In der kalten Jahreszeit haben uns viele Vogelarten verlassen. Zu den Arten, die bleiben oder aus der Ferne zu uns kommen und sich dann unter die hiesigen Vögel mischen, gehört neben dem Blässhuhn auch die bei Klein und Groß beliebte Stockente. Und sie ist gerade jetzt besonders schön.
Natürlich ist ein mächtiger Seeadler ein spezieller Hingucker. Auch ein stolzierendes Kranichpaar oder ein vorbeiflatterndes Grüppchen Schwanzmeisen scheinen auf den ersten Blick spannender. Aber was für eine Federpracht bei der Stockente!
Das gilt gleichermaßen für das farbig schillernde Gefieder des Männchens wie für das beige-braun gemusterte Gefieder des Weibchens. Beide haben im November die Mauser hinter sich und tragen in den Wintermonaten ein frisches Federkleid, was kein Zufall ist, sondern biologisch sinnvoll.
Der Grund: Bereits im Winter sortieren sich die Paare neu und setzen auf Attraktivität. Dann schwimmen die verpaarten Enten auf Teichen, Seen und Flüssen meist Seite an Seite und ruhen nebeneinander. Anders gesagt: Der Erpel weicht nicht von der Seite der Auserwählten. Es können aber auch zwei oder mehr Erpel sein, die ständig einem Weibchen hinterherhechten, es begleiten oder bedrängen.*
Schlummern an der Eiskante
Solange die Seen nicht zugefroren sind, bleiben Stockenten in ihrem Brutgebiet. Andernfalls suchen sie offene Fließgewässer auf oder finden sich an Meeresküsten ein, wo das Wasser nicht so schnell gefriert.
Weil sie offene Wasserflächen brauchen, kommen im Winter viele Stockenten aus den eisigen Regionen im Norden oder Nordosten Europas zu uns. Sobald es dort kalt wird, ziehen sie in südwestlicher Richtung ab und mischen sich später unter den hiesigen Bestand.
Während Entenvögel die Nacht am Ufer, auf Ackerflächen oder dümpelnd auf einem Gewässer verbringen, suchen sie tagsüber – gerade im Winter – das wärmende Sonnenlicht. Die abgebildete Gruppe aus Männchen und Weibchen ruhte am späten Vormittag an der Eiskante auf dem Berliner Wannsee, den das Havelwasser durchströmt. Viele von ihnen schliefen und haben darum den Schnabel in das Rückengefieder geschoben.
Zu dem attraktiven Gefieder der Stockentenerpel kommt noch ihr ganzjährig gelber Schnabel, der zu dem grün-violett schillernden Kopf einen schönen Kontrast bildet. Ein schwarzer und ein weißer Ring schmücken den Hals.
Bei den Damen ist der Schnabel blasser und beige-orangefarben getönt. Außerdem ist er mit einer mehr oder minder ausgeprägten grau-braunen Zeichnung gemustert. Oft formt diese eine Art Brücke quer über den Schnabel. In der Brücke liegen die Nasenlöcher, und ganz vorne sitzt der sehr dunkle „Nagel“.¹
Die Schnabelzeichnung dieses aufgeplusterten Weibchens bildet eine solche Brücke auf dem breiten Schnabel, der übrigens namensgebend ist: Anas (lat.) steht für Ente, und platyrhnchos (gr.) bedeutet Breitschnabel, zusammengesetzt aus plathýs = breit und rhýnchos = Schnabel.²
Faszinierend sind schließlich diese leuchtenden Füße. Ein derart intensives Orange der Beinkleider hat keine andere unserer Wildenten zu bieten.
Unbeschuht auf Schnee oder Eis zu stehen, ist für eine fitte Stockente kein Problem – weder bekommt sie gefährlich kalte Füße, noch friert sie fest. Das liegt zum einen daran, dass die Füße auf eine Temperatur von 0 Grad Celsius abkühlen können und bei Kälte wenig Blut in sie hineinfließt.
Zum anderen sorgen die sogenannten Wundernetze dafür, dass das kalte Blut aus den Füßen aufgewärmt wird, wenn es Richtung Herz zurückfließt. Dafür sind feinste Verästelungen der Gefäße zuständige und eine kontinuierliche Wärmeabgabe der Arterien an die nahegelegenen Venen, was eine NABU-Webseite sehr schön erklärt.
