Der Hausrotschwanz ist Vogel des Jahres 2025 und ein typischer Gebäudebrüter. Das ist mir Grund genug, speziell von seiner Nestanlage in unseren Bauwerken und von seinem Brutverhalten insgesamt zu berichten. Entdeckt habe ich das Paar mit seinen Jungen, um die es hier geht, in einem Dorf im französischen Burgund. Das ist übrigens schon etwas her.
Zugeflogene Vogelart
Als ursprünglicher Lebensraum des Hausrotschwanzes gelten felsige Regionen, vor allem in Südosteuropa und bis zum Himalaya. Dort – aber auch im Alpenraum und im Atlasgebirge – bauen sie ihr Nest in eine Felsnische oder Felsspalte. Sie gelten nicht als Höhlenbrüter, sondern werden Vogelarten zugeordnet, die in einer Halbhöhle nisten, wie Zaunkönig, Rotkehlchen und Bachstelze. Sie alle sind typische Halbhöhlenbrüter.
Nicht immer lebten im Gebiet des heutigen Deutschlands und seiner westlichen Nachbarländer Hausrotschwänze. Vor rund 200 Jahren wanderten sie von Südosten kommend ein, ließen sich in passenden Biotopen nieder und sorgten für Nachkommen. Häufig nutzten sie nicht nur natürliche Halbhöhlen, sondern in Dörfern und Städten auch Gemäuer mit kleineren und größeren Lücken.
Als Kulturfolger bauen sie ihre Nester auch auf Industrieflächen oder dort, wo auf dem Land abgestellte Maschinen stehen, was nicht immer unproblematisch ist – etwa wenn der tagelang abgestellte Trekker samt Nest losfährt.
Im Gegensatz zu dem nah verwandten Gartenrotschwanz finden wir den Hausrotschwanz nicht in Parkanlagen oder Gärten. Auch sitzt er nicht oft im Geäst von Bäumen.² Die Dächer von Schuppen und Häusern oder das Felsgestein in den Bergen sind sein Ding. Wie verbunden der Hausrotschwanz den menschlichen Gebäuden ist, spiegelt sich in vielen Trivialnamen wider, die regional üblich waren oder sind: Dachgatzer, Dachspatz, Hausrötel, Lochbrüter, Mauerrötlein, Mauerrotschwanz …
Um die Brutpflege dieses rotschwänzigen Gebäudebrüters zu beobachten, müssen wir nach oben schauen.* Denn die Art bevorzugt erhöhte Nistplätze in Nischen, wo weder die Katze noch Greif- oder Rabenvögel leicht hinkommen, um Eier beziehungsweise Jungvögel zu stehlen.
Hausrotschwanz: eine Zufallsbeobachtung
Es ist schon ein paar Jahre her, da fiel mir beim Erkunden der Hotelumgebung ein männlicher Hausrotschwanz mit Futter im Schnabel auf. Zufall! Ich war in einem dieser wunderbaren französischen Örtchen unterwegs, in denen das Leben träge dahinfließt, die meisten Bewohner sich längst davon gemacht haben und die Häuser allmählich verfallen. Hier hockte der etwa spatzengroße, dunkle Rotschwanz mit einem Fluginsekt im Schnabel auf der Dachrinne eines alten Gebäudes. Der Ort: marode und idyllisch zugleich.
Dass er dort nicht bleiben wollte, war klar. Aber erst als ich mich in den Schatten eines Hauses zurückgezogen hatte – und vermied, mich zu bewegen, – näherte er sich jener Hauswand, in der hungriger Nachwuchs wartete.
Sein Zögern war kein Wunder: Fütternde Singvogeleltern lassen sich nicht gerne beobachten, wenn sie zum Nest fliegen. Denn sonst verraten sie den Neststandort an potenzielle Prädatoren.
Für mich hieß es daher zunächst Abwarten: Doch das Warten hat in der Regel ein Ende. Irgendwann ist der Druck zu groß, so dass die Vogeleltern mit dem Futter zu ihren Jungen fliegen. So war es auch dieses Mal. Zunächst wurde die richtige Hauswand angesteuert und dann die Nisthöhle.
Wenig Aufwand beim Nestbau
Bei den Hausrotschwänzen legt der weibliche Vogel nicht nur die Eier, die Dame ist zudem Bauherrin. Das heißt sie entscheidet – soweit bekannt – über den richtigen Nistplatz und baut das Nest. Dafür braucht sie etwa acht Tage. Kunstvoll geflochten wie bei Webervögeln oder der Beutelmeise ist es definitiv nicht.
Über das verwendete Nistmaterial schreibt Heinz Menzel in seiner informativen und unterhaltsamen Monographie Der Hausrotschwanz¹, Seite 44
Der Nestunterbau des Hausrotschwanzes besteht … aus trockenen Halmen. Aber auch zum Teil aus kleinen Zweigen, feinen Wurzeln, kleinen Tuchfetzen, Papier, Laub und Putzwolle. Für die Innenauskleidung werden feine Halme, Wolle, Moos und Federn verwendet.
