Höckerschwäne bei der Paarung

Links die Schwänin, rechts der Schwanenmann mit imposantem Stirnhöcker

Vielleicht sind die kleinen und großen Überraschungen das Schönste an der Vogelbeobachtung, also die ganz unerwarteten Ereignisse. Zuletzt bescherte mir eine geradezu profane Vogelart ein solches Erlebnis, nämlich Höckerschwäne bei der Paarung.

Mein Plan war, nach den balzenden Kormoranen am Berliner Schlachtensee zu schauen, weil der See nach sonnigem Januarwetter im Februar plötzlich wieder teilweise zugefroren war. Vor Ort fand ich meinen Verdacht dann jedoch bestätigt: Sie hatten sich davon gemacht, vermutlich Richtung Havel.

Die Wasserfläche des blau schimmernden Schlachtensee ist teils zugefroren, die Bäume sind noch kahl
Der Schlachtensee im Februar, teilweise zugefroren.

Unerwartet stieß ich am Uferweg auf einen sehr imposanten männlichen Schwan und eine noch junge Schwänin. Sie ist zu erkennen an dem noch zart-violetten und nicht orange-gelb ausgefärbten Schnabel.

Das Paar demonstrierte Verbundenheit und unübersehbar „zärtliche Frühlingsgefühle“.

Wer sich mit dem Fortpflanzungsverhalten im Tierreich ein wenig auskennt, wird wissen, dass eine Paarung, Begattung oder Kopulation – also die Übergabe von Spermien an das weibliche Gegenüber – in der Regel nur möglich ist, wenn die Partnerin dazu bereit ist und dies anzeigt. Voraussetzung für die Bereitschaft ist ein Balzverhalten, das meist beim männlichen Geschlecht besonders auffällt und oft – wie beim Vogelgesang – von ihm ausgeht. Es kann sich je nach Vogelart über Tage oder Wochen hinziehen, bevor sich die umworbene Vogeldame definitiv einklinkt. Sofern sie den Herren nicht abweist.

Das Vorspiel

Als ich am Seeufer das Schwanenpaar entdeckte hatte, war mir klar, dass sich zwischen den beiden etwas anbahnte, denn sie schwammen nah beieinander und richteten sich immer wieder aneinander aus. Ich blieb also stehen und wartete ab.

Die folgende Fotosequenz illustriert, was dann geschah und typisch für die Einleitung einer Kopulation ist: Schwan und Schwänin zeigen ausdruckstarke ritualisierte Verhaltensweisen, die auch als Vorspiel bezeichnet werden. Dazu gehört, dass sich die Köpfe geradezu zärtlich annähern, dass die Tiere sich aufrichten und dabei engen Kontakt im Brustbereich herstellen. Dabei müssen ihre Füße kräftig im Wasser „strampeln“. Hochgestreckt wenden beide die Köpfe in dieselbe Richtung und wechseln mehrfach synchron von der einen in die andere. Schließlich sinken sie zurück ins Wasser.

Zwei Höckerschwäne einander gegenüber Schnabel nahe Schnabel auf dem Wasser
Annähern
Zwei Höckerschwäne richten sich Brust gegen Brust im Wasser auf
Aufrichten
Zwei Höckerschwäne haben sich aufgerichtet im Wasser und wenden den Kopf zu derselben Seite
Kopfwenden
Zwei aufgerichtete Höckerschwäne in Körperkontakt auf dem Wasser
Zurücksinken

Eine solche Sequenz mit „Brustaufrichten” kann sich mehrfach wiederholen. Und wer meint, das Verhalten würde nach und nach intensiver werden, hat Recht. Es kann allerdings auch zum Abbruch einer solchen Sequenz kommen.

Zum Vorspiel gehört noch ein weiteres Ausdrucksverhalten, das ebenfalls als Anbahnung für die Kopulation zu verstehen ist: Das Eintauchen des Kopfes ins Wasser. Das machen Schwan und Schwänen teils abwechselnd, teils aber auch gleichzeitig. Letzteres gelingt, wenn sie ihre Verhaltensweisen besonders gut koordinieren, wie es in diesem Videoschnipsel andeutungsweise zu sehen ist.

