Federohren am Pripjat

09. Oktober 2017 | Große Vögel | 4 Kommentare

Eine Waldohreule mit hübschen Fderohren sitzt sehr aufrecht und wie ein kleiner Uhu auf einem Weidenast.

Mutter Waldohreule „hoch aufgerichtet wie ein stehender Mann“ (copyright bei allen Fotos E.Brüser)

Endlich will ich von meiner ersten Begegnung mit einer Waldohreule berichten. Es war dies ein ganz unerwartetes Ereignis am Rand der weißrussischen Stadt Turau, wo der mäandrierende Pripjat und seine Feuchtgebiete schon seit einigen Jahren unter Naturschutz stehen.

Ich besuchte mit anderen Ornithologen aus Deutschland eine kleine Beringungsstation, und erfuhr dort, dass sich keine 50 m entfernt eine Waldohreulenfamilie eingenistet hatte.

Links sitzt die Waldohreule und recht befindet sich in der Mistel verbrogen das Nust.

Wächterin am Nest (Fotos zum Vergrößern anklicken)

Der Platz war wirklich genial, denn das Nest, ein altes Krähennest, war in einer großen Mistel verborgen und ließ sich kaum einsehen. Beim Nestbau sind Waldohreulen definitiv „Faulpelze“, sie verlassen sich auf die Baukünste andere Tierarten. Und wie formulierte „Tiervater Brehm“ schon so passend (Brehms Tierleben, 1900, Bd. 5, Die Vögel Bd. 2, S. 195):

Alte verlassene Nester einer Krähe, einer Ringeltaube, der Bau eines Eichhörnchens oder der Horst eines Tagraubvogels müssen der Waldohreule zur Wiege der Jungen dienen.

Hinter den Mistelzweigen in der Weide lässt sich das Nest erahnen, auch ein kleines Wollknäuel ist zu sehen.

Nest in der Mistel

Nur mit Fernglas oder Spektiv ließen sich zwischen den Mistelzweigen in der Weide die Jungvögel entdecken: kleine helle Wollknäule.

Die Mutter hatte die weißen Eier in vier Wochen ausgebrütet und war in dieser Zeit von ihrem Partner gefüttert worden – geatzt, sagt der Fachmann oder die Fachfrau.

Nun waren die Jungen, drei Wochen nach dem Schlüpfen flügge, kraxelten auf dem Nest herum und waren dabei, es zu verlassen.

Allerdings bleiben die Eltern noch bis zu acht Wochen in der Nähe, um den Nachwuchs vor Greifvögeln wie dem Habicht zu beschützen und um sie, je nach Bedarf, mit Nahrung zu versorgen. Doch lernen die Jungen in dieser Zeit eben auch, selbst Mäuse zu erjagen.

In der Beringungsstation wusste man, dass zwei Junge bereits ausgeflogen waren. Zwei hockten noch im Nest, und die Waldohreule überwachte ihre Brut von einem benachbarten Ast aus. Meist döste die nachtaktive Jägerin vor sich hin, soweit das möglich war.

Auch den Eindruck, den die ruhende Waldohreule auf uns macht, hat Brehm genial erfasst (S. 194): Tagsüber sitzt sie auf einem Ast

hoch aufgerichtet wie ein stehender Mann.

Erst in der Dämmerung begibt sie sich auf die Jagd nach Spitzmäusen und anderen kleinen Säugetieren, auch Regenwürmer, Insekten und unaufmerksame Vögel gehören zum Speiseplan. Dazu Brehm (S. 194)

ein täppisches Vögelchen wird nicht verschont.

Vom Nestling zum Ästling

Als ich am nächsten Tag glücklich die Lasurmeise gesehen hatte und nun ein zweites Mal die Waldohreulenfamilie besuchte, hatte sich einiges geändert: Es wehte so heftig in der alten Weide, dass sich die Äste bogen und die Öhrchen der Eulenmutter gewaltig flatterten.

Die Eule sitzt mit halbgeschlossenen Augen und verwehten Federohren auf dem Weidenast.

Müde, aber aufrecht im Wind

Und inzwischen hatte ein weiteres Junges das Nest in der Mistel verlassen, war zum Nachbarbaum geflattert und dort Stück für Stück nach empor geklettert – wie das bei Eulen und Greifvögeln so üblich ist.

Ästling sitzt auf einem Weidenzweig, nahe am Stamm.

