Auf grünen Beinen

03. Juli 2025 | Große Vögel | 1 Kommentar

Ein heller Vogel mit braunen Flügeln, langem Schnabel und grünlichen Beinen spiegelt sich in flachem Wasser. Vorgebeugt senkt er den Schnabel ins Wasser.

Grünschenkel auf Nahrungssuche

Grünschenkel gehören wie etwa Säbelschnäbler, Austernfischer und Rotschenkel zu den Watvögeln, die wir hierzulande unter anderem an der Nordseeküste beobachten können. Aber während diese drei Arten dort auch dem Brutgeschäft nachgehen, fliegt der Grünschenkel weit nach Norden, um seine Eier zu legen, zu brüten und seine Jungen aufzuziehen.

Ende Juni beziehungsweise Anfang Juli treffen die ersten adulten Grünschenkel, nachdem sie gebrütet haben, an unseren Küsten ein. Die Jungvögel folgen etwas später – im August. Es lohnt sich unbedingt, im Spätsommer auf die eleganten Vögel mit den langen matt-grünen Beinen, die manchmal auch auf Rieselfeldern oder in Überschwemmungsgebieten rasten, ein Auge zu haben. Sie sind allerdings scheu.

Rast im Wattenmeer

Das Wattenmeer an der deutsch-niederländischen Küste nutzen viele Vögel zum Auftanken – also zum Fressen. Grünschenkel machen sich von dort im Frühjahr in ihre Brutgebiete in Skandinavien und Finnland auf. Vor allem, wenn sie von dort zurückkehren legen sie im Watt der Nordsee einen Zwischenstopp ein. Einige von ihnen überwintern dort, die meisten fliegen nach Südwesten und steuern westafrikanische oder Überwinterungsgebiete südlich der Sahara an.

 

Als Zugvogel am Indischen Ozean

Meeresküste und breiter Strand mit Wasser rechts und flachen Gebäuden links .

Der Strand bei Salala am Indischen Ozean

Bislang war es mir hierzulande nicht gelungen, bei gutem Licht und aus der Nähe einen Grünschenkel zu beobachten und zu fotografieren. Da half mir nun eine Vogeltour in den Oman. Sehr zufällig lief mir im südlichen Eck, bei der Stadt Salala, ein einzelner Vertreter der Art mit dem wissenschaftlichen Namen Tringa nebularia über den Weg.*

Ein heller langbeiniger Vogel steht am Strand, wo die Wellen auslaufen.

Ein einzelner Grünschenkel an der Küste bei Salala

Ich hatte es eigentlich auf die Weißbart-Seeschwalben abgesehen, die dort im Sturzflug auf Fischfang gehen, aber sie ließen sich nicht blicken. Stattdessen entdeckte ich einen Rotschenkel und diesen Grünschenkel. Er ist mit einer Länge von 30-34 cm größer als sein rotbeiniger Verwandter Tringa totanus, der es auf 24-27 cm bringt.

Hellbrauner Vogel mit rötlichen Beinen läuft durch flaches Wasser am Strand.

Ein Rotschenkel in der Nachbarschaft

Der auffälligste Unterschied zwischen den beiden Arten ist natürlich die Farbe der Beine. Doch je nach Licht kommt es auch auf Körpergröße und die Flügelspannweite an, will man den Vogel identifizieren. Die Spannweite ist beim Grünschenkel ebenfalls erheblich größer als beim Rotschenkel. Und im Flug fällt auf, dass der Schwanz beim Grünschenkel weiß ist, wohingegen beim Rotschenkel der Schwanz hell-dunkel gebändert ist – wie in diesem Blogpost zu sehen – und seine rötlichen Beine darunter etwas hervorragen.

Schließlich ist der Schnabel des Grünschenkels leicht nach oben gebogen – in der Ornithologie sprechen wir von „aufgeworfen“.

Ein langbeiniger Vogel mit langem Schnabel läuft am Strand durch seichtes Wasser.

Wohlfühlstandort: Wo die Wellen auslaufen.

Übrigens: Ob es sich hier um einen weiblichen oder männlichen Grünschenkel handelt, kann ich nicht sagen. Die beiden Geschlechter sehen gleich aus, allerdings sind die Damen im Schnitt ein kleinwenig größer …
Es gibt also, wie auch bei vielen anderen Watvogelarten, keinen offensichtlichen Sexualdimorphismus.

