Im Winter durchhalten

02. Februar 2018 | Kleine Vögel | 3 Kommentare

Bräunliches Amselweibchen sitzt auf einen grauen Ast und blickt zur Kamera.

Amseldame im Winter. Wer sie aus der Nähe sehen möchte, muss das Foto anklicken.

Vor wenigen Tagen war ich in jenem Park unterwegs, wo ich letztes Jahr im Februar ein flirtendes Habichtpaar beobachtet habe, später die Brutphase erlebte und verfolgen konnte, wie die drei Nestlinge zu munteren Ästlingen heranwuchsen. Jetzt wollte ich nach dem Habichtpaar Ausschau halten. Aber da gab es eine unerfreuliche Überraschung. – Und so kam mir ein wachsames Amselweibchen gerade recht.

Ein kleiner Haufen Zweige liegt hoch oben im Geäst eines Nadelbaumes.

Der Habichthorst ist weitgehend zerstört.

Zunächst die Überraschung: Der Habichthorst ist bis auf wenige Reste zerstört. Nur ein paar Zweige hängen in der kräftigen Astgabel und bieten sich als Starthilfe für den Nestbau an. Der starke Sturm, der am 15. Oktober auch Berlin überrollte, hat das Geflecht von der Douglasie heruntergefegt. Das erzählten mir Habichtfreunde, die ebenfalls im Park nach dem Stand der Dinge schauten. – Jetzt bin ich gespannt, ob die Habichte den Horst wieder herrichten.

Es gab allerdings eine wirklich gute Nachricht. Die beiden Greifvogelfreunde haben das Männchen bereits zweimal gesichtet: Und nach dem Weibchen gerufen habe er auch schon. Ich sah an diesem trüben Nachmittag keinen Habicht mehr, dafür aber eine weibliche Amsel. Sie saß nahezu bewegungslos auf dem Zweig einer noch jungen Eiche.

Abwarten und aufplustern

Das hatte seinen Grund. Der Nachmittag neigte sich schon dem Ende zu, und es war kalt. Amseln, die bei uns überwintern, müssen mit ihrer Energie haushalten. Ihre Fettreserven, die sie sich im Herbst anfuttern, sollten sie lieber nicht aufs Spiel setzen. Darum bewegte diese Dame sich nicht von der Stelle und hatte ihr oliv-bräunliches Gefieder mit einem Hauch von Rostrot ordentlich aufgeplustert.

Bräunliches Amselweibchen mit rötlichem Schimmer sitzt auf einem Ast, zeigt uns den Rücken, aber dreht den Kopf zur Kamera.

Aufgeplustert gegen die Kälte

Die Temperaturen lagen wenige Grade über Null. Also nicht nötig, den Kopf ganz zwischen die Federn zu stecken, was bei Minusgraden ratsam ist und uns diese Grafik aus „Die Amsel“ wunderbar anschaulich erklärt. Und natürlich wollte die Amsel mich im Auge haben.

Grafik zeigt den Querschnitt durch eine Amsel, so dass klar ist, wie stark aufgeplustert das Gefieder bei unterschiedlichen Temperaturen ist. Je kälter desto kompakter der schraffierte Körper.

B. Stephan: Die Amsel, Neue Brehm-Bücherei, Wittenberg Lutherstadt, 1985, S. 23/ VerlagsKG Wolf, Magdeburg)

Biologen haben schon viele Amseln gewogen und herausgefunden, dass sie in den Monaten Dezember und Januar am schwersten sind – sofern sie nicht durch Wintereinbrüche hungern mussten. Allerdings: Was heißt schon schwer. Der kleine Singvogel wiegt dann gerade mal 100 Gramm. Im Frühjahr schmelzen seine Fettreserven und er wiegt etwa 15 Gramm weniger. Das liegt bei den Weibchen am Eierlegen und der Brutpflege, bei den Männchen am aufwändigen Revierverhalten und seiner Rolle als Ernährer.

Standhaft bleiben

Im Frühjahr und Sommer ernähren sich Amseln von Insekten, Würmern und Schnecken, später steigen sie auf Beeren und andere Früchte um. In dieser Zeit bilden sie oft größere Trupps, fliegen hierhin und dorthin. Manche ziehen im Spätherbst, wenn sie Sträucher und Bäume fast leer gezupft haben, eine kurze oder größere Strecken in Richtung Westen oder Südwesten. Teilzieher werden sie daher auch genannt.

Weibliche Amsel frisst am verschneiten Boden Körnerfutter.

So kommt sie auch bei Schnee durch den Winter.

