Der Schreiseeadler ist ein Ereignis – sein Anblick ebenso großartig wie der des nahverwandten Seeadlers. Aber während dieser etwa an den Gewässern von Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg dank diverser Schutzmaßnahmen heute wieder oft zu sehen ist, lebt der Schreiseeadler im südlichen Afrika. Beide Greife sind, im Gegensatz zu Fischadler oder Schwarzmilan, keine Zugvögel. Sie sind standorttreu.
Bereits aus der Ferne leuchtet uns der heller Oberkörper entgegen. Schneeweiß sind Kopf, Hals und das obere Brust- und Rückengefieder. Auch der Schwanz ist weiß. Ansonsten ist der Rumpf wunderschön kastanienbraun gefärbt. Und schwarz sind die Schwingen. Auch die Spitze des gelben Schnabels ist schwarz.
Mehrmals begegnete mir dieser imposante Greifvogel aus der Familie der Habichtverwandten (Accipitridae) im wasserreichen Norden Namibias, wo er etwa an den Ufern des Sambesi und im verzweigten Flusssystem des Okavango ein verbreiteter und leicht zu entdeckender Vogel ist. Verstecken muss er sich sowieso nicht– mit seinen rund zwei Meter Flügelspannweite, ausgestattet mit einem kräftigen Schnabel und mit beeindruckenden Klauen.
Ruhiges Abwarten
Schaut man einem Schreiseeadler, der auf einem Ansitz auf Beute aus ist und das Umfeld scannt, längere Zeit zu, so wirkt er entspannt und ruhig. Viel mehr als ein Kopfdrehen ist meist nicht zu entdecken. Nur wenn er eine potenzielle Beute entdeckt hat, duckt er sich, um möglicherweise durchzustarten.
Der Ansitz eines Schreiseeadlers liegt üblicherweise in Gewässernähe, denn seine Hauptnahrung sind Fische mit einem Gewicht von 1000 – 2000 Gramm. Aber auch Enten und andere Wasservögel stehen auf dem Speiseplan des Greifs.
Bekannt ist außerdem, dass Schreiseeadler durchaus Störchen und Pelikanen den erbeuteten Fisch stehlen, auch als Nesträuber von Wasservögeln wie den Reihern haben sie sich einen Namen gemacht. Schließlich fressen sie Aas, zum Beispiel Fische, die bei Überflutungen oder Austrocknung von Flussarmen, Tümpeln oder Sümpfen gestrandet sind.
Hungrige Schreiseeadler fliegen oft in einer Art Suchflug mit abwärts gerichtetem Kopf über Flussläufe oder Sümpfe hinweg. Blitzschnell stoßen sie dann auf einen Fisch oder andere Beute herab. Dass sie bei der Auswahl ihrer Nahrung nicht besonders festgelegt oder „pingelig” sind, erhöht ihre Chance in einer Umwelt, die sich ständig zu ihren Ungunsten wandelt, dennoch als Art zu überleben.
Schreiseeadler sind laute Vögel
Das Präfix „Schrei“ verdankt der afrikanische Schrei-Seeadler seiner imposanten Stimme. Auch der wissenschaftliche (lateinische) Name greift diese Arteigenschaft auf: Haliaeetus vocifer ließe sich mit stimmträchtiger Seeadler übersetzen, wobei vox, vocis die Stimme ist und ferre tragen bedeutet.
Es sind laute, fast bellende Rufe, die Schreiseeadler auf dem Nest stehend oder im Flug produzieren. In charakteristischer Weise werfen sie dabei den Kopf zurück.
Dazu habe ich leider nur ein kurzes Video, denn zu rasch war das Paar hinter Bäumen verschwunden. Da ich aber im Internet keine passablen Videos von fliegend vokalisierenden Schreiseeadlern gefunden habe, hier der Ausschnitt und zwar in Zeitlupe! Dadurch sind Windgeräusche und die Rufe in der Frequenz unnatürlich zu tief. Die Halsbewegung sind gleich zu Beginn und kurz darauf sichtbar.
Mit ihren Rufen markieren Schreiseeadler ihr Territorium. Zu hören sind die Vögel vor allem während Balz, wenn sich die Partner, die in der Regel über Jahre zusammen bleiben, in einer hormonell getriggerten Hochstimmung befinden.
Die Balzflüge sind elegante Flugschauen des großen Weibchens (3,3 – 3,6 kg) und des kleineren Männchens (2,0 – 2,5 kg). Sie werden von den Vokalisationen beider Partner – wie bei einem Duett – begleitet. Die Flügelspannweite eines weiblichen Schreiseeadlers liegt bei bis zu 2.10 m, beim hiesigen Seeadlerweibchen beträgt sie sogar bis zu 2.40 m. (Die Fotos lassen sich wie üblich vergrößern, in dieser platzsparenden Galerie dann am PC per ← zurück zum Text.)
Erwachsen werden
Bei jungen Schreiseeadlern ist das teils schneeweiße Gefieder noch fleckig, so wie wir es etwa von jungen Habichten kennen, deren bauchseitiges Tropfenmuster so ganz anders ist als die Zeichnung der adulten Tiere. – Auch bei anderen Arten sind Jungvögel bekanntlich weniger kontrastreich gefärbt als ihre Eltern. Und das schützt die Nachkommen.
Übrigens sind Schreiseeadler erst mit vier bis fünf Jahren erwachsen und fortpflanzungsfähig. Bis dahin sind die Jugendlichen oft in größeren Gruppen zu sehen und halten sich üblicherweise entfernt von den Territorien der adulten territorialen Paare auf. (Handbook Of The Birds Of The World, Hrsg. Josep del Hoyo u.a., Barcelona, 1994, Bd. 2, S. 121)
Freund oder Feind
Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut Tiere zwischen Freund und Feind unterscheiden können. Wer kennt nicht die Bilder von grasenden Gazellen, in deren Nähe eine satte Löwe ruht. Auf dem folgenden Foto hat ein Schreiseeadler im Schilfgürtel des Sambesi die Astgabel eines entwurzelten Baumes besetzt und scannt das Umfeld.
Schaut man ganz genau hin – und das fiel mir erst beim Bearbeiten der Fotos in Berlin auf – sitzt neben ihm ein Eisvogel. Ganz ruhig! Kleine, langschnäblige Eisvögel stehen offenbar nicht auf dem Speiseplan des Schreiseeadlers. Der hob dann auch bald ab.
Schreiseeadler | Pygargue vocifère | African Fish-eagle | Haliaeetus vocifer
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