In der Regel ist es so: Wir gehen durch den Wald und hören irgendwo, manchmal schwer zu orten, einen Specht an einem Baumstamm sitzen und klopfen. Er hämmert.
Meist handelt es sich dann um einen Buntspecht, der nach schmackhaften Insektenlarven sucht, die im Holz verborgen sind.
Manchmal ist er dabei, eine Höhle anzulegen oder zu erweitern. Dann spricht – oder sprach – der Volksmund auch vom „Zimmern“ oder dem „Zimmermann“ des Waldes.
Im zeitigen Frühjahr klingt das Hämmern jedoch anders. Da erzeugen einige Spechtarten regelrechte Trommelwirbel, um ein Revier zu markieren, eine bestehende Bruthöhle anzuzeigen, einen Partner oder eine Partnerin anzulocken.
Suche nach dem Buntspecht
Getrommelt wird mehr oder weniger intensiv den ganzen Tag über, aber vor allem am Morgen. Das bekam ich in diesem April mehrfach am Frühstückstisch zu spüren.
Zunächst stand die Frage im Raum, ob vielleicht die Heizungsanlage ein Problem hat. Doch als Biologin hatte ich einen Verdacht … und bereits vor vier Jahren einmal einen Buntspecht auf unserem alten Ziegeldach beim Trommeln erwischt.
Damals war es ein Weibchen, das die Metallkonstruktion am Schornstein als resonanzstarkes Instrument entdeckt hatte. Tonaufnahmen gelangen mir damals nicht, denn viel zu schnell fühlte sich die Buntspechtdame gestört.
Dieses Mal war es anders: Durch ein Dachfenster gelangen zunächst Tonaufnahmen von morgendlichen Trommelkünsten, die ohne Frage auf Blech oder anderes Metall trafen. Aber kein Buntspecht war in Sicht!
Der unsichtbare Trommler am frühen Morgen
Auch vom Balkon aus bemerkte ich nur einen abfliegenden Specht. Länger als ein paar Minuten hielt es der Blechtrommler auf dem Dach meist nicht aus und flog davon. Manchmal kam er allerdings wenig später zurück. An einem klaren, sonnigen Vormittag suchte ich schließlich das Nachbargrundstück auf, in der Hoffnung den Instrumentalisten von dort zu entdecken und mit dem Richtmikrofon sein Getrommel einzufangen.
Anfangs hörte und sah ich nichts. Aber dann erklang das weitschallende Trommeln, so dass ich mit der Kamera das Dach absuchte. Nichts zu sehen … Das dachte ich zumindest, während ich durch starkes Objektiv schaute.
Buntspechtsuche durch das Kameraobjektiv
Bei der Kontrolle der Videoaufnahmen bemerkte ich allerdings den trommelnden Buntspecht. Wer das Video nochmals betrachtet, achte bitte auf die Startphase. Da sitzt der kleine Kerl rechts vom Schornstein auf einer Leitersprosse.
Kurz darauf hatte sich der Blechtrommler eine Etage höher platziert. Und während unten sein Trommeln an der Leiter eher hell und spitz klang, war es hier oben dumpfer, voluminöser. Er bearbeitete nun den gitterartigen Tritt für Schornsteinfeger.
Um den Vogel besser ins Bild zu rücken, habe auch ich dann einen Platzwechsel vorgenommen. Und so sah ich schließlich, dass es sich in diesem Fall um einen männlichen Buntspecht handelte.
Buntspechte haben keinen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus, das heißt Männchen und Weibchen ähneln einander in Körpergröße und Gefieder.
Es existiert jedoch ein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal: ein roter Fleck am Hinterkopf, auch Nackenfleck genannt.
Zugegeben, der Fleck hinten am Kopf ist hier nicht sonderlich gut zu sehen – aber bei der Entfernung …
Mit dem Fernglas war das rote Feld eindeutig zu erkennen. Zur Illustration habe ich weiter unten noch eine wunderschöne Grafik aus dem „Naumann“ eingefügt, die auch die andersartige Kopfzeichnung von Jungvögeln zeigt.
