Es ist ein Glücksmoment, wenn so ein türkisblau-schillernder Edelstein plötzlich an mir vorbeizischt. Das erlebe ich in Berlin und Potsdam, im ländlichen Brandenburg, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg –Vorpommern gar nicht mal selten.
Aber die hiesigen Eisvögel sitzend oder im Flug gut zu fotografieren, ist eine Kunst.
Und da meine Fotos im matten Novemberlicht das Leuchten ihres Gefieders nicht wiedergeben, habe ich mich bei einem engagierten Naturfreund und Vogelphotographen bedient. Danke Jürgen!
Die Welt der Eisvögel in Afrika ist nochmals eine ganz andere Sache. Mein kleiner Bericht soll ein paar Einblicke in die Vielfalt der Vogelfamilie bringen, aber auch Licht und Farbe in trübe Dezembertage.
Schillernder Edelstein
Zunächst ein paar Worte zu dem hiesigen Eisvogel (Alcedo atthis), der zunehmend häufig bei uns brütet und oft auch überwintert. Ich traf einen „Überwinterer” zuletzt dort, wo die Havel in den Wannsee fließt. All das Leuchtende seines Gefieders fehlte allerdings, denn es war ein grauer Novembertag. Und zum Schillern braucht es die Sonnenstrahlen.
Doch bereits von weitem war der langschnäblige Vogel auffällig, so dass ich zum Fernglas griff: Die Haltung aufrecht, wie bei einem Specht. Nur saß er nicht direkt am Baumstamm, sondern auf einem Zweig. Außerdem war er kleiner und rundlicher – also knuffiger – als etwa ein Mittelspecht oder ein Buntspecht. Vor allem fehlte ein Stützschwanz, sehr unscheinbar war der „Stummelschwanz”.
Von seinem Sitzplatz aus, am Ende eines Zweigs, hatte der Vogel die Möglichkeit, sich kopfüber ins Wasser zu stürzen, um einen kleinen Fisch zu ergattern. Exemplare von 7 bis 9 cm favorisiert unser Eisvogel als Beute – nicht mehr als „fingerlang“ ist diese, lese ich im hochgeschätzten „Naumann“.¹
Nachhaltig beeindruckt hat mich übrigens vor einigen Jahren ein Eisvogel in Sachsen-Anhalt, wo ich bei Sonnenaufgang Singschwäne beobachtet hatte. Der Vogel saß an einem teils zugefrorenen Zufluss zur Schwarzen Elster, und zwar auf einem Zweig direkt über einem Eisloch. Dorthinein tauchte er mehrmals – doch er flog leider ab, bevor ich ihn fotografieren konnte.²
Der kleine Kerl brachte mich jedoch dazu, im Atlas des Vogelzugs (F. Bairlein u.a., Wiebelsheim, 2014) genauer nachzulesen. Und ich erfuhr so auf Seite 330 ff., dass die Angelegenheit etwas kompliziert ist, aber ganz logisch:
Die europäischen Eisvögel sind in Gebieten mit regelmäßiger Vereisung der Gewässer Zugvögel, mitunter nur Teilzieher und im S und W des Kontinents vielfach Standvögel.
Sie bleiben also möglichst vor Ort. Und obwohl selbständige Jungvögel die Tendenz haben, nach Südwesten (SW) zu ziehen, wo die Temperaturen im Winter milder sind, ergibt sich aus Ringfunden im Winterhalbjahr,
dass nur ein kleiner Teil der in Deutschland heimischen Eisvögel zur Fernwanderung neigt.
Mit anderen Worten: Solange die Gewässer nicht zufrieren, bleibt uns der Eisvogel im Winter erhalten – und in der vegetationsarmen Zeit ist er oft sogar leichter zu entdecken. Dieser Blopost ist also durchaus auch als Einladung zu verstehen: Rausgehen zur Eisvogelschau.
