Das Familienleben der Höckerschwäne und anderer Vogelarten aus der Verwandtschaft der Enten ist spannend, und es st vor allem auf Teichen in Parkanlagen oder auf stadtnahen Gewässern gut zu beobachten. Dort haben sich die Tiere an Menschen gewöhnt. Kürzlich machte eine Höckerschwan-Familie mit sieben Jungen im Südwesten Berlins von sich reden. Sie wurden die Lieblinge vieler Spaziergänger und Badegäste an der Krummen Lanke, die zur Kette der Grunewaldseen gehört.
Dass ein Schwanenpaar auf dem Gewässer brüten wollte, ließ sich früh absehen, denn im gut geschützten Schilfgürtel waren schon im März zwei Schwäne mit dem Nestbau beschäftigt.
Männchen und Weibchen, die sich in der Größe der Schnabelwulst unterscheiden, brechen dazu Schilfhalme ab, werfen sie aufs Wasser und raffen sie anschließend zusammen, so dass ein Haufen entsteht.
Wenn der kompakter und schwerer wird, setzt sich die Schwänin immer wieder obendrauf und lässt durch ihr Gewicht eine Vertiefung entstehen. In diese legt sie ihre Eier hinein – meist fünf bis sieben – und brütet sie in etwa fünf Wochen aus. Währenddessen bewacht der angehende Vater vom Wasser aus das Nest – gerade auch dann, wenn die Schwänin das Gelege, das sie zuvor mit Halmen und Dunen abdeckt, vorübergehend verlässt.
Frisch geschlüpft – und etwas später
Die Freude war allseits groß, als auf der Krummen Lanke das erste Mal die Jungen gesichtet wurden. Sie hielten sich zunächst nah am Schilfgürtel und dicht bei der Mutter auf. Oft waren sie auf dem Rücken der Mutter im wärmenden Gefieder verborgen oder auf dem Nest, wo sie ebenfalls vom Körper des Elternvogel gewärmt wurden. Man nennt dies auch hudern.
Als ich die Jungen erstmals besuchte, waren sie mehr als drei Wochen alt und mit ihren flauschigen Dunen typische Pullis. Diese halten sich anfangs konsequent nahe der Eltern auf, schwimmen – wie im ersten Foto zu sehen ist – auf geraden Strecken wie aufgereiht zwischen ihnen und wenden sich dem Ufer zu, wenn die Mutter es vorgibt.
Wer genau hinschaut, erkennt sicherlich, dass ein Junges eine Mitfahrgelegenheit erwischt hat. Es ist auf den Rücken der Mutter gestiegen und mehr oder weniger unter ihren Flügeln, die sie leicht angehoben hat, verschwunden. Ein solches Verhalten ist typisch für Schwäne, jedoch auch von Haubentauchern bekannt, die ihre Jungen beim Abtauchen sogar unter die Wasseroberfläche mitnehmen.
An Land ist dieser kleine Höckerschwan offenbar besonders neugierig und steckt den Kopf weit aus dem Gefieder heraus. Vermutlich ist er als letztes Junges aus dem Ei geschlüpft und nicht so kräftig und weit entwickelt wie seine Geschwister. Aber warum?
Häufig sind die spät gelegten Eier eines Geleges weniger voluminös und weniger schwer. Die Jungen daraus schlüpfen zuletzt, sie sind meist etwas kleiner und gewissermaßen anhänglicher. Aber alle Jungen kommen innerhalb von zwei bis drei Tagen auf die Welt. Sobald auch bei dem letzten Kind nach dem Schlüpfen das Gefieder trocken ist – das dauert etwa 24 Stunden – führt die Schwänin die ganze Kinderschar aufs Wasser.
Auffällig ist, dass Schwäne den Nachwuchs geradezu einladen, ihren Rücken zu besteigen, indem sie die Flügel leicht anheben. Abschütteln tun sie die Jungen normalerweise nicht, das heißt sie respektieren deren Bedarf nach Wärme und schätzen deren Fitness offenbar richtig ein.
Landgang der Familie
Schwäne und verwandte Entenvögel sind Nestflüchter, die in Vielem von Beginn an selbstständig sind. Wenn sie das Licht der Welt erblicken, sind sie mit guten Sinnesleistungen ausgestattet und mit einem ererbten, also angeborenen, Verhaltensrepertoire. Beides sichert ihr Überleben.
Zum angeborenen Rüstzeug des Höckerschwans gehört das Vermögen mit kräftigen „Rudern“ ¹ zu schwimmen, eine Prägung auf die Eltern, denen junge Schwäne bedingungslos folgen, und schließlich die Möglichkeit, sich von Beginn an selbständig zu ernähren.
Zunächst ist die eigenständige Nahrungsaufnahme noch nicht sonderlich effizient, aber die Jungen üben früh, wie man an Halmen knabbert und was schmeckt. Dazu lese ich bei Alfred Hilprecht ² auf Seite 78
Die Jungen nehmen das Futter vom ersten Tag an, da sie sich auf dem Wasser befinden, allein auf, die Alten legen es nur anfangs vor. Es besteht aus zarten Pflänzchen, besonders Wasserlinsen, auch wird Gras gerupft.
