Nektarvögel sind eine faszinierende Vogelgruppe, was nicht nur an dem schillernden Gefieder vor allem ihrer männlichen Vertreter liegt. Verblüffend ist auch, mit welchen Verrenkungen und Tricks sie an den Nektar, ihre zuckersüße Nahrung auf dem Boden von röhrenförmigen Blüten, herankommen.
- Jericho-Nektarvogel
- Glanz-Nektarvogel
- Purpur-Nektarvogel
Ich begegnete kürzlich drei verschiedenen Arten von Nektarvögeln – Sunbirds heißen sie im Englischen – im Sultanat Oman. Dort war ich mit vier weiteren naturverbundenen Menschen auf einer zweiwöchigen Vogelreise in Wadis und Palmengärten, an Mülldeponien und Kläranlagen, in den Bergen, am Meer und in diversen Feuchtgebieten mit Fernglas, Spektiv und Kamera unterwegs.
Kurze systematisch Einordnung
Die Nektarvögel bilden die Familie der Nectariniidae mit mehreren Gattungen. Sie sind von Afrika ostwärts über Indien und dem asiatischen Raum bis nach Australien verbreitet. Auch auf zahlreichen Inseln im Indopazifik kommen sie vor. Wie die hiesigen Singvögel gehören sie zur Ordnung der Passeriformes – auf Deutsch: Sperlingsvögel. Der Haussperling heißt in der wissenschaftlichen Nomenklatur beispielsweise Passer domesticus.
Erkennungszeichen der Nektarvögel ist ihr langer, abwärts gebogener Schnabel mit dem sie aus Blüten Nektar saugen. Die Schnabellänge variiert von Art zu Art. Er kann etwas kürzer als der Kopf sein, aber auch bis zu dreimal so lang. Ich hatte es im Oman mit drei Arten aus der Gattung Cinnyris zu tun. Dieser Gattungsname stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie „kleiner Vogel“.
Mit ihren meist 10 – 15 cm Körperlänge sind die generell tagaktiven Nektarvögel eher klein. Oft sind sie schwer zu erkennen! Denn sie wirken – je nach den herrschenden Lichtverhältnissen – häufig pechschwarz, zumal wenn sie hoch oben in blühenden Bäumen auf Nahrungssuche sind. Am besten lassen sie sich dann an ihrem quirligen Verhalten ausmachen. Sie flattern von Blüte zu Blüte und hängen waagerecht oder kopfunter in den Zweigen.
Mit den Kolibris der Neuen Welt sind sie nicht näher verwandt. Das zeigt sich auch im Verhalten: Kolibris stehen schwirrend vor einer Blüte, wenn sie deren Nektar saugen. Nektarvögel können das in dieser Form nicht, stattdessen klammern sie sich an die Pflanze oder hängen an der Pflanze, die sie gerade besuchen.
Begegnung mit dem Purpurnektarvogel
Den ersten omanischen Nektarvogel konnte ich in einer Parkanlage der Hauptstadt Maskat beobachten, und zwar gleich hinter dem Hotel. Es war ein Purpurnektarvogel Cinnyris asiaticus. Von seinem purpurfarben glänzenden Gefieder war zunächst nicht viel zu sehen.
Im Garten der Hotelanlage stieß ich später auf einen Artgenossen, der ebenfalls auf Nahrungssuche war. Parkanlagen und Gärten mit vielerlei blühenden Pflanzen sind bei Nektarvögeln beliebt. Allerdings: Hier leben sie nicht nur gut, hier lassen sie sich auch gut beobachten. Denn sie sind an Menschen gewöhnt, werden von ihnen vor allem auch nicht verscheucht.*
Im folgenden Flugbild lassen sich sogar die chromgelben Federchen des Purpurnektarvogels erkennen, die meist unter den Federn verborgen sind. Sie leuchten immer nur kurz beim Flügelschlagen auf.
Das attraktive Gefieder der Nektarvögel offenbart sich in der Regel erst aus der Nähe. Jedoch besitzen bei fast allen Arten nur die männlichen Vertreter das typischwerweise farbig schillernde Kostüm. Aus Tarnungsgründen ist das Gefieder der Partnerinnen, die das Gelege ausbrüten und – mehr als ihre Partner – den Nachwuchs versorgen, recht unauffällig: Hell ist die Unterseite und schlammfarben bis mattgrau die Oberseite.
Vom großen Unterschied
Zwei verpaarte Purpurnektarvögel entdeckte ich tagsdarauf in den Al Ansab Lagunen, die ein sehenswertes Vogelschutzgebiet am Rande von Maskat sind. Diese ehemaligen Abwasserteiche der Stadt werden von vielen Ornithologinnen und Ornithologen besucht, denn sie bieten omanischen Vogelarten und auch vielen Zugvögeln, die im Winter aus dem Norden oder Nordosten hier durchkommen, Nahrung und Rastmöglichkeiten. Kein Wunder, dass sich hier Purpurnektarvögel angesiedelt haben, die auf dem nahegelegenen Indischen Subkontinent beheimatet sind. Im Oman sind sie längst als Brutvögel etabliert.
