Erst matt gefärbt, später rosarot

Am blauen Himmel fliegt ein grauer Jungvogel umrahmt von sieben arwachsenen Rosaflamingos.
Ein grauer Jungvogel zwischen sieben adulten Rosaflamingos

Mit seinen rosagefärbten Stelzenbeinen, dem langen biegsamen Hals und einem Gefieder, das seine ganze Farbenpracht erst offenbart, wenn es entfaltet wird, ist der Rosaflamingo ein Hingucker. Dabei ist es einerlei, ob er wie ein schwarz-rot-rosa Wimpel durch die Luft gleitet oder elegant durchs Wasser schreitet.

Wer ein Feuchtgebiet am Mittelmeer besucht, hat gute Chancen Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus) zu beobachten. Auch an der Küste von Nord-, West- und Ostafrika kommt der Rosaflamingo vor. Mir begegnete die Art schon mehrmals: an der Küste von Südfrankreich und von Spanien, im Gebiet der ostafrikanischen Salzseen und erst kürzlich in Nordgriechenland.

Zu seiner Verwandtschaft zählen der Chile- und der Kubaflamingo, der Zwergflamingo Afrikas und der Anden- sowie der Jamesflamingo, die beide vornehmlich in Chile und einigen Nachbarstaaten vorkommen.

Acht Rosaflamingos schreiten durch blau schimmerndes Flachwasser, in dem sie sich spiegeln
Adulte Vögel im Flachwasser der ehemaligen Salinen von Thessaloniki

Eine Vielzahl von Rosaflamingos konnte ich am Rand von Thessaloniki im Gebiet der ehemaligen Salinen beobachten. Es liegt nah am Axios-Delta und gehört zu einer naturgeschützten Zone, die leider dennoch nicht frei ist von Müll und von vergessenen oder abgeladenen Utensilien. Es ist dennoch – und teils auch deshalb – eine sehenswerte Gegend und ein guter Ort für die Vogelbeobachtung.

Während bei meiner Ankunft manche dieser langbeinigen Vögel im Flachwasser des Salinenbereichs standen, ruhten andere meerseitig. Und das ergab eine wunderbare Szenerie.

Rund 80 rosafarbene Flamingos stehen im Meerwasser, dahinterim Dunst liegen Schiffe und an der Küste eine Stadt und Gebirge.
Im Hintergrund Frachtschiffe, die Stadt Thessaloniki und das Chortiatis-Massiv

Rosaflamingos halten Abstand von uns Menschen. Aber nachdem ein Traktor endlich vorbeigeklappert war, ergab sich hier zufällig die Möglichkeit, genauer und länger auf zwei Jungvögel zu schauen.

Im Wasser stehen zwei flamingos, dahinter das steinerne Ufer und ein blauer, alter Traktor

Rosaflamingos leben und brüten in großen Kolonien. Frisch geschlüpft haben ihre Jungen ein weiß-graues Dunenkleid. Die Beine sind in den ersten Lebenstagen noch rot gefärbt, werden aber rasch schwarz. Nach dem Ersatz der Dunen ist ihr Gefieder grau-braun getönt. Der Schnabel ist anfangs dunkel und gerade, also nicht Flamingo-typisch abwärts gebogen. Er wird zunächst blasser und mit der Zeit – außer an der Spitze – rosafarben.

Grau-weißer Jungvogel von hinten im Wasser stehend.
Jungvogel mit hellem Schnabel und matt getöntem Gefieder.

Das Gefieder der Jungvögel wird durch den Gefiederwechsel im ersten Jahr heller, bevor es zunehmend farbig wird. Doch erst im Alter von drei bis vier Jahren besitzen Rosaflamingos die ganze Pracht des adulten Gefieders. Und erst mit etwa sechs Jahren schreiten sie zu ersten Brut!

Spezieller Lebensraum

Wasserfläche mit Schilf und Inselchen, außerdem Löffelente, rosaflamingos, Kormorane.
Schilfzone mit Rosaflamingos, Löffelenten, Mittelmeermöwen und Kormoranen.

Der Rosaflamingo frisst kleine Krebstiere, Algen und Einzeller, die er aus dem Wasser filtert. Kein Wunder, dass wir ihn ausschließlich am Wasser beobachten. Dass Salzkrebschen seine „Leibspeise“ sind, erklärt, warum er hauptsächlich in Feuchtgebieten nah am Meer vorkommt: Salzseen, Salinen und Lagunen sind sein Lebensraum.

Zwei junge Rosaflamingos stehen im wasser und putzen mit verdrehten Hälsen ihr Gefieder.
Gefiederpflege am Morgen

Meist sieht man Flamingos ruhig und fast unbweglich im Flachwasser stehen, oft auf einem Bein. Oder sie putzen ihr Gefieder, so wie diese Jungvögel, die sich – wie ich später zeigen werde – noch in der Obhut eines Altvogels befinden.

 

Rosaflamingos beim Seihen

Und was machen die Flamingos, die ihr Gefieder gereinigt haben und nicht ruhen, aber auch nicht das nächste Feuchtgebiet anpeilen? Sie fressen. Und das auf eine besondere Art, nämlich kopfüber und mit einem von der Evolution ausgeklügelten Filterapparat im Schnabel.

Zwei grau-braune junge Rosaflamingso stehen im Wasser . einer hat den Schnabel im Wasser, der andere zeig tihn leicht geöffnet.

