Wer im März in einem lichten Laub- oder Mischwald unterwegs ist, hat gute Chancen einen Grünspecht zu hören. Auch in großen Grünanlagen und naturnahen Gärten sind Grünspechte unterwegs. Sie machen allerdings nicht durch lautstarkes Klopfen – also durch Hämmern oder Trommeln – an teils hohlen Baumstämmen auf sich aufmerksam, sondern durch ihren auffälligen, eher simplen Gesang. Mit diesem markieren sie ihr Revier und locken eine Partnerin beziehungsweise einen Partner an.
Dies ist nötig, denn außerhalb der Fortpflanzungszeit und bis die Jungen selbständig sind, leben Grünspechte solitär.
Wie andere Spechtarten sind sie Einzelgänger. Lautschallend suchen daher ab Ende Februar potenzielle Partner einander.
Weibchen und Männchen lernen sich im März und April gewissermaßen kennen und synchronisieren so ihre Fortpflanzungsbereitschaft, bevor sie im Mai brüten. Und DAS erleichtert ihre Kontaktaufnahme im zeitigen Frühjahr: Beide Geschlechter singen!
Häufig unsichtbar!
Kürzlich beobachtete ich eine Ansammlung von Tafelenten am Fahrlander See, der in der kalten Jahreszeit zum Glück nicht von Windsurfern und anderen Wassersportlern heimgesucht wird.
Diese traditionelle Raststätte für Wasservögel lag also ruhig in der Morgensonne, als ich eindringliche rhythmische Lautfolgen hörte – sie erinnerten an ein lautes Lachen. Dahinter konnte nur ein Grünspecht stecken. Und so klang es:
Aber wo war er? Oder sie? Irgendwo über mir! Aber leider, wie so häufig, unsichtbar. Denn Grünspechte sind in der Regel scheu und verschwinden, wenn sie uns sehen auf der Rückseite des Baumstamms, an dem sie gerade hocken. Und gehen wir dann um den Stamm herum, machen sie das in luftiger Höhe ebenfalls.
Ich gab die Suche bald auf und wollte nach dem Eisvogel schauen, der übrigens als Saisonvogel für den März aktuell auf der Startseite dieses Vogelblogs zu sehen ist. Und was geschah kurz darauf: Der Grünspecht hatte offenbar auf einem der Gartengrundstücke am Boden gesessen und flog erschrocken auf, als ich zufällig dort vorbei kam.
Zunächst saß er auf mittlerer Höhe in einem blattlosen Laubbaum und pflegte sein Gefieder – natürlich verborgen hinter vielen Zweigen. Ich hoffte, dass er sich noch besser zeigen würde, aber vergebens. Was er jedoch tat, war sich weiter nach oben zu bewegen – in typischer Specht-Manier mit hüpfenden Sprüngen.
Und plötzlich hatte ich doch noch Glück und erwischte mit der Kamera das Grünspechtmännchen, denn darum handelte es sich. Es hockte ziemlich weit entfernt, war aber dank meines wertvollen Objektivs im Fokus.
Und schließlich ließ das Männchen, zu erkennen an dem leuchtend roten Fleck unter seinem Auge, auch seinen charakteristischen Balzgesang hören.
Die „Lachstrophe”
Das Wort Gesang ist für dieses vokale Verhalten etwas geschmeichelt, wenn wir an Singvögel wie die Nachtigall oder Amsel denken. Denn die Variabilität und Abfolge der Töne ist bei Grünspechten recht monoton. Ich bezeichne sie daher lieber als Vokalisationen.
Je 12 – 20 Einzelelemente werden hintereinander produziert und bilden jeweils eine Art Strophe, die beispielsweise als „kjükjükjü…“ transkribiert wird. Auch „Glüh glüh glü glück glück …“ ist als Beschreibung der Lautfolge üblich, etwa beim Pionier der deutschen Vogelforschung Johann Friedrich Naumann.
Da diese Strophen etwas Lachendes haben, werden sie als Lachstrophen bezeichnet. Manche beschreiben diese Lautfolgen des Grünspechts auch als „Wiehern“.
