Wenn Vögel ihr Gefieder wechseln, weil die Federn sich mit der Zeit abstoßen und dadurch in Farbigkeit und Funktion nachlassen, sehen sie manchmal wirklich „derangiert” aus. Mit anderen Worten: In der Mauserzeit wirken Vögel oft zerzaust und wenig attraktiv. Der auffällig gefärbte Gartenrotschwanz ist dafür ein gutes Beispiel.
Zwei Gartenrotschwänze begegneten mir kürzlich in einer Nische im Weinanbaugebiet des Elsass.
Dort grenzten die Rebstöcke an einen verwilderten Obstgarten, quasi eine Streuobstwiese. Mirabellen und Pflaumen, Kirschen und Äpfel wuchsen hier – und niemand, der sie erntete. Außer einer bunten Vogelschar.¹
Wer sich in diesem Umfeld am schönsten präsentierte, waren die beiden Gartenrotschwänze. Deren Bestand nimmt bei uns leider ab, weil Biotope wie dieses fehlen. Auf Streuobstwiesen finden nicht nur „Fruchtliebhaber” wie Star und Amsel reichlich Nahrung, sondern im Blattwerk, auf und unter der Baumrinde sowie in der blühenden Wiesen jagen auch die Insektenfresser erfolgreich krabbelnde oder fliegende Beute.
Gartenrotschwänze sind geschickte Insektenfänger. Das Weibchen wie auch das Männchen kamen hin und wieder aus der Deckung von Obstbäumen und dichtem Buschwerk heraus und nahmen auf einem Ansitz Platz. Der bot ihnen einen Überblick auf das Gelände und mir einen Blick auf ihr Gefieder.
Gartenrotschwanz im Kleiderwechsel
Beide Vögel waren Ende Juli eindeutig in der Mauser, auch Kleiderwechsel genannt. Das lässt sich zum einen an der teils geringen Länge der Flügelfedern ablesen, zum anderen an ihrem „gescheckten Outfit“. Es entsteht, weil die neuen Federn einen Saum besitzen, der abweichend gefärbt ist. Mit der Zeit stößt sich dieser aber ab und die Federfarben werden zunehmend klarer – Gesicht und Hals des Männchens werden zum Beispiel pechschwarz. Das neue Kleid – wie wir es aus dem Frühjahr kennen und in der Grafik dargestellt ist – erscheint dan nach und nach.
Bei der Mauser nach der Brutzeit² tauschen Gartenrotschwänze auch die großen Federn ihrer Arm- und Handschwingen aus. Diese bilden die Flügel. Der Wechsel behindert die Vögel vorübergehend, macht aber Sinn. Denn das Federkleid hat sich im Verlauf des Jahres abgenutzt, und wer wie die Rotschwänze und viele andere kleine Singvögel nach Spanien oder noch weiter nach Westafrika ins Winterquartier zieht, muss sich auf seine Flügel verlassen können.
Ausgewechselt werden außer den Flügelfedern, die zum Großgefieder gehören, auch das sogenannte Kleingefieder und die rotbraunen Schwanzfedern. Sie haben eine wichtige Steuerungsfunktion beim Fliegen – und sind beim Gartenrotschwanz wie beim Hausrotschwanz namensgebend.
Wer sich mit den leicht verwechselbaren kleinen braunen Vögeln – auch „lbb“ für little brown birds genannt – nicht so gut auskennt, hat bei den Rotschwänzen am ehesten Bestimmungserfolg: Wenn sie auf einem Ansitz lauern, sticht der rotbraune Schwanz aus dem bräunlichen, beige-grauen Gefieder hervor und im Flug flammt er kurz auf.
Und das Männchen
Das Männchen mit seinem dunklen Gesicht entdeckte ich wenig später, keine 30 Meter entfernt vom weiblichen Vogel. Besonders eindrucksvoll leuchtete sein rötlicher Schwanz, zumal der ebenfalls rötliche Bürzel gut sichtbar war. Der Grund: Die Federn seiner Schwingen hatten offenbar noch nicht die volle Länge erreicht.
