Nicht bei uns in Mitteleuropa, sondern in der südlichen Hemisphäre zwischen Westafrika und Australien leben diese quirligen, hinreißend hübschen Vögel: die Nektarvögel.
Ich stieß in Namibia auf den Bindennektarvogel und war überrascht, dass die weiblichen Vögel ganz anders aussehen als ihre grün schillernden männlichen Artgenossen. Namensgebend ist deren weinrotes Brustband, das auf dem folgenden Foto zu sehen ist.
Nektarvögel sind nicht nur ein Hingucker, sondern ein geradezu klassisches Beispiel für Konvergenz: Während sich in der Neuen Welt – also in Amerika – die rasant flatternden, leichtgewichtigen Kolibris als farbenfrohe Nektarverzehrer einen Namen gemacht haben, spielen in der Alten Welt die Nektarvögel diese Rolle.
Ähnlich, aber nicht verwandt
Aber Nektarvögel sind nicht mit den Kolibris verwandt, vielmehr haben ihre Umwelt und insbesondere das Nahrungsangebot dazu geführt, dass beide Vogelgruppen viele frappierende Ähnlichkeiten in Aussehen und Verhalten haben. Genau das verbirgt sich hinter dem Begriff Konvergenz.
Dazu schrieb der Zoologe Jacques Berlioz vom Naturkundemuseum in Paris in Grzimeks Tierleben (Kindler 1970, Bd. 9, Vögel 3, Seite 317)
Sicher spielen Nektarvögel eine ähnliche Rolle bei der Befruchtung von Blüten und weisen auch eine bestimmte Zahl gemeinsamer Baumerkmale mit den Kolibris auf, darunter solche, die zur Anpassung an das Leben mit Blüten gehören, und andere wie die sehr häufige anzutreffende Abnahme der Körpergröße und die Umformung von Federn zu schillernden Gebilden. Aber diese Ähnlichkeiten sind oberflächlich. Im Grunde sind beide Gruppen sehr verschieden gebaut und nicht miteinander verwandt.
Typisch für Nektarvögel sind diese Merkmale
Der lange und dünne Schnabel, der abwärts gebogen und vor allem für Röhrenblüten geeignet ist.
Eine Zunge, die vorstreckbar und röhrenförmig ist, so dass sie Nektar aufsaugen kann.
Leichtgewichtigkeit für guten Halt am Pflanzenstängel: Das Gewicht von Staren ist oberstes Limit.
Üblicherweise klammern sich Nektarvögel – ganz wie unsere Rohrsänger – mit den Zehen an Pflanzenstängeln fest. Dabei sind sie zu erstaunlichen Verrenkungen in der Lage, wenn sie auf Nektarsuche sind.
Zwar können manche Arten mit raschem Flügelschlag länger vor einer Blüte stehen, aber die Kolibris sind darin viel geschickter. Und wie die „Amerikaner“ rückwärts zu fliegen, gelingt nur sehr wenigen Nektarvögeln.
Dass die Nektarvögel im Englischen Sunbirds heißen, hat vermutlich diesen Grund: Blüten öffnen sich und machen den Nektar erreichbar, wenn die Sonne scheint. Und eben dann lassen sich die Nektarschlecker blicken – mit Vorliebe in Gärten oder in Plantagen mit gelb bis orange-rot blühenden Aloe-Arten und ähnlich gebauten Blütenpflanzen.
Erstaunlich tief stecken sie ihren Schnabel in die eine oder andere längliche Röhrenblüte. Und da sie dabei den Pollen berühren und abstreifen, betätigen sie sich beim Besuch der nächsten Blüte – ganz wie die Kolibris – als Bestäuber.
Die Blütenstände von Aloen sind übrigens typisch für Pflanzen, die von Vögeln bestäubt werden und die daher vogelblütige Pflanzen heißen (M. & P. Fogden, Farben und Verhalten im Tierreich, Herder 1975, Seite 154): Sie riechen wenig, produzieren eine Menge Nektar und
ragen weit aus dem Blattwerk heraus und erleichtern so den Kolibris oder Nektarvögeln, sie im Schwirrflug auszubeuten.
Allerdings fangen Nektarvögel auch Insekten und sammeln unter anderem Spinnen, vor allem um damit den Nachwuchs zu ernähren.
Irritierendes Gefieder
In Namibia konnte ich in der Eldorado Gästefarm nahe der Etoshapfanne sowohl adulte Männchen als auch adulte Weibchen des Bindennektarvogels beobachten. Die weiblichen Vögel, die mit ihrem Partner das Nest bauen und die Jungen füttern – allerdings allein für das Brüten zuständig sind –, hielt ich zunächst für eine eigene Art. Ihr Gefieder ist im Vergleich zu den schillernden Gatten schlichter, doch mit seiner zarten Sprenkelung wunderschön. (Zum Betrachten durch Anklicken vergrößern und mit ← zurück.)
Immer wieder tauchten in den Aloepflanzen vor einem kleinen Bungalow der Gästefarm auch Nektarvögel auf, die ich nicht zuordnen konnte und teilweise für eine andere Art – etwa Rußnektarvögel – hielt.
Doch ich denke, es handelte sich dabei meist um jugendliche Artgenossen – also um juvenile, noch nicht voll ausgefärbte Bindennektarvögel. Der französische Zoologe Berlioz hat in seinem Beitrag in Grzimeks Tierleben bereits auf das altersabhängige Federkleid hingewiesen (Seite 317, Fettung von mir):
Bei alten männlichen Nektarvögeln schillert das dichte Gefieder oft in lebhaft metallischen oder glänzenden Farben, bunten prachtvollen Farbtönen, die uns wiederum an die Kolibris erinnern. Sie übertreffen sogar die Kolibris in der Gefiederpracht …“
Es gibt übrigens eine weitere Parallele zu den Kolibris: Nektarvögel sind äußerst lebendig und immer unterwegs. Sie zu fotografieren, erwies sich als Geduldsprobe. Positiv gewendet, nannte das Jacques Berlioz – übrigens ein Neffe des großartigen Komponisten – ihre „Unternehmenslust“ (Seite 318):
In all ihren Bewegungen sind Nektarvögel lebhaft und flink; sie entfalten eine ständige Unternehmenslust. …. Man sieht sie im Allgemeinen einzeln oder paarweise; aber sie vereinigen sich doch häufig zu kleinen Trupps … dabei jagen sie mit kurzen scharfen Rufen hintereinander her, ohne wirklich Angriffslust zu zeigen.
Und hätte die afrikanische Wintersonne nicht so wunderbar die Aloen im Garten der Gästefarm beschienen, dann hätte ich vermutlich viele unscharfe Fotos von den Nektarvögel mit nach Hause gebracht.
Bindennektarvogel | Souimanga de Mariqua | Marico Sunbird | Cinnyris mariquensis
Liebe Elke, wunderschöne Fotos von wunderschönen Vögel.
Und wieder so viel gelernt durch deinen Blogpost.
LG Frauke
Ich selbst habe mich auch über die Fotos von Nektarvögel in dieser Blütenpracht sehr gefreut. Ich versuche immer, nicht zu belehrend zu sein und doch den einen oder anderen Zusammenhang zu vermitteln. Super, dass dir das gefällt. Und, liebe Frauke, ich grüße dich.
Vielen Dank für deinen wunderschön geschriebenen Blog! Ich freu mich schon auf den nächsten!
Das ist wirklich schön zu lesen, dass du dich schon auf den nächsten Blogpost freust. Grüße vom Berliner Schreibtisch in die Ferne!