Eisvögel: Typisches in der Vielfalt
Sie leben auf allen Kontinenten – außer in der Antarktis. Die große Mehrzahl der Eisvogelarten ernährt sich von Fisch und ist daher an Frischwasser gebunden. Das Gefieder schimmert meist farbig. Der Schnabel ist lang, die Füße sind kurz. Johann F. Naumann¹ hat die damit verbundene Lebensweise des Eisvogels sehr passend so charakterisiert, Seite 350
Seine kleinen Füßchen scheinen nur zum Sitzen, nicht zum Gehen bestimmt, denn er geht äußerst selten und dann nur einige Schrittchen, etwa auf der kleinen Fläche eines Steins oder Pfahls, aber nie auf dem Erdboden. Er sitzt dagegen ungemein viel und anhaltend, immer still und seinen Blick meistens nach dem Wasser gesenkt…
Eisvögel gehören zur Gruppe der Rackenvögel, sind also nah verwandt mit dem Wiedehopf, der Blauracke und den Spinten. Es gibt in der Eisvogelfamilie, den Alcedinidae, unter den 92 Arten enorme Größen- und Gewichtsunterschiede; die kleinsten wiegen 9, die größten bis zu 490 Gramm. Üblichlich ist eine Unterscheidung anhand der Schwanzlänge: Zu den Kurzschwanzfischern gehören der heimische Eisvogel und der Haubenzwergfischer. Rieseneisvogel und Graufischer sind hingegen Langschwanzfischer. Alle vier Arten kommen in diesem Blogpost vor.
Ein Jumbo unter den Eisvögeln
Ich war wirklich erstaunt, als ich das erste Mal einen Rieseneisvogel (Megaceryle maxima) sah. Es geschah bei einer abendlichen Bootstour in Namibia, und zwar auf einem Seitenarm des Okavango in der Region Kawango.
Der „Giant Kingfisher“, wie er auf Englisch heißt, steht mit seinen bis zu 426 Gramm bei den Männchen an Position 3 der Eisvogelliste, wenn man die Arten nach Gewicht sortiert. Bis zu 398 Gramm wiegen die Weibchen. Und mit bis zu 40 cm Körperlänge – gemessen von der Schnabelspitze bis zum Schwanz – ist er in der Tat riesengroß. Unser heimischer Vertreter misst nur 17 cm.
Der Vogel saß auf einem Ansitz über dem Wasser, und ganz offensichtlich war dies sein Stammplatz. Mehr als Größe und Gestalt verriet ihn der weiße Kot auf den Ästen – also die Reste von vielen Mahlzeiten. Ich war begeistert.
Bei den Popa Falls, diesen faszinierenden Wasserfällen im Caprivi-Streifen von Nordnamibia, befindet sich seit Jahren ebenfalls ein Revier des Riesenfischers – einem Weibchen. Bei den Männchen ist nicht der Bauch, sondern die Brust rostrot gefärbt. Als wir die „Fischerin“ erstmals entdeckten, da saß sie unter einem kräftigen Ast und im Schatten. Mit ihrem weiß-gesprenkelten, anthraziten Rückengefieder war sie gut getarnt.
Eisvogel-typisch ist der Kopf nach unten gerichtet, denn der Ansitz befindet sich direkt über dem Wasser. Der Rieseneisvogel verzehrt außer Fisch auch häufig Flusskrebse. Darum hält er sich gern an Lagunen, in Mangroven und selbst an baumbestandenen Sandstränden auf. Er ist, was das Habitat angeht, recht flexibel. Auch an Fischteichen von Gärten lässt er sich blicken.³
Ein Verwandter des Riesenfischers ist der Graufischer. Dieser startet nicht immer von einem Ansitz aus, sondern hält auch über dem Wasser rüttelnd Ausschau nach Beute.
Das fällt natürlich leichter und ist vor allem weniger energieaufwändig, wenn man nur rund 100 Gramm und damit nur ein Drittel des Rieseneisvogels auf die Waage bringt.
Der graue Vertreter
Bei einem frühmorgendlichen Bootsausflug im Einzugsbereich des Okavango war das ein faszinierender Anblick: ein gewissermaßen schwebender Graufischer (Ceryle rudis). Er hatte am Ufer ein geniales Plätzchen gefunden – durchaus nicht geschützt. Aber diese Eisvogelart gilt grundsätzlich als wenig scheu.
