Wer einen Garten hat oder im Stadtpark unterwegs ist, der kennt das: Bei stärkerem Wind sind die kleinen Singvögel meist im Grün von Buschwerk verschwunden. Vögel, deren Lebensraum die Meeresküste ist, haben andere Strategien, um sich vor starkem Wind und Auskühlung zu schützen. Davon erzähle ich in diesem Blogbeitrag am Beispiel mehrerer Seevogelarten.
Manchmal fällt einem beim Vogelbeobachten etwas auf, worüber man noch nie nachgedacht hat. Mir ging es so vor einigen Jahren auf Neuwerk, wo an einem windigen Tag junge und adulte Austernfischer im nordwestlichen Bereich der Insel unterwegs waren.
Wozu Pferdeäpfel auch nützlich sind
Jung und Alt schützten sich vor den kräftigen Windböen, die von Westen heranfegten, indem sie sich hinter trockene Pferdeäpfel hockten. Davon gibt es in dem wiesenartigen Gelände der Wattenmeerinsel eine Menge, weil im Sommerhalbjahr stattliche Reitpferde vom Festland nach Neuwerk gebracht werden.
Die Vierbeiner werden in der frischen Nordseeluft so richtig fit und kurieren auch hartnäckige Erkältungskrankheiten aus. So jedenfalls erzählte es mir der Kutscher auf dem Weg von Cuxhaven-Duhnen zur Insel Neuwerk.
Nicht nur Pferdeäpfel werden von Austernfischern als Windschutz genutzt, auch Anhäufungen aus Zweigen oder Steinen schützen vor Auskühlung.
Natürlich lassen sich auch buschige Pflanzen als windarmen Ruheplatz nutzen. Manchmal scheinen sich die Vögel dort förmlich einzukuscheln. Wie man sich vor starkem Wind schützt, das wissen auch die Seeschwalben, die ebenfalls auf Neuwerk brüten. Manchmal übersieht man sie, weil sie im Pflanzengrün so gut verborgen sind.
Das trifft gerade auch für die Jungen zu, die oft zugleich vom Windschutz und vom Sichtschutz profitieren. Und während die Eltern der jungen Fluss-, Küsten- und Brandseeschwalben ständig aufs Meer hinausfliegen, um die kleinen Sandaale herbei zu schaffen, die eine Lieblingsspeise ihrer Nachkommen sind, hocken diese … nun ja: hinter Pferdeäpfeln.

Flügge Flussseeschwalbe und anfliegender Altvogel mit Futter
Es ist schon einige Jahre her, da entdeckte ich bei einem Besuch von Neuwerk in größerer Entfernung junge Brandseeschwalben, die sich geschickt eingenischt hatten. Und erst dann den Kopf erhoben, wenn ihre Eltern nahten. Die Lichtverhältnisse waren damals günstig und ermöglichten mir diese Fotos der faszinierenden Seeschwalbenart, die unter der Vogelgrippe stark gelitten hat und auf Neuwerk noch nicht wieder brütet.¹
Für die windgeschützte Platzwahl vieler Vogelarten gibt es einen schlichten Grund: Wer im Windschatten hockt, verliert weniger Wärme. Das muss ich nicht erklären.
Und was hilft sonst noch gegen Auskühlung?
Seevögel wie die Lachmöwen, die ich zu Tausenden an der Somme in Nordfrankreich beobachten konnte, nutzen manchmal wirklich die kleinste Gelegenheit, um es bei stürmischem Wetter etwas komfortabler zu haben. Diese drei hockten bei Ebbe auf der riesigen Sandfläche hinter spärlichem Grün. – Es sah geradezu putzig aus.

Lachmöwen außerhalb der Brutzeit – ohne schokoladenfarbenem Kopf
Möwen und andere Seevögel haben weitere Strategien, um windige oder sogar stürmische Tage gut, und das heißt energiesparend, zu überstehen. Sie stecken zum Beispiel die Nase in den Wind – genauer gesagt den Kopf. Und dann drehen sie ihn so weit nach hinten, dass sie den Schnabel und die spärlich befiederte Gesichtshaut unter das rückwärtige Federkleid schieben können.
So ruhen beziehungsweise schlafen viele Vögel.
Bei einer Vogelschar, die am Strand, auf einer Wiese oder in anderweitig offenem Gelände pausiert, lässt sich jedoch beobachten, dass einzelne Individuen in der Regel nicht schlafen – und den Kopf wegstecken –, sondern dass sie mit offenen Augen bei den anderen stehen und das Umfeld kontrollieren.
Warum zum Wind ausrichten?
Wenn kleine oder große Ansammlungen von Seevögeln oder auch von Gänsen ruhen, dann sind sie alle gleich ausgerichtet – und typischerweise ist die Front in den Wind gerichtet. Das liegt gewissermaßen an ihrem Federkleid. Vögel haben – grob gesagt – zwei unterschiedliche Federtypen.
Die größeren Federn, die wir vielleicht am Strand finden, ermöglichen ihnen, abzuheben – also zu fliegen. Man nennt sie Konturfedern. Die Federn der Schwingen und des Schwanzes gehören dazu.
Die kleinen Federn werden Dunen oder Daunen genannt und liegen als wärmende Schicht unmittelbar auf der Haut. (Diese Federn kommen nach wie vor als Enten- oder Gänsedaunen in Kopfkissen und Bettdecken.)

