mehr zu der Hypothese und den Argumenten wissen möchte, kann sich jetzt leider nicht mehr online im zunächst frei zugänglichen im frei zugänglichen Science Artikel schlau machen. Frei ist weiterhin Außerdem gibt es ein elegantes Scrollytelling zu dem Text.
Man fragt sich natürlich, wer kann das bezahlen. Und da stoße ich auf L‘Oréal USA als Financier der Erstautorin dieser Science-Publikation. Kosmetik, Frauenförderung und Eier … das konnte ich mir nicht verkneifen.
gelesen in:
Science: Avian egg shape: Form, function, and evolution
Scrollytelling: Cracking the mystery of egg shape
Die Chance der Wanderfalken
In einem wunderbaren Text beschreibt der Biologe und Wissenschaftsjournalist Patrick Barkham, warum heute die Millionenstadt London und die Wanderfalken so gut miteinander auskommen, nachdem diese ungeheuer schnellen Greifvögel in Großbritannien praktisch verschwunden waren. Schuld waren – wie überall in Mitteleuropa – vor allem Pestizide wie DDT.
Heute brüten in der britischen Hauptstadt mindestens 30 Wanderfalkenpaare, und es werden seit der Jahrtausendwende immer mehr. Aber nicht zufällig, sondern weil Naturschutz und längst auch aufmerksame Bauarbeiter die Wanderfalken-Behausungen auf Schornsteinen und hohen Gebäuden im Auge haben.
All das erzählt Patrick Barkham durchaus unterhaltsam – vor allem wenn es darum geht, wie sich die Greife ernähren. Da sind nämlich neben den üblichen Haustauben auch Krähen und Bussard, schließlich die grün schillernden Halsbandsittiche zu erwähnen. Nicht nur in London nehmen diese Neubürger derzeit Überhand.
Das Überleben von Wanderfalken ist nicht nur eine Frage von Behausung und Beute, sondern auch von Sicherheit. Mittlerweile sind die Greife in Großstädten sicherer als auf dem Land. Dort werden sie noch immer geschossen oder vergiftet. Illegal und ein Verbrechen.
gelesen in:
The Guardian: Flying high: why peregrine falcons are kings of the urban jungle
faz.net: Der „Vogel der Vögel“ kehrt zurück
Wie Langstreckenflieger im Flug schlafen
Zu den Vögeln, die im Schlaf fliegen können beziehungsweise im Flug schlafen können, gehören flinke Schwalben, kleine Singvögel und große Seevögel. Von ihnen ist bekannt, dass sie manchmal tagelang in der Luft unterwegs sind. Und seit langem wird vermutet, dass sie dann bestimmte Hirnfunktionen zeitweise abschalten und mit anderen wachsam bleiben. Das ist nun bewiesen.
Niels Rattenborg und sein Team haben einigen Fregattvögeln auf den Galapagos-Inseln Datenlogger verpasst, die nicht nur Flughöhe und Kopfbewegungen aufzeichnen, sondern auch Gehirnströme messen können. So konnte der Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen beweisen, dass die imposanten Seevögel wichtige Areale einer Hirnhälfte einfach abschalten, quasi halbseitig Navigieren. Und kurzfristig schalten sie sogar beidseitig diese Kontrollfunktionen ab. Das erinnert an das „power napping“, dass uns rasch wieder fit machen kann.
In der Tat müssen Fregattvögel sehr aufmerksam sein, wenn sie mehrere tausend Kilometer am Stück fliegen. Denn sie machen knapp über der Meeresoberfläche Beute und dürfen z.B. bei der Jagd nach fliegenden Fischen nicht ins Meer stürzen. Daraus kommen sie nämlich nicht wieder hoch.
Dass Fregattvögel auf zehntägigen Langstreckenflügen binnen 24 Stunden nur etwa eine dreiviertel Stunde schlafen, wirft viele Fragen auf. Wieder an Land schlafen sie rund 12 Stunden täglich.
Und vom Datenlogger wurden die Vögel nach einem solchen Ausflug schnell wieder befreit.
gelesen in:
Nature Communication: Evidence that birds sleep in mid-flight
Max-Planck-Gesellschaft: Vögel schlafen beim Fliegen
Mit DNA-Schnipseln Wilderern auf die Spur kommen
Für viele Zugvögel ist Zypern eine lebenswichtige Station, wenn sie das Mittelmeer überfliegen. Doch unzählige landen dort in den Kochtöpfen. Im Schnitt sind es jedes Jahr 2,3 Millionen kleine Singvögel, die – raffiniert angelockt – sich in Netzen verheddern oder an klebrigen Leimruten hängen bleiben, um in den Kochtopf zu wandern.
Dass unter den gefangenen Vögeln viele geschützt sind, ist keine Frage: Auf Zypern haben Ornithologen rund 400 Vogelarten gezählt, 117 davon sind vom Aussterben bedroht. Einer der Vögel, die besonders häufig auf dem Teller landen, ist übrigens die Mönchsgrasmücke.
Aber den Wilderern ihren illegalen Vogelfang und Restaurantbesitzern die verbotene Speise nachzuweisen, das ist schwer. Denn die etwa in Essig konservierten oder frisch an Restaurants verkauften Tiere sind zum Beispiel kopf- und federlos oder durchgegart; also nicht mehr zu identifizieren.
Ein junger Biologe aus Zypern hat in seiner Masterarbeit und dem Blog von der British Ornithologist Union (BOU) klar gemacht, wie wichtig das DNA-Barcoding ist, wenn Kontrolleure oder die Polizei Wilderer überführen wollen. Denn mit der Sequenzierung spezieller Abschnitt der DNA lässt sich eine Art eindeutig bestimmen: auch ohne Federkleid, Kopf und Füße, und selbst im verdorbenen oder geschmorten Zustand.
gelesen in:
British Ornithologist’s Union: DNA-barcoding against poaching: the Cyprus paradigma
08.03.2017
Verräterische GPS-Signale
Mit dem drastischen Titel „Schiess mich tot“ macht Hanno Charisius in der Süddeutschen Zeitung darauf aufmerksam, dass besenderte Vögel zwar einerseits wertvolle Daten liefern, um etwa ihr Zugverhalten zu verstehen. Andererseits sind die GPS-Signale von Wilderern und anderen Kriminellen zu knacken. Wie Forscher, z.B. vom Max-Planck-Institut für Ornithologie, sich bemühen die Bewegungsdaten von Tieren zu schützen, steht ebenfalls in dem wichtigen Artikel über eine desaströse Entwicklung.
gelesen in:
Süddeutsche.de: Schieß mich tot