Dunkler Gebäudebrüter

06. Juni 2025 | Kleine Vögel, Mensch & Vogel | 0 Kommentare

Ein dunkler Vogel steht vor einer Lücke im alten Gemäuer, in der Nistmaterial liegt.

„Vater“ Hausrotschwanz mit Futter am Nistplatz

Der Hausrotschwanz ist Vogel des Jahres 2025 und ein typischer Gebäudebrüter. Das ist mir Grund genug, speziell von seiner Nestanlage in unseren Bauwerken und von seinem Brutverhalten insgesamt zu berichten. Entdeckt habe ich das Paar mit seinen Jungen, um die es hier geht, in einem Dorf im französischen Burgund. Das ist übrigens schon etwas her.

Zugeflogene Vogelart

Als ursprünglicher Lebensraum des Hausrotschwanzes gelten felsige Regionen, vor allem in Südosteuropa und bis zum Himalaya. Dort – aber auch im Alpenraum und im Atlasgebirge – bauen sie ihr Nest in eine Felsnische oder Felsspalte. Sie gelten nicht als Höhlenbrüter, sondern werden Vogelarten zugeordnet, die in einer Halbhöhle nisten, wie Zaunkönig, Rotkehlchen und Bachstelze. Sie alle sind typische Halbhöhlenbrüter.

Nicht immer lebten im Gebiet des heutigen Deutschlands und seiner westlichen Nachbarländer Hausrotschwänze. Vor rund 200 Jahren wanderten sie von Südosten kommend ein, ließen sich in passenden Biotopen nieder und sorgten für Nachkommen. Häufig nutzten sie nicht nur natürliche Halbhöhlen, sondern in Dörfern und Städten auch Gemäuer mit kleineren und größeren Lücken.

Als Kulturfolger bauen sie ihre Nester auch auf Industrieflächen oder dort, wo auf dem Land abgestellte Maschinen stehen, was nicht immer unproblematisch ist – etwa wenn der tagelang abgestellte Trekker samt Nest losfährt.

Alte und neuere sandsteinfarbene Häuser und auf dem Pflaster davor läuft eine Katze.

Dorf in Burgund: Die Katze ist unterwegs …

Im Gegensatz zu dem nah verwandten Gartenrotschwanz finden wir den Hausrotschwanz nicht in Parkanlagen oder Gärten. Auch sitzt er nicht oft im Geäst von Bäumen.² Die Dächer von Schuppen und Häusern oder das Felsgestein in den Bergen sind sein Ding. Wie verbunden der Hausrotschwanz den menschlichen Gebäuden ist, spiegelt sich in vielen Trivialnamen wider, die regional üblich waren oder sind: Dachgatzer, Dachspatz, Hausrötel, Lochbrüter, Mauerrötlein, Mauerrotschwanz …

Um die Brutpflege dieses rotschwänzigen Gebäudebrüters zu beobachten, müssen wir nach oben schauen.* Denn die Art bevorzugt erhöhte Nistplätze in Nischen, wo weder die Katze noch Greif- oder Rabenvögel leicht hinkommen, um Eier beziehungsweise Jungvögel zu stehlen.

Hausrotschwanz: eine Zufallsbeobachtung

Idyllisches Umfeld (Startplatz der fütternden Eltern markiert)

Es ist schon ein paar Jahre her, da fiel mir beim Erkunden der Hotelumgebung ein männlicher Hausrotschwanz mit Futter im Schnabel auf. Zufall! Ich war in einem dieser wunderbaren französischen Örtchen unterwegs, in denen das Leben träge dahinfließt, die meisten Bewohner sich längst davon gemacht haben und die Häuser allmählich verfallen. Hier hockte der etwa spatzengroße, dunkle  Rotschwanz mit einem Fluginsekt im Schnabel auf der Dachrinne eines alten Gebäudes. Der Ort: marode und idyllisch zugleich.

Futter für den Nachwuchs

Dass er dort nicht bleiben wollte, war klar. Aber erst als ich mich in den Schatten eines Hauses zurückgezogen hatte – und vermied, mich zu bewegen, – näherte er sich jener Hauswand, in der hungriger Nachwuchs wartete.

Abflug zu den Jungen

Sein Zögern war kein Wunder: Fütternde Singvogeleltern lassen sich nicht gerne beobachten, wenn sie zum Nest fliegen. Denn sonst verraten sie den Neststandort an potenzielle Prädatoren.

Für mich hieß es daher zunächst Abwarten: Doch das Warten hat in der Regel ein Ende. Irgendwann ist der Druck zu groß, so dass die Vogeleltern mit dem Futter zu ihren Jungen fliegen. So war es auch dieses Mal. Zunächst wurde die richtige Hauswand angesteuert und dann die Nisthöhle.

Kurzer Zwischenstopp

Ein dunkler Vogel steht vor einer Lücke im alten Gemäuer, in der Nistmaterial liegt.

Das Ziel erreicht

Und auch drin

Wenig Aufwand beim Nestbau

Bei den Hausrotschwänzen legt der weibliche Vogel nicht nur die Eier, die Dame ist zudem Bauherrin. Das heißt sie entscheidet – soweit bekannt – über den richtigen Nistplatz und baut das Nest. Dafür braucht sie etwa acht Tage. Kunstvoll geflochten wie bei Webervögeln oder der Beutelmeise ist es definitiv nicht.

