Sieben auf einen Streich

08. Juni 2024 | Große Vögel, Schwan & Schwan | 2 Kommentare

Höckerschwanfamilie mit 7 Jungen

Das Familienleben der Höckerschwäne und anderer Vogelarten aus der Verwandtschaft der Enten ist spannend, und es st vor allem auf Teichen in Parkanlagen oder auf stadtnahen Gewässern gut zu beobachten. Dort haben sich die Tiere an Menschen gewöhnt. Kürzlich machte eine Höckerschwan-Familie mit sieben Jungen im Südwesten Berlins von sich reden. Sie wurden die Lieblinge vieler Spaziergänger und Badegäste an der Krummen Lanke, die zur Kette der Grunewaldseen gehört.

Die „Krumme Lanke“, ein Landschaftsschutzgebiet in Berlin

Dass ein Schwanenpaar auf dem Gewässer brüten wollte, ließ sich früh absehen, denn im gut geschützten Schilfgürtel waren schon im März zwei Schwäne mit dem Nestbau beschäftigt.

Männchen und Weibchen, die sich in der Größe der Schnabelwulst unterscheiden, brechen dazu Schilfhalme ab, werfen sie aufs Wasser und raffen sie anschließend zusammen, so dass ein Haufen entsteht.

Wenn der kompakter und schwerer wird, setzt sich die Schwänin immer wieder obendrauf und lässt durch ihr Gewicht eine Vertiefung entstehen. In diese legt sie ihre Eier hinein – meist fünf bis sieben – und brütet sie in etwa fünf Wochen aus. Währenddessen bewacht der angehende Vater vom Wasser aus das Nest – gerade auch dann, wenn die Schwänin das Gelege, das sie zuvor mit Halmen und Dunen abdeckt, vorübergehend verlässt.

Frisch geschlüpft – und etwas später

Die Freude war allseits groß, als auf der Krummen Lanke das erste Mal die Jungen gesichtet wurden. Sie hielten sich zunächst nah am Schilfgürtel und dicht bei der Mutter auf. Oft waren sie auf dem Rücken der Mutter im wärmenden Gefieder verborgen oder auf dem Nest, wo sie ebenfalls vom Körper des Elternvogel gewärmt wurden. Man nennt dies auch hudern.

Als ich die Jungen erstmals besuchte, waren sie mehr als drei Wochen alt und mit ihren flauschigen Dunen typische Pullis. Diese halten sich anfangs konsequent nahe der Eltern auf, schwimmen – wie im ersten Foto zu sehen ist – auf geraden Strecken wie aufgereiht zwischen ihnen und wenden sich dem Ufer zu, wenn die Mutter es vorgibt.

Die Pullis folgen der Mutter.

Der Vater bildet den Abschluss.

Wer genau hinschaut, erkennt sicherlich, dass ein Junges eine Mitfahrgelegenheit erwischt hat. Es ist auf den Rücken der Mutter gestiegen und mehr oder weniger unter ihren Flügeln, die sie leicht angehoben hat, verschwunden. Ein solches Verhalten ist typisch für Schwäne, jedoch auch von Haubentauchern bekannt, die ihre Jungen beim Abtauchen sogar unter die Wasseroberfläche mitnehmen.

An Land ist dieser kleine Höckerschwan offenbar besonders neugierig und steckt den Kopf weit aus dem Gefieder heraus. Vermutlich ist er als letztes Junges aus dem Ei geschlüpft und nicht so kräftig und weit entwickelt wie seine Geschwister. Aber warum?

Häufig sind die spät gelegten Eier eines Geleges weniger voluminös und weniger schwer. Die Jungen daraus schlüpfen zuletzt, sie sind meist etwas kleiner und gewissermaßen anhänglicher. Aber alle Jungen kommen innerhalb von zwei bis drei Tagen auf die Welt. Sobald auch bei dem letzten Kind nach dem Schlüpfen das Gefieder trocken ist – das dauert etwa 24 Stunden – führt die Schwänin die ganze Kinderschar aufs Wasser.

Mitfahrgelegenheit auf dem Rücken: Die Flügel der Mutter sind leicht angehoben.

Auffällig ist, dass Schwäne den Nachwuchs geradezu einladen, ihren Rücken zu besteigen, indem sie die Flügel leicht anheben. Abschütteln tun sie die Jungen normalerweise nicht, das heißt sie respektieren deren Bedarf nach Wärme und schätzen deren Fitness offenbar richtig ein.

Blick in die Höhle des Nesthäkchens

Landgang der Familie

Schwäne und verwandte Entenvögel sind Nestflüchter, die in Vielem von Beginn an selbstständig sind. Wenn sie das Licht der Welt erblicken, sind sie mit guten Sinnesleistungen ausgestattet und mit einem ererbten, also angeborenen, Verhaltensrepertoire. Beides sichert ihr Überleben.

An einer öffentlichen Badestelle für Menschen geht es an Land

Sie stehen schon gut auf zwei Beinen, sind aber nur mit Stummelflügeln ausgestattet.

Zum angeborenen Rüstzeug des Höckerschwans gehört das Vermögen mit kräftigen „Rudern“ ¹ zu schwimmen, eine Prägung auf die Eltern, denen junge Schwäne bedingungslos folgen, und schließlich die Möglichkeit, sich von Beginn an selbständig zu ernähren.

