An einem grauen Novembertag konnte ich beobachten wie Kormorane fischen. Jetzt im Dezember möchte ich von diesem Erlebnis – klein aber faszinierend – berichten. Auch weil es illustriert, dass es sich lohnen kann, bei miesem Wetter rauszugehen, um die Vogelwelt zu erkunden. Mein Ziel war der Schlachtensee von Steglitz-Zehlendorf in Berlin, wo es immer etwas zu entdecken gibt.
Mal sind es die balzenden Haubentaucher, mal die tauchenden Tafelenten, eine putzige Rötelmaus oder ein Graureiher, der übers winterliche Eis schliddert.
Eigentlich wollte ich die Schwarzspechte im angrenzenden Grunewald besuchen, aber dann blieb ich doch an den Kormoranen hängen. Diese finden sich erst seit vier oder fünf Jahren regelmäßig am Schlachtensee ein und sind sicher eine Absiedlung von der großen Brutkolonie auf dem Imchen in der Havel. Einige der Vögel posierten wie üblich auf abgestorbenem Geäst in Ufernähe. Aber als ich bemerkte, was andere auf dem Wasser trieben, war ich durchaus verblüfft.
Flügelschlagend auf dem Wasser
Zunächst fielen mir einzelne Kormorane auf, die – mit den Füßen im Wasser rudernd – sehr kräftig mit ihren Flügeln schlugen. Und dann hoben sie plötzlich ab oder tauchten erneut unter: Ganz eindeutig mussten sie ihr Gefieder von der Last des Wassers auf und zwischen den Federn befreien.
Der Ruheplatz dieser Kormorane in Ufernähe war nicht weit entfernt. Doch mit nassen, schweren Flügeln fliegt es sich nicht sonderlich gut. Darum wurden sie zunächst ausgeschüttelt. Am Ziel angekommen, breiteten sie kormorantypisch ihre Federn aus, um sie zu nun durchzutrocknen.
Das Flügelschlagen auf der Wasserfläche und den Abflug zum Ruheplatz zeigt ein kurzes Video mit leichter Zeitlupe (10% langsamer).
Wenn Kormorane fischen machen sie meist mehrere Tauchgänge nacheinander, bevor sie in der Nachbarschaft von Artgenossen pausieren. Sie sind äußerst soziale Lebewesen, obwohl es in ihren Brutkolonien zu allerlei Kabbeleien kommt.
Kormorane sind Fischfänger
Am spannendsten und durchaus überraschend war allerdings weniger der Abflug und das Pausieren, sondern was die Vögel beim Fischen anstellten. Ich musste es mir mit dem Fernglas genau anschauen, bevor ich verstand, was da los war: Mit einem Schwups – typisch für Kormorane – tauchten sie zunächst ab. Hans von Boetticher beschreibt das Verhalten in Pelikane, Kormorane und anderer Ruderfüssler (Die Neue Brehm-Bücherei, 1957, Bd. 188) auf Seite 38 so
Ebenso geschickt wie im Schwimmen, sind die Kormorane auch im Tauchen. Von ihrer Ruhestelle oder Beobachtungswarte auf dem Lande aus stürzen sie sich kopfüber in die Fluten. Wenn sie schwimmen, machen sie einen kleine Aufsprung nach oben und tauchen dann kopfunter. Unter Wasser schwimmen sie ebenso geschickt wie auf dem Wasser hierbei mit den Füßen rudernd …
Und auf derselben Seite lese ich
Da beim Unterwasserschwimmen die Flügel meist, aber nicht immer vom Körper etwas abgespreizt werden, wird das Gefieder der Flügel, da es nicht wie bei Enten z.B. in wasserdicht abschließenden Tragfedertaschen geschützt ist, stark durchnäßt. Der aus dem Wasser steigende Vogel muss seine Fittiche erst trocknen.
Soweit so gut. Nun zu dem auffälligen Verhalten der Kormorane vom Schlachtensee: Wenn sie aus dem Wasser wieder auftauchten, hatten sie ein kurioses Etwas im Schnabel und machten die sonderbarsten Kopfbewegungen: Ein energisches Schütteln, ein Eintauchen der Beute ins Wasser und erneutes Schütteln konnte ich beobachten. Spritzwasser flog in Tropfen um ihren Kopf, weil sie ihren Fang kräftig herumschleuderten. Die folgende Fotoserie zeigt eine dieser Aktionen.
Hin und wieder entdeckte ich aus der Ferne ein kleines Fischchen in Ihrem Schnabel. Allerdings: Farbenprächtig sind meine Fotos nicht. Denn nicht nur in der Nacht, auch im trüben November sind alle (Katzen und) Vögel grau.
Was aber ging da vor sich? Wozu dienten die Schleuderbewegungen? Nach und nach verstand ich …
Diese Fischchen waren gewissermaßen verpackt. Wasserpflanzen hatte sich drumherum gewickelt. Die mussten von den Vögeln schwimmend gelöst und weggeschleudert werden, bevor sie den Fisch in den Schlund befördern konnten. Dazu nun ein erklärendes Video vom Abtauchen, vom Auftauchen und dem Schütteln der Beute. Verschluckt wird sie nicht, denn sie geht beim Eintauchen ins Wasser diesem Kormoran verloren. Am Ende folgt ein weiteres Video vom Abtauchen; es zeigt zwei Kormoranen.
Kormorane sind keine Vegetarier, und darum schmecken ihnen Wasserpflanzen nicht, sondern sind quasi „ärgerlich“. Sie fischen zudem nicht im tiefen, offenen Meer, wie etwa Basstölpel. Daher kennen sie das Problem mit dem störenden „Grünzeug“ und haben die eine oder andere Fangtechnik.
Keine Stoßtaucher
Kormorane sind keine Stoßtaucher wie Basstölpel oder Seeschwalben, die aus der Luft ins Wasser hineinschießen, sondern sie verfolgen ihre Beute unter Wasser. Und die flüchtet, wenn möglich, in den Bewuchs am Grund eines Sees oder eines anderen Binnengewässers. Auch an der Boddenküste der Ostsee von Mecklenburg-Vorpommern oder an der Nordsee haben sich längst Kormorane angesiedelt. Dort müssen sie sich bei der Jagd auf Fische oft mit Seegras und Algen herumschlagen …
Ausblick: Nicht immer sind die Kormorane am Schlachtensee zu sehen. Aber immer wieder. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit und der Gelegenheit, wann sie sich dort auch zum Brüten niederlassen. Damit fangen sie jedenfalls früh im Jahr an, gewissermaßen im Winter, wenn Badende, Hundehalterinnen, Stand Up-Paddler und andere Zweibeiner die städtischen Gewässer im Grunewald eher selten oder gar nicht bevölkern. Zu viel Besuch in ihrem Habitat ist vermutlich ein Störfaktor – auch für Kormorane.
Kormoran | Grand cormoran | Great Cormorant | Phalacrocorax carbo
0 Kommentare