Über das verwendete Nistmaterial schreibt Heinz Menzel in seiner informativen und unterhaltsamen Monographie Der Hausrotschwanz¹, Seite 44

Der Nestunterbau des Hausrotschwanzes besteht … aus trockenen Halmen. Aber auch zum Teil aus kleinen Zweigen, feinen Wurzeln, kleinen Tuchfetzen, Papier, Laub und Putzwolle. Für die Innenauskleidung werden feine Halme, Wolle, Moos und Federn verwendet.

Indem sich das Weibchen immer wieder in das aufgeschichtete Material kuschelt und dabei die Brust tief hineindrückt, entsteht allmählich eine Mulde. Dort hinein legt sie vier bis fünf Eier; es können auch ein, zwei weniger oder mehr sein.
Mit dem Brüten wird erst begonnen, wenn alle Eier gelegt sind. Dadurch schlüpfen die Nachkommen nach einer Brutzeit von rund 14 Tagen etwa gleichzeitig. Sie sind bis auf ein paar Dunenbüschel anfangs völlig nackt,. Augen und Ohren sind noch geschlossen.

Die Vogelkinder werden von beiden Eltern gefüttert, aber nur von der Mutter gehudert. Sie setzt sich locker auf das Nest und wärmt die anfangs federlosen Nestlinge. Weil das Gefieder rasch wächst, wird Tag für Tag weniger gehudert, bis die Vogelmutter nur noch nachts als Wärmekissen dient.

Nest in der Mauernische mit gut getarnten Nestlingen

Falls Hausrotschwanz-Eltern das Nest unbetreut lassen, sieht man von Eiern und Jungvögeln übrigens so gut wie nichts. Sie sind in dem lockeren Nistmaterial gut verborgen. Kommen die Altvögel zurück, dann tauchen die Jungen gewissermaßen aus der Versenkung auf.

Auch wenn der Altvogel wieder abgeflogen ist, verbergen sie sich nicht sofort. Vermutlich sind sie noch nicht völlig satt – oder einfach nur neugierig auf die Welt da draußen, in die die Eltern immer wieder entschwinden.

Zwei Nestlinge lassen sich blicken.

Sperren, wenn Futter naht

Die Hausrotschwänze in diesem Nest waren sicher mehr als zehn Tage alt, vermutlich 12. Wenn ein Elternteil am Nistplatz landete, tauchten sie auf und sperrten den Schnabel in dessen Richtung weit auf. Sehr junge Nestlinge machen das nicht. Sie können den vergleichsweise schweren Kopf kaum halten und richten den geöffneten Schnabel direkt nach oben.

Das weite Sperren wird durch die Schnabelwulst möglich. Sie sorgt bei jungen Nesthockern dafür, dass der Schnabelrand vor allem im hinteren Winkel weich und gut dehnbar ist. Da muss sich der fütternde Vogel nicht so abmühen, wenn er oder sie etwas in den kleinen Schnabel stopft.

Unübersehbar: die Schnabelwulst

Sperren in Richtung eines Altvogels

Partnerschaftliche Fürsorge

Bei den Hausrotschwänzen füttern beide Elternteile. Deren Gefieder unterscheidet sich deutlich, aber beide ziert ein leuchtend rostroter Schwanz. Der männliche Vogel ist insgesamt sehr dunkel, die Oberseite inkklusive der Flügel und auch die Brust sind dunkelgrau – teils grauschwarz. Der weibliche Hausrotschwanz ist hingegen grau-braun gefärbt.

In den ersten Tagen bringt der Vogelvater Insektennahrung heran, die von der hudernden Vogelmutter kleingequetscht und verfüttert wird. Später füttert das Männchen die Jungen selbst, das Weibchen verlässt dazu das Nest und geht auf Insektenfang.

„Mutter“ Hausrotschwanz mit Futter

Nach dem Schlüpfen ihres Nachwuchses sind die Vogeleltern 14 Tage lang unermüdlich unterwegs. Fleißige Ornithologen wie H. Nesenhöner haben die Zahl der Fütterungen pro Stunde altersabhängig erfasst und auf einen Tag hochgerechnet – verständlich, da die Altvögel schon vor Sonnenaufgang und bis nach Sonnenuntergang Insektennahrung suchen. Die Ornis kamen so bei einem Nest mit fünf Jungen auf erstaunliche hohe Frequenzen:¹

im Alter von 1 – 2 Tagen auf 8 Fütterungen pro Stunde / 130 Fütterungen in 16 Stunden
im Alter von 5 – 6 Tagen auf 23 Fütterungen pro Stunde / 380 Fütterungen in 16,5 Stunden
im Alter von 12 – 13 Tagen auf 20 Fütterungen pro Stunde / 340 Fütterungen in 7 Stunden.

Mit rund zwei Wochen verlassen Hausrotschwänze das Nest, sie sind flügge. Zurück zum Nest kommen sie nicht mehr. Zunächst werden sie im Brutgebiet noch von den Eltern gefüttert – selbst dann, wenn diese schon eine zweite Brut planen und beispielsweis das Nest ausbessern. Doch etwa zwei Wochen nach dem Flüggewerden, ist mit der Brutfürsorge der Eltern endgültig Schluss. Und die neue Generation muss alleine klarkommen.

*Ich musste mich ordentlich strecken und die Kamera schräg nach oben halten. Darunter leidet die Qualität der Fotos, die im Original allerdings weitaus besser sind als hier im Blog.

¹ Heinz Menzel, Der Hausrotschwanz, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 475, Magdeburg 1995
² Handbook Of The Birds Of The World, Hrsg. Josep del Hoyo u.a., Lynx Edicions, Barcelona, 2005, Bd. 10, S. 514 ff

Hausrotschwanz | Rougequeu noir | Black redstart | Phoenicurus ochruros

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

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5 von 824 Kommentaren

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Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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