Sie sind wieder da, die Singschwäne, die alljährlich aus den Brutgebieten im hohen Norden zu uns kommen. Wer sie einmal gehört hat, diese etwas dumpfen Töne aus der „Kehle“ der stattlichen Vögel, wird fasziniert sein. So wie ich.
Der Gesang der Singschwäne hat nichts mit dem Gesang einer Amsel oder Nachtigall zu tun. Es sind eher Glockentöne, die sie in der so genannten Syrinx – quasi der Vogelkehle – erzeugen und aus der Tiefe ihrer langen gewundenen Luftröhre hervorlocken. Ihre Stimme ist sonor, der Output wird oft als „posaunengleich“ beschrieben. Vor allem, wenn die Winterlandschaft totenstill ist, klingen ihre Töne wie aus einer anderen Welt.
Die stimmbegabten Singschwäne nennen Briten übrigens Whooper Swan – also den schreienden, rufenden Schwan. Den Höckerschwan bezeichnen sie hingegen als Mute Swan – also als den stummen, stillen Schwan.
Vom kleinen Unterschied
Aus der Ferne und vor allem im trüben Winterlicht, sind Singschwäne und Höckerschwäne kaum zu unterscheiden. Denn das Gefieder der erwachsenen Vögel ist bei beiden Arten strahlend weiß, der Hals 70 – 80 cm lang, ihre Größendifferenz unauffällig und wenn die Tiere im seichten Wasser kopfüber gründeln, ist auch das simpelste Unterscheidungsmerkmal verborgen: der Schnabel. Bei Singschwänen ist er hellgelb, bei Höckerschwänen hingegen orange-rot und bei den männlichen Tieren mit einem imposanten schwarzen Höcker gekrönt. Schaut man genauer hin, zeigt sich auch, dass Singschwäne ihren Hals aufrechter tragen. Und er ist dabei weniger gebogen.
Swan watching
Höckerschwäne leben bei uns ganzjährig, während Singschwäne meist Ende Oktober aus den Tundrengebieten in Russland und Skandinavien als Wintergäste kommen. Sie landen in der norddeutschen Küstenlandschaft, bevölkern die mecklenburgische Boddenregion oder ziehen längs der Oder, Elbe oder Havel ins Binnenland.
Schwäne brauchen offene Wasserflächen für die Gefiederpflege und als Schlafplatz,
weiß der Biologe Nico Stenschke, der jahrelang im Rahmen seiner Bachelor- und Masterarbeit Singschwäne gezählt und mit Sendern versehen hat, um ihre Zugrouten zu erkunden.
Die Nacht verbringen Singschwäne auf dem Wasser und sind so vor Füchsen sicher. Aber schon bei Sonnenaufgang fliegen sie in Familientrupps ab. Wer das einmal bestaunen will, muss selbst früh aus den Federn, um dann wie ich von Berlin aus die Schlafplätze in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt zu erreichen. Aber es lohnt und ist ein faszinierender Moment. Tagsüber gründeln die Tiere im Flachwasser von Flüssen, futtern dabei Wasserpflanzen wie Seegras und Laichkraut. Oder sie ruhen auf sonnigen Feldern, fressen dort Maisreste oder jungen Winterraps.
Übrigens sind die großen Vögel auf schneebedeckten Feldern tagsüber oft kaum zu erkennen und von anderen Schwänen nicht auf den ersten Blick zu unterscheiden. Sie sind äußerst vorsichtig, lagern in sicherem Abstand zu Straßen oder Feldwegen und gehen dadurch in der weißen Landschaft praktisch unter. Nico Stenschke hat eine Bitte:
Die Vögel haben eine lange Zugroute hinter sich. Der Winter ist eine harte Zeit. Darum sollte man sich ruhenden Singschwänen – manchmal sind auch Höckerschwäne und die seltenen Zwergschwäne darunter – nicht nähern. Das beunruhigt die Tiere. Sie stehen auf, fliegen davon und verlieren Energie.
Singschwan | Cygne chanteur | Whooper swan | Cygnus cygnus
Den Gesang des Singschwans kann man sich hier auf xeno canto anhören: https://www.xeno-canto.org/species/Cygnus-cygnus, dort gibt es auch Sonagramme. Eigenartigerweise ist dort die lateinische Bezeichnung (Cygnus cygnus)-
Toller Tipp. Cygnus cygnus sagt mein Vogelführer auch, aber in meinem uralten „Brehms Tierleben“ hat er noch den schönen Namen Cygnus musicus.
Kleine Ergänzung zum „musikalischen Schwan“ aus „Brehms Tierleben“ von 1900.