Die einzelnen Strophen werden mehrfach wiederholt und klingen von Vogel zu Vogel unterschiedlich. Bei den Weibchen sind die Töne meist etwas leiser und weniger hart. Doch wie ich in der empfehlenswerten App Die Stimmen der Vögel Europas lese, lassen sich die beiden Geschlechter akustisch oft nicht voneinander unterscheiden.
Jedenfalls schmettern Grünspechte, die ja oft am Boden nach Nahrung suchen, insbesondere ihre Lachstrophen hoch oben in den Baumwipfeln. Kein Wunder: Von dort ist die Übertragung am besten.
Wirklich bemerkenswert ist die körperliche Anstrengung, die mit dem Vokalisieren verbunden ist. Der Körper scheint die Laute förmlich herauszupumpen. Und in der Tat muss die Luft bei so lauten Tönen kräftig aus der Lunge gepresst werden, um dann durch den Stimmapparat, bei Vögeln die Syrinx, zu strömen. Dort sorgen Muskeln dafür, dass die arttypischen Frequenzen entstehen und dann individuell moduliert werden.
Leider bewegte sich der Grünspecht im Baumwipfel immer weiter nach oben.
In dem wirren Geäst ließ er sich kaum noch mit der Kamera einfangen.
Viel besser war er allerdings mit dem Fernglas zu beobachten, bevor er schließlich in Richtung Fahrlander See abflog.
Aufgereckt für laute Töne
Abschließend möchte ich noch diese Videosequenz präsentieren, weil sie trotz ihrer Unschärfe die typische Körperhaltung des Grünspechts beim Vokalisieren zeigt: sehr gerade, sehr aufrecht.
Dazu lese ich in der bereits erwähnten Vogelstimmen-App von einem Team um Hans-Heiner Bergmann (AULA-Verlag, Wiebelsheim 2018). Der Gesang wird
… in aufgereckter Haltung und mit nach oben gerichtetem und leicht geöffneten Schnabel vorgebracht.
Ganauso hatte ich es beobachten können. Mit anderen Worten: Auch an diesem Märzmorgen hat mich die Vogelwelt begeistert und der „Glüh glüh glü glück glück …“-Sänger glücklich gemacht.
¹ Johann F. Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1887-1905, 3. Aufl., Bd. IV
Grünspecht | Pic vert | Green Woodpecker | Picus viridis
Danke für die lauten Töne des Grünspechts. Jetzt weiß ich endlich, wen ich morgens beim Joggen im Wald immer höre – neben vielfachem, unterschiedlichem Klopfen oder Trommeln anderer Spechte. Die Geräuschkulisse erinnert manchmal an eine Straßenbaustelle: Die Presslufthämmer der Spechte, die Rufe der anderen Waldvögel, die ich als Bauarbeiter wahrnehme, das Schimpfen des Vorarbeiters, das Lachen der Grünspechte und schließlich, wenn der ganze Krähenschwarm gleichzeitig loskrächzt, klingt es, als wenn ein Kieslaster seine Ladung auf die Straße schüttet.
@Juliane: Wie schön, dass du den Auftritt der spechte so anschaulich und konsequent weitergedacht hast.
Sehr geehrte Frau Brüser,
ergänzend zu Ihrem Beitrag möchte ich noch erwähnen, dass es „Die Stimmen der Vögel Europas“ auch auf DVD gibt (für den PC) und ich diese wirklich auch empfehlen kann. Sehr interessante Informationen und sehr lehrreich.
Liebe Grüße
Vielen Dank für die Ergänzung, und herzliche Grüße!
Hallo Elke, Dein Bericht über den Grünspecht hat mir gefallen. Du hast sein typisches Verhalten und seine Lautart gut beschrieben. Ich saß letzte Woche im Tierpark auf einer Bank und direkt vor mir wuselte ein Grünspecht am alten Baum herum. Da alles um mich herum ruhig war (wenig Puplikumsverkehr), konnte ich ihn lange und deutlich beobachten, meine Kamera hatte dieses Mal freie Sicht :)) Dein Bericht hat mir aber das Verständnis seines Verhaltens nähergebracht. Übrigens waren auf dem Tegler See im Februar sehr viele Tafelenten!!
Ja, es ist wirklich Spechtzeit!