Schule des Lebens

15. August 2019 | Falke & Co, Große Vögel | 6 Kommentare

Bringter Habicht mit bräunlichem Gefieder hockt auf einem Ast nah am Stamm..

Junger Habicht Anfang Juni

Dies ist die Fortsetzung der Geschichte von vier Habichtkindern, die 2019 im Südwesten Berlins aus dem Ei geschlüpft sind. Ende Mai sah ich die Ästlinge unter und über dem Horst herumkraxeln, auch schon von Ast zu Ast flattern, und in der zweiten Juniwoche waren sie bereits zu wagemutigen Fliegern geworden.

Es ist fraglos so, dass sie von Tag zu Tag erstaunliche Fortschritte machen. Doch das Kleeblatt hatte auch schon einige Prüfungen zu bestehen. Aber der Reihe nach.

Am 8. Juni hatte es in Berlin abends und nachts heftig gestürmt. Die Bäume bogen sich, selbst in unserem Garten ging ein mächtiger Ast zu Bruch.

Darum machte ich mich am nächsten Morgen zum Habichthorst auf: Hatte er gehalten? War er herabgeweht worden, wie im letzten Jahr? Und, wo steckten wohl die aufmerksamen und neugierigen Jungvögel, die mich zuletzt so fasziniert hatten?

Wer ruht, schläft doch nicht … sondern sucht mit den Augen nach all den interessanten Geräuschquellen.

Als ich mein Rad in Horstnähe abgestellt hatte und hochschaute, war klar: Die mächtige Nestkonstruktion hatte gehalten, aber dort oben im Wipfel und auch in den Nachbarbäumen war es totenstill. Ich machte mich also auf die Suche. Und tatsächlich fand ich die vier Geschwister ein paar hundert Meter weiter. Wie heißt es so schön: Das Herz hüpft vor Freude – so war das.

Umgezogen von A nach B

Junge Habicht haben fast immer Hunger und rufen mit einem quäkenden Gejammer „Hunger, Hunger!“ Dieses sogenannte Lahnen verrät sie.

Jungvogel in der Rotbuche beim Flattern und Lahnen

Bleibt alles still, dann lohnt es sich bei einer Habicht“fahndung“, die stammnahen Äste abzusuchen. Denn dort lassen sich junge Habichte meist nieder, wenn sie ruhen oder auf den elterlichen Lieferservice warten.

In einer grünen Sumpfzypresse sitzen auf drei Äste in unterschiedlicher Höhe drei bräunliche Habichtjunge.

Drei Jungvögel haben sich nach dem Sturm ruhige Plätze gesucht.

Also: Ich entdeckte zunächst drei Jungvögel. Kurz darauf sah ich Nummer 4 in der wunderschönen Rotbuche neben der Sumpfzypresse.

Das braungefiederte Habichtjunge sitzt auf dem Ast einer Rotbuche, hinter ihm im Gegenlicht deren rötlich schimmernden Blätter.

Beschattet in der Rotbuche

Die drei Habichtmädchen und der Habichtjunge – das Geschlechterverhältnis war nach der Beringung klar – hatten also in den Stunden des Sturms früher oder später ihren Horstbaum verlassen.

Sie waren jedoch in derselben Grünanlage im Südwesten von Berlin geblieben – und zwar etwa dort, wo im Vorjahr vier Halbgeschwister von ihnen groß geworden waren.

Wie und wo die Junghabichte die Nacht verbracht hatten und wie sie von A nach B gekommen sind, das würde ich gerne wissen. Aber es bleibt ihr Geheimnis.

Offene Fragen

Flatterten oder fielen die Jungen herunter, weil sie sich nicht mehr im Geäst halten konnten? Saßen sie zeitweilig am Boden oder im Gebüsch? Wann sind sie von Baum A nach Baum B abgedriftet? Zogen sie einzeln, oder mehr oder minder gemeinsam um? Und, waren die Habichteltern in der Nähe gewesen?

So viele Fragen. Ziemlich klar ist, dass es sich um einen Zwangsausflug handelte, denn als ich die vier Geschwister drei Tage später wieder besuchte, saßen sie in einer mächtigen Tanne direkt neben ihrem alten Horstbaum. Wie so oft jammerten die einen herum – also lahnten –, während die anderen sich die Beute schmecken ließen, die ihre Eltern abgeworfen hatten.

Junger Habicht zerlegt Beute

Die Beuteübergabe ist wirklich ein Abwerfen. Denn kaum lässt sich die Stimme des nahenden Altvogels vernehmen – ein kurzes Gickern –, ist er schon am Baum, legt die Beute auf einem Ast ab und ist wieder weg. Wer von den Jungvögeln am schnellsten bei der Beute ist und sie behauptet, hat dann Zeit, den „Braten“ auseinander zu nehmen.