Das Paar, das gemeinsam in einer Akazie nach Nahrung – ich vermute nach Insekten – suchte, ließ sich hier gut beobachten. Es muss ja durchaus nicht immer Nektar sein, wie ich noch erkläre.
Das Gefieder des weiblichen Purpurnektarvogels ist von oben braun-grau und hebt sich gegen dem Untergrund mit seinen vorwiegend Braun- und Grautönen kaum ab. Der Unterschied zwischen Ober- und Unterseite ist kein Zufall: Gegen den hellen Himmel im meist sonnigen Süden fällt „frau“ mit gelblichen, beigefarbenen Federn von unten betrachtet wenig auf. Schaut aber ein Greifvogel von oben herab, dann verlieren sich die Konturen des kleinen Vogels im Geäst von Akazien oder im Buschwerk, wenn die Oberseite olivfarben, erdig beziehungsweise schmuddelig getönt ist.
Diese Vogeldame lebt in einem tief eingeschnittenen Wadi und hockt hier im Schatten einer größeren Akazie. Ich musste das Foto im Hinblick auf Helligkeit und Kontraste etwas bearbeiten, damit die gut getarnte Dame besser sichtbar wird.
Nektarvögel haben nicht nur einen langen, abwärts gebogenen Schnabel, sondern manche haben auch einen auffällig langen Schwanz. Beim Purpurnektarvogel und verwandten Arten ist er allerdings meist kurz und endet gradlinig. Eine Erkennungshilfe!
Nicht nur fleischlose Kost
Zwar leben Nektarvögel hauptsächlich vom zuckerreichen Nektar der Blüten, andererseits verachten sie auch krabbelnde Gliedertiere nicht. Im Urania Tierreich¹ lese ich auf Seite 452
Auf dem Speisezettel der Nektarvögel stehen auch Beeren, Insekten und Spinnen; die Grundnahrung ist aber Blütennektar. Der Bau der Zunge beweist es: Sie … bildet eine einfache oder doppelte Röhre, durch die der Nektar mit lebhaften Kehlbewegungen eingesogen wird.
Um den Nektar einsaugen zu können, wird die Zunge von den Seiten her eingerollt. Sie ist an der Spitze zweigeteilt. Dadurch entstehen Röhren, die auch in die Tiefe langer Röhrenblüten von Bananen oder Aloen hineinreichen. Man kann sich diese Röhren als Strohhalme vorstellen, durch die der Nektar mit pumpenden Bewegungen der Zungen- und Rachenmuskulatur eingesogen wird.
Es gibt allerdings auch die ganz pfiffigen Nektarvögel, die sich nicht mühsam über die Blüte beugen und den Schnabel möglichst tief hineinstecken, sondern die die Röhrenblüte am Blütenboden, wo sich der Nektar sammelt, anpicken. Sie werden auch als Nektardiebe bezeichnet.²
Der direkte Weg hat für die Pflanzen allerdings einen großen Nachteil: Nektarvögel streifen beim tiefen Eintauchen in die Blüten den Pollen mit ihrem Kopf ab und übertragen ihn später auf die Narbe einer anderen Blüte. Sie wirken also als Bestäuber – wie die Bienen. Viele Pflanzenarten in tropischen Regionen sind auf Vögel als Bestäuber angewiesen. Man spricht hier auch von einer Vogelblütigkeit der Pflanze oder von Ornithogamie.
Der Jerichonektarvogel der arabischen Halbinsel
Der Jerichonektarvogel Cinnyris osea wird als rußschwarz, oberseits blaugrün und an Bürzel, Stirn und Kehle blau bis violett glänzend beschrieben. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom Süden des Omans längs der Küstenlinie des Jemen und von dort nord-westwärts am Roten Meer entlang bis nach Israel und Palästina. Palestine Sunbird lautet sein Name passenderweise im Englischen.
Wenn sich die Möglichkeit ergibt, einen Nektarvogel länger zu beobachten, lässt sich meistens erkennen, ob er auf Insektenjagd ist oder nach Blüten mit Nektar fahndet. Dieser Jerichonektarvogel untersucht die weißlichen Blüten einer Akazie. Die Pflanze bildet keine langen Röhrenblüten aus wie Aloesorten. Ihre Blütenstände sind jedoch ebenfalls länglich und stehen in einer Traube nah beieinander. Der Vogel steckte seinen Schnabel immer nur kurz in eine hinein, prüft kurz darauf die nächste und saugt den Nektar auf.