Ästling in der Weide

Und nun saß der sogenannte Ästling hoch oben in der kleinen Weide am Wasser des Pripjat.

Auf einem Weidenast sitzt hoch oben der Ästling (eingekreist).

Hoch oben in der jungen Weide der Ästling

Womöglich lag es nicht nur am nächtlichen Beutefang, sondern auch an dem heftigen Wind und den Aktivitäten des flüggen Nachwuchses, dass die Waldohreule an diesem Tag besonders geschafft aussah. Immer wieder fielen ihr beide Augen zu.

Nervende Wachholderdrossel

Und dann kam noch ein nervender Störenfried: Eine Wachholderdrossel schimpfte unermüdlich, weil sie sich von der Waldohreule belästig fühlte. Die begegnete ihr jedoch mit stoischer Ruhe, ließ sich schon gar nicht aus der Nähe des Nestes mit dem letzten Jungen vertreiben. Uun schließlich düste die Wachholderdrossel ab.

Wachholderdrossel auf einem Weidenzweig schimpft in Richtung Waldohreule.

Schimpfende Wachholderdrossel

Wachholderdrossel fliegt vom Weidenast herunter.

Der Störenfreid verschwindet.

Schon Alfred E. Brehm hat das vor über 100 Jahren anschaulich beschrieben und gleich einen Exkurs über die Bedeutung der Waldohreule und den Irrsinn der Schießwütigen angehängt (S. 198):

Auch die Waldohreule ist dem gesamten Tagesgeflügel sehr verhasst und wird geneckt und gefoppt, sobald sie sich sehen läßt. Der vernünftige Mensch läßt sie unbehelligt, weil jeder Schutz, welchen man ihr gewährt, dem Walde zu gute kommt; der unverständige Bubenjäger dagegen schießt sie vom Baume herab, wenn er ihrer ansichtig wird, nagelt sie zum Merkmale seiner Thorheit mit ausgebreiteten Flügeln an das Hofthor und rühmt sich wohl auch noch seiner Heldenthat.

Streng geschützt

Heute sind Waldohreulen streng geschützt. Und sie haben es sogar als Symbol für Naturschutz auf die Beschilderung von Naturschutzgebieten geschafft. In Deutschland gibt es rund 30.00 Brutpaare, in Mitteleuropa sollen es rund 90.000 sein. Im geographischen Europa, das bis zum Ural reicht, sind es möglicherweise noch über 200.000 Paare. Dazu zählt auch die Eulenfamilie am Pripjat.

Landschaft am Pripjat mit Wasserlauf, Weiden und hözernen Ruderbooten.

Lebensraum der Waldohreulen am Pripjat bei Turau

Um mehr über das Verhalten der Waldohreulen zu erfahren, wurden die Jungen bei der Beringungsstation von Turau beringt. Wie es dabei dem Nesthäkchen – der Nummer 4 im Nest – erging, habe ich hier erzählt.

Waldohreule | Hibou moyen-duc | Long-eared Owl | Asio otus

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

4 Kommentare

  1. Hallo , ich wohne in Wilhelmshaven.
    Und habe heute in meiner Weide im
    Garten eine Waldohreule entdeckt .
    Sie scheint da zu wohnen sehr schlank
    Mit sehr langen Ohren.

    Antworten
    • Das freut mich. Es gibt im schönen Ostfriesland eine ganze Reihe brütender Waldohreulen. Vielleicht haben Sie ja Glück und entdecken irgendwann Nachwuchs. Die Mutter sitzt dann außerhalb des Nestes, wenn die Jungen größer werden. Aber das haben Sie ja in meinem Blogpost sicher gesehen. Viele Grüße!

  2. Das ist ja ein ulkiger Vogel, so langgestreckt. Ich dachte Eulen wären dick und rund. Der Kopf sitzt doch immer irgendwie halslos auf dem Körper, als ob sie ihn einziehen würden. Dieser am Pripjat aber reckt sich in die Höhe.

    Antworten
    • Völlig richtig! Der Waldkauz ist so gesehen eine typische Eule, aber die Waldohreule ist eben besonders schlank … das liegt auch daran, dass sie tagsüber „die Federn knapp an den Leib gelegt“ ruht. Auch das ein Brehm-Zitat, das zu dem Eindruck „hoch aufgerichtet wie ein stehender Mann“ passt.

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Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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