Küstenreiher am Pazifik: Rückenwind ist unbeliebt
Wie ein Mantel bedecken die Konturfedern des Körpers das Dunenkleid, wenn ein Vogel sitzt beziehungsweise ruht.²
Doch das ändert sich schlagartig, wenn der Wind von hinten ins Gefieder bläst.
Da weht er den Mantel hoch, der Wind fährt darunter und zwischen die zarten Dunen. Das verursacht einen unnötigen Wärmeverlust und erklärt weshalb Seevögel meist die Nase beziehungsweise das Gesicht zum Wind ausrichten.
Außerdem bringen insbesondere heftige Windstöße von hinten das Gefieder eines Vogel leicht in Unordnung.
Da kann es durchaus passieren, dass die feinen Häkchen, die die einzelnen Federäste der Federfahne miteinander verbinden, aufreißen. Zwar verketten sie sich wieder – denn wie beim Reißverschluss gehen die Verbindungen auf und zu –, aber es erfordert zusätzliche Gefiederpflege, wenn der Wind von hinten ins Gefieder pustet.
Lieber in der Kuhle hocken?
Wenn es keine Erhebungen oder Pflanzen gibt, die Windschutz bieten, können sich ruhebedürftige Vögel anders behelfen. Sie nutzen Vertiefungen. Das wurde mir am sandigen Ufer einer Lagune im Sultanat Oman bewusst, wo eine Menge kleiner Watvögel im wahrsten Sinne des Wortes „gestrandet“ war.
An diesem Küstenabschnitt des Arabischen Meeres, dem Golf von Oman, verbringen viele Zugvögel die Wintermonate. Andere ziehen hier nur durch, wenn sie im Herbst aus ihren nord- oder zentralasiatischen Brutgebieten in Richtung Ostafrika unterwegs sind oder wenn sie im zeitigen Frühjahr auf dem Rückweg dorthin sind.
Eine solche Zugvogelschar aus mehreren Regenpfeiferarten und anderen Watvögeln faszinierte mich am Rand der Hauptstadt Maskat. Darunter waren neben einzelnen Mongolenregenpfeifern und Steinwälzern vor allem Wüsten- und Seeregenpfeifer. Während Steinwälzer und Seeregenpfeifer auch im Wattenmeer unserer Nordseeküste vorkommen, hatte ich Wüstenregenpfeifer noch nie gesehen.
- Die Spektive in die Lagune gerichtet
- Blick in die Lagune von Maskat
Seeregenpfeifer und Wüstenregenpfeifer vor Ort zu unterscheiden ist allerdings kein Kinderspiel, zumal sie einem selten vor der Nase herumlaufen. Da halfen mir jedoch eingefleischte Feldornithologen, mit denen ich im Oman unterwegs war, und ihre guten Spektive.
Im Winterkleid, das die meisten dieser Zugvögel noch trugen, ähneln beide Arten einander sehr. Ihre Oberseite ist grau-braun, genaugenommen schlammfarben, die Unterseite weiß.
Mit etwas Übung und dem Vergleich von Fotos am Bildschirm des PC gelingt aber die Unterscheidung:
Bei den Seeregenpfeifern haben beide Geschlechter einen weißen Halsring, und ihr Schnabel ist schmal. Die Beine sind dunkel. Am Hinterkopf entwickeln die männlichen Vögel im Brut- bzw. Prachtkleid ein rostbraunes Federfeld.
Seeregenpfeifer sind mit einer Körperlange von 15-17 cm deutlich kleiner als Wüstenregenpfeifer mit 19-22 cm.
Bei den Wüstenregenpfeifern fehlt der weiße Halsring. Der Nacken ist im Ruhe- bzw. Schlicht- oder Winterkleid beige-grau. Die Beine sind länger und heller als beim Seeregenpfeifer. Und ihr Schnabel ist viel kräftiger. Der Wüstenregenpfeifer hat einen „oft unproportioniert groß wirkenden Schnabel“, bemerkt dazu Lars Svensson in dem wunderbaren Bestimmungsbuch Der Kosmos Vogelführer (3. Aufl.) . Die männlichen Vögel im Prachtkleid ziert am Hinterkopf und auf der Brust eine rostbraune Gefiedertönung.
Manche der Wüstenregenpfeifer, die in der Lagune auf dem Sand ruhten, hatten bereits eine leichte rostbraune Färbung im Nacken und unterhalb der weißen Kehle.³ Daran und vor allem am dickeren Schnabel konnte ich sie am besten erkennen, wenn sie in einer der Kuhlen steckten – und leider von menschlichem Müll umgeben waren.

Rechts: ein einbeinig stehender Seeregenpfeifer von vorne. Links oben: der rostbraune Nacken bei einem von vier Wüstenregenpfeifern, die deutlich größer sind.
Diese Kuhlen waren übrigens ein Werk von Menschen, nämlich Fußabdrücke im weichen Sand der Lagune, die manchmal vom Meer aus überspült wird. Und der Müll? Er wird vom Wasser herangetragen oder von Menschen, die dort picknicken, einfach liegengelassen. Verstörend.
¹ Sie haben sich 2025 noch nicht wieder zum Brüten auf Neuwerk eingefunden.
² In der ornithologischen Literatur wird der Begriff Mantel oft verwendet, um das Gefieders einer Vogelart zu beschreiben. Und bei Greifvögeln, die ihre Schwingen über der Beute ausbreiten, spricht man von „manteln“. Dazu gibt es von mir einen Turmfalken-Blogbeitrag.
³ Bei den weiblichen Vögeln mit ihrem schllchten Federkleid ist vor allem der Schnabel verräterisch.
⇒ Ich habe erst im Oman verstanden, warum es wichtig ist, dass in der EU die Deckel an Plastikflaschen befestigt sein müssen: Durstige Menschen lassen sie überall liegen oder schmeißen sie weg. Ich sah sie zumal im Oman oft am Strand. Seltener sind sie dort zu sehen, wo Touristen baden.







































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