Indem sich das Weibchen immer wieder in das aufgeschichtete Material kuschelt und dabei die Brust tief hineindrückt, entsteht allmählich eine Mulde. Dort hinein legt sie vier bis fünf Eier; es können auch ein, zwei weniger oder mehr sein.
Mit dem Brüten wird erst begonnen, wenn alle Eier gelegt sind. Dadurch schlüpfen die Nachkommen nach einer Brutzeit von rund 14 Tagen etwa gleichzeitig. Sie sind bis auf ein paar Dunenbüschel anfangs völlig nackt,. Augen und Ohren sind noch geschlossen.
Die Vogelkinder werden von beiden Eltern gefüttert, aber nur von der Mutter gehudert. Sie setzt sich locker auf das Nest und wärmt die anfangs federlosen Nestlinge. Weil das Gefieder rasch wächst, wird Tag für Tag weniger gehudert, bis die Vogelmutter nur noch nachts als Wärmekissen dient.
Falls Hausrotschwanz-Eltern das Nest unbetreut lassen, sieht man von Eiern und Jungvögeln übrigens so gut wie nichts. Sie sind in dem lockeren Nistmaterial gut verborgen. Kommen die Altvögel zurück, dann tauchen die Jungen gewissermaßen aus der Versenkung auf.
Auch wenn der Altvogel wieder abgeflogen ist, verbergen sie sich nicht sofort. Vermutlich sind sie noch nicht völlig satt – oder einfach nur neugierig auf die Welt da draußen, in die die Eltern immer wieder entschwinden.
Sperren, wenn Futter naht
Die Hausrotschwänze in diesem Nest waren sicher mehr als zehn Tage alt, vermutlich 12. Wenn ein Elternteil am Nistplatz landete, tauchten sie auf und sperrten den Schnabel in dessen Richtung weit auf. Sehr junge Nestlinge machen das nicht. Sie können den vergleichsweise schweren Kopf kaum halten und richten den geöffneten Schnabel direkt nach oben.
Das weite Sperren wird durch die Schnabelwulst möglich. Sie sorgt bei jungen Nesthockern dafür, dass der Schnabelrand vor allem im hinteren Winkel weich und gut dehnbar ist. Da muss sich der fütternde Vogel nicht so abmühen, wenn er oder sie etwas in den kleinen Schnabel stopft.
Partnerschaftliche Fürsorge
Bei den Hausrotschwänzen füttern beide Elternteile. Deren Gefieder unterscheidet sich deutlich, aber beide ziert ein leuchtend rostroter Schwanz. Der männliche Vogel ist insgesamt sehr dunkel, die Oberseite inkklusive der Flügel und auch die Brust sind dunkelgrau – teils grauschwarz. Der weibliche Hausrotschwanz ist hingegen grau-braun gefärbt.
In den ersten Tagen bringt der Vogelvater Insektennahrung heran, die von der hudernden Vogelmutter kleingequetscht und verfüttert wird. Später füttert das Männchen die Jungen selbst, das Weibchen verlässt dazu das Nest und geht auf Insektenfang.
Nach dem Schlüpfen ihres Nachwuchses sind die Vogeleltern 14 Tage lang unermüdlich unterwegs. Fleißige Ornithologen wie H. Nesenhöner haben die Zahl der Fütterungen pro Stunde altersabhängig erfasst und auf einen Tag hochgerechnet – verständlich, da die Altvögel schon vor Sonnenaufgang und bis nach Sonnenuntergang Insektennahrung suchen. Die Ornis kamen so bei einem Nest mit fünf Jungen auf erstaunliche hohe Frequenzen:¹
im Alter von 1 – 2 Tagen auf 8 Fütterungen pro Stunde / 130 Fütterungen in 16 Stunden
im Alter von 5 – 6 Tagen auf 23 Fütterungen pro Stunde / 380 Fütterungen in 16,5 Stunden
im Alter von 12 – 13 Tagen auf 20 Fütterungen pro Stunde / 340 Fütterungen in 7 Stunden.
Mit rund zwei Wochen verlassen Hausrotschwänze das Nest, sie sind flügge. Zurück zum Nest kommen sie nicht mehr. Zunächst werden sie im Brutgebiet noch von den Eltern gefüttert – selbst dann, wenn diese schon eine zweite Brut planen und beispielsweis das Nest ausbessern. Doch etwa zwei Wochen nach dem Flüggewerden, ist mit der Brutfürsorge der Eltern endgültig Schluss. Und die neue Generation muss alleine klarkommen.
*Ich musste mich ordentlich strecken und die Kamera schräg nach oben halten. Darunter leidet die Qualität der Fotos, die im Original allerdings weitaus besser sind als hier im Blog.
¹ Heinz Menzel, Der Hausrotschwanz, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 475, Magdeburg 1995
² Handbook Of The Birds Of The World, Hrsg. Josep del Hoyo u.a., Lynx Edicions, Barcelona, 2005, Bd. 10, S. 514 ff
Hausrotschwanz | Rougequeu noir | Black redstart | Phoenicurus ochruros
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