Das wollte ich nicht länger aufschieben. Zurück aus dem Oman habe ich endlich „meinem“ Habichtpaar einen Besuch abgestattet. Als am Wochenende die Sonne durchkam, machte ich mich sofort auf den Weg. Doch am Horst musste ich mich zunächst mit den Blau- und Kohlmeisen, ein paar Amseln und den in Berlin allgegenwärtigen Nebelkrähen begnügen. Als ich gerade ein Kernbeißer-Paar entdeckt hatte, hörte ich plötzlich das typische Habicht-Gickern. Und da sah ich ihn auch schon.
Nun stellt sich natürlich die Frage, warum ich mir ziemlich sicher war, dass es der männliche Habicht sein musste – der so genannte Terzel. Das hat zwei Gründe:
• Im selben Baum saß, gut versteckt, auch das weibliche Tier. Und wie bei Greifvögeln häufig, war sie deutlich größer.
• Außerdem hatte der Terzel diesen schönen schiefergrauen Rücken.
Zusätzlich sieht man das gelbe Auge, genauer gesagt die gelbe Iris. Typisch für einen Habichtmann in jungen Jahren, manchmal wird sie mit dem Alter orangefarben. Die Iris der Habichtdame ist jedenfalls dunkler. Sie ist übrigens drei Jahre älter als der Terzel und wurde 2008 als Jungvogel in Berlin beringt. (Ein Dank an die Beringer und Ringableser vom NABU.)
So wie sie in dem Geäst saß, war sie nicht nur größer, sondern wirkte auch richtig rund, und sie war total inaktiv.
Das passt, denn vor der Eiablage macht sich bei Habichtdamen bekanntlich eine gewisse Trägheit breit.
Man könnte sagen: Okay, sie ist „schwanger“. Sie produziert nun die Eier, döst und genießt die Sonnenstrahlen nach all dem Regen.
Einbeinig
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Ich habe schon mehrfach über den „dicken“ Bauch bei meinen Habichten gestaunt. Irgendwann fiel mir auf, dass dort im Gefieder etwas verborgen ist. Und zwar ein gelber Fuß! Manchmal wird der sogar richtig vorgestreckt. Dazu ein GIF aus dem Februar, als der gelbe Fuß gerade im Gefieder versteckt wird.
Der erfahrene NABU-Greifvogelberinger Ludwig Schlottke erklärte mir, dass die Tiere sehr oft auf nur einem Bein sitzen. Mich würde es nicht wundern, wenn Habichte auf diese Weise dösen. Das machen andere Vögel auch so.
Lustlos
Ich habe noch etwas beobachtet: In den 40 Minuten, die ich in Horstnähe war, flog der Terzel von einem dichten Nadelbaum aus dreimal auf einen waagerechten Ast in dem blattlosen Laubbaum, in dem seine Partnerin sich niedergelassen hatte. Trotz einigem Gicksen und der Präsentation seiner weißen Unterschwanzdecken, die ich schon mal erwähnt habe, interessierte sie sich aber nicht für ihn.
Ich vermute – und das ist natürlich eine Übertragung, aber durchaus beobachtungsgestützt – Madame wollte einfach ihre Ruhe. Ornithologen wissen, dass die weiblichen Habichte vor der Eiablage ab der 2. Märzwoche geradezu träge sind. Allerdings bewachen sie den Horst. Hierzu schreiben Lutz Artmann und drei Kollegen in ihrem wunderbaren Buch mit phantastischen Fotos „Der Habicht. Vom Waldjäger zum Stadtbewohner“, Oertel & Spörer, 2015, S. 23:
Das kräftigere Habichtweibchen ist für die Verteidigung des Horstes und dessen Umfeld zuständig. Von exponierter Warte aus wacht es über das Revier.
Das tat auch die dösende Habichtdame. Zwar veränderte sie ihre Position im Geäst nicht, aber den Horst hatte sie im Visier, und ihren Kopf drehte sie hin und wieder von links nach rechts. Immerhin flogen manchmal ein paar nervende Nebelkrähen vorbei.
Habicht | Autour des palombes | Goshawk | Accipiter gentilis
Das ist kein junger Habicht, sondern ein Mäusebussard.
LG Dirk
Nein Dirk, da muss ich deutlich widersprechen. Es handelt sich um einen der Berliner Habichte, beringt ist er auch. Und bei Beringungen war ich mehrfach dabei. Außerdem ist die quergestreifte (gesperberte) Brust für Habichte und Sperber typisch. Der Mäusebussard hat diese Zeichnung nicht. Allerdings haben junge Habichte eine herz- oder tropfenförmige Fleckung auf der Unterseite. All das lässt sich bei mir in der Rubrik „Falke & Co“ am Ende der Blog-Startseite, also im Footer, nachlesen. Viele Grüße!
Ein wunderbarer, spannender Bericht! Mir hat besonders die Sequenz mit dem verborgenen Fuß imponiert.
Und wie immer fand ich die brillianten Fotos beeindruckend. Dankeschön – von Ursula
@ Ursula Wie schön, dass dir der verborgene Fuß auch so gefällt. Gestern war ich im Grunewald auf der Suche nach dem Schwarzspecht, von dem mir eine Freundin berichtet hatte. Ich traf auf einen Kleinspecht und dann saß da plötzlich dieser junge Habicht. Eine hübsche hungrige Dame, von der ich vielleicht noch ausführlicher berichten werde. Jung, denn das Gefieder ist nicht quergebändert. Mich oder mein Objektiv mochte sie leider nicht sonderlich …
Den Bericht insgesamt finde ich aufschlußreich; man erfährt viele Details auf diese Jahreszeit bezogen. Danke !!! Mit dem Bein, das habe ich schon oft bei anderen Vögeln beobachtet. Auch die Reiher zeigen das sehr deutlich. Die Quali der Fotos, besonders des Tertzels: Daumen hoch :))
Nach der Lektüre des Buchs „H wie Habicht“ von A. McDonald kann ich mich in das Wesen eines Habichts gut einfühlen, war mir vorher alles fremd. LG gabriele
@ Gabriele Das Buch „H wie Habicht“ von Helen Macdonald hat mich auch total fasziniert. Die Welt der Falkner erscheint da in einem ganz besonderen Licht. Und was „The Economist“ zu dem Buch schrieb, stimmt erst recht für den Habicht: furchterregende Eleganz.