Bisher sah ich Singschwäne vor allem in Brandenburg, im Bereich von Oder und Havel. Aber kürzlich traf ich diese Wintergäste an der Wesermündung, also in meiner alten Heimat. Ihre Zahl hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Auch die etwas kleineren Zwergschwäne werden im Umland von Bremerhaven häufiger gesichtet. Da war es eine große Freude, eine beträchtliche Ansammlung von Singschwänen zu entdecken und beobachten zu können – ohne wirklich zu stören.
Die Wintergäste aus dem hohen Norden sind mit ihrem strahlend weißen Gefieder und dem hellgelben Schnabel eine Augenweide. Sie profitieren davon, dass zwischen Weser und Elbe ein seenreiches, feuchtes Gebiet – das Ahlen-Falkenberger Moor – als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist.
Dort sind diverse Freizeitaktivitäten verboten, und der Hund muss ganzjährig an die Leine.
Schon im Dezember 2020 wurden in dieser Region beeindruckende Ansammlungen von Singschwänen registriert – und kürzlich konnte ich die weitgereisten Zugvögel vom PKW aus selbst beobachten.
Die Landschaft östlich der Wesermündung, wo Moor und Geest ineinander übergehen, ist für mich „eine Wucht“ und lässt mein Herz höher schlagen; darum ein paar Fotos aus der Gegend von Krempel an einem diesigen Wintermorgen.
Norddeutsche kennen den Unterschied zwischen neblig und diesig: Der Nebel ist dicht und behindert die Sicht stark. Wenn es hingegen dunstig oder diesig ist, verschwinden nur die klaren Konturen. Die feinen Wassertröpfchen, die in der Luft schweben, wirken dann nämlich wie ein Weichzeichner.
Singschwäne als Überraschung
Einerseits war mir schon bekannt, dass in der Gegend wieder eine beachtliche Menge an Singschwänen überwintert, zwischen 130 und über 200 Vögel zählten ortsansässigen Ornithologen.¹ Andererseits wissen wir nie, wo sich solche Ansammlungen aktuell aufhalten.
Die Nacht verbringen Singschwäne – wie auch Gänse und Enten – auf dem Wasser, wo sie vor dem Fuchs und anderen Prädatoren sicher sind. Morgens fliegen sie in der Dämmerung ab und suchen dann Wiesen und Ackerflächen auf, um zu äsen – das heißt um zu fressen.
Allerdings wählen sie nicht immer dieselben Orte, sondern sind heute hier und morgen dort. Tagsüber ruhen die Wintergäste, pflegen das Gefieder und fressen, fressen, fressen.²
Dort, wo die Singschwäne nach meinen Vorabinformationen – danke Viola! – sein sollten, waren die großen Vögel nicht. Doch ich hatte eine Ahnung und Glück: Auf einer Wiese direkt an der Straße zum Ahlener Moorschutzzentrum waren sie an diesem Morgen gelandet.
Zunächst war es noch diesig und wie ein feiner Schleier lag der Dunst über den Singschwänen.
Jung und Alt ruhten oder fraßen saftiges Grün, während sich die Sonne nach und nach einen Weg durch den Dunst bahnte. Welch ein Geschenk! Und ich zählte: Mehr als 130 Individuen waren hier versammelt.
Was kann stören?
Singschwäne wählen ihre Äsungs- und Ruheflächen gezielt aus: Mal ist ein breiter Graben zwischen ihnen und den Menschen, mal ein Zaun, oder der Autoverkehr saust zuverlässig nonstop an ihnen vorbei. Aber fast immer liegen über 200 Meter zwischen den Schwänen und ihrem potenziellen Feind, dem Menschen.
Der greift zwar in Niedersachsen nicht zur Flinte, denn Singschwäne sind bei uns streng geschützt. Anders und fernab von Kontrollmöglichkeiten ist das aber dort, wo die Vögel herkommen, noch möglich: in Russland, im Baltikum oder auch in Nordostskandinavien.
Generell sind die nordischen Wintergäste höchst aufmerksam und vorsichtig. Stören sollten wir sie keinesfalls. Denn die Vögel müssen tagsüber viel fressen und brauchen ihre Ruhe.