Graufischer sind rund 25 cm lang und 70 bis 110 Gramm schwer. Sie fressen außer Fischchen unter anderem Wasserinsekten und Schnecken, an Land können sie zudem Termiten im Flug erwischen. Verbreitet ist diese Eisvogelart nicht nur in Afrika, sondern Unterarten leben in einem breiten Streifen von Afrika über die Türkei und Indien bis nach Thailand und China.
Die Füße sind klein, aber außerordentlich kräftig. So kann er sich gut auf dem schwankenden Halm halten, den Blick immer starr nach unten gerichtet. Und weil die Augen kaum beweglich sind, dreht und wendet er häufig den Kopf, um Beute zu fokussieren.
Das Paar vom Zambesi
Auch am Zambesi, dem Grenzfluss zwischen Namibia und Sambia, begegnete mir ein Graufischer, sogar ein Paar. Hier bietet das Ufer des breit dahinströmenden Flusses den Eisvögeln gute Nistmöglichkeiten, denn für die Höhlenbrüter sind solche Steilwände ideal.
Bei dieser Bootstour dämmerte es bereits kräftig, als wir das Graufischerpärchen entdeckten. Die Fotos haben dadurch einen Hauch von Rosa. Sonnenuntergang eben.
Wie bei allen Eisvögeln ist der Geschlechtsdimorphismus für Größe und Gewicht gering – auch im Gefieder eher unaauffällig. Beim Riesenfischer ist die Färbung der Unterseite geschlechtsspezifisch, wie anfangs dargestellt: mal liegt der rostrote Bezirk im Brustbereich, mal am Bauch. Bei den Graufischern ist der Unterschied noch dezenter: Das Männchen hat zwei dunkle Bruststreifen, das Weibchen einen.
Eingangs hatte ich geschrieben, dass die Eisvögel an mir vorbeizischen, langgestreckt wie ein Pfeil ließe sich noch hinzufügen. Das konnte ich trotz des Dämmerlichts festhalten – als das Pärchen abflog.
Irgendwann hatte die untergehende Sonne alles in ein rötliches Licht getaucht: den Sand, die Vegetation, das Wasser und die Vögel. Da ging es zurück zum Camp.
Ein Kleinod
Am nächsten Morgen startete das Boot für eine Handvoll Birder bereits um 6.30 Uhr. Das Ziel war ein ruhiger Seitenarm des Zambesi mit reichlich Schilfbestand.
Und was entdecke ich, während wir noch den Schreiseeadler, Triele und den Hammerkopf beobachten: einen Haubenzwergfischer auch Malachiteisvogel (Corythornis cristatus) genannt – mitten im Schilf und leider ziemlich weit entfernt. Aber was für eine Leuchtkraft!
Gerademal 12 bis 19 g wiegt eine solche Leuchtkugel, die vom Schnabel bis zur kaum vorhandenen Schwanzspitze rund 13 cm misst. Auch diese Eisvogelart ist ein „Fischliebhaber“, aber flexibel: je nach Angebot wandern Bienen und Insektenlarven, Grashüpfer und kleine Eidechsen in den Magen.
Keine Frage: Es gibt noch eine Menge zu entdecken. Und Vögel stehen für viele glückliche Momente; durchaus auch für Überraschungen wie im Hafen von Nizza.
¹ Johann F. Naumann: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. IV
² Ich war übrigens sehr zögerlich damit, um ihn nicht zu stören. Kein seltenes Dilemma!
³ Viele Informationen habe ich dem Handbook Of The Birds Of The World entnommen, Hrsg. Josep del Hoyo u.a., Barcelona, Bd. 6, 2001.
Eisvogel | Martin-pêcheur | Common Kingfisher | Alcedo atthis
Rieseneisvogel | Martin-pêcheur géant | Giant Kingfisher | Megaceryle maxima
Graufischer | Martin-pêcheur pie | Pied Kingfisher | Ceryle rudis
Haubenzwergfischer | Martin-pêcheur huppé | Malachite Kingfisher | Corythornis cristatus
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