Auf Nahrungssuche

Zurück zu dem Grünschenkel an der Küste des Indischen Ozeans, der hier Arabisches Meer heißt. Er war auf Nahrungssuche und, wie es bei Watvögeln üblich ist, nah am Wasser unterwegs. Das kann ebensogut ein Strandabschnitt sein wie im Binnenland das Ufer eines Tümpels, ein Feuchtgebiet oder ein Flusslauf. Der Grünschenkel fängt seine Beute im Flachwasser und sucht sie vor allem mit den Augen – also visuell.

Einlangbeiniger Vogel mit langem Schnabel steht aufrecht am Strand im Meerwasser.

Visuelle Nahrungssuche. Und typisch ist der leicht aufgeworfene Schnabel.

Nahrung schnappt er meist direkt aus dem Wasser, stochert wenig und nicht so tief im weichen Schlamm oder Sand des Meeresbodens. Daher sieht man ihn öfter aufmerksam durchs Wasser schreiten. Oder er läuft etwas hektisch hin und her, wenn Strömungen oder Wellen womöglich Schmackhaftes ans Ufer gespült haben und das Wasser langsam wieder abfließt.

Etwas lakonisch, aber sehr präzise heißt es in dem wertvollen Handbuch der Vögel Mitteleuropas¹ 

Ausgesprochener Beutegreifer. Sucht seine Nahrung vorzugsweise im Seichtwasser (deshalb am Meer der Wasserlinie folgend) …  Lokalisieren der Beute überwiegend visuell …

Im Seichtwasser entweder im langsamen Schreiten pickend, sondierend oder die oberste Wasserschicht durchsäbelnd, aber auch im raschen, oft richtungslosen Umherrennen pflügend oder scheinbar überstürzt ins Wasser stechend.

ein Hellbrauner Vogel mit langen Beinen steckt seinen Schnabel in das Wasser einer auslaufenden Welle am Strand.

Wurde Schmackhaftes angespült?

Ein hellbrauner Vogel mit langen Beinen steckt seinen Schnabel in das Wasser einer auslaufenden Welle am Strand.

Offenbar!

Besonders eindrucksvoll ist es, ihn in Bewegung zu sehen: Wie er läuft oder schreitet, den Kopf nickend vor- und zurückschiebt, den leicht geöffneten Schnabel ins Wasser senkt und mit leicht pendelnder Bewegung nach Nahrung schnappt … Vieles davon erinnert ein wenig an die – allerdings ausladenderen – Schwünge des Säbelschnäblers.

 

Am Meer hat es der Grünschenkel auf Fischchen wie kleine Aale, Grundeln und Stint abgesehen, aber auch auf Würmer und Krebstiere. In den weit nördlichen Brutgebieten frisst er in großen Mengen Insekten, darunter Fliegen, Libellen und Käfer sowie deren Larven. Manchmal schnappt er sich auch kleine Amphibien und sehr gerne die eine oder andere Kaulquappe.

Ferne Heimat

Wir können davon ausgehen, dass dieser Grünschenkel, der im Februar im Mittleren Osten unterwegs war, ursprünglich aus der russischen Tundra stammt. Dort ist er vermutlich ausgebrütet worden und wird dorthin zurückkehren, um sich zu paaren und selbst zu brüten, womit übrigens beide Geschlechter beschäftigt sind. **

Landkarte mit den Brut. und Überwinterungsgebieten des Grünschenkels: Im sommer im Norden, im winter im Süden. Von der Tundra aus fliegen die Vögel nach der Brut in Richtung Süden – tendenziell süd-westwärts – und gelangen so unter anderem an den Indischen Ozean. Dort finden sie reichlich Nahrung an Meeresküsten, Flüssen und in Feuchtgebieten.

Ich muss sagen, ich war unglaublich begeistert, diesem Zugvogel fern der Heimat zu begegnen. Was mag er alles erlebt und gesehen haben!

Da sich die Brutgebiete des Grünschenkels von Schottland aus über Europa, Russland und Asien hinweg bis Kamtschatka erstrecken, finden wir Überwinterer von Marokko und Transsahara-Afrika ausgehend über den Mittleren Osten und Asien hinweg bis nach Indonesien und Australien. Das zeigt die eingefügte Karte (verändert nach HBW²), in der die Sommer- und Winteraufenthalte eingezeichnet sind. Auch meinen Beobachtungsstandort habe ich dort markiert.