Es gibt noch ein weiteres Kennzeichen für den Gartenrotschwanz: Sie haben einen Wippsteert³ – wie wir in meiner norddeutschen Heimat formulieren würden. Sie sitzen also selten ganz still, und ständig bewegt sich in Sitzposition ihr Schwanz in auffälliger Weise auf und ab.
Und hier der Bewegungsablauf eines einzelnen Schwanzzitterns in Zeitlupe:
Der Ornithologe Johann Friedrich Naumann hat vor über 120 Jahren dieses Verhalten des Gartenrotschwanzes – damals wurde er meist als Gartenrötling bezeichnet – sehr treffend so beschrieben, a.a.O. Seite 62
Unser Gartenrötling oder, wie man gewöhnlich diesen Vogel nennt, das Rotschwänzchen, ist ein ungemein lebhaftes, unruhiges und fröhliches Vögelchen… eine besondere Eigenheit der Rötlinge, die sie vor allen anderen Vögeln auszeichnet, ist eine zitternde oder schüttelnde Bewegung des Schwanzes, von oben nach unten, aber nicht seitwärts.
Man sieht
von Zeit zu Zeit diese schüttelnde Bewegung, die heftiger wird, wenn er etwas Auffälliges bemerkt, wozu er denn auch noch schnelle Verbeugungen mit dem Kopfe und der Brust macht.
Auge in Auge
Zum Abschluss eine kleine Anmerkung: Immer wieder bin ich davon begeistert, wie genau die Vögel, die ich beobachte, mich beobachten. Das bemerke ich beim Blick durch das Fernglas. Und nicht selten wird dieser wachsame Blick des Vogels von der Kamera eingefangen.
Wer das Auge auf diesem Foto betrachten möchte, kann wie üblich durch Anklicken oder Wischen das Bild vergrößern.
¹ Binnen einer Stunde begegneten mir außer den Rotschwänzen: Amsel, Star, Buntspecht, Kohlmeise, Girlitz, Buchfink, Mönchsgrasmücke und Türkentaube. Und am Rande wachte eine Saatkrähe.
² Bei dem abgebildeten Weibchen könnte es sich um einen adulten Vogel oder einen weiblichen Jungvogel handeln, der den ersten Federwechsel durchmacht. Da bin ich mir nicht sicher und lasse mich gerne belehren.
³ „Wippsteert” ist das plattdeutsche Wort für Bachstelze. Auch sie wippt ständig mit dem Schwanz (plattdeutsch: Steert). Verwendet wird Wippsteert auch für lebhafte Kinder, die nicht still sitzen können.
Gartenrotschwanz | Rougequeue à front blanc | Common Redstart | Phoenicurus phoenicurus
Liebe Elke Büser, habe gerade Ihren Beitrag gelesen und er hat mir den trüben Morgen erhellt.
Liebe Grüße aus dem schönen Neumünster.
Wie immer, bin ich von deinen Beiträgen sehr angetan und lese diese voller Freude. Ende Mai konnte ich in einem Schrebergarten im nördlichen Berlin ein Gartenrotschwanzpaar bei der Aufzucht des Nachwuchses beobachten und fotografieren. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Männchen noch im Prachtgefieder. Es war faszinierend, wie fleißig beide Eltern den Nachwuchs mit diversen Insekten versorgt haben.
Und hier das Foto des Männchens im frühsommerlichen Prachtkleid ©Günter Vetter.
Danke Günter für das tolle Foto, das in seiner Originalgröße sicher noch großartiger ist. Aber es musste ja Blog-kompatibel sein. In der Kommentarleiste ist dieser fütternde Gartenrotschwanz leider nicht sichtbar, aber in den Kommentaren direkt unter dem Blogbeitrag könnt ihr ihn anschauen.