Rostrot geschmückt

Drei Sperber sitzen im Geäst. Oben ein Jungvogel, links das rostrote Männchen und rechts das große grau-weiße Weibchen.
Johann F. Naumann Bd. V, Tafel 52

Im Winter stehen die Chancen gut, den einen oder anderen Sperber zu entdecken. Auch in der Stadt. Denn während Sperber normalerweise im Wald leben oder verborgen in größeren Parkanlagen und auf Friedhöfen mit gutem Baumbestand brüten, kommen sie in der kalten Jahreszeit oft den Häusern sehr nah.

Dort treiben sich immer viele Kleinvögel herum – und damit die wichtigste Beute dieses eleganten Greifvogels.

In Berlin konnte ich im Winter schon mehrmals ein Sperberweibchen beobachten, das unverhofft in unserem Garten auftauchte. Die Illustration in Johann F. Naumanns Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (1887-1905, 3. Aufl.) zeigt vorne eine solche Sperberdame mit weiß-anthraziter Querbänderung.

Bei mir und in benachbarten Gärten gibt es Futterstellen für allerlei Vögel, und viele Sperlinge hocken auf oder in den Hecken. Zuletzt entdeckte ich im Dezember 2020 eine Sperberdame im Geäst unserer Robinie und, kein Zufall, vis-à-vis vom Vogelfutterhaus.

Graue Bodendielen mit vielen kleinen, grauen Federchen

Doch jetzt ist ein Männchen aufgetaucht. Endlich. Es hatte sich gewissermaßen angekündigt.

Denn auf unserem Balkon, auf dem ein großes Futterhäuschen steht, sah es vor wenigen Tagen – und unmittelbar vor den mächtigen Schneefällen in der Hauptstadt – so aus: Die zarten grauen Federchen eines Haussperlings lagen verstreut auf den Holzdielen.

Überraschungsangriff am Futterhaus

Von ihrem Körperbau her sind Sperber darauf spezialisiert, Kleinvögel zu erbeuten. Mit ihren breiten Flügeln können sie kräftig schlagen, Tempo machen und auf engstem Raum manövrieren. Dabei hilft der lange Schwanz, den sie breit auffächern können und der sie besonders wendig macht.

Sperber jagt einen Vogel und streckt seinen langen Fang nach ihm aus.
Drehung im Beuteflug (Grafik B. Pöppelmann, a.a.O. S. 101)

Sperber jagen eleganter als die ähnlich großen Turmfalken, die meist aus dem Rüttelflug auf Feldmäuse und andere Kleinsäuger herabstoßen. Und sie sind noch viel wendiger als die größeren Habichte.

Den Sperbern gelingt es sogar mit einer eleganten Drehung, ihre Flugrichtung um 180 Grad zu ändern.

All das lese ich in Die Sperber von Rudolf Ortlieb (Die Neue Brehm-Bücherei, 1979, Bd. 523, A. Ziemsen Verlag/VerlagsKG Wolf). Und außerdem finde ich in dem wunderbaren, handlichen Werk sehr anschauliche Federzeichnungen von Bernd Pöppelmann  – so wie diese beim Beutefang.

Eines Morgens bemerkte ich aus den Augenwinkeln einen solchen Angriff. Der Greif stürzte sich rasant und mit einer unglaublichen Drehung des gesamten Körpers auf einen der Stare, die sich in meinem Futterhaus auf dem Balkon ihre tägliche Ration Mehlwürmer abholen.

Vorweg ein Wort zum kleinem Starenschwarm: Alle entkamen.

Vier Stare drängeln sich im Futterhaus
Andrang am Futterhaus – davon weiß auch der Sperber.

Und nun zu dem Sperber: Er saß etwas „verdaddert“ und wie erstarrt auf der Balkonbrüstung. Ich konnte ihn zwar in Ruhe betrachten, aber als ich endlich die Kamera in der Hand hatte, war er natürlich … weg.

Allerdings bekam ich eine zweite Chance: Sperber merken sich, wo sie Beute schlagen können. Das habe ich bereits berichtet. Und tatsächlich war der hübsche „Kerl“ nachmittags wieder da.

Als ich mit den Augen die im Februar lichten Baumkronen absuchte, stieß ich auf eine verräterische Gestalt: In der mächtigen Lärche des Nachbarn saß, mit Blick auf das Futterhaus, der männliche Sperber – allerdings meist so, dass die kugeligen Lärchenzapfen sein Gesicht weitgehend verdeckten.

Sperber mit grauem Rücken, weißen und rötlichen Federn hinter Lärchenzapfen
Die weißen Unterschwanzdecken kommen bei der Balz zum Einsatz.

Was auf diesen Fotos wirklich ins Auge springt, ist der farbliche Unterschied im Vergleich mit den Weibchen, die ich bisher gesehen hatte. Hier ist das Brustgefieder – zumindest an den Seiten – rostrot geschmückt.

Von kleinen Unterschieden

Meine Entdeckung konnte ich rasch meinen Mann mitteilen, dem dann aus einer etwas anderen Perspektive ein wirklich schönes Fotos gelang. Es zeigt einen Sperber mit aschgrauem Rücken, mit rostroten Flanken und bei genauem Hinsehen ist auch die Querbänderung des Brust- und Bauchgefieders erkennbar. Übrigens: Bei anderen Vogelarten, etwa der Sperbergrasmücke, heißt ein solches quergestreiftes Muster „gesperbert“.

Männlicher Sperber
Männlicher Sperber mit rostrotem Brustgefieder und weißen Unterschwanzdecken.