Weit über eine Stunde hat ein Jungvogel an einem so angelieferten Vogel gefressen: an den Sehnen gezerrt, Fleisch von den Knöchelchen gerupft und die Happen verschlungen. Ich konnte ihm mit dem Fernglas dabei lange zusehen, denn glücklicherweise beschien die Abendsonne seinen Rupfplatz.

Während ein Geschwister lauthals lahnt, lässt dieser Jungvogel es sich schmecken.

Deutlich ist auf einem der Fotos oben in der Galerie zu sehen (zum Vergrößern jeweils anklicken und per ← zurück) , dass der junge Greif „mantelt“ – also dass er oder sie schützend die Flügel über die Beute hebt. Wie das bei Turmfalken am Boden aussieht, habe ich früher einmal gezeigt.

Vor der Nachtruhe

Fliegender bräunlicher Habicht vor der grünen Wand einer Eiche.

Noch eine Runde fliegen …

Als an diesem Abend die Sonne fast untergegangen war, wurden die Jungen nochmals richtig munter. Sie sprangen und flatterten im Geäst herum und flogen von Baum zu Baum. Doch für die Nacht kehrten schließlich alle Vier in die Nähe des Horstbaums zurück.

Ein Habicht fliegt mit gefächertem Schwanz in eine grüne Lerche hinein. Wir sehen ihn von hinten.e

… und dann ab ins „Bett“.

Habicht | Autour des palombes | Goshawk | Accipiter gentilis

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

6 Kommentare

  1. Freue mich auch über die Habichte in Zehlendorf. Scheinen es aber schwer zu haben, über die Runden zu kommen. Voriges Jahr lag ein ausgewachsener Jungvogel tot im Park.

    Antworten
  2. danke Elke,
    haben noch nichts weiter gesehen, aber halten weiter Ausschau.
    ciao
    christopher

    Antworten
    • Hallo Christopher, ich bin heute um etwa um 9 Uhr durch das Gelände gegangen und habe tatsächlich einen Habicht gehört. Mehrmals und eindeutig, wenn auch nicht sehr durchdringend. Gesehen habe ich ihn allerdings nicht, was natürlich an der noch recht dichten Belaubung der Bäume liegt. Der Horst ist ziemlich zerfleddert, und da war nichts los. Wir bleiben dran … viele Grüße von Elke

  3. Liebe Elke,
    danke für die schönen Artikel!
    Ich habe die Habichtjungen mit meiner Familie auch den ganzen Frühsommer über beobachtet. Jetzt waren wir den Juli über im Urlaub und haben sie seitdem nicht mehr entdeckt.
    Hast du sie letztens nochmal gesehen oder sind sie wahrscheinlich schon ausgeflogen?
    Danke und Viele Grüße
    Christopher

    Antworten
    • Lieber Christopher,
      wenn ihr auch so gerne die Habichte besucht, dann kennt ihr das sicher – mit dem hüpfenden Herz. Ich habe nach meinem Urlaub jetzt auch noch nicht nachgeschaut, was beim Horst los ist. Aber üblicherweise sind die Jungen jetzt weiter weg, treiben sich aber hin und wieder in Horstnähe herum. Es kann sich auch lohnen, im September oder Oktober zum diesjährigen Brutplatz hinzugehen, denn es gibt so etwas wie eine „Herbstbalz“.
      Viele Grüße von Elke

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abo-Werbung für den Blog "Flügelschlag und Leisetreter" mit einem Specht, ein Kunstwerk von M. Garff

Vogelthema gesucht?

Gut sortiert

5 von 782 Kommentaren

Alle sind vollständig unter dem zugehörigen Blogbeitrag zu lesen.

  • Elke Brüser zu Segler der AndenLiebe unbekannte Katja, da hast du mir mit deinem Kommentar heute Morgen aber große Freude geschenkt. Danke!
  • Katja Garni zu Segler der AndenHerzensDank für den so tiefgründigen Bericht ❣️ Ich liebe sie sehr die Könige der Lüfte … Und die Anden faszinieren mich schon geraume Zeit - WunderVolle Bilder und Erfahrungen teilst du mit uns teils…
  • Elke Brüser zu Rätselhafte MarmelenteDass die Chancen steigen, am Mittelmeer wieder öfter Marmelente zu beobachten, könnte auch daran liegen, dass es Wiederansiedlungsprojekte gibt, etwa auf Sizilien. Das erzählte mir gerade Jens Hering.…
  • achim zu Rätselhafte MarmelenteWas für eine Freude, dieser Artikel, vielen Dank! Ich hatte das Glück ein einzelnes Exemplar 2021 im S'Albufera Nationalpark zu entdecken. Damals war die Rückmeldung auf die Beobachtung zumeist: Muss…
  • Elke Brüser zu Raffinierte LandemanöverPrima, dass du dich zu dem Thema gemeldet hast. Als erfahrener Turmfalkenberinger kennst du dich ja aus. In einem ganz frühen Blogpost habe ich ein Foto von der Sitzstange verwendet: "Turmfalken mit A…

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

Cookie Consent mit Real Cookie Banner