Die ersten Tage überstehen Schwäne und andere Vogelarten vor allem deshalb gut, weil sie sich von dem energiereichen Dotter des Eis, aus dem sie geschlüpft sind, ernähren. Dieser Dotter wird nämlich vor dem Schlüpfen vom Embryo verschluckt – eine Nahrungsreserve also!
Mit einem Monat sind die jungen Höckerschwäne schon richtig gut im Gründeln, vor allem am Ufer, wo das Wasser nicht so tief und der Bewuchs leicht erreichbar ist. Sie stecken den Kopf unter Wasser, machen den Hals lang und zupfen an Wasserpflanzen.
Typisch Höckerschwan: ein eingespieltes Team
Sieben Junge durchzubringen, wie es an der Krummen Lanke vielleicht gelingt, ist eine Leistung! Denn das Brutgeschäft ist beim Höckerschwan eine aufwändige Angelegenheit, auch wenn die Jungen nicht von Schnabel zu Schnabel gefüttert werden müssen: Die reine Brutzeit ist mit 35 Tagen lang, und anschließend ist der Feinddruck durch Greifvögel, aber auch durch Säuger, die im Ufer lauern, hoch.
Kein Wunder, dass zwischen der Schwänin, die brütet und die Jungen führt, und dem Schwan, der das Revier bewacht und im Notfall die Familie verteidigt, eine gute Kooperation wesentlich ist.³
Zum Beispiel müssen die Eltern, wenn sie Junge haben, durchaus ihr Gefieder pflegen und sich beispielsweise einigen, wann und wo sie das machen. Dass sie sich wie in diesem Fall in die Mitte der Krummen Lanke begeben, macht Sinn: Hier haben sie einen besseren Überblick als in der Uferzone, wo trotz des Verbots immer wieder Hunde frei herumlaufen und ins Wasser rennen.*
Kommen diese den Schwänen oder auch den dortigen Enten-, Bläss- und Teichhühern zu nah, flüchten sie zur Seemitte. Passiert das mehrmals am Tag, verlieren gerade die Pullis wichtige Energie, sind bald erschöpft und ihr Überleben ist bedroht.
Dazu müsste es nicht kommen, denn an der Krummen Lanke gehören Hunde auf dem Uferweg des Sees an die Leine – und Badestellen für Menschen sind aus hygienischen Gründen für Hunde sowieso tabu.
Da der Aufwand für die Brutpflege beim Höckerschwan hoch ist und eine gute Kooperation der Eltern wichtig ist, passt es gut, dass sie nicht nur für eine Brutzeit, sondern über Jahre in sogenannter Einehe leben, also monogam sind. Die Paarbindung kommt ihnen sowohl in der Balzzeit zu Gute, wo sie ein eingespieltes Team bilden und bei der Kopulation zügig zur Sache kommen, als auch beim Nestbau und der Fürsorge für die Jungen. Immer wieder ergeben Studien, dass bei eingespielten Paaren der Bruterfolg höher ist – also mehr Junge überleben – als bei Paaren, die sich gerade erst gefunden haben.
Kommt jedoch der Partner oder die Partnerin um, so können sich zwar manche Höckerschwäne bald auf einen anderen Gatten*, eine andere Gattin einlassen – aber manche Individuen wollen das nicht. Sie verpaaren sich nicht erneut.
Selbst beim Gründeln sind sie ein gut aufeinander abgestimmtes Paar, und wechseln sich ab.
¹ Als Ruder werden die Zehen der Füße bezeichnet, die mit Schwimmhäuten verbunden sind und wie ein Paddel oder Ruder den Antrieb besorgen. Die Ruder sind von Beginn an funktionstüchtig, die Flügel sind hingegen zunächst unauffällige Stummel.
² A. Hilprecht, Höckerschwan, Singschwan, Zwergschwan, Neue Brehm-Bücherei, Wittenberg Lutherstadt, 1970, Bd. 177
³ Diese Rollenverteilung ist nicht völlig starr: Manche der männlichen Schwäne setzen sich auf das Nest, wenn die Partnerin es vorübergehend verlassen hat, brüten aber nicht wirklich. Und bei Gefahr verteidigen auch weibliche Schwäne Nest und Nachwuchs.
* Darauf angesprochen, beharren HundehalterInnen oft darauf, dass die Hunde ja „nichts nun“.
** Ich spreche bewusst von Gatte und Gattin (und nicht von Partner und Partnerin), denn tatsächlich geht es hier im Wortsinn um den Vollzug der Begattung.
Höckerschwan | Cygne tuberculé | Mute swan | Cygnus olor
Schöner Blogpost. Leben denn noch alle Jungschwäne?
Leider sind aus den sieben nun fünf Jungschwäne geworden. Aber wenn die alle durchkommen, wäre das auch schon ein schöner Erfolg für das Schwanenpaar und die Stadtnatur.