Der kleine Wiesenpieper mit seinem etwas matten, weiß-braun gesprenkelten Federkleid wirkt auf den ersten Blick wenig aufregend – welch ein Kontrast zu einem langbeinigen, rotgeschnäbelten Weißstorch oder dem farbenfrohen Stieglitz.
Aber man muss diesen Pieper, der vor allem dem Baumpieper sehr ähnlich ist, in Ruhe und genau betrachten, um seine elegante Schönheit zu erfassen. Treffend beschrieben ist er hier (Brehms Tierleben, Leipzig und Wien, 1900, S. 242):
Die Federn der Oberseite sind olivenbraun, schwach olivengrün überflogen, durch dunkelbraune verwaschene Schaftflecken gezeichnet, die des Bürzels lebhafter und mehr einfarbig, ein Streifen über den Augen, Backen und Unterteile zart rotgelblich, seitlich etwas dunkler und hier wie auf dem Kropf und Brust, mit breiten, braunschwarzen Schaftstrichen geziert, ein Strich unter dem Auge und ein bis auf die Halsseiten reichender Bartstreifen schwarz …
Und das ist nicht einmal die Hälfte der Beschreibung, die Alfred Brehm in einer Zeit geliefert hat, in der die Photographie noch in den Kinderschuhen steckte, aber das Auge umso aufmerksamer hinsah.
Dieser hübsche Vertreter überraschte mich jedenfalls auf der Hallig Hooge, es war Anfang Mai. Eigentlich wollte ich zu den Eiderenten. Solange ich fast bewegungslos stand, blieb der Wiesenpieper auf seinem Zaunpfahl sitzen – seiner Singwarte. Von dort startet er, wenn er aufsteigt und im Fluge singt. Ich freute mich, ihn hier en passant entdeckt zu haben.
Denn das muss man wissen: Es gibt ihn noch, den Wiesenpieper. Aber wie viele andere Vögel, die im „Offenland“ leben – also nicht im Wald , sondern auf Wiesen und Feldern –, ist er immens gefährdet. Über die Vogelarten auf der aktuellen Roten Liste und was sie bedroht, schrieb Thomas Krumenacker in dem sehr lesenswerten Artikel Sie sind weg (Süddeutsche Zeitung vom 26.10.2016).
Der einstmals häufige Wiesenpieper beispielsweise hat in den vergangenen Jahren die Hälfte seines Bestandes eingebüßt und steht nun neben Kiebitz, Braunkehlchen und Turteltaube in der zweithöchsten Gefährdungsstufe „stark gefährdet“, unmittelbar vor der Schwelle zur höchsten Stufe „vom Aussterben bedroht.
Auch in anderen europäischen Staaten brüten immer weniger Wiesenpieper. Zum Beispiel in Frankreich, wo der kleine Geselle vor allem im Nordwesten und in der zentralen Bergregion, dem Massif Central, vorkommt, nahm und nimmt sein Bestand ebenfalls stark ab.
Für seine Brut ist der Wiesenpieper auf feuchte Wiesen und Viehweiden, auf Dünen und Moorgebiete angewiesen. Dort besetzt das Paar ein Revier, baut auf dem Boden – gern an Böschungen – ein Nest, brütet die 2 cm langen Eier aus und gemeinsam ziehen die Eltern ihre Nachkommen auf. Von geeigneten Biotopen für die Brut gibt es bei uns aber immer weniger. Genau das ist das Problem.
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