Vor allem in Städten bleiben viele als „Standvögel“ den ganzen Winter über vor Ort oder streichen nur ein wenig umher, da sie auf Terrassen, an Fenstern, in Gärten und Parks gefüttert werden. Und darauf kommt es an. Denn vor Kälte können Amseln sich gut schützen und selbst minus 20° Celsius überleben, indem sie völlig inaktiv verweilen und Sonnenstrahlen nutzen, um sich aufzuwärmen.

Weibliche Amsel sitzt auf dem verschneiten Boden zwischen Sträuchern und lässt sich von der Sonne bescheinen.

Und nach dem Fressen etwas Sonne mitnehmen.

Doch spätestens nach vier Tagen müssen Amseln fressen, sonst gehen ihre Fettreserven zur Neige. Zweidrittel des Fettpolsters einer Amsel sitzt unter der Haut, das andere Drittel ist zwischen den Eingeweiden eingelagert. Sie brauchen es zum einen als Isolationsschicht, zum anderen verbrennen sie den Energieträger Fett und halten so ihre Körperwärme weitgehend konstant. Nur bei großer Kälte senken sie nachts ihre Temperatur etwas ab. Burkhard Stephan fasst die Sachlage so zusammen (Die Amsel, Neue Brehm-Bücherei, Wittenberg Lutherstadt, 1985, S. 22):

Bei ausreichender Nahrung, d.h. genügend Fettreserven, können Amseln eine Umgebungstemperatur von -30° C überdauern. Bei dieser Umgebungstemperatur ist ihre Wärmeproduktion rund 5mal so hoch wie bei +20° C, d.h. Amseln erfrieren nicht, sondern verhungern.

Zwischen Himmel und Erde

Zurück zum Revier des Habichts. Dort hatte die Amseldame am späten Nachmittag ein gutes Plätzchen gewählt. Ganz in der Nähe steht ein Futterhäuschen unter einem großen Rhododendron, Meisenringe und Fettknödel hängen dort zusätzlich von den Zweigen. Davon fällt immer etwas zu Boden oder wird von Vogelliebhabern ausgestreut, was Amseln besonders recht ist. Sie picken Futter – und zwar nicht nur Regenwürmer – am liebsten vom Erdboden auf.

Vielleicht noch dies: Hoch oben in dieser Robinie singt keine andere Vogelart, sondern der männliche Artgenosse der Amseldame: ein „Amselhahn“ mit leuchtend gelbem Schnabel und Augenring. Wegen seines schwarzen Gefieders werden Amseln in manchen Regionen auch Schwarzdrossel genannt – das olivbraune Weibchen eingeschlossen.

Schwarzer Amselhahn mit gelbem Schnabel und gelbem Augenring sitzt auf dem Ast einer Robinie und singt.

Im Frühjahr: Der Amselhahn behauptet singend sein Revier.

 

Amsel oder Schwarzdrossel | Merle noir| Common Blackbird |Turdus merula

Liebe Fans meiner Fotos, ich freue mich, wenn euch das eine oder andere Foto so gefällt, dass ihr es von meiner Website herunterladen möchtet. Allerdings sind alle mit ©Copyright geschützt. Darum fragt mich bitte per E-Mail vor jedem Download. Elke Brüser

3 Kommentare

    • Hallo Heike, danke für deine Nachfrage – und punktgenau den Kommentar 200. Zunächst eine Info: Amseln sind Drosselvögel, und die Amsel wird auch Schwarzdrossel genannt. Dann eine Entwarnung: Das Virus tut uns nichts. Nun ein Tipp: Wenn sich eine Amsel herumquält, dann beobachten und die Info an den NABU für die Statistik weitergeben. Ist die Amsel gerade erst gestorben, kann man sie an den NABU oder das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin senden. Beim Anfassen aber vorsichtshalber Handschuhe verwenden …

  1. Liebe Elke, es müssen ja nicht immer Exoten sein, die unser Interesse auf sich lenken. Darum hat mich Dein Bericht über die Amsel gefreut :)) Bei dieser Gelegenheit habe ich den Unterschied zwischen Schwarz- und Rotdrossel herausgefunden,was mir bis dato immer unklar war.
    Die vielen Futterhäuschen in unserer Stadt sind ja lobenswert. Nur vergessen viele Spender, daß sie für Amseln meist ungeeignet sind und übergehen den Boden.