In Zoologischen Gärten lässt sich gut beobachten, wie die großen Stelzvögel mit dem Kopf unter Wasser beziehungsweise mit dem Schnabel im Wasser nach Nahrung suchen. Dabei helfen hornige Lamellen, die eine Art Kamm zwischen Unter- und Oberschnabel bilden. Diese Art der Nahrungsaufnahme nennen wir in der Biologie auch seihen.

Junger Rosaflamingo im Wasser stehend

Junger Rosaflaminog mit ins Waser gesenktem Schnabel

Junger Rosaflamingo mit Schnabel im Wasser.

Die Verhaltensbiologin Adelheid Studer-Thiersch, eine Spezialistin für den Rosaflamingo, hat in Grzimeks Tierleben (Kindler, Zürich 1968, Bd. VII, Die Vögel 1) anschaulich beschrieben, wie die Nahrung mit Hilfe der Lamellen im Schnabel gefiltert wird und tiefer in die Mundhöhle gelangt. Auf Seite 420 erläutert sie: Beim Seihen

… können nur Teilchen bis zu einer bestimmten Größe mit dem Wasser in den Schnabel eingesogen werden. Zu diesem Zweck zieht der Flamingo bei leicht geöffnetem Schnabel seine dicke, fleischige Zunge zurück, wodurch im Schnabel ein Unterdruck entsteht und Wasser nach innen strömt. Darauf schließt der Vogel den Schnabel und bewegt die Zunge nach vorn; das Wasser wird wieder aus dem Schnabel herausgepreßt, während die Nahrungsteilchen an den Lamellen hängen bleiben.

Und weiter

Beim nächsten Zurückziehen der Zunge werden sie (die Nahrungsteilchen, E.B.) von den hornigen, stacheligen Zungenfortsätzen in die Mundhöhle befördert, gleichzeitig strömt erneut Wasser ein.

Nun ein Video-Ausschnitt, der das Seihen mit untergetauchtem Kopf vorführt.

Nicht nur die Nahrungsaufnahme mit dem imposanten Schnabel und einem speziellen Filtersystem ist im Reich der Vögel eine Besonderheit, sondern auch die Art und Weise, wie Flamingos ihren Nachwuchs füttern.

Der Schnabel der Flamingoküken ist anfangs – wie schon erwähnt – gerade. Und die Lamellen sind zunächst noch gar nicht ausgebildet, sondern entstehen erst allmählich. Das Filtersystem ist daher nicht einsatzbereit. Erst wenn der junge Flamingo schon längst fliegen kann und mehr als zwei Monate alt ist, gelingt es ihm effektiv zu seihen.

Da fragt sich, wie er bis dahin überlebt hat. Und die Antwort: Vögel sind keine Säuger, produzieren keine Brustmilch und können also nicht stillen. Aber ein Drüsengewebe in der langen Speiseröhre von Flamingos bildet ein nahrhaftes rötliches Sekret.¹ Das wird, sozusagen von Schnabel zu Schnabel, an die Jungen verfüttert.²

Selbst wenn die Küken flügge sind, werden sie weiter betreut, sowohl von den Eltern als auch von anderen Gruppenmitgliedern aus der Brutkolonie. Dazu bilden sich Krippen, auch Crèche (frz.) genannt, mit vielen „Kindern” und wenigen „Erziehern” und „Erzieherinnen“.

Hier nun die Fortsetzung des Putzvideos vom Beginn dieses Blogbeitrags:

Schließlich standen die Flamingos zu Dritt mr gegenüber, und der Altvogel beäugte mich etwas skeptisch.

Ein rosagefärbter Flingo und zwei graue Jungvögel im Wasser

Diese beiden jungen Rosaflamingos am Rand von Thessaloniki waren im Prinzip selbstständig. Ganz auf sich alleine gestellt waren sie nicht, denn der Altvogel blieb in ihrer Nähe. Doch wer war es? Die Mutter, der Vater oder ein anderes Mitglied der Kolonie … ich weiß es nicht.

Jung- und altvogel fliegen gemeinsam von einer Waserfläche hoch, man sieht sie Laufspuren auf dem Wasser.
Ein adulter, ausgefärbter Flamingo und ein Jungvogel im 2. Lebensjahr starten vom Wasser aus.

 

¹ Die rote Farbe des Sekrets rührt von den Carotinoiden in der Nahrung her, denen Flamingos auch ihre rötlichen Federn und Beine verdanken, und vom Blutfarbstoff.
² Ein ähnliches Drüsenprodukt ist die Kropfmilch der Tauben, die ebenfalls an die Jungen verfüttert wird.


Rosaflamingo | Flamant rose | Greater Flamingo | Phoenicopterus roseus



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3 Kommentare zu “Erst matt gefärbt, später rosarot

  1. Schöner und informativer Artikel. Ich lebe seit gut einem Jahr in El Mojon (Südostspanien) direkt an den dortigen Salinen. Hier haben wir eigentlich immer einige Flamingos. Durch eine Asphaltstraße, die sich an den Salinen entlangschlängelt, ist die Scheu der Tiere etwas weniger. Dadurch konnte ich hier mit etwas Glück Aufnahmen aus großer Nähe machen. Allerdings ist bei ca. 10 m Schluss. Dann starten sie durch und lassen sich einige Meter weiter nieder. Für Hobbyfotografen wie mich reicht das aber allemal für tolle Fotos. Ich kann die Ecke hier also nur empfehlen.

  2. Schön geschrieben, schöne Bilder. Ich hätte mir nur noch gewünscht, denn es wäre zu erwähnen, dass sie auch in Deutschland leben und brüten, auch wenn es nur eine kleine Kolonie ist. ?

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