Vor wenigen Tagen war ich in jenem Park unterwegs, wo ich letztes Jahr im Februar ein flirtendes Habichtpaar beobachtet habe, später die Brutphase erlebte und verfolgen konnte, wie die drei Nestlinge zu munteren Ästlingen heranwuchsen. Jetzt wollte ich nach dem Habichtpaar Ausschau halten. Aber da gab es eine unerfreuliche Überraschung. – Und so kam mir ein wachsames Amselweibchen gerade recht.
Zunächst die Überraschung: Der Habichthorst ist bis auf wenige Reste zerstört. Nur ein paar Zweige hängen in der kräftigen Astgabel und bieten sich als Starthilfe für den Nestbau an. Der starke Sturm, der am 15. Oktober auch Berlin überrollte, hat das Geflecht von der Douglasie heruntergefegt. Das erzählten mir Habichtfreunde, die ebenfalls im Park nach dem Stand der Dinge schauten. – Jetzt bin ich gespannt, ob die Habichte den Horst wieder herrichten.
Es gab allerdings eine wirklich gute Nachricht. Die beiden Greifvogelfreunde haben das Männchen bereits zweimal gesichtet: Und nach dem Weibchen gerufen habe er auch schon. Ich sah an diesem trüben Nachmittag keinen Habicht mehr, dafür aber eine weibliche Amsel. Sie saß nahezu bewegungslos auf dem Zweig einer noch jungen Eiche.
Abwarten und aufplustern
Das hatte seinen Grund. Der Nachmittag neigte sich schon dem Ende zu, und es war kalt. Amseln, die bei uns überwintern, müssen mit ihrer Energie haushalten. Ihre Fettreserven, die sie sich im Herbst anfuttern, sollten sie lieber nicht aufs Spiel setzen. Darum bewegte diese Dame sich nicht von der Stelle und hatte ihr oliv-bräunliches Gefieder mit einem Hauch von Rostrot ordentlich aufgeplustert.
Die Temperaturen lagen wenige Grade über Null. Also nicht nötig, den Kopf ganz zwischen die Federn zu stecken, was bei Minusgraden ratsam ist und uns diese Grafik aus „Die Amsel“ wunderbar anschaulich erklärt. Und natürlich wollte die Amsel mich im Auge haben.
Biologen haben schon viele Amseln gewogen und herausgefunden, dass sie in den Monaten Dezember und Januar am schwersten sind – sofern sie nicht durch Wintereinbrüche hungern mussten. Allerdings: Was heißt schon schwer. Der kleine Singvogel wiegt dann gerade mal 100 Gramm. Im Frühjahr schmelzen seine Fettreserven und er wiegt etwa 15 Gramm weniger. Das liegt bei den Weibchen am Eierlegen und der Brutpflege, bei den Männchen am aufwändigen Revierverhalten und seiner Rolle als Ernährer.
Standhaft bleiben
Im Frühjahr und Sommer ernähren sich Amseln von Insekten, Würmern und Schnecken, später steigen sie auf Beeren und andere Früchte um. In dieser Zeit bilden sie oft größere Trupps, fliegen hierhin und dorthin. Manche ziehen im Spätherbst, wenn sie Sträucher und Bäume fast leer gezupft haben, eine kurze oder größere Strecken in Richtung Westen oder Südwesten. Teilzieher werden sie daher auch genannt.
Vor allem in Städten bleiben viele als „Standvögel“ den ganzen Winter über vor Ort oder streichen nur ein wenig umher, da sie auf Terrassen, an Fenstern, in Gärten und Parks gefüttert werden. Und darauf kommt es an. Denn vor Kälte können Amseln sich gut schützen und selbst minus 20° Celsius überleben, indem sie völlig inaktiv verweilen und Sonnenstrahlen nutzen, um sich aufzuwärmen.
Doch spätestens nach vier Tagen müssen Amseln fressen, sonst gehen ihre Fettreserven zur Neige. Zweidrittel des Fettpolsters einer Amsel sitzt unter der Haut, das andere Drittel ist zwischen den Eingeweiden eingelagert. Sie brauchen es zum einen als Isolationsschicht, zum anderen verbrennen sie den Energieträger Fett und halten so ihre Körperwärme weitgehend konstant. Nur bei großer Kälte senken sie nachts ihre Temperatur etwas ab. Burkhard Stephan fasst die Sachlage so zusammen (Die Amsel, Neue Brehm-Bücherei, Wittenberg Lutherstadt, 1985, S. 22):
Bei ausreichender Nahrung, d.h. genügend Fettreserven, können Amseln eine Umgebungstemperatur von -30° C überdauern. Bei dieser Umgebungstemperatur ist ihre Wärmeproduktion rund 5mal so hoch wie bei +20° C, d.h. Amseln erfrieren nicht, sondern verhungern.
Zwischen Himmel und Erde
Zurück zum Revier des Habichts. Dort hatte die Amseldame am späten Nachmittag ein gutes Plätzchen gewählt. Ganz in der Nähe steht ein Futterhäuschen unter einem großen Rhododendron, Meisenringe und Fettknödel hängen dort zusätzlich von den Zweigen. Davon fällt immer etwas zu Boden oder wird von Vogelliebhabern ausgestreut, was Amseln besonders recht ist. Sie picken Futter – und zwar nicht nur Regenwürmer – am liebsten vom Erdboden auf.
Vielleicht noch dies: Hoch oben in dieser Robinie singt keine andere Vogelart, sondern der männliche Artgenosse der Amseldame: ein „Amselhahn“ mit leuchtend gelbem Schnabel und Augenring. Wegen seines schwarzen Gefieders werden Amseln in manchen Regionen auch Schwarzdrossel genannt – das olivbraune Weibchen eingeschlossen.
Amsel oder Schwarzdrossel | Merle noir| Common Blackbird |Turdus merula
Usutu oder die „Amselgrippe“ erwischt wohl auch die Drosseln… Bei uns hängen so viele Drosseln lurig im Garten rum. Zwei sind bislang leider gestorben. Packt man am besten in die Mülltonne, oder? Kann mich bestimmt auch anstecken, gell?
Interessanter Artikel im Weser-Kurier: https://www.weser-kurier.de/region/die-norddeutsche_artikel,-viele-tote-und-erkrankte-voegel-in-der-region-bremen-_arid,1763802.html
Hallo Heike, danke für deine Nachfrage – und punktgenau den Kommentar 200. Zunächst eine Info: Amseln sind Drosselvögel, und die Amsel wird auch Schwarzdrossel genannt. Dann eine Entwarnung: Das Virus tut uns nichts. Nun ein Tipp: Wenn sich eine Amsel herumquält, dann beobachten und die Info an den NABU für die Statistik weitergeben. Ist die Amsel gerade erst gestorben, kann man sie an den NABU oder das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin senden. Beim Anfassen aber vorsichtshalber Handschuhe verwenden …
Liebe Elke, es müssen ja nicht immer Exoten sein, die unser Interesse auf sich lenken. Darum hat mich Dein Bericht über die Amsel gefreut :)) Bei dieser Gelegenheit habe ich den Unterschied zwischen Schwarz- und Rotdrossel herausgefunden,was mir bis dato immer unklar war.
Die vielen Futterhäuschen in unserer Stadt sind ja lobenswert. Nur vergessen viele Spender, daß sie für Amseln meist ungeeignet sind und übergehen den Boden.