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  • Dr. Elisabeth Schnell-Rath zu Rostrot geschmücktWie wundervoll dieser Bericht wieder ist!!! Toll und herzlichen Dank dafür! Ja Bernd Pöppelmann malt sehr gelungene Bilder - übrigends auch sein Freund Claus Rabba… Darf ich bitte das wunderschöne Fot…
  • Elke Brüser zu Segler der AndenLiebe unbekannte Katja, da hast du mir mit deinem Kommentar heute Morgen aber große Freude geschenkt. Danke!
  • Katja Garni zu Segler der AndenHerzensDank für den so tiefgründigen Bericht ❣️ Ich liebe sie sehr die Könige der Lüfte … Und die Anden faszinieren mich schon geraume Zeit - WunderVolle Bilder und Erfahrungen teilst du mit uns teils…
  • Elke Brüser zu Rätselhafte MarmelenteDass die Chancen steigen, am Mittelmeer wieder öfter Marmelente zu beobachten, könnte auch daran liegen, dass es Wiederansiedlungsprojekte gibt, etwa auf Sizilien. Das erzählte mir gerade Jens Hering.…
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Frau mit Fernglas beobachtet etwas in der Ferne

Mit Fernglas und Kamera auf Vogel-„Jagd“ zu gehen, ist mancherorts geradezu ein Sport und von Wetteifer geprägt. Ich halte aber wenig davon, möglichst viele und auch seltene Arten aufspüren zu wollen, um sie akribisch in Listen zu erfassen. Mein Ding ist: stehen bleiben, lauschen und schauen, was Tiere so treiben.

Textes en français

Si cela t’intéresse: Ma chère amie Annie Riou a traduit quelques articles du blog en français. Et depuis 2023 Juliette Rakei, étudiante de la zoologie à Berlin et bilingue, fait des traductions. Merci! Tu les trouves ici.

Vogel des Jahres

Zwei schwarz-weiße Vögel mit teils schillernden Flügeln stehen sich gegenüber, unter ihnen ein kleiner Jungvogel.

2024  Der Kiebitz

Zwei Braunkehlchen sitzen auf einer Distelblüte, es sind Männchen und Weibchen.

2023  Das Braunkehlchen

Ein Rotkehlchen hockt auf einem Ast und füttert mit einem Wurm, den es im Schnabel hält, einen Jungvogel.

2022  Das Rotkehlchen

Wiedehopf mit gesträubter Haube - Ausschnitt aus einer Grafik im "Naumann" Bd.IV

2021  Der Wiedehopf

Eine rosabrüstige Taube sitzt auf einem Ast und blickt mit ihrem roten Auge zu uns.

2020  Die Turteltaube

Vier Lerchenvögel, in der Mitte ein adultes männliches Tier mit kleiner Holle.

2019  Die Feldlerche

Männlicher und weiblicher Star im Frühjahr im Prachtkleid - mit weißen Tupfern auf schwarzem Grund - auf einen Zweig sitzend.

2018  Der Star

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2017  Der Waldkauz

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2016  Der Stieglitz

Seevogel des Jahres

Ein Waldkauz sitzt auf einem Ast; kolorierte Zeichnung aus Brehms Tierleben.

2024  Der Sterntaucher

Brandseeschwalbe mit schwarzem Schädel und Mähne steht auf einem Felsen am Meer.

2023  Die Brandseeschwalbe

Ein möwenartiger Vogel steht auf einem Felsstein im nordisch anmutenden Meer

2022  Der Eissturmvogel

Der Jahresseevogel 2021 als Zeichnung: Zwei Weißwangengänse mit weißer Stirn und weißer Kehle vor einem nordischen Meer mit steilen Felsen.

2021  Die Weißwangengans

Auf einem Felsvorsprung am Meer steht eine Fluss-Seeschwalbe mit deutlich schwarzer Schnabelspitze. Links eine Zwergseeschwalbe und hinter ihr eine Küstenseeschwalbe.

2020  Die Fluss-Seeschwalbe

Eine schwarzweiß gemusterte Eiderente mit pfirsichfarbener Brust paddelt mit den Füßen im grünlich Meerwasser.

2019  Die Eiderente

Drei Sandregenpfeifer stehen am Meeresstrand. Links das Weibchen, rechts ein blasser gefärbter Jungvogel und in der Mitte das Männchen auf einem Stein. Jungtier

2018  Der Sandregenpfeifer

Vier Eisenten hocken auf Steinen im Wasser: großes männliches Tier mit brauner Brust, helleres weibliches Tier und zwei ebenfalls helle Jungvögel.

2017  Die Eisente

Drei Basstölpel in verschiedenen Altersstufen: weißes Baby, dunkler Jungvogel und weißer Altvogel mit gelblichem Kopf.

2016  Der Basstölpel

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