Da viele Augen mehr sehen und viele Ohren mehr hören, gesellen sich immer wieder auch Kranichpaare zu den Singschwänen. Sie profitieren wechselseitig voneinander – so wie ich das auch schon für die Gemeinschaft von Kranichen und Rehen beschrieben habe.
Beobachtungstipps:
Wer Singschwäne beobachten möchte, braucht ein gutes Fernglas. Man erreicht sie entweder auf dem Rad oder zu Fuß, wird in der Nähe immer langsamer und bleibt stehen, bevor die Gruppe unruhig wird und viele die Hälse recken.
Oder er oder sie kommt mit dem PKW und hält am Straßenrand. Das Auto zu verlassen, ist keine gute Idee, es beunruhigt die Vögel. Besser ist – und ein Tipp, den ich bereits gab: bei geöffnetem Fenster im Auto bleiben, zuschauen und sich ruhig verhalten.
Singschwäne kontrollieren uns permanent, ziehen sich zurück, wenn der Abstand zu gering ist, oder fliegen davon. Sie werden sich aber sehr entspannt verhalten, wenn nichts Ungewöhnliches geschieht.
Der folgende Videoausschnitt zeigt, dass jedes vorbeifahrende Auto eine Störung bedeutet, denn die Schwäne unterbrechen die Nahrungsaufnahme. Als das Auto vorbei war, senkten sie wieder die Köpfe, was nur andeutungsweise zu sehen ist.³
Das Video mit dem anrollenden PKW:
Und dieselbe Szene nochmals, aber nur als schwarz-weiße Szenerie mit harten Konturen, wodurch das Verhalten noch deutlicher wird:
Von den Eltern lernen
Wenige Wochen alte Singschwäne habe ich in Schweden im Hochsommer beobachten können. Bei Bremerhaven sah ich Jungschwäne nun in ihrem ersten Winter: Das Gefieder ist nicht weiß, sondern grau, und der Schnabel ist zwischen dem Ansatz und der schwarzen Spitze fleischfarben, und nicht rein gelb wie bei den adulten Artgenossen.
Was mir bei dieser Gruppe besonders auffiel, das ist zum einen die Aufmerksamkeit, mit der die Jungen auf Veränderungen am Straßenrand reagierten. Sie erschienen mir sogar aufmerksamer, vielleicht auch einfach neugieriger, als die erwachsenen Tiere.
Noch etwas sprang mit ins Auge: Die Jungen fressen gerne genau dort, wo die adulten – sehr wahrscheinlich ihre Eltern – fressen. Dieses Verhalten kenne ich vom Grauen Kranich auf den Feldern nahe Linum bei Berlin. Und so lernt sich eben in jungen Jahren, was bekömmlich ist und was nicht.
Auch das gemeinsame Fressen nochmals als Video. Und wieder wird deutlich, dass gerade die jungen Vögel auf Unruhe sensibel reagieren und bei ungewohnten Geräuschen den Hals recken. (Womöglich fuhr sehr weit entfernt ein Trecker übers Feld.)
Zum Schluss ein Videoabschnitt, der gut illustriert, wie die Singschwäne – und auch das Kranichpaar – sich verhalten, wenn man etwas länger und geräuscharm im PKW sitzt. Sie gehen gewissermaßen ihren Alltagsgeschäften nach und lassen uns zusehen. Es sind jedoch wildlebende Vögel und keine Parkbewohner wie viele unserer Höckerschwäne. Darum: Bitte nicht stören.
¹ Bisher konnte ich nicht in Erfahrung bringen, woher die Singschwäne am Ahlen-Falkenberger Moor kommen. Vermutlich ziehen sie aus Finnland zu uns, aber theoretisch kommt auch das Baltikum und vielleicht Russland in Frage. Falls sich das klären lässt, ergänze ich das.
² Singschwäne ernähren sich nicht nur auf Wiesen und Feldern, wie die Höckerschwäne gründeln sie auch im Wasser.
³ Ich muss alle Videosequenzen immer stark kürzen, damit sie den Blog nicht sprengen.
Singschwan | Cygne chanteur | Whooper swan | Cygnus cygnus
So wunderschöne Fotos!
Dass dir die Fotos gefallen, freut mich sehr! Danke Juliane. Ich würde sie gerne in voller Größe einstellen, aber für den Blog muss ich sie leider reduzieren.