Eigentlich müssten in Brandenburg nun alle Weißstörche aus dem Winterquartier zurück sein. Ich vermisse aber meine „Lieblinge“, die ich letztes Jahr via Facebook durch den Sommer begleitet habe. Ich nannte sie Tristan und Isolde. Aber noch immer ist ihr angestammter Horst leer.
Zum Glück ist im Nachbarörtchen ein attraktives Paar gelandet. Sie scheinen sehr vertraut und haben einen imposanten Kunsthorst besetzt. Wahrscheinlich hat das Paar auch im letzten Jahr in diesem Horst die Jungen aufgezogen. Denn Störche sind standorttreu. Der Ornithhologe und Leiter der Vogelschutzstation Neschwitz Gerhard Creutz schrieb dazu (Neue Brehm-Bücherei, Der Weißstorch, 1985, S. 74):
Störche beziehen oftmals jahrelang das gleiche Nest als Dauerhorst.
Dieser ruht auf einem künstlichen Mast. Ich hoffe, dass das Nest stabil genug ist und nicht bei Sturm weggeweht wird. Das passiert immer wieder, und darum werden alte Nester zurechtgestutzt oder abgetragen. Wie das heutzutage von statten geht, lässt sich sehr schön auf der Webseite des Storchenclubs Rühstädt ansehen (Blogeinträge zur Nesteraktion im März 2017).
Wenn Weichdächer fehlen …
Störche bauen jedes Jahr weiter an ihrem Nest. Dadurch wachsen sie vor allem in die Höhe. Wie unglaublich mächtig Storchenester werden können, las ich bei Rudolf Mell in „Der Storch“, einem ganz frühen Bändchen von Neue Brehm-Bücherei (1951, S. 16):
Das größte Storchennest mit einer Breite von 2,25 m und einer Höhe von 2,8 m (!) befindet sich auf Schloß Friedrichswerth bei Gotha, das schwerste untersuchte wog 990 kg.
Das entspricht dem Gewicht von einem ausgewachsenen Eisbären. Übrigens steht das Barockschlösschen in Thüringen noch, aber vom Storchennest war im Internet keine Spur. Ich vermute, dass es früher auf dem zentralen Turm des Schlosses stand.
Manchmal ist das Problem nicht, dass ein Nest zu mächtig wird, sondern man muss einen alten Schornstein abtragen oder ein Dach wird repariert. Weil seit langem Weichdächer aus Schilf oder Stroh fehlen, wird dann ein Kunsthorst hergerichtet. Meist akzeptieren die Störche den Ersatz, wenn sie im Frühjahr heimkehren. Gerhard Creutz hat verschiedene Möglichkeiten gezeichnet (S. 76).
Jeder Kunsthorst braucht eine feste Unterlage, etwa einen Dachreiter (3), einen Schornstein (6) oder einen Mast (9).
Oben drauf kommt der Horstaufbau. Das kann ein Rad (1) oder auch ein geflochtener Korb sein.
… dann lass dich anders nieder
Was den Nistplatz angeht, sind Störche recht flexibel. Wie der Schwarzstorch bis heute, so brütete früher auch der Weißstorch in der Regel in Bäumen. Aber längst ist Vielfalt angesagt.
Bekannt ist allerdings, dass sie keine begabten Nestbauer sind. In der Tat ist der Horst kein Vergleich zu den filigranen Gespinsten der Webervögel oder eines Teichrohrsängers. Der Rudolf Mell schreibt (S.17):
Es zeigt sich, dass im allgemeinen ein Storchenpaar, das vollständig neu bauen muß, so viel Zeit damit verbringt, daß es in dieser Brutsaison seine Jungen nicht mehr hochbringt. Darum auch der instinktive und grimmige Kampf um die Horste!
Einen solchen Kampf habe ich beobachtet: Die Hälse wurden blutig und immer wieder stürzten sich die Angreifer von oben auf die Horstbesitzer. Aber dazu ein andermal mehr.
Menschenscheu sind Störche nicht, das konnte ich auch im Elsass und in Marokko sehen. Sie nisten gerne dort, wo Menschen leben, bleiben aber normalerweise auf Distanz. Doch unerwarteter Baulärm, ein Feuerwerk oder außergewöhnlicher Kinderlärm kann sie laut Rudolf Mell von einem Horst vertreiben. Manchmal müssen dann sogar ihre Eier anderen Störchen untergeschoben werden – oder sogar elternlose Storchenküken. Man spricht von „Einhorsten“.
Horstvarianten
Einige der verschiedenen Horstvarianten, die ich in den letzten drei Jahren in Brandenburg und Marokko sah, habe ich hier zusammengestellt.
Weißstorch | Cigogne blanche | White stork |Ciconia ciconia
Einfach klasse, dass hier mal der Soester Anzeiger vertreten ist, weil er über BiolehrerInnen und SchülerInnen berichtet hat, die sich um die Wiederansiedlung von Störchen kümmern.
Wunderbare Störche! Und die Bauanleitung für einen Kunsthorst sieht „machbar“ aus. Ob die Störche wohl auch bald wieder in Westfalen aktiv werden? In einem Vorort von Soest – dem kleinen Ampen – hatten Schüler vor knapp zwei Jahren eine Nisthilfe konstruiert: https://www.soester-anzeiger.de/lokales/soest/schueler-wollen-ampen-storchendorf-machen-soest-5950908.html Mal gucken, ob sich da wieder was tut.