Verborgene Zierde der Stockente
Wer genau hinschaut, entdeckt bei männlichen Stockenten jeweils zwei aufwärts gebogene Anhängsel am Hinterteil. Es handelt sich um die mittleren Steuerfedern des Schwanzes, die am Ende aufgerollt sind. (Wie üblich lassen sich durch Wischen oder Anklicken alle Fotos vergrößern.)
„Locken” werden diese Ringel auch genannt, und – weil sie nur im Prachtkleid³ der Männchen vorhanden sind – auch: „Erpellocken”. An ihnen lassen sich auch im Gegenlicht – wie auf obigem Foto – die Geschlechter unterscheiden.
Weitere Markenzeichen
Zusätzlich zu den Erpellocken der Männchen hilft ein weiteres Kennzeichen, Stockenten zu identifizieren: Im Prachtkleid zeigen beide Geschlechter ein blaues Flügelfeld, das an zwei Seiten weiß eingefasst ist. Es ist beim Stehen, Ruhen, Gehen und Schwimmen nicht immer, aber durchaus oft zu erkennen. Wenn die Stockente auffliegt, entfaltet sich das Feld und wird zu einem blauen Band mit weißen Rändern.
Dieser blaugetönte Bereich gehört zu den Armschwingen. Er ist bei vielen Entenarten arttypisch und markant gefärbt. Das hilft bei der Unterscheidung der einzelnen Arten. Für das beim Fliegen entfaltete Flügelfeld hat sich der Begriff „Spiegel” durchgesetzt.
Satt werden
Stockenten gehören zu den Schwimmenten. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie – anders als die Reiherente, die Kolbenente und andere Tauchenten – ihre Nahrung in Gewässern oberflächlich suchen. Das können Pflanzen sein, die sie am Ufer abzupfen, Insekten auf dem Wasser oder Kaulquappen knapp unter der Oberfläche. Oder sie gründeln, nach dem Motto: Köpfchen unter Wasser, Schwänzchen in die Höh. Dabei stoßen sie auf die Triebe von Sumpf- und Wasserpflanzen, auf kleine Schnecken und Muscheln.
Die Stockente ist definitiv kein Nahrungsspezialist, sondern gewissermaßen „breit aufgestellt” was das Futter angeht. Und sie ist flexibel hinsichtlich der Technik der Nahrungsaufnahme. Mit Begeisterung habe ich Stockenten im Watt beobachtet, wovon ich ein anderes Mal berichten werde. Nur so viel: Es war Spätsommer, die Nordsee war grau, die Vögel waren mit dem matten Schlichtkleid ausgestattet und die Geschlechter kaum zu unterscheiden. Und dennoch war es ein Ereignis.
Winterfreuden: Nicht für die Stockente
Wenn die Gewässer zufrieren, geht den Stockenten eine zentrale Nahrungsquelle verloren. Zudem ist die Fortbewegung auf glatten Eisflächen für die breit gebauten Vögel kein Vergnügen. Das zeigt sich, wenn sie von noch offenen Wasserflächen ans Land wollen, um etwa unter der Schneedecke nach Futter zu suchen.
Die Enten müssen aufpassen, um bei ihrem von links nach rechts schwankenden Gang – dem „Watscheln“ – nicht auszurutschen. Da geht es ihnen nicht viel besser als den Schwänen. Für uns ist es unterhaltsam, ihnen zuzuschauen, für die Vögel ist es eine Herausforderung. Ich ende mit Friedrich Nietzsche, der in Die fröhliche Wissenschaft sicher nicht die Stockente vor Augen hatte:
Glattes Eis | Ein Paradeis | Für Den, der gut zu tanzen weiss.
*Auf das Thema Balz und Fortpflanzung komme ich jedoch ein anderes Mal zu sprechen.
¹ Der „Nagel” an der Schnabelspitze besteht aus stabilem Horn und nützt Vögeln beim Fressen und der Gefiederpflege.
² Das entnehme ich dem Buch von Viktor Wember Die Namen der Vögel Europas, 2017, Seite 83.
³ Was gemeinhin Prachtkleid genannt wird, gehört wissenschaftlich in die Kategorie definitives Basiskleid.
Stockente | Canard Colvert | Mallard| Anas platyrhynchos
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