Höckerschwäne-Familie

Zunächst ist die eigenständige Nahrungsaufnahme noch nicht sonderlich effizient, aber die Jungen üben früh, wie man an Halmen knabbert und was schmeckt. Dazu lese ich bei Alfred Hilprecht ² auf Seite 78

Die Jungen nehmen das Futter vom ersten Tag an, da sie sich auf dem Wasser befinden, allein auf, die Alten legen es nur anfangs vor. Es besteht aus zarten Pflänzchen, besonders Wasserlinsen, auch wird Gras gerupft.

Die ersten Tage überstehen Schwäne und andere Vogelarten vor allem deshalb gut, weil sie sich von dem energiereichen Dotter des Eis, aus dem sie geschlüpft sind, ernähren. Dieser Dotter wird nämlich vor dem Schlüpfen vom Embryo verschluckt – eine Nahrungsreserve also!

Ein kleiner Halm zum Knabbern im Schnabel

Mit einem Monat sind die jungen Höckerschwäne schon richtig gut im Gründeln, vor allem am Ufer, wo das Wasser nicht so tief und der Bewuchs leicht erreichbar ist. Sie stecken den Kopf unter Wasser, machen den Hals lang und zupfen an Wasserpflanzen.

Typisch Höckerschwan: ein eingespieltes Team

Gründeln mit vorgestrecktem Hals in der Obhut des Vaters

Sieben Junge durchzubringen, wie es an der Krummen Lanke vielleicht gelingt, ist eine Leistung! Denn das Brutgeschäft ist beim Höckerschwan eine aufwändige Angelegenheit, auch wenn die Jungen nicht von Schnabel zu Schnabel gefüttert werden müssen: Die reine Brutzeit ist mit 35 Tagen lang, und anschließend ist der Feinddruck durch Greifvögel, aber auch durch Säuger, die im Ufer lauern, hoch.

Kein Wunder, dass zwischen der Schwänin, die brütet und die Jungen führt, und dem Schwan, der das Revier bewacht und im Notfall die Familie verteidigt, eine gute Kooperation wesentlich ist.³

Die Altvögel fühlen sich sicher und widmen sich flügelschlagend der Gefiederpflege.

Zum Beispiel müssen die Eltern, wenn sie Junge haben, durchaus ihr Gefieder pflegen und sich beispielsweise einigen, wann und wo sie das machen. Dass sie sich wie in diesem Fall in die Mitte der Krummen Lanke begeben, macht Sinn: Hier haben sie einen besseren Überblick als in der Uferzone, wo trotz des Verbots immer wieder Hunde frei herumlaufen und ins Wasser rennen.*

Informationstafel an der Krummen Lanke

Kommen diese den Schwänen oder auch den dortigen Enten-, Bläss- und Teichhühern zu nah, flüchten sie zur Seemitte. Passiert das mehrmals am Tag, verlieren gerade die Pullis wichtige Energie, sind bald erschöpft und ihr Überleben ist bedroht.

Dazu müsste es nicht kommen, denn an der Krummen Lanke gehören Hunde auf dem Uferweg des Sees an die Leine – und Badestellen für Menschen sind aus hygienischen Gründen für Hunde sowieso tabu.

Da der Aufwand für die Brutpflege beim Höckerschwan hoch ist und eine gute Kooperation der Eltern wichtig ist, passt es gut, dass sie nicht nur für eine Brutzeit, sondern über Jahre in sogenannter Einehe leben, also monogam sind. Die Paarbindung kommt ihnen sowohl in der Balzzeit zu Gute, wo sie ein eingespieltes Team bilden und bei der Kopulation zügig zur Sache kommen, als auch beim Nestbau und der Fürsorge für die Jungen. Immer wieder ergeben Studien, dass bei eingespielten Paaren der Bruterfolg höher ist – also mehr Junge überleben – als bei Paaren, die sich gerade erst gefunden haben.

Kommt jedoch der Partner oder die Partnerin um, so können sich zwar manche Höckerschwäne bald auf einen anderen Gatten*, eine andere Gattin einlassen – aber manche Individuen wollen das nicht. Sie verpaaren sich nicht erneut.

Selbst beim Gründeln sind sie ein gut aufeinander abgestimmtes Paar, und wechseln sich ab.

 

¹ Als Ruder werden die Zehen der Füße bezeichnet, die mit Schwimmhäuten verbunden sind und wie ein Paddel oder Ruder den Antrieb besorgen. Die Ruder sind von Beginn an funktionstüchtig, die Flügel sind hingegen zunächst unauffällige Stummel.
² A. Hilprecht, Höckerschwan, Singschwan, Zwergschwan, Neue Brehm-Bücherei, Wittenberg Lutherstadt, 1970, Bd. 177
³ Diese Rollenverteilung ist nicht völlig starr: Manche der männlichen Schwäne setzen sich auf das Nest, wenn die Partnerin es vorübergehend verlassen hat, brüten aber nicht wirklich. Und bei Gefahr verteidigen auch weibliche Schwäne Nest und Nachwuchs.

*   Darauf angesprochen, beharren HundehalterInnen oft darauf, dass die Hunde ja „nichts nun“.
** Ich spreche bewusst von Gatte und Gattin (und nicht von Partner und Partnerin), denn tatsächlich geht es hier im Wortsinn um den Vollzug der Begattung.

Höckerschwan | Cygne tuberculé | Mute swan | Cygnus olor

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

2 Kommentare

  1. Schöner Blogpost. Leben denn noch alle Jungschwäne?

    Antworten
    • Leider sind aus den sieben nun fünf Jungschwäne geworden. Aber wenn die alle durchkommen, wäre das auch schon ein schöner Erfolg für das Schwanenpaar und die Stadtnatur.

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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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