Manchmal „stehen“ sich Schwan und Schwänin bei den Eintauchbewegungen gegenüber. Das zeigt eine Fotosequenz, die in dem gipfelt, was mit „Herzstellung” gemeint und ein beliebtes Fotomotiv ist.

Höckerschwanpaar auf dem Wasser
Das Vorspiel geht weiter
Einer von zwei Höckerschwänen taucht den Kopf in das Wasser
Den Kopf eintauchen
Die Hälse von zwei Höckerschwänen formen ein Herz
Herzstellung des Paares

Die Paarung

Zur Paarung, Begattung oder Kopulation kommt es bei vielen Vogelarten und anderen Tieren erst dann, wenn auf dem Wege der Balz die Individuen ihre übliche Distanz vermindert haben. Das Vorspiel unmittelbar vor der Kopulation ermöglicht dann bereits den direkten Körperkontakt – wie beim Brustaufrichten der Höckerschwäne zu sehen.

In der Regel werden diese ritualisierten Ausdrucksbewegungen bei wachsender Erregung tatsächlich immer intensiver ausgeführt. Das beschreiben Oskar und Magdalena Heinroth in ihrem Klassiker Die Vögel Mitteleuropas laut Alfred Hilprecht¹ so, Seite 55

Die Eintauchbewegungen des Kopfes wiederholen sich schneller und schneller und gehen allmählich in eine Art Badebewegung über, wobei sich die Vögel so nahe kommen, daß der Kopf oft über den Halsansatz des anderen hinweg eingetaucht wird … Das Spiel währt so lange, bis sich das Weibchen flach macht, mit vorgestrecktem Hals den Körper tief in das Wasser senkt, um vom Männchen bestiegen zu werden.

Dies ist in dem folgenden Videoausschnitt zu sehen, bei dem die Hälse sich kreuzen und kurz darauf der Schwan auf den Rücken der Schwänin steigt.

Es hängt also von der Schwänin ab, ob und wann es zur Kopulation kommt. Sie zeigt dem männlichen Part durch ihr Verhalten die Paarungsbereitschaft an.* Auch bei anderen Wasservögeln, etwa Haubentauchern, legt sich die Partnerin flach auf das Wasser und macht ihre Geschlechtsöffnung dadurch zugänglich.

In dem Band Verhaltensforschung von Grzimeks Tierleben² wurde das bereits vor 50 Jahren klipp und klar formuliert, Seite 433

Bei den sich begattenden Vögeln und Säugern zeigt die Paarungsstellung des Weibchens dem Partner an, daß er nun näher kommen und die Begattung vollziehen kann.

Oft signalisieren weibliche Vögel nicht nur ihre Bereitschaft zur Kopulation, sondern fordern potenzielle Partner direkt dazu auf. Das hängt von dem jeweiligen hormonellen Zustand des Tieres und dem Paarungsverhalten der Tierart. Heutzutage wird in der wissenschaftlichen Literatur der Begriff „mating system” für die vielfältigen und zugleich arttypischen Fortpflanzungssrategien verwendet.³

Sich auf dem Wasser zu paaren, ist eine wackelige Angelegenheit. Während der Kopulation hält sich der Schwan mit dem Schnabel im Gefieder der Partnerin fest. Er muss vor allem sicher gehen, dass sein Penis – im Gegensatz zu vielen anderen Vögeln haben Schwäne ein äußeres Begattungsorgan – die Geschlechtsöffnung (Kloake) der Partnerin erreicht und Spermien übertragen werden.

Auch wenn der Paarungsakt heftig aussieht, ist er für die Schwänin keinesfalls bedrohlich. Denn auch beim Gründeln ist der Kopf eines Höckerschwans mehrere Sekunden unter Wasser – und der Steert wird nach oben gestreckt.

Das Nachspiel

Unmittelbar nach der Kopulation richten sich Schwan und Schwänin erneut mit der Brust gegeneinander auf, „umgarnen” sich mit den Köpfen und wirken auf uns wie ein verliebtes Paar.