Diese rötliche Tönung kennzeichnet die adulten männlichen Vertreter. Sie fällt allerdings in der Intensität und Ausdehnung individuell sehr unterschiedlich aus. Mehr oder minder rötlich sind dann auch die Querstreifen, wie die Illustration aus dem „Naumann“ oben zeigt. Und die weißen Unterschwanzdecken spielen – wie beim Habicht – bei der Balz eine wichtige Rolle.

Kennzeichnend für Sperbermännchen ist außerdem
der helle Überaugenstreif – deutlich bei den Weibchen – ist nur wenig ausgeprägt oder fehlt,
die Augen leuchten nicht so intensiv gelb wie bei den Weibchen, sondern sind eher orange getönt und
Körpergröße und Gewicht sind gering.

Sperberherren sind viel kleiner als ihre Partnerinnen. Und sie bringen mit rund 135 Gramm nur halb so viel Gewicht auf die Waage wie die Damen. Dieser Geschlechtsdimorphismus besteht auch bei anderen Greifen, etwa beim nah verwandten Habicht.

Wer dem Sperbermännchen zuschauen möchte, kann es hier bei der Gefiederpflege beobachten. (Bitte etwas Geduld beim ersten Hochladen.) Wie schön er die Federn durch den Schnabel zieht!

 

Strategisches Jagdverhalten

Auch wenn ich keine Fotos vom jagenden Sperber anbieten kann, kommen zum Schluss noch ein paar Anmerkungen zu seinem Jagdverhalten. Es ist einfach faszinierend, wie dieser sogenannte Fluggreifer sich ernährt.

Wenn Sperber nicht gerade vis-à-vis eines Futterhäuschens auf die geflügelte Kundschaft warten, gehen sie auf die „Pirsch“. Das heißt, teils fliegen sie flach über den Boden, teils streifen sie ganz dicht an Buschwerk und Hecken vorbei. Dabei zählen sie darauf, dass die dort verborgenen Sperlinge oder andere Kleinvögel erschrocken auffliegen – und sie einen von ihnen erwischen. Dazu schreibt Rudolf Ortlieb in Die Sperber, Seite 102

Die Wendigkeit und kurze Reaktionszeit des Sperbers ist geradezu verblüffend.

Und weiter

Die so plötzlich im Gesichtsfeld des Sperbers auftauchenden und auseinanderstiebenden Beuteobjekte erfordern ein schlagartiges Reagieren. Darauf sind Sperber … bestens angepasst.

Konkret: Mit ihren Fängen – also Füßen – und den besonders langen Zehen ergreifen sie die Beute und rupfen sie an einem sicheren Ort. Die Rupfung eines Sperlings dauert etwa 10 Minuten, der Verzehr inklusive Rupfung rund 20 Minuten.

Sperber fliegt hinter einem Sperling her und der Fang ist ausgestreckt.
Grafik B. Pöppelmann, a.a.O. Seite 100

Eine bestimmte Jagdtechnik ist für die Fluggreifer geradezu kennzeichnend: Sie strecken oft nur ein Bein aus, um ihre Beute zu packen. Und noch toller: Sie greifen mit diesem Bein auch zwischen Zweige, also ins Gebüsch oder in Hecken, um einen Vogel herauszufischen.

Der dünne lange Fuß oder „Fang“ wird ausgestreckt und ist bereits geöffnet, um den flüchtenden Sperling zu erwischen. (Die Sperber, Seite 100)

Allerdings fangen Sperber ihre Beutetiere auch im Luftraum, und zwar von allen Seiten; das heißt auch von unten, indem sie hochstoßen. Und natürlich können sie auch Beute von oben anfliegen und packen. Dazu zitiere ich nochmals Rudolf Ortlieb, Seite 103

Sperber sind aufgrund der breiten Flügelfläche auch in der Lage, mit raschen kräftigen Schwingenschlägen, z.T. in Form von Halbkreisen, schnell zu steigen. Aus diesem so gewonnenen hohen Spähflug werden tiefer fliegende Kleinvögel im Sturzflug angegriffen.

Was schmeckt?

Der kleine Greif macht vielerlei Beute, nimmt auch Feldmäuse und mal eine Fledermaus, greift nach größeren Insekten, selbst nach Fröschen und Eidechsen. Gerade auch Jungvögel fallen ihm zum Opfer.

Außerdem sind Sperber anpassungsfähig: Während der eine die in den Süden ziehenden Goldhähnchen oder Rotdrosseln verfolgt und schlägt, wartet der andere regelmäßig auf die im Schilf nächtigenden Stare, und wieder ein anderer taucht täglich bei den Rauchschwalben oder den Mehlschwalben auf, die in einer sorgfältig gepflegten Kolonie brüten. Doch damit macht der Greif sich keine Freunde.

Abfliegender Star aus FutterhausAndererseits drohte der Sperber hierzulande in den 1970er Jahren als Brutvogel verloren zu gehen, lese ich im ADEBAR, dem Atlas Deutscher Brutvogelarten.

Denn durch die Belastung der Beute mit dem Insektizid DDT, brachen ihre Eischalen.

Insofern ist es ein Glück, dass es mittlerweile wieder rund 20.000 Brutpaare in Deutschland gibt.

Mein kleiner Starenschwarm, der sich offenbar für eine Überwinterung in Berlin entschieden hat und nun mit der Kälte, dem Habicht und dem Sperber leben muss, bekommt von mir zweimal täglich getrocknete Mehlwürmer. So füttere ich die in der Sonne schillernden Stare und den ein oder anderen Greif gleich mit.

Sperber | Épervier d’Europe | Sparrowhawk | Accipiter nisus



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