In diesem Video erklingen gegen Ende kurz die Rufe eines Nektarvogels. Solche meist kurzen vokalen Elemente dienen der Kontaktaufnahme mit Jungvögeln und anderen Gruppenmitgliedern. Sie wirken alarmierend und haben vielfach die Funktion, territoriale Ansprüche zu markieren.² Wer nämlich gute, nektarreiche Futterpflanzen entdeckt hat, möchte sie nicht unbedingt mit anderen teilen.
Manche Ruffolgen der Nektarvögel sind lang, vielfach sind sie jedoch kurz. Und singen wie eine Amsel oder Nachtigall können die Nektarsauger definitiv nicht. Obwohl sie mit den Sperlingsvögeln – also auch unseren Singvögeln – nah verwandt sind, fehlt ihnen deren melodischer Gesang.
Glanznektarvogel: schillernde Effekte
Das Federkleid von Nektarvögeln ist für unsere Augen attraktiv. In welchen Farben es schillert, hat eine genetische Grundlage und ist ein Artkennzeichen. Aber was wir davon sehen, ist eine Frage des Lichts und physikalischer Gesetzmäßigkeiten. Manche Arten – wie etwa der Bindenektarvogel – sind auffälliger als andere. Auch der Glanznektarvogel Cinnyris habessinicus, der als Brutvogel im südlichen Oman und auch in Äthiopien verbreitet ist, hat ein imposantes Federkleid. Er begegnete mir in einer blütenreichen Gartenanlage am Rande eines Wadis nahe Salala. Im Schatten der Pflanzen wirkte er zunächst wie viele andere Nektarvogelarten: dunkel, ja sogar schwarz. Doch immer wieder leuchtete sein rotes Brustband auf, das ein erstes Erkennungsmerkmal ist.
Auffällig ist bei dieser Art das violett- bis grünlich-türkisfarbene Gefieder an Kopf, Hals und Nacken. Wenn er sich hier aus der Zierpflanze, dem Indischen Blumenrohr, seitlich herausschiebt, überraschen diese glitzernden Effekte.
Dass die prächtigen Farben nicht immer zu sehen sind, liegt daran, dass es sich nicht um klassische Pigmentfarben handelt wie etwa Carotinoide, die zum Beispiel beim Rosaflamingo mit der Nahrung aufgenommen werden, sondern um Strukturfarben. Diese entstehen durch die Brechung des Lichts an Gebilden der Federstrahlen.** Dort sind je nach Vogelart winzige Lamellen ausgebildet, die Licht brechen und unterschiedlich reflektieren. Zusätzlich sorgen melaninhaltige Pigmente unter anderem dafür, dass nicht reflektiertes Licht absorbiert wird.³
Wie seine Verwandtschaft innerhalb der Gruppe der Cinnyris-Gattung ist auch der Glanznektarvogel ein unruhiger Geist. Das hilft uns, ihn und andere Nektarvögel zu entdecken. Zudem ist es erklärlich: Nektarvögel ernähren sich vornehmlich von zuckereichem Saft, der rasch verstoffwechselt wird. Einen Kropf, um den süßen Energieträger zu speichern beziehungsweise zwischenzulagern, haben diese Vögel aber nicht. So wechseln sie ständig von einer Blüte zur nächsten, wie das folgende Video zeigt. Auch hier sind die Rufe des Vogels leider durch Wind etwas verrauscht.
Und jedes Insekt, jede noch so kleine Spinne am Indischen Blumenrohr wird entdeckt und abgepickt.
* Der Purpurnektarvogel gehört zu den Vogelarten, die in Weinanbaugebieten als Schädlinge betrachtet und bekämpft werden.
** Federstrahlen sind die feinen Abzweigungen vom Federschaft, die mit einander verzahnt sind und die sogenannte Fahne bilden.
¹ Das Urania Tiereich, rorro Tierwelt, Reinbek bei Hamburg, 1974, G. Mauersberger, Bd. VI, Vögel 3
² Handbook Of The Birds Of The World, Hrsg. Josep del Hoyo u.a., Lynx Edicions, Barcelona, 2008, Bd. 13, S. 216 ff
³ Maurice Pomarède: Die Gefiederfarben der Vögel, Spektrum der Wissenschaft, Spezialheft: Farben
Purpurnektarvogel | Souimanga asiatique | Purple Sunbird | Cinnyris asiaticus
Jerichonektarvogel | Souimanga de Palestine | Palestine Sunbird | Cinnyris osea
Glanznektarvogel | Souimanga brillant | Shinning Sunbird | Cinnyris habessinicus
Liebe Elke,
ein sehr schöner Beitrag!
Grüße von Andreas
Danke Andreas. Schön, dass er dir gefällt.