Sie baden ausgiebig und ordnen ihr Gefieder. Auffällig sind die schlängelnden Halsbewegungen auf dem Rücken, die wir auch sonst bei der Gefiederpflege beobachten können. Sie sind notwendig, denn mit dem Schnabel lässt sich am Hals nicht für Sauberkeit und Ordnung zwischen den Federchen sorgen.

Nach der Paarung und ihrem Bad im Schlachtensee suchten Schwan und Schwänin die Eisfläche auf und setzen dort ihre Gefiederpflege fort. Später sah ich sie am Rand des Eises ruhig – und menschlich gesprochen „verträumt” – nebeneinander sitzen.

Gefiederpflege von zwei Höckerschwänen auf dem Eis des Sees stehend
Gefiederpflege an der Eiskante

 

* Es gibt vor allem bei Tieren, die Artgenossen gegenüber generell Abstand wahren, bei der Kopulation auch das Modell „Überrumpelung“ oder „Unterwerfung“. Gerade bei „Distanztieren” wird von den männlichen Tieren aggressives Verhalten eingesetzt, um ans Ziel zu kommen. Aber auch bei diesen Arten haben sich im Laufe der Evolution Ausdrucksformen (= Signale) entwickelt, die die Partnerin zutraulicher und gefügig machen, sie  beruhigen und beschwichtigen sollen. – Wer Stockenten beobachtet, wird wissen, dass die Ente vom Erpel sehr aggressiv zur Kopulation gezwungen wird. Dabei spielt allerdings eine Rolle, dass häufig mehrere Erpel um eine Ente heftigst konkurrieren.

¹ Alfred Hilprecht, Höckerschwan, Singschwan, Zwergschwan, Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 177, Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt 1970
² Grzimeks Tierleben, Verhaltensforschung, Hrsg. Klaus Immelmann, Kindler Zürich 1974
³ Irby J. Lovette, John W. Fitzpatrick (Hrsg.), Handbook of Bird Biology, Kap. 9: Avian Mating and Social Behavoir, Wiley 2016 (3. Aufl.)

Höckerschwan | Cygne tuberculé | Mute swan | Cygnus olor



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6 Kommentare zu “Höckerschwäne bei der Paarung

  1. Tolle Fotos!
    „Diese Mühsal, durch noch Ungetanes
    Schwer und wie gebunden hinzugehn,
    Gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes.

    Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen
    Jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn,
    Seinem ängstlichen Sich-Niederlassen -:

    In die Wasser, die ihn sanft empfangen
    Und die sich, wie glücklich und vergangen,
    Unter ihm zurückziehn, Flut um Flut;
    Während er unendlich still und sicher
    Immer mündiger und königlicher
    Und gelassener zu ziehn geruht.“
    Rainer Maria Rilke

  2. Hallo Elke,
    wirklich ein wunderschöner Beitrag, der auf den Frühling einstimmt. Du hast die Situation sehr schön eingefangen, aus menschlicher Sicht „romantisch“. Ich liebe Schwäne und habe sie jahrelang auf den vielen Teichen rund um die Nieplitzregion beobachten können.
    Eine solche Szenerie war mir leider dabei nicht vergönnt.
    Danke für diesen herrlichen Beitrag.
    LG Angela

    1. Schön, dass der Schwan-Beitrag dir gefällt. Die passenden Szenen aus einem Video herauszuschnippeln, den Text unterhaltsam und sachlich korrekt zu formulieren, mache ich gerne, aber es ist ja auch immer ein Balanceakt. Ich war kürzlich auf deiner Birdering-Webseite. Schön, dass du auch auf Helogland warst! Als Kind der Nordseeküste habe ich dort manchmal Osterferien verbracht. – Basstölpel gab es damals übrigens dort noch nicht. Die Vogelgrippe hat der Population im letzten Jahr leider heftig zugesetzt. Hoffentlich erholt sich der Bestand. Grüße nach Bayern.

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