Eine reihe von Fußabdrücken im Sand mit drei langen Zehen.Wer Glück hat, der sieht den grünbeinigen Watvogel jedoch vor der hiesigen Haustür: im norddeutschen Wattenmeer. Vielleicht auch im Binnenland.

Ein erster Hinweis sind die Fußabdrücke eines Watvogels im Sand. Genaugenommen sind es die Abdrücke seiner Zehen.

Typisch Watvogel: drei lange Zehen zeigen nach vorne. Die kleine, nach hinten gerichtete Zehe hinterlässt keinen deutlichen Abdruck.

* Der Jemen ist hier nicht weit. Maskat als Hauptstadt des Oman über 1000 km entfernt.
** Manchmal „bezirzst“ ein männlicher Vogel zwei weibliche. Das hat Nachteile für die Damen, denn er hat dann weniger Zeit, um zu brüten.

¹ Urs N. Glutz von Blotzheim u.a., Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Aula 1987, Bd. 7, Seite 450 ff
² Josep del Hoyo u.a, Handbook of the Birds of the World, Barcelona 1996, Bd. 3, Seite 510

Grünschenkel |  Chevalier aboyeur | Common Greenshank | Tringa nebularia

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

1 Kommentar

  1. Liebe Elke!
    Deine Fotos und Beobachtungen über die Grünschenkel sind wieder eine Augenweide und füttern das Gehirn! Wie alle deine Berichte und Fotos! Herzlichen Dank!
    Besonderen Dank auch für deine Gedanken zu Birderin/Birder!
    Wenn doch alle Menschen so gelassen und humorvoll mit Eindrücken und Problemen umgehen würden! Die Welt wäre eine andere! Jutta

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Abo-Werbung für den Blog "Flügelschlag und Leisetreter" mit einem Specht, ein Kunstwerk von M. Garff

Vogelthema gesucht?

Gut sortiert

5 von 824 Kommentaren

Alle sind vollständig unter dem zugehörigen Blogbeitrag zu lesen.

  • Jutta zu Auf grünen BeinenLiebe Elke! Deine Fotos und Beobachtungen über die Grünschenkel sind wieder eine Augenweide und füttern das Gehirn! Wie alle deine Berichte und Fotos! Herzlichen Dank! Besonderen Dank auch für deine G…
  • Elke Brüser zu Sieben auf einen StreichWas für eine traurige Nachricht. Ich habe mich schon oft über freilaufende Hunde am Schlachtensee und der Krummen Lanke in Berlin geärgert. Immer wieder werden brütende Vögel oder solche mit Jungen ge…
  • Marion zu Sieben auf einen StreichNach meiner Kenntnis wurde dieses Jahr nicht mit der Brut. Die Eier lagen im Wasser im Nest Zudem die traurige Nachricht, dass die Schwanendame durch ein Hundebiss vorgestern in der Klinik erlöst werd…
  • Katharina zu Der Plan: EinweichenHallo, ja das mit dem Einweichen hab ich auch schon beobachtet, aber weiss einer oder hat gesehen ob krähen auch baden z.b. in einem tieferen vogelbad wie die spatzen bzw. amseln?
  • Elke Brüser zu Besuch vom SeeadlerIch kenne die Gegend ein wenig, es hat sich in den letzen Jahren einiges verändert, aber es ist ein Privileg dort zu leben - jedenfalls für alle, die die Natur lieben.

Birding

Du ahnst es vielleicht schon: Im Wort Birding steckt der englische „bird“. Unter Vogelfreunden ist das ein Schlagwort für die Beobachtung der gefiederten Tierwelt – im Feld, wie man so schön sagt. Also draußen. Ein paar Anmerkungen dazu findest du → hier.

Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Drei dunkle Hausrotschwänze in einer Grafik. Links der weibliche Vogel rechts davon der männliche, beide mit roten Schwanzfedern. Der männliche Vogel ist an weißen Federn am Kopf und auf den Flügeln zu erkennen. Ganz rechts auf der Grafik und neben den Eltern ein dunkelbraun-grauer Jungvogel.

2025 Der Hausrotschwanz

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Drei schwarzköpfige Möwen im sogenannten Prachtkleid oder Brutkleid. In der Mitte steht die Lachmöwe mit orangerotem Schnabel und ebensolchen Beinen.

2025  Die Lachmöve

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

Cookie Consent mit Real Cookie Banner