Viel Zeit zum Beobachten ließ mir der Blechtrommler übrigens nicht:
Die Trommelwirbel
Mit einer Geschwindigkeit von rund 20 Mal pro Sekunde hämmert ein Buntspecht seinen Schnabel auf hartes Holz oder was ihm sonst geeignet erscheint. Jeder Hammerschlag ergibt ein akustisches Element, aneinandergereiht entsteht so eine Serie, der Trommelwirbel. Enorme Kräfte wirken dabei auf den Vogel, die raffiniert gedämmt werden.¹
Nicht nur äußerlich unterscheiden sich die Geschlechter wenig, auch ihren Trommelwirbeln ist nicht zuverlässig zu entnehmen, ob ein männlicher oder weiblicher Buntspecht trommelt.
Eine Studie ergab, dass die Abstände zwischen den einzelnen Schlägen bei männlichen Trommlern ein wenig kürzer sind, sie also schneller trommeln als ihre Artgenossinnen, aber dieser Unterschied ist minimal.² Zudem bestehen Überlappungen: Manche Weibchen trommeln so schnell wie einige Männchen beziehungsweise manche Männchen langsamer als einige Weibchen.
Der Blechtrommler auf unserem Hausdach im Fokus: dumpferer Klang
Allerdings lassen sich am Trommeln einzelne Spechtarten unterscheiden. Dazu lese ich in dem schönen Buch Spechte & Co. von Volker Zahner und Norbert Wimmer (2019, Aula-Verlag) auf Seite 38
So erzeugen Schwarzspechte lange Trommelserien von 2,5 Sekunden Länge und durchschnittlich 43 Schlägen, Buntspechte trommeln nur 0,6 Sekunden mit kaum mehr als 10 vernehmbaren Schlägen.
Und während also Schwarzspechte beeindruckende Trommler sind, trommeln Grünspechte und Mittelspechte nur selten und bedienen sich stattdessen aus ihrem Repertoire an Rufen.
Wozu der Buntspecht trommelt
Akustische Signale erzeugen Lebewesen nicht nur mit einem Stimmorgan wie der Larynx (Mensch) oder der Syrinx (Vögel), sondern mit diversen Körperteilen. Bekanntlich klappern unsere Störche mit Ober- und Unterschnabel oder der balzende Rotschenkel imponiert – uns Menschen und vor allem die Vogelweibchen – durch ein geräuschvolles Flügelschlagen kurz vor der Paarung.
Lautäußerungen von Tieren sind kein Selbstzweck, sondern haben etwa als Lockruf in der Balz, als Kontaktlaut zwischen Jungtieren und Eltern oder bei der Feindabwehr eine Funktion.
Viele Debatten wurden schon über den Sinn und Zweck von Lautäußerungen geführt. So wird zum Beispiel das Trommeln von Spechten als ein „ehrliches Signal“ betrachtet, weil sich an der Intensität offenbar ablesen lässt, ob es sich beim Trommler oder bei der Trommlerin um einen kräftigen und gesunden Vogel handelt.² Es geht also um sexuelle Selektion: Heftiges und anhaltendes Trommeln stehen für Fitness und für einen Partner oder eine Partnerin, der oder die den Bruterfolg sichert beziehungsweise erhöht.
Wo der Buntspecht trommelt
Diese Grafik aus Johann F. Naumanns Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas (1887-1905, 3. Aufl., Bd. IV, Tafel 32) illustriert, wie unterschiedlich der männliche Buntspecht, das Buntspechtweibchen und der Jungvogel aussehen.
Jungvögel (oben) haben zunächst eine leuchtend rote Kopfplatte.
Weibliche Vögel (rechts) besitzen keine roten Federchen im Kopfbereich.
Männliche Buntspechte (links) sind aus der Nähe am roten Nackenfleck gut zu erkennen.
Wenn im Wald ein Buntspecht hämmert, sehen wir ihn meist aufrecht am Stamm sitzen. Trommelnde Spechte nutzen im Frühjahr auch fast waagerechte Äste mit guter Resonanz. Das zeigt diese Grafik aus Die Buntspechte (1963, Neue Brehm-Bücherei, Bd. 315, Wittenberg/Magdeburg)* von Seite 63
Dass aber nicht nur an Bäumen getrommelt wird, ist bekannt. Dieter Blume, Autor von Die Buntspechte, schrieb beispielsweise, Seite 64
Trommelbäume mit guter Resonanz werden manchmal jahrelang von verschiedenen Spechtarten als Xylophon benutzt. Auch Gebäudeteile, wie Blechbeschläge von Dächern, Wetterfahnen und Turmspitzen, können betrommelt werden.
Der Blechtrommler auf unserem Dach erzeugte ein sehr lautes Signal und betrommelte auch wenigstens ein anderes Dachblech in der Umgebung. Bis zu 800 Meter weit sollen Trommelwirbel durch den Wald schallen, finde ich in der Literatur.
Aber wie ist das in der Stadt? Tragen die Frequenzen dort weiter, weil der Standort auf einem mehrgeschossigen Haus frei und sehr hoch oben ist? Oder tragen sie weniger weit, weil Straßenlärm stört? Und ist das Trommeln dann noch ein ehrliches Signal, wenn nicht Muskelkraft und ein langer Atem beim Trommeln ausschlaggebend sind, sondern ein Dachblech oder eine andere Metallkonstruktion mit idealem Resonanzraum genutzt wird?
Diese Fragen müssen offen bleiben, denn schlüssige Publikationen finde ich hierzu nicht. Aber vielleicht ist der klügere Specht, der also mit weniger Aufwand mehr akustischen Eindruck macht, eben auch der einfallsreichere, wenn in wenigen Wochen von den Eltern hungrige Vogelmäuler zu stopfen sind.
¹ Gedämmt wird der extreme Aufprall der Schnabelspitze u.a. durch einen schwammartigen Knochen zwischen Schnabel und Schädelknochen, Schutzmechanismen für das Gehirn und eine besonders stabile Schädeldecke.
² Michal Budka u.a.: Vocal individuality in drumming in great spotted woodpecker – A biological perspective and implications for conservation (2018, PLoS ONE, 13(2): e0191716)
* Mit freundlicher Genehmigung der VerlagsKG Wolf Magdeburg, Rechteinhaber von Die Neue Brehm-Bücherei
Buntspecht | Pic épeiche | Great Spotted Woodpecker | Dendrocopos major
Dass Buntspechte sehr erfinderisch sind bei der Auswahl ihrer Trommelinstrumente kann ich bestätigen. Vor ein paar Jahren habe ich beobachtet, wie einer bei uns am Sportplatz auf der Traverse eines Flutlichtmastes saß und beim Klopfen auf das Aluminiumgehäuse eines Scheinwerfers einen Höllenlärm erzeugte. Hatte leider keinen Fotoapparat dabei.
Ein wunderschönes Tier! Aber leider auch ein Ärgernis, denn bei uns hat sich ein Buntspecht über die Dämmung unserer Außenfassade hergemacht und dort offenbar eine Höhle gebaut. Gibt es eine Möglichkeit, ihn davon abzuhalten?
Momentan können Sie wenig machen. Vermutlich brüten die Spechte schon darin. Später kann man bautechnisch reagieren. Ich empfehle, sich zunächst an den NABU zu wenden.
Vielleicht gelingt es Ihnen, den verständlichen Arger beiseite zu schieben und sich an den Vögeln zu erfreuen.
Viele Grüße von Elke Brüser