In meinen Notizen über das Glück und die Überraschungen beim Vogelbeobachten habe ich geschrieben, dass es sich lohnt, jederzeit Augen und Ohren offen zu halten. Kürzlich war ich nun in Berlin Marzahn, um dort endlich die Gärten der Welt zu besuchen – mal ohne Fernglas und ohne das mächtige Teleobjektiv für die Kamera mit bis zu 800 mm Brennweite. Und was fliegt vorbei, als ich in einer dieser Gondeln der Seilbahn sitze: ein Mäusebussard.
Es war ziemliches Glück, dass er keineswegs auf und davon war, als ich endlich die Gondel und dann auch die Seilbahnstation verlassen hatte.
Tatsächlich hatte er gleich um die Ecke auf einem Mast Platz genommen – wie das Foto oben zeigt. Das war allerdings ein ziemlich hoher Ansitz für einen Mäusebussard, der seine Beute normalerweise nicht im Flug packt, sondern Mäuse und andere kleine Nager vom Boden holt.
Kurz darauf flog er weiter, landete jedoch nicht weit entfernt auf der hölzernen Stütze einer jungen Birke. Von dort blickte er in die Runde, scannte sehr aufmerksam das Gelände um sich herum.
Wer ist dieser Bussard?
Glücklicherweise hatte ich wenigstens meine Kamera mit dem schwächeren Tele (400 mm Brennweite) dabei. Und so zeigen die folgenden Fotos aus gebührender Distanz einen wirklichen schönen Mäusebussard. Unklar ist allerdings, ob er in Marzahn lebt oder aus dem nahen Brandenburg in die Hauptstadt geflogen ist. Ob es sich um einen Jung- oder Altvogel handelt. Ob es ein weibliches oder ein männliches Tier ist. Alter und Geschlecht lassen sich beim Bussard nicht leicht bestimmten, das bestätigen mir erfahrene Greifvogelexperten der AG Greifvogelschutz des NABU in Berlin.
Auf diese Fragen gibt uns weder die Augenfarbe noch das Gefieder klare Antworten. Bei adulten Vögeln ist die Augenfarbe oft intensiver braun, das Gefieder von Brust- und Bauchseite eher streifig – „quergebändert“ heißt es in der Fachsprache – und eben weniger fleckig. Aber das heißt alles gar nichts, denn beim Bussard mischen sich die Eigenschaften von Individuum zu Individuum neu. Das gilt auch für die Farbe des Federkleides. Dazu schrieb bereits Johann F. Naumann in der Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (Ausgaben 1887-1905, 3. Aufl., Bd. V, S. 181)
In den Farben des Gefieders herrscht bei diesem Vogel eine so außerordentliche Verschiedenheit, dass wir sie in dem Maße bei keinem anderen heimischen Raubvogel so antreffen. Vom dunkelsten einfarbigen Schwarzbraun bis zum reinsten Weiß findet man nicht nur alle Abstufungen jener Farbe zu dieser, sondern auch beide auf eine so mannigfache Weise vermischt und durcheinander gefleckt, dass die zahllosen Übergänge sich nicht beschreiben lassen.
Manchmal ist die Tönung erstaunlich hell – wie bei dem Greif, den ich Schneewittchen getauft hatte. Manchmal mehr oder minder intensiv braun, manchmal richtig dunkel. Man spricht von unterschiedlichen Morphen. Dieser Bussard ist eine mittel-braune Variante.
Bürgerwissenschaft mit Max Planck
Wer Lust hat, kann übrigens die Sichtung eines Mäusebussards auf der Webseite Buteo Morph des Max-Planck-Instituts für Ornithologie eingeben. Dort wird die Verbreitung der unterschiedlichen Morphe erfasst. Dazu schreiben die Wissenschaftler:
Wir möchten herausfinden, wie die Unterschiede der Farbmorphe sich über den Lauf der Zeit erhalten können. Die Leistungsfähigkeit der Individuen mit verschiedenen Morphen kann von Habitatseigenschaften abhängen und räumlich (im kleinen oder großen Rahmen) oder zeitlich variieren.
Mögliche langfristige Veränderungen und örtliche Unterschiede in der Häufigkeit einzelner Morphe sind noch weitgehend unerforscht. Es ist auch wenig darüber bekannt, ob sich das Erscheinungsbild eines Bussards auf seinen Überlebens- und Fortpflanzungserfolg auswirkt.
Zwischenstopp am Boden
Schön zu beobachten war die Neugier dieses Vogels: Als er am Boden etwas bemerkte, vermutlich ein etwas größeres Insekt, dauerte es nicht lange, bis er die Flügel leicht anhob und dann herunterflog.
Nach der Landung legte er die Flügel an – wirkt er da nicht wie ein Schmetterling ? – und fraß die Kleinigkeit. Dann sicherte er nach links und rechts, und flog kurz darauf ein Stück weiter.
Passanten schienen ihm wenig auszumachen. Stress hatte er stattdessen mit ein paar Nebelkrähen. Sie hielten sich aber zurück, solange Menschen in seiner Nähe waren und jagten ihn erst wieder, als er praktisch alleine war. Da flog er genervt mit den bussardtypischen ruhigen, großen Schwüngen zwischen den Häusern hoch und über den Dächern von Marzahn davon.
Mäusebussard | Buse variable | Common Buzzard | Buteo buteo
Liebe Elke, dieser Beitrag mit der wunderbaren Bildfolge des Mäusebussards hat mir sehr gefallen! Als ich mit meiner Verwandtschaft auf der IGA war, habe ich über dem Gelände einen Seeadler sehen und dank des Zoom mit der Kamera als solchen bestimmen können. Aber einen Bussard so schön in seinem Verhalten erstens zu beobachten und dann auch noch abzulichten ist schon etwas Tolles